10 Jahre GRUNDRECHTE-REPORT - Neuerscheinung am 22. Mai 2006

Müller-Heidelberg / Finckh / Steven / Kühn / Micksch / Kaleck / Kutscha / Gössner / Schreiber (Hg.)

GRUNDRECHTE-REPORT 2006

Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland

Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt/M. Juni 2006

256 Seiten, ISBN: 3-596-17177-6; Preis 9,95 €

Neue Internet-Adresse: www.grundrechte-report.de

 

Der „GRUNDRECHTE-REPORT - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ erscheint jährlich im Fischer-Verlag, Frankfurt/M. Herausgeber sind neun namhafte Bürger­rechts­organisationen, zu denen seit 2005 auch die „Internationale Liga für Menschenrechte“ gehört; außerdem: Gustav-Heinemann-Initiative, Humanistische Union, Ko­mitee für Grundrechte und Demokratie, Pro Asyl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwaltsverein, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Neue Richtervereinigung und Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen. Der Report ist erstmals 1997 als eine Art „alternativer Verfassungsschutzbericht“ erschienen. Wie immer, so erscheint er auch dieses Jahr zum Tag des Grundgesetzes (Pressekonferenz in Karlsruhe am 22.05.2006).

Der Report spiegelt ein breites Spektrum der deutschen Bürgerrechtsbewegung wider und gibt einen guten Überblick über die „Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“. Auch in diesem Jahrbuch wird anhand zahlreicher aktueller und besorgniserregender Fälle dokumentiert, wie im Namen des Anti-Terror-Kampfes, im Namen der Sicherheit und umstrittener Sparzwänge Menschenwürde und Menschenrechte zur Disposition stehen – sowohl die klassisch bürgerlichen als auch die sozialen. Indem das Buch Demokratiedefizite deutlich herausstellt und Maß­nahmen zu ihrer Beseitigung vorschlägt, liefert es einen engagierten Beitrag zur Demokratisierung.

Es folgen: Vorwort der Herausgeber sowie Inhaltsverzeichnis des Grundrechte-Reports 2006

10 Jahre Grundrechte-Report
Vorwort der Herausgeber

 

Vor 10 Jahren, 1997, erschien der erste Grundrechte-Report, vorgelegt von den vier Bürgerrechtsorganisationen Humanistischen Union, Gustav-Heinemann-Initiative, Komitee für Grund­rechte und Demokratie sowie Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen. Das seinerzeitige Vorwort, die Philosophie des Grundrechte-Reports als Alternativer Verfassungsschutzbericht, haben wir in diesem Band wieder abgedruckt.

Was hat sich in diesen 10 Jahren verändert? Der Kreis der herausgebenden Organisationen hat sich erweitert. Hinzugetreten sind ProAsyl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, die Internationale Liga für Menschenrechte und die Neue Richtervereinigung. Der jährlich zum Verfassungstag erscheinende Grundrechte-Report hat sich zum Sprachrohr all derjenigen Organisationen entwickelt, die sich für die Menschen- und Bürgerrechte, für den demokratischen Rechtsstaat einsetzen.

Dabei zeigt sich bei einem Vergleich, dass die Themen des ersten und des zehnten Bandes schwerpunktmäßig dieselben sind: Zwar werden naturgemäß, da der Grundrechte-Report jeweils über das abgelaufene Jahr informiert, unterschiedliche Fälle, Urteile, Gesetzgebungsvorhaben und Verwaltungspraktiken geschildert. Aber es geht unverändert um besorgniserregende Entwicklungen und Übergriffe von Polizei und Nachrichtendiensten, um Verletzungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts, um die überhandnehmende Überwachung und damit Verletzung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung, um Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, um Asyl-, Ausländer- und Flüchtlingsrecht, um die Trennung von Staat und Kirche, um die vom Grundgesetz geforderte Friedensstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und um die Auswirkungen europäischer Politik und Maßnahmen auf die Bürger- und Menschenrechte. Lediglich der Bericht über ein „Grundrecht“ beansprucht allerdings zunehmend Raum im Grundrechte-Report: Die verfassungsrechtlich in Art. 20 Grundgesetz gesicherte Sozialstaatlichkeit wird immer mehr in Frage gestellt und ausgehöhlt.

