Der Senator für Inneres und Sport    30. März 2009                    Bearbeiter: Herr Bull

        

 

Vorlage für die Sitzung der  staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

am 16.04.2009

 

Zu Punkt 2 der Tagesordnung     Vorlage 17/86

 

Bericht über die Deputationsreise in die Partnerstadt Izmir

 

A. Sachdarstellung

Vom 3. bis zum 6. März 2009 fand eine Deputationsreise nach Izmir statt, an der elf Mitglieder der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres teilgenommen haben.

 

B. Beschlussvorschlag

Die staatliche Deputation für Inneres stimmt dem beigefügten Bericht über die Depu-tationsreise nach Izmir zu und bittet um Weiterleitung an die Bremische Bürgerschaft.

 

Bericht der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres über die Depu-tationsreise in die Partnerstadt Izmir vom 3.-6. März 2009

Die staatliche und städtische Deputation für Inneres hat in ihrer Sitzung am 04.12.2008 eine Deputationsreise nach Izmir beschlossen, die der Präsident der Bremischen Bürgerschaft am 12.12.2008 genehmigt hat.

An der Reise nahmen folgende Personen teil:  

Ulrich Mäurer Vors. der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres 

Björn Fecker  Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

Fritz Gierschewski Mitglied der staatlichen Deputation für Inneres

Dr. Rolf Gössner Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

Wilhelm Hinners Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

Erwin Knäpper Mitglied der städtischen Deputation für Inneres

Susanne Kröhl Mitglied der städtischen Deputation für Inneres

Silvia Neumeyer Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

Wolfgang Schmidt Mitglied der staatlichen Deputation für Inneres

Sükrü Senkal Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Kultur

Björn Tschöpe Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

Valentina Tuchel Mitglied der städtischen Deputation für Inneres

Uwe Woltemath Mitglied der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

 

Die Reisegruppe wurde durch folgende Personen begleitet:

Ingo Biniok  Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Bremen

Olaf Bull  Persönlicher Referent des Senators für Inneres und Sport

Peter Czerwinski Polizei Bremen, K 63

Uwe Hoffmann Referatsleiter beim Senator für Inneres und Sport

Rüdiger Pervelz  Polizei Bremen, K 63

 

Der Reiseverlauf stellte sich chronologisch wie folgt dar:

Dienstag, 3. März 2009

Nach Ankunft und Begrüßung am Flughafen durch den deutschen Generalkonsul in Izmir, Herrn Stefan Schneider, waren die Reiseteilnehmer zu einem Abendempfang im Privatwohnsitz des deutschen Generalkonsuls geladen.

Der Empfang bot eine erste Gelegenheit zu Gesprächen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur. In einer Ansprache betonte Generalkonsul Schneider die westliche, sehr europäische Prägung Izmirs und die Bedeutung der Städtepartnerschaft mit Bremen. 

 

Mittwoch, 4. März 2009

Gespräch mit Herrn Günhan Sarikaya, 

Stellvertretender Gouverneur, Leiter der Hafenbehörde

 Die Delegation hatte am ersten Besuchstag zunächst Gelegenheit, Izmir als Hafenmetropole kennen zu lernen. In einem Gespräch mit dem Leiter der Hafenbehörde, Herrn Günhan Sarikaya, wurde den Deputierten die Bedeutung des Hafens und sei-ne 5.500-jährige Tradition beschrieben. 

 Die geographisch besonders vorteilhafte Lage Izmirs habe dazu beigetragen, dass die meisten der türkischen Exporte über die See von Izmir aus abgewickelt werden. Auch bei den Importen würde Izmir einen Spitzenplatz belegen. Die türkischen Häfen würden bislang einer staatlichen Steuerung unterliegen, durch die Konkurrenzsituationen ausgeglichen werden können.

 Für den Hafen von Izmir würde eine Kapazitätserhöhung angestrebt. Um umfangreiche Investitionen in das Hafenbecken und die Hafenanlagen finanzieren zu können, würde seit anderthalb Jahren die Privatisierung des Hafens betrieben. Dieser Prozess sei aber ins Stocken geraten aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen der Stadt Izmir und des Investors, aber auch wegen heftiger Proteste der über 600 Beschäftigten.

Im Gespräch wurde deutlich, dass die Häfen von Izmir und Bremen mit den gleichen Folgen durch die internationale Wirtschaftskrise umzugehen haben. Insbesondere der Umschlag von Automobilen habe in beiden Städten nachgelassen.

 Auf eine Nachfrage zu den Maßnahmen hinsichtlich der Hafensicherheit in Izmir wurde entgegnet, dass der ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) eingehalten würde und der Hafen, für den vier Polizei- und Rettungsboote zur Verfügung stünden, dementsprechend zertifiziert sei. 

 Während in Touristenorten wie Antalya zur Verhinderung von terroristischen Angriffen vom Meer aus Stahlbarrieren auf dem Meeresgrund platziert worden seien, würden in Izmir andere Probleme mit Priorität versehen. Die Türkei müsse als klassisches Transitland besondere Anstrengungen zur Bekämpfung des Schmuggels von Drogen und Menschen leisten. Zu diesem Zwecke würden alle Warencontainer mit Röntgengeräten untersucht. Mit der Verhinderung dieser illegalen Geschäfte würde gleichzeitig eine wichtige Geldquelle für den Terror der PKK zum Versiegen gebracht. Bei der Terrorismusbekämpfung bescheinigten sich die Gesprächsteilnehmer eine sehr effektive Zusammenarbeit. 

Bei einer abschließenden Rundfahrt auf dem Hafengelände wurden der Delegation die zum Ausschiffen bereitstehenden Pkws, aber auch große Mengen an Teilen für Windkrafträdern gezeigt. 

Gespräch mit Herrn Mustafa Aydin, 

Stellvertretender Gouverneur, Leiter des Krisenreaktionszentrums

 Durch einen Besuch im regionalen Krisenreaktionszentrum wollten sich die Teilnehmer mit den möglichen Krisenfälle für Izmir vertraut machen und zugleich erfahren, wie im Krisenfall schnelle Hilfe gewährleistet würde.

 Der Leiter der Einrichtung, Herr Mustafa Aydin, informierte die Delegation über seinen Verantwortungsbereich. In einer Kerneinheit von achtzehn Mitarbeitern würden für ausgewählte Szenarien zivile Aktionspläne entwickelt, die die gesamte Hilfskette abdecken. Zur wissenschaftlichen Beratung bei dieser Aufgabe sei ein begleitendes Gremium eingerichtet worden. 

Im Unglücksfall stünden für die schnelle Rettung vor Ort 525 Personen, aufgeteilt in sechzehn Gruppen, zur Verfügung. Dazu kämen 425 kurzfristig mobilisierbare ehrenamtliche Helfer, die entsprechend ausgebildet seien. Eine Gruppe von weiteren 2.000 Personen seien durch Schulungen für wichtige Rettungsaufgaben qualifiziert worden. Zum Kreise weiterer Kooperationspartner würde u.a. der Rote Halbmond zählen, dessen Hilfe im Krisenfall zur Einrichtung von Unterkünften und Verpflegung sehr geschätzt würde. 

Ein unterstützender Einsatz durch das Militär sei nur zulässig, wenn der Gouverneur dies im Krisenfall explizit anfordere. Die Möglichkeit für ein solches Ersuchen habe sich aber bereits mehrfach bewährt angesichts der enormen Mobilitätsvorteile des Militärs.

 Die Organisation der Krisenhilfe ist so gestaltet, dass sie insbesondere den Folgen eines schweren Erdbebens gerecht wird. Weitere Krisenfälle natürlichen Ursprungs wie z.B. Überschwemmungen, Erdrutsche und Waldbrände würden in die Planungen einbezogen. 

Der Leiter des Krisenreaktionszentrums berichtete von einer Krisenreaktionszeit von höchstens zwei Stunden; diese würde in regelmäßigen Großübungen überprüft.

 Die technische Ausstattung sei gut. Allerdings würde der Digitalfunk im Katastrophenschutz erst im Jahre 2011 flächendeckend eingeführt sein. Auch stünde noch kein Geoinformationssystem zur Verfügung, das alle Hilfseinheiten nutzen könnten.

 Herr Senator Mäurer berichtete von der Organisation des Katastrophenschutzes in Bremen. Ergänzend plädierte er dafür, dass sich  die Träger des Katastrophenschutzes in Deutschland künftig mehr der Integration zugewanderter Menschen annehmen sollten. Insbesondere die Feuerwehren seien gefragt, sich mehr für ein Engagement junger Migrantinnen und Migranten zu öffnen. 

Gespräch mit Herrn Yener Ülgütol, 

Leiter der Kriminalabteilung der Polizei Izmir

 Bei einem Zusammentreffen mit Herrn Yener Ülgütol, Leiter der Kriminalpolizei Izmir, wurden der Delegation mehrere Projekte vorgestellt, die aufgrund ihres großen Erfolgs nunmehr schrittweise auf alle Polizeien der Türkei ausgeweitet werden.

 Für die Sicherheit der knapp 3 Mio. Einwohner Izmirs arbeiten ca. 10.000 Polizisten und 1.000 Polizistinnen (Vergleich Bremen: ca. 2.500/550.000).

 Seit 2005, mit Antritt des neuen Polizeipräsidenten, Herrn Hüseyin Capkin, gelten zwei zentrale Zielsetzungen für die Polizeiarbeit: 

1. Verstärkung der Polizeipräsenz im öffentlichen Raum

2. und Verbesserung der Eintreffzeiten.

Diese Ziele seien mit den folgenden drei Leitprojekten erreicht worden: 

1. Einrichten von „Teams für die öffentliche Ordnung“

Nach einer Zusammenlegung der Einsatzdistrikte wurden 1.326 Mitarbeiter in Teams für die öffentliche Ordnung organisiert, die fortan im Dreischichtsystem in den Distrikten eingesetzt wurden. Die Einsatzstreifenwagen wurden mit speziellen GPS-Ortungsgeräten ausgestattet, um in der Einsatzzentrale mittels einer großen Leinwand und entsprechender IT-Unterstützung eine moderne Einsatzsteuerung vornehmen zu können. Die Teams haben die Vorgabe, nicht länger als 20 Minuten an einem Ort zu verbleiben und ständig nach Vorgaben der Einsatzzentrale im Einsatzgebiet zu rotieren. 

Das System habe zu einer Verbesserung der Eintreffzeit auf 3-4 Minuten geführt. 

2. Einrichten von „Friedensteams“

Als Reaktion auf das erhebliche Aufkommen an Straßenraub, insbesondere im historischen Basarviertel, wurden zur Ergänzung der Teams für die öffentliche Ordnung 67 sog. Friedensteams mit 134 speziell ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten für den verdeckten Einsatz gebildet. Die an einer Mitarbeit interessierten Personen müssten eine besondere Kenntnis der Einsatzschwerpunkte vorweisen und unterliefen nach ihrer Auswahl eine mehrstufige Ausbildung in Theorie und Praxis. Dazu gehöre der Unterricht in einer personenorientierten Ermittlungsstrategie und in einer besonderen Kampftechnik.

 

Den verdeckten Ermittlern sei es möglich, verkleidet als Gärtner, Bettler, Straßenverkäufer o.ä., die Täter auf frischer Tat zu erwischen. Der Delegation wurde berichtet, dass die verdeckten Ermittler bei ihrer Arbeit durch die Kaufleute unterstützt würden. 

Bei der Strategie, verdeckte Ermittler flächendeckend und sehr offensiv einzusetzen, würde keine Verunsicherung durch eine womöglich überzogene Überwachung der Bürgerinnen und Bürger befürchtet. Die Bevölkerung würde verdeckte Ermittlungen deutlich befürworten. 

Auf Nachfrage wurde versichert, dass ein Agieren als „agent provocateur“, z.B. als Drogenhändler, nach geltendem Recht hingegen nicht zulässig wäre.  

3. Einrichten von Motorradteams („Delfine“)

Um den Mobilitätsgrad der Polizei weiter zu erhöhen und enge und verwinkelte Straßen besser befahren zu können, wurden als weitere Ergänzung Motorradteams mit insgesamt 124 - ausschließlich männlichen - Polizeikräften eingerichtet, die in Doppelstreifen im Einsatzgebiet rotieren würden. Diese besonders ausgebildete Gruppe, die aufgrund ihrer besonderen Wendigkeit „Delfine“ genannt würde, sei ein wichtiger Imageträger für die Polizei. 

4. Einrichten von Schulteams

Als besonders wichtiger Teil der Präventionsarbeit wurden den Deputierten die so genannten Schulteams vorgestellt. Für die mehr als 500.000 Schülerinnen und Schüler in Izmir seien 80 Mitarbeiter nach einem Auswahlverfahren in Zusammenarbeit mit der Universität in Kommunikation und Psychologie geschult worden, um in Zweierteams Kriminalitätsproblemen an Schulen mit ziviler Präsenz vor Ort zu begegnen. Die Teams würden eng mit den Schulleitungen zusammenarbeiten und suchten den Kontakt zu gefährdeten Schülerinnen und Schülern. Die Schulen würden für diese Arbeit vorab kategorisiert und in Handlungskonzepte einbezogen.

Die vier dargestellten Teams müssten sich regelmäßigen Leistungskontrollen unterziehen. Für die Messung des Erfolgs sei ein Punktesystem entwickelt worden, auf dessen Grundlage über Belohnung oder Bestrafung, d.h. Leistungszulagen oder Versetzungen, entschieden würde. Die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und die besten Teams - würden jeweils öffentlichkeitswirksam gekürt. Dieses System, so die Antwort auf eine Nachfrage, fände breite Akzeptanz unter den Mitarbeitern und hätte erhebliche Leistungsreserven freigesetzt. 

Zum Abschluss des Gesprächs lud Herr Senator Mäurer Herrn Ülgütol zu einem Gegenbesuch nach Bremen ein.  

Besuch des Spezialeinsatzkommandos am Flughafen Izmir

Zur gezielten Terrorismusbekämpfung wurden im Jahre 1983 in 48 von 81 Regionen der Türkei innerhalb der Polizeien Sondereinsatzkommandos gebildet. Seit Gründung der Einheiten waren 280 Opfer in Einsätzen auf Seiten der Polizei zu beklagen. Den Kommandos stehen für die Bewältigung von Terrorlagen unterschiedlichster Art besondere Ausstattungen und Waffen zur Verfügung.

Die Einheit in Izmir besteht aus 130 Kräften (Mindestalter 27 Jahre), die sich ständig in erhöhter Alarmbereitschaft für einen Spezialeinsatz bereