24. August 2005
IRAN:
Nach Amtsantritt des neuen Staatspräsidenten
gehen Menschenrechtsverletzungen unvermindert weiter
Liga
nennt Fälle systematischer Menschenrechtsverletzungen im Iran
und fordert unverzügliche Konsequenzen von Seiten der Bundesregierung und der
EU
Die Islamische Republik Iran missachtet und
verletzt die Menschenrechte nach wie vor systematisch. Der neue iranische
Staatspräsident, Mahmoud Ahmadinejad, gilt als Vertreter des iranischen
Staatsterrorismus, wie er sich seit Gründung dieses Regimes etabliert und
entwickelt hat. Der religiöse Hardliner soll persönlich für
Menschenrechtsverletzungen und mehrere Hinrichtungen verantwortlich sein. Und
er soll im Jahr 1989 auch in die Ermordung von drei iranisch-kurdischen Oppositionellen
in Wien verwickelt gewesen sein.
Besonders in der
"Kurdenfrage" des Iran ist in letzter Zeit eine Eskalation zu
verzeichnen. Im Iran leben über sechs Millionen Kurden. Seit Monaten gehen
viele von ihnen auf die Straße, um ihrer Forderung nach demokratischen Rechten
und Freiheiten Ausdruck zu verleihen. Die kurdische Bevölkerung ist in
besonderem Maße der staatlichen Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt, von
Folterungen und politischen Morden betroffen. Unter dem neuen Präsidenten
Mahmoud Ahmadinejad droht sich die Situation, die in der Bundesrepublik kaum
zur Kenntnis genommen wird, noch zu verschärfen. Außer Kurden sind insbesondere
Regimekritiker, Menschenrechtsaktivisten, Rechtsanwälte, Journalisten,
Frauenrechtlerinnen, Frauen und Homosexuelle der Repression des iranischen
Regimes ausgeliefert, wie die Fälle aus letzter Zeit eindrucksvoll bestätigen
(s. Fallschilderungen im Anhang).
Die „Internationale Liga für Menschenrechte“ hat sich zum Iran des Öfteren zu Wort gemeldet und die dortige Menschenrechtssituation nachdrücklich verurteilt; das gilt auch für die aktuellen Menschenrechtsverletzungen. Die Liga verurteilt aber auch die bundesdeutsche Praxis, Asylberechtigungen von hier lebenden Iranern vermehrt zu widerrufen und sie einer drohenden Abschiebung in den Iran auszusetzen (vgl. Liga-Pressemitteilung vom 28.01. 2005: „Liga hält Welle von Widerrufsverfahren gegen Asylberechtigte für einen Skandal“). Die Liga hält diese Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge weiterhin für einen Skandal, denn der Widerruf von Asylberechtigungen verstößt in vielen dieser Fälle gegen völkerrechtliche Standards und gefährdet die betroffenen Flüchtlinge. Der Entzug des Asylstatus’ beschädigt die soziale Existenz der Betroffenen und schwächt ihren Schutz vor Auslieferung an Verfolgerstaaten, wo sie der Gefahr von Folter, Misshandlung und Mord ausgesetzt wären.
Dass iranische Flüchtlinge - trotz der katastrophalen Menschenrechtssituation und enormer Gefährdung - tatsächlich in den Iran abgeschoben werden können, zeigte der Fall der nicht asylberechtigten Zahra Kameli, deren Abschiebung Anfang dieses Jahres erst in allerletzter Minute verhindert werden konnte – dank des öffentlichen Protests und der Zivilcourage eines Flugkapitäns, der sich weigerte, die gesundheitlich angeschlagene Zahra Kameli gegen ihren Willen nach Teheran auszufliegen. Kameli wäre als „Ehebrecherin“ und zum Christentum konvertierte ehemalige Muslima im Iran akut mit Folter, Steinigung und Tod bedroht gewesen.
Die „Internationale Liga für Menschenrechte“ fordert die zuständigen Bundes- und Länderbehörden eindringlich auf, gefährdete Menschen nicht in den Iran abzuschieben – aber auch nicht in andere Länder, in denen die Menschenrechtslage prekär ist. Die Liga bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Union während der diesjährigen Tagung der UN-Menschenrechtskommission keine Resolution zu den staatlich angeordneten, systematischen und massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran eingebracht hat. Die Liga hält es für einen internationalen Skandal, dass die Universalität der Menschenrechte offenbar unter die Räder des internationalen Antiterrorkampfes geraten ist und den (bislang eher erfolglosen) Verhandlungen der EU über das Nuklearprogramm des Iran zum Opfer zu fallen droht. Strategische Militär- und Wirtschaftsinteressen der europäischen und deutschen Außenpolitik dürfen nach Auffassung der Liga den notwendigen Menschenrechtsdialog nicht weiter verdrängen.
Die „Internationale Liga für Menschenrechte“ sieht in Sachen Iran gerade nach dem Amtsantritt des neuen Staatspräsidenten akuten Handlungsbedarf für Bundesregierung und Europäische Union. Sie müssen verstärkt ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommen, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um Teheran zu veranlassen, die systematischen Menschenrechtsverletzungen abzustellen und unabhängige internationale Untersuchungsdelegationen ins Land zu lassen.
Die Liga möchte im Folgenden auf einige wenige
aktuelle Fälle hinweisen:
Repression gegen Kurden
Mitte
Juli wurde in der Stadt Mahabad der politische Aktivist Kamal Asfarum ermordet.
Er hatte sich aktiv für die Rechte der Kurden im Iran eingesetzt. Die Regierung
in Teheran hingegen bezeichnet den Getöteten, der im Iran auch unter dem Namen
Shwane Seyed-Ghaderi bekannt ist, als Unruhestifter und rückt ihn in die Nähe
eines Kriminellen. Seine offensichtliche Ermordung durch Sicherheitsagenten des
Regimes in Teheran (so die Deutsche Welle, 21.08.05) hat einen wütenden
Aufstand in der iranischen Provinz Kurdistan provoziert.
Aus Protest gegen das brutale Vorgehen der
Sicherheitskräfte befinden sich ganze kurdische Städte im Streik und ihre Bevölkerung
leistet zivilen Widerstand gegen tägliche Attacken von Seiten der iranischen
Sicherheitskräfte. Während der Protestaktionen sind Dutzende von Menschen
getötet, Hunderte verletzt und verhaftet worden.
Am
2. August 2005 wurden die „Ashti-Zeitung“ und die Wochenzeitung „Asu“ in
iranisch Kurdistan verboten. Die Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Dr. Roya
Toloui wurde in ihrer Heimatstadt Sanandaj mit der Begründung verhaftet, sie
habe "Friedenstörung" und "Handlungen gegen die nationale
Sicherheit" begangen. Sie beklagt eine anhaltende Diskriminierung der Kurden,
obwohl diese sich durchaus als iranische Staatsbürger verstünden.
Auch
in einem UN-Bericht ist dem Teheraner Regime unlängst Diskriminierung der von
kurdischen und anderen ethnischen Minderheiten besiedelten Gebiete vorgeworfen
worden: In den Kurden-Regionen sei die Wasser- und Stromversorgung besonders schlecht,
hieß es in dem UN-Bericht, und auch der Aufbau der Infrastruktur dort sei
völlig unzureichend.
Die
Liga fordert eine unabhängige Aufklärung sämtlicher Todesfälle und die
Bestrafung der Täter. Die Liga fordert darüber hinaus eine unverzügliche Freilassung
von Dr. Roya Toloui, eine Wiederzulassung der verbotenen Zeitungen und die
Beendigung der Diskriminierung der kurdischen Bevölkerung.