Nichts geändert hat sich auch an der Grundthese der Herausgeber, Jahr für Jahr durch die Realität bestätigt, dass ernsthafte Gefahren für unseren freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat mit seinen Bürger- und Menschenrechten weniger ausgehen von sog. Verfassungsfeinden und verfassungsfeindlichen Bestrebungen, sondern in erster Linie vom Staat und seinen Institutionen, und daher der Schutz der Verfassung nicht etwa in den Händen der Verfassungsschutzbehörden liegt, sondern Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger ist. Ebenso ist die Feststellung im Vorwort des ersten Grundrechte-Reports leider immer noch richtig, dass Gegenstand positiver Berichte – leider – nur Gerichtsentscheidungen sind, nicht staatliches Handeln. Allerdings gleicht die Reaktion des Gesetzgebers auf beschränkende Gerichtsurteile einer Hydra – auf verfassungswidrige Gesetze folgt eine Reihe von neuen Gesetzesinitiativen, die der alten Intention weitgehender Eingriffsermächtigung entsprechen und die gerichtlichen Vorgaben allenfalls rhetorisch-symbolisch aufgreifen. Die Berichte über Entwicklungen im Bereich der Überwachung von Bürgern und Bürgerinnen in diesem Report (Großer Lauschangriff, Telekommunikationsüberwachung und kumulierte Überwachung samt GPS) geben ein beredtes Zeugnis. Indes gilt es auch eine Ausnahme zu berichten: Während 1997 keine einzige gesetzgeberische Initiative auszumachen war, die einen Ausbau der Bürger- und Menschenrechte zum Ziel hatte, kann im vorliegenden Grundrechte-Report immerhin über das neu verabschiedete, wenn auch mangelhafte, Informationsfreiheitsgesetz  berichtet werden.

Angesichts der Bedrohungen und Einschränkungen der Bürger- und Menschenrechte durch die öffentliche Gewalt im Namen einer angeblichen Sicherheit ist dem zehnten Grundrechte-Report dasselbe Wort des amerikanischen „Verfassungsvaters“ Benjamin Franklin voranzustellen wie dem ersten Grundrechte-Report: „Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.“                                                                          

Inhalt

                Vorwort der Herausgeber

         10 Jahre Grundrechte-Report

            Till Müller-Heidelberg

         Wer schützt die Verfassung?  Vorwort des Grundrechte-Reports 1997

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar (Art. 1 I)

Ulrich Engelfried

         Formalie ohne Inhalt? Der Richtervorbehalt im Betreuungs- und Unterbringungsrecht

 

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 I)

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

         Der Fall Khaled el Masri   Regierungen im Zwiespalt zwischen Terrorbekämpfung und   Menschenrechten

Heiner Busch

         Kontrollwahn ohne Sinn und Verstand  Jedermann wird erkennungsdienstlich behandelt!

Christoph Bruch

         Ein Hauch von Transparenz  Das neue Informationsfreiheitsgesetz des Bundes

Thilo Weichert

         Scoring  Die statistische Verbraucher-Diskriminierung

Martin Beck

         Ortungsstaat BRD  Polizei darf auf Schritt und Tritt, aber nicht rundum bewachen

Martina Kant

         Die Illusion der Freiwilligkeit   DNA-Reihenuntersuchungen nach Sexualdelikten

Helmut Pollähne

         Von Tüten und Lappen  Oder: Freie Fahrt für »highe« Bürger?

Jörg Alt

         Schulbildung versus Aufenthaltskontrolle  Ein unlösbarer Konflikt?

 

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (Art. 3 I)

Rolf Gössner

         Gesinnungstest für Muslime  Diskriminierende Einbürgerungspraxis in Baden-Württemberg

Heiko Habbe

         Moscheegänger unter Kontrolldruck Repressionen gegen Muslime auf zweifelhafter Grundlage

 

Die Freiheit des Glaubens und des Gewissens ist unverletzlich (Art. 4)

Ulrich Finckh

         Gewissen vor Befehl   Das Bundesverwaltungsgericht sichert die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten

Ulrich Finckh

         Wenn Fundamentalisten Toleranz fordern

 

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern (Art. 5)

Anja Lederer

         Staatsschutz vs. Pressefreiheit

Elke Steven

         Zu Unrecht verfolgt  Soldaten dürfen zu rechtmäßigem Verhalten aufgefordert werden

Martin Singe

         Freiheitsrechte aufgehoben   Der Besuch von US-Präsident George W. Bush in Mainz

 

Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen
mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach (Art. 7 III)

Gerd Eggers

         Gericht bricht Kirchenmonopol
Das Ende der Diskriminierung von Weltanschauungsgemeinschaften an öff. Schulen

            Emanuel Towfigh

         Der lange Weg zur Gleichbehandlung  Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen

 

Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet (Art. 8)

Elke Steven

         Die Versammlungsfreiheit stirbt scheibchenweise

Rainer Deppe/Christa Sonnenfeld

         Abschiebegegner ohne Rechte

Ulrike Donat

         »Gefährderanschreiben« gefährden Freiheitsrechte

 

Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet (Art. 9)

Markus Büchting

         Zum schwarz ärgern  Verhinderung von Betriebsratsgründungen in Lidl-Filialen

 

Das Fernmeldegeheimnis ist unverletzlich (Art. 10)

Martin Kutscha

         Die Polizei darf nicht alles wissen  Auch das Fernmeldegeheimnis enthält absolut geschützten Kernbereich

Nils Leopold

         450 Millionen Europäer unter Generalverdacht  Die europäische Vorratsdatenspeicherung kommt

 

Die Wohnung ist unverletzlich (Art. 13)

Till Müller-Heidelberg

         Denn sie wissen, was sie tun   Verfassungsfeinde in Bundesregierung und Bundestag

Till Müller-Heidelberg

         BGH setzt Verfassungsrecht gegen Lauschangriff durch

Julia Kühn

         Ausufernder Durchsuchungspraxis Grenzen gesetzt
Bundesverfassungsgericht schützt Unverletzlichkeit der Wohnung

 

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht (Art. 16a)

Nele Allenberg

         Besserer Schutz für verfolgte Frauen? Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung in der Praxis

Volker Beck

         Asyl und Standesamt  Verfolgung wegen sexueller Orientierung bagatellisiert

Fanny Dethloff

         Aufwachen erlaubt!  Abschiebungen in Krisengebiete

 

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 I)

Jürgen Rose

         Auftrag Menschenjagd  Kommandosoldaten der Bundeswehr im schmutzigen Krieg am Hindukusch

 

Wolf-Dieter Narr

         Grundrechte im Irrgarten des Polizeirechts

Udo Geiger

         Liebe in Zeiten von Hartz IV  Hausbesuch vom JobCenter

 

Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 III)

Norbert Pütter

         Strafvereitelung im Amt  Zwiespältiger Beschluss des LG Cottbus zu verfassungsschützerischer V-Mann-Arbeit

Eckart Spoo

         Ist Kritik am Kapitalismus verfassungsfeindlich? 
Der Geheimdienst darf die öff. Meinungsbildung nicht einschränken

 

Die Bundesrepublik wirkt bei der Entwicklung der Europäischen Union mit (Art. 23)

Wolfgang Kaleck

         Auf ein Neues: Der Europäische Haftbefehl

Karl Kopp

         Eiserner Vorhang der EU  Europäische Flüchtlingsabwehr wider das Völkerrecht

 

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes (Art. 25)

Barbara Lochbihler

         Aufklärung und Prävention   Die offenen Aufgaben der Bundesregierung im Kampf
gegen den Terrorismus mit Blick auf die Menschenrechte

Michael Bothe/Andreas Fischer-Lescano

         Die Folterungen in Abu Ghraib und das deutsche Völkerstrafgesetzbuch

Norman Paech

         Die Brücke von Varvarin  Haftung für Angriffe auf zivile Ziele im Krieg gegen Ex-Jugoslawien

 

Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden (Art. 104)

Ron Steinke

         Die Zelle im zweiten Stock   Grundrechtsverletzungen durch die Ausländerbehörde

 

Anhang

             Chronologie 2005

             Bürger- und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland (Auswahl)

             Kurzportraits der herausgebenden Organisationen

             Autorinnen, Autoren und Redaktion

             Abkürzungen

             Sachregister