Internationale Liga für
Menschenrechte
Berlin
08.12.2003
Solidaritäts-Erklärung
von internationalen Menschenrechts- und Juristenorganisationen
zum Brief der 27 israelischen Piloten
an den Chef der Luftstreitkräfte Generalmajor Dan Chalutz
Zahlreiche internationale
Menschenrechts- und Juristenvereinigungen haben am Wochenende dem Botschafter
des Staates Israel in Berlin eine öffentliche Erklärung übermittelt. In dieser
Erklärung solidarisieren sich die unterzeichneten Organisationen, unter ihnen
die Internationale Liga für Menschenrechte, mit den 27 Piloten der
israelischen Luftwaffe, die sich gegenüber dem Chef der Luftstreitkräfte
Israels, General Dan Chalutz, weigerten, künftig “Befehle auszuführen, die
rechtswidrig und unmoralisch sind wie die Angriffe, die der Staat Israel in den
besetzten (palästinensischen) Gebieten unternimmt”, “an Luftangriffen auf
Wohngebiete teilzunehmen” und “unschuldigen Zivilisten weiterhin Schaden
zuzufügen”.
Der Brief der 27 Piloten an Chalutz ist ein
„beeindruckendes Dokument moralischer Aufrichtigkeit und Entschiedenheit“,
heißt es in der Solidaritätserklärung. Die Unterzeichner wenden sich gegen alle
Versuche israelischer Journalisten und Politiker, diese mutigen Piloten als
”Verräter” und ”Putschisten” zu beschimpfen und sie in ihrer Reputation zu
beschädigen. In der Erklärung heißt es wörtlich: „Der Staat Israel und seine
Bevölkerung können stolz darauf sein, dass hochrangige Offiziere seiner Luftwaffe
blinden Kadaver-Gehorsam ablehnen und die Mitwirkung an Kriegsverbrechen verweigern.“
Dabei stellten die Piloten ebenso wenig wie die Unterzeichner das Recht
Israels in Frage, sich gegen terroristische Gewalt, die sich ihrerseits gegen
die Zivilbevölkerung richtet, „mit angemessenen
- legalen - Mitteln zur Wehr zu setzen“.
Im Anhang
ist die Solidaritätserklärung in vollem Wortlaut mitsamt den unterzeichneten
Organisationen und einer Auswahl von Einzelpersonen abgedruckt. Wir bitten um
Beachtung.
i.V.
Dr. Rolf Gössner
Präsident
der Internationalen Liga für Menschenrechte
Solidaritäts-Erklärung
zum Brief der 27
israelischen Piloten vom 25. September 2003
an den Chef der Luftstreitkräfte Generalmajor Dan Chalutz
1. Wir begrüßen mit Hochachtung und großem Respekt den mutigen Schritt der 27 Piloten der israelischen Luftwaffe
- unter anderem Brigadegeneral Yiftav Spector,
Oberst Yigal Shohat, Oberst Ran, Oberstleutnant Yoel Piterberg, Oberstleutnant
David Yisraeli, Oberstleutnant Adam Netzer, Oberstleutnant Avner Ra’anan,
Oberstleutnant Gideon Shaham, Major Haggai Tamir, Major Amir Massad, Major
Gideon Dror, Major David Marcus, Major Professor Motti Peri, Major Yotam, Major
Zeev Reshef, Major Reuven, Hauptmann Assaf, Hauptmann Tomer, Hauptmann Ron,
Hauptmann Yonatan, Hauptmann Allon und Hauptmann Amnon -,
den sie mit ihrem dem Chef der israelischen
Luftstreitkräfte, General Dan Chalutz überreichten Brief unternommen haben.
In diesem Brief erklären sie,
-
dass sie es künftig ablehnen, ”Befehle auszuführen, die rechtswidrig und
unmoralisch sind wie die Angriffe, die der Staat Israel in den besetzten
(palästinensischen) Gebieten unternimmt”,
- dass sie es ferner ablehnen, ”an Luftangriffen auf
Wohngebiete teilzunehmen” und
- dass sie sich weigern, ”unschuldigen Zivilisten
weiterhin Schaden zuzufügen”.
Denn diese Aktionen seien ”rechtswidrig und unmoralisch und eine unmittelbare Folge der anhaltenden Besetzung, welche die israelische Gesellschaft als Ganze korrumpiert”.
2.
Der Brief der 27 Piloten ist ein beeindruckendes Dokument moralischer
Aufrichtigkeit und Entschiedenheit. Diese Soldaten sind nicht länger bereit,
dem überkommenen Grundsatz ”Befehl ist Befehl” selbst dann zu folgen, wenn die
Ausführung des Befehls geltendes Kriegsvölkerrecht verletzt.