Akbar Ganji ist einer
der bekanntesten Journalisten im Iran und einer der schärfsten Kritiker des herrschenden
islamischen Regime. Er sitzt im Gefängnis und schwebt in Lebensgefahr. Er war
wegen seiner
unmenschlichen Behandlung in Haft mehr als 60 Tage
lang in den Hungerstreik getreten. Er musste wegen akuter Lebensgefahr ins
Krankenhaus eingeliefert werden, wo ihn seine Familie und Anwälte nicht
besuchen durften. Laut BBC hat Akbar Ganji inzwischen seinen Hungerstreik
beendet. Gesundheitlich befindet er sich in einer kritischen Lage, auch wenn
sich sein Zustand stabilisiert. Weiterhin ist er einem enormen politischen
Druck seitens der Revolutionsführer und Justizbeamten ausgesetzt.
Die
Liga fordert, Akbar Ganji
bedingungslos freizulassen, weil er lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung
Gebrauch gemacht hat.
Rechtsanwalt Abdolfattah Soltani, Mitbegründer des
Forums für Menschenrechtsanwälte (zu denen auch die Friedensnobelpreisträgerin
Shirin Ebadi zählt) wurde am 30. Juli 2005 auf Befehl des Teheraner
Generalstaatsanwalts Said Mortazavi verhaftet. Dieser Staatsanwalt ist
verantwortlich für den Tod der iranisch-kanadischen Foto-Journalistin Zahra
Kazemi, die während ihrer Gefangenschaft im Juni 2003 gestorben ist. Der
inhaftierte Soltani gehört zu jenen Anwälten, die sich um die
Aufklärung dieses Todesfalls kümmern. Seine Verhaftung, die sich einige Tage
vor Beendigung des Gerichtsverfahrens in diesem Fall ereignete, soll offenbar
all jene Anwälte einschüchtern, die die Todesumstände Kazemis aufzudecken
versuchen. Soltani ist an einen unbekannten Ort verbracht worden. Die Iranische
Justiz behauptet, dass Soltani aus ganz anderen Gründen verhaftet worden
sei. Er wird beschuldigt, „vertrauliche Informationen über Nuklear-Spione
innerhalb und außerhalb des Landes zu verbreiten“.
Der iranische Rechtsanwalt Nasser Zarafshan hatte
nach den Serienmorden an Politikern und Schriftstellern im Jahr 1998 seine
ganze Kraft dafür eingesetzt, die Drahtzieher für diese Morde dingfest zu
machen. Er war Rechtsbeistand einiger Familien der Opfer dieser Morde. Er hatte
sich kritisch zu diesem Fall und zu den Ermittlungen geäußert. Deshalb ist er
verhaftet und nach einem unfairen, nichtöffentlichen Prozess von einem
Militärgericht zu fünf Jahren Gefängnis und 50 Peitschenhieben verurteilt
worden. Seit August 2002 ist er im berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis
inhaftiert. Im Juni 2005 trat er in einen unbefristeten Hungerstreik. Nachdem
er wegen akuten Nierenversagens notoperiert werden musste, ist er unmittelbar
nach dieser Operation wieder in das Gefängnis verlegt worden.
Die Liga fordert, die genannten Anwälte bedingungslos freizulassen, weil sie lediglich
ihren Berufspflichten nachgekommen sind und von ihrem Recht auf freie
Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben.
Zwei Homosexuelle, Farbod Mostear und Ahmad Chooka,
beide 27 Jahre alt, sind von einem Gericht in der iranischen Stadt Arak zum
Tode verurteilt worden. Die Todesurteil sind vom obersten iranischen
Gerichtshof bestätigt worden. Die beiden können sich keinen Rechtsbeistand
leisten. Sie sollen am 27. August 2005 öffentlich gehängt werden.
Eine Frau namens Fatemeh (es ist nur der Vorname
bekannt) ist von einem Teheraner Gericht zur Steinigung verurteilt worden. Die
iranische Zeitung „Iran“ hat das Urteil am 16. Mai 2005 bekannt gegeben.
Die Liga fordert,
alle anstehenden bzw. beschlossenen Hinrichtungen/Steinigungen sofort zu
stoppen, ebenso andere barbarische Strafen und Folterungen. Sie fordert die
Freilassung politischer Gefangener und ordentliche Gerichtsverfahren gegen die
für Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Personen.