06. September
2004
>Internationale Liga für
Menschenrechte<
verurteilt Berufsverbotsfall in Baden-Württemberg
Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner:
„Die Nichteinstellung des Heidelberger Realschullehrers ist ein
unverhältnismäßiger Vorgang
und verstößt gegen verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte“
Wer glaubte, in der Bundesrepublik gehörten Berufsverbote aus politischen
Gründen der Vergangenheit an, wird mit dem neuesten Vorfall in
Baden-Württemberg eines Besseren belehrt. Dem Heidelberger Realschullehrer
Michael Csaszkóczy ist Ende August von der baden-württembergischen
Kultusministerin Annette Schavan (CDU) die Einstellung in den Staatsdienst
verweigert worden. Begründet wird die Entscheidung damit, dass sich der Lehrer
in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg engagiere, die gegen fremdenfeindliche
und neonazistische Bestrebungen aktiv ist. Diese legale Initiative sei
linksextremistisch und befürworte Militanz, so der baden-württembergische
Verfassungsschutz, der Csaszkóczy schon seit mehr als einem Jahrzehnt
überwacht.
Aus seinen antifaschistischen
Aktivitäten in jener Initiative leitet das Kultusministerium Zweifel an der
Verfassungstreue des Lehramtsanwärters ab. Wer Mitglied einer „extremistischen
Vereinigung“ sei, könne nicht Lehrer an einer öffentlichen Schule werden. Der
Betroffene habe sich nicht von der Initiative distanziert; ihm werden jedoch
persönlich keine gesetzwidrigen Aktivitäten vorgeworfen.
„Mit diesem verfassungsschädlichen Berufsverbot wird ein engagierter
Antifaschist aus Gesinnungsgründen vom Schuldienst ferngehalten, dem
persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen und der für den Lehrerberuf bestens
qualifiziert ist“, stellt Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner fest: „Das ist ein
Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Berufsfreiheit.“
Diese politisch motivierte und diskriminierende Entscheidung basiere auf den
zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen des „Verfassungsschutzes“, dessen
geheimdienstliches Wirken im Zusammenhang mit der berüchtigten
Berufsverbote-Praxis der 70er und 80er Jahre das politisch-kulturelle Klima der
damaligen Bundesrepublik vergiftete.
Die Bundesrepublik
Deutschland ist schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbotes vom Internationalen
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden – wegen Verstoßes
gegen die Menschenrechte. Auch der neueste Fall gehört vor Gericht –
notfalls durch alle Instanzen bis zum Internationalen Gerichtshof. Um eine
solch langwierige Prozedur zu vermeiden, fordert die Internationale Liga für
Menschenrechte die Kultusministerin auf, ihre Entscheidung zu revidieren und
Michael Csaszkóczy umgehend als Lehrer im Angestelltenverhältnis einzustellen.
Liga-Präsident Gössner: „Solchen Anfängen einer neuen Berufsverbote-Politik
muss schnellstmöglich Einhalt geboten werden, damit nicht weitere
Lebensperspektiven und Berufskarrieren zerstört werden.“