Rolf
Gössner
Ein diskriminierter Staat
Berufsverbot bestätigt:
Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe
spricht ein illiberaler, staatsautoritärer Geist vergangen geglaubter Zeiten
Wer
den Prozess von Michael Csaszkóczy gegen das Land Baden-Württemberg vor dem
Verwaltungsgericht Karlsruhe beobachtet hat, konnte bereits erahnen, dass die Richter die Klage abweisen würden. Csaszkóczy prozessierte gegen ein bundesweit
einzigartiges Berufsverbot, das vom Kultusministerium bereits 2004 gegen ihn
verhängt worden war, als er beabsichtigte, Realschullehrer im öffentlichen Schuldienst
zu werden. Das Ministerium hatte dies mit seinem Engagement in einer »linksextremen«
Initiative gegen neonazistische Bestrebungen begründet. Ein Antifaschist als
Lehrer – das geht im Ländle offenbar zu weit, weckt Zweifel an der
Verfassungstreue des Kandidaten.
Doch
Csaszkóczys Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Aus der nun
vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung spricht ein illiberaler,
staatsautoritärer Geist vergangen geglaubter Zeiten. Bereits während der
Gerichtsverhandlung äußerte der Vorsitzende Richter »Anlass zur Befürchtung«,
dass der Kläger gerade in seinen Fächern Deutsch und Geschichte »ein Bild
unseres Staates« zeichne und an Schüler weitergebe, »das von Seiten des Landes
als diskriminierend angesehen wird«. Der von einem Realschullehrer
diskriminierte Staat – auf ein solches Bedrohungsszenario wäre noch nicht
einmal der Landesvertreter gekommen.
Was
hat Michael Csaszkóczy verbrochen, was hat er geschrieben oder gesagt, dass von
Amts wegen so über ihn
gesprochen wird? Weder während der
mündlichen Verhandlung noch im Urteil werden dem Kläger persönliches Fehlverhalten
oder gar verfassungsfeindliche Aktionen zur Last gelegt – im Gegenteil: Von
allen Seiten wird ihm bescheinigt, Engagement und Zivilcourage gegen Rechtsextremismus
zu zeigen, friedliebend und für seinen Beruf bestens qualifiziert zu sein. Nie
habe er während seiner Referendarzeit versucht, Schüler zu indoktrinieren.
Was
also macht ihn in den Augen des Gerichts für den Lehrerberuf untragbar? Es ist
allein seine Mitgliedschaft in der »Antifaschistischen Initiative Heidelberg«
(AIHD). Diese Gruppe sei »linksextremistisch«, schließlich sei auf der
AIHD-Homepage von Militanz die Rede und davon, dass sich auf parlamentarischem Weg die Unterdrückungsverhältnisse nicht grundlegend
verändern ließen. Kein einziger eigener Text, keine einzige eigene Rede,
keine einzige konkrete Handlung wird Csaszkóczy angelastet, sondern ausschließlich
fremde Texte. Zum Verhängnis wird ihm letztlich sein politisches
Umfeld – also seine politischen Kontakte zu inkriminierten Gruppen wie der
AIHD, aber auch der »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes« oder der
»Roten Hilfe«. Da nutzte es dem Kläger nichts, dass er vor Gericht ausdrücklich
die Verfassung bejahte, Gewalt gegen Personen und Sachen ablehnte und auch den
Parlamentarismus befürwortete. Damit mochte sich das Gericht nicht zufrieden geben,
denn es fordert von einem Staatsdiener weit mehr: nämlich ein »positives, ein
besonderes Treueverhältnis zum Staat« – und zwar zu diesem unseren Staat, so
wie er ist, »nicht zu einem gewünschten, fiktiven«, wie er dem Kläger
möglicherweise vorschwebt.
Aber
es sei doch legitim, versucht Michael Csaszkóczy einzuwenden, Missstände in
Staat und Gesellschaft aufzuzeigen. Denn: »Auch der Staat muss doch kritisiert
werden dürfen – das gehört zur Demokratie.« Dem konnte sich das Gericht zwar
nicht verschließen, aber die AIHD ginge zu weit. Diese Gruppierung rufe zum
antifaschistischen Kampf auf, weil gewalttätige rassistische Angriffe zur
Normalität geworden seien; es gebe einen »immer drastischer werdenden
Rechtsruck in Staat, Parteien und großen Teilen der Gesellschaft« und ein Bruch
mit der NS-Vergangenheit sei nur „vermeintlich“ vollzogen worden. »Mit solchen
Ausführungen werden die Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates und
seiner Verfassung mit Augenmaß weit überschritten«, wettert das Gericht in
seinem Urteil: »Hier wird die Bundesrepublik Deutschland haltlos angegriffen
und diffamiert, es wird kaum verhüllt zum Kampf gegen die Grundlagen unseres
Staates und die ihn tragende Gesellschaft aufgerufen.«
Auch
wenn der Kläger als »engagierter Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen
mit der Staatsmacht« geschildert werde, so schließe dies »eine tiefgreifend
negative Einstellung gegenüber unserem Staat und seiner Verfassungsordnung
nicht aus«. Denn: »Auch wer aus übersteigerter Sensibilität für bestimmte
positive Prinzipien oder aus lebensfremdem Idealismus heraus unseren Staat und
das Handeln seiner Verfassungsorgane wegen stets möglicher Missstände verachtet,
grundsätzlich ablehnt und bekämpft, ist als Beamter dieses Staates ungeeignet,
weil er die besondere politische Treuepflicht wegen seiner ablehnenden inneren
Einstellung nicht garantieren kann.« Weil die inkriminierten Texte fraglos
nicht vom Kläger stammen, findet das Gericht folgenden Dreh: »Auch wer aus
moralischem Rigorismus, Naivität oder Leichtgläubigkeit eine Gruppe
unterstützt, von der sich ein Beamter distanzieren müsste, handelt gegen die
beamtenrechtliche Treuepflicht.«
Es
dürfte wohl gerechtfertigt sein, angesichts solcher Sätze von einem
Staatsschutz-Urteil zu sprechen, denn die Richter argumentieren nicht so sehr
verfassungs- und demokratieorientiert als vielmehr staatsfixiert – die
Staatstreue wird zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Argumentation, mit der das
Duckmäusertum im öffentlichen Dienst gefördert, ein mehr als zweifelhaftes
Berufsverbot gerichtlich abgesegnet und an die berüchtigte Berufsverbotspolitik
früherer Jahrzehnte angeknüpft wird.
Es ist daran zu erinnern, dass die Bundesrepublik Deutschland schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbots vom Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden ist – nachdem die deutschen Gerichte durch alle Instanzen hindurch jenes Verbot für rechtens erklärt hatten. Insofern ist es durchaus sinnvoll, dass Michael Csaszkóczy, mit Unterstützung der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird – auch wenn der Weg durch die Instanzen mühsam, kostenträchtig und lebenszeitraubend ist.
Dr. Rolf Gössner, Rechtsanwalt
und Publizist, hat im Auftrag der Internationalen Liga für Menschenrechte, des
Komitees für Grundrechte und Demokratie und des Republikanischen Anwältinnen-
und Anwaltsvereins den Berufsverbotsprozess beobachtet.
Das Gericht fordert von einem Staatsdiener mehr als die Befürwortung der Verfassung und des Parlamentarismus: ein »positives, ein besonderes Treueverhältnis zum Staat«
31.03.2006