30. Mai 2006

Internationale Liga für Menschenrechte begrüßt Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegen skandalösen Fluggast-Datentransfer an US-Sicherheitsbehörden

Liga-Präsident Rolf Gössner:
Mit dieser Entscheidung des Gerichtshof haben Bürgerrechte und Datenschutz einen wichtigen Sieg errungen - gegen die Unterwerfung der EU unter das Antiterror-Diktat der USA.“

Die „Internationale Liga für Menschenrechte“ begrüßt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, mit der die Übermittlung europäischer Fluggastdaten an US-Sicherheitsbehörden für rechtswidrig erklärt wird. Die dem skandalösen Daten-Transfer zugrundeliegenden Entscheidungen des EU-Ministerrats und der Kommission hat das Gericht für nichtig erklärt.

Mit dem geschlossenen Abkommen der EU mit den USA erhält die US-„Heimatschutz“-Behörde elektronischen Direktzugriff auf 34 Einzeldaten umfassende Fluggast-Datensätze aus allen europäischen Flug-Buchungssystemen. Von dem transatlantischen Datentransfer sind jährlich über zehn Millionen Flugpassagiere aus Europa, die in die USA fliegen oder über die USA weiterreisen, unmittelbar betroffen. Diese EU-Entscheidung war gefällt worden gegen das ausdrückliche Votum der EU-Datenschutzbeauftragten und des Europäischen Parlaments, das dagegen Klage erhoben hat.

Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner: „Die deutsche Bundesregierung hatte dem Abkommen mit den USA trotz der massiven Bedenken zugestimmt und steht damit einmal mehr in der Kritik, gesetzes- und verfassungswidrige Entscheidungen getroffen zu haben. Das Zustandekommen dieser Vereinbarung mit den USA gegen das Votum des Europäischen Parlaments ist ein eklatantes Beispiel für das notorische Demokratiedefizit in der EU, das sich nach dem 11.09.2001 noch erheblich verschärft hat. Damit unterwarf sich die EU der Sicherheitspolitik der US-Regierung, die im „Kampf gegen den Terrorismus“ kaum noch rechtsstaatliche Grenzen kennt. Das Europäische Parlament hat nun mit seiner Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einen wichtigen Sieg errungen – und damit auch die Bürgerrechte und der europäische Datenschutz.“

Die systematische Weitergabe von teilweise hochsensiblen Fluggast-Daten - wie Reiseverlauf, Hotelbuchungen, Kreditkarten, Telefonnummern oder Essgewohnheiten greift tief in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ein. Sie verstößt nach Auffassung der Liga gegen Grundrechte und völkerrechtlich garantierte Prinzipien des Datenschutzes und damit gegen essentielle Schutzpflichten der EU-Organe gegenüber den Menschenrechten der EU-Bürgerinnen und –Bürger. Im übrigen gibt es keinen ausreichenden Schutz für die übermittelten Daten und keinen wirksamen Rechtsschutz. Dieser Auffassung ist das Gericht nun gefolgt.

Rolf Gössner weist auf die besonderen Risiken hin, die mit diesem illegalen Datentransfer verbunden sind: „Fluggäste aus EU-Staaten in die USA sind damit praktisch zu gläsernen Passagieren geworden. Sie müssen damit rechnen, dass sie zu Opfern rigider Anti-Terror-Maßnahmen werden und sich wie Verbrecher behandeln lassen müssen.“ Die Übermittlung sensibler Daten an US-Sicherheitsorgane könne letztlich zu peinlichen Verhören und erkennungsdienstlicher Behandlung, zu willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen und schließlich zu Ausweisungen auch vollkommen unschuldiger Personen führen – ohne Begründung und ohne die Möglichkeit, einen Anwalt oder die deutsche Botschaft einzuschalten. Beispiele hierfür gebe es leider schon genug.

Nach dem Urteil wird es darauf ankommen, die enormen Datensammlungen, die inzwischen zustande gekommen sind und die über drei Jahre gespeichert werden (unter bestimmten Bedingungen aber auch zehn Jahre oder länger), endgültig zu löschen. Dafür steht die EU nun in der Pflicht. Es muss darüber hinaus verhindert werden, dass die Fluggesellschaften weiterhin faktisch zum Datentransfer genötigt werden, in dem die US-Behörden im Falle von Datenverweigerung mit Landeverboten drohen.