Diese Soldaten können sich mit ihrer Haltung nicht nur
auf die ”Nürnberger Prinzipien” berufen, die 1945/46 von den Gerichten der
Alliierten in den Nürnberger und Tokioer
Kriegsverbrecher-Prozessen herausgearbeitet und später von der
UN-Generalversammlung durch nahezu einstimmigen Beschluss als geltendes
Völker-Gewohnheitsrecht festgestellt worden sind.
Auch das in den Genfer Konventionen kodifizierte
Kriegsvölkerrecht verlangt, dass militärische Angriffe nur gegen Angehörige
gegnerischer Streitkräfte geführt und dementsprechend Zivilpersonen und ziviles
Eigentum nicht als militärische Ziele behandelt werden dürfen.
Militärische Befehlshaber und Vorgesetzte, die Befehle erteilen, die diese fundamentalen Rechtspflichten missachten oder die solch schwere Rechtsbrüche dulden, begehen Kriegsverbrechen und müssen mit ihrer Bestrafung rechnen.
3. Wir wenden uns gegen
alle Versuche israelischer Journalisten und Politiker, die mutigen 27 Piloten
als ”Verräter” und ”Putschisten” zu beschimpfen und sie in ihrer Reputation zu
beschädigen. Der Staat Israel und seine Bevölkerung können stolz darauf sein,
dass hochrangige Offiziere seiner Luftwaffe blinden Kadaver-Gehorsam ablehnen und
die Mitwirkung an Kriegsverbrechen verweigern. Dabei stellen sie ebenso wenig
wie wir das Recht Israels in Frage, sich gegen terroristische Gewalt mit
angemessenen - legalen - Mitteln zur Wehr zu setzen.
November/Dezember 2003
Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:
Dr.Bernd
Asbrock für die Fachgruppe Richter/Staatsanwälte in ver.di
ASM
(Association Syndicale des Magistrats, Richtervereinigung), Belgien
Eric David,
Professor für internationales öffentl. und
Strafrecht, Freie Universität Brüssel
EJJP-Deutschland
(European Jews for a Just Peace -
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost)
RA Dr.
Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte
Humanistische
Union, Bundesvorstand
IALANA, Vorstand der Deutschen Sektion, (Internat. Association of
Lawyers against Nuclear Arms),
Internationale
Liga für Menschenrechte ,
Berlin
Livio Pepino (Richter, Italien), Präsident der Magistratura
Democratica
Juan Ignazio Patrone, (Richter Italien), Präsident
MEDEL
(Magistrats Européens pour la Democratie et les
Libertés),
Miguel Carmona,
Vizepräsident MEDEL (Richter, Spanien),
Marie-Anne
Swartenbroeckx, Generalsekretärin MEDEL (Staatsanwältin, Belgien)
Michal Kaiser-Livneh,
AK Nahost Berlin und Gründungsmitglied der Jüdischen
Stimme
für gerechten Frieden in Nahost - EJJP Deutschland.
RA
Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV (
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)
NRV (Neue
Richtervereinigung, Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen
und Staatsanwälten e.V.),
Prof.
Dr. Fanny-Michaela Reisin (Berlin), Gründungsmitglied der Deutschen
Sektion der
European
Jews for a Just Peace - Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
RA
Thomas Schmidt, Generalsekretär der Europäischen Vereinigung von
Juristinnen
und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt
RA
Hannes Honecker, Geschäftsführer RAV, Berlin
Bundesausschuss Friedensratschlag
Peter Strutynski (Sprecher Bundesausschuss
Friedensratschlag)
Clemens Ronnefeldt, Referent für
Friedensfragen beim Internationalen Versöhnungsbund - Deutscher Zweig
Einzelunterzeichner (Auswahl):
Johannes Ahlefeldt, Berlin; Dr. Susanne Asche, Karlsruhe; Ruth Braun, Karlsruhe; Hannah Drexel, Berlin; Lothar Eberhardt, Berlin ; Sara Harbova, Berlin; Henrike Hopf, Berlin; Helge Löw, Berlin; Peter Mendelsohn, Berlin; Jonas Lühnemann, Berlin; Björn Rohde-Liebenau, Berlin; Klaus Rürup, Karlsruhe; Marianne Siemes, Berlin; Holger Skidzun, Berlin; Freddy Skidzun, Berlin, Prof. Teja Tscharnke, Göttingen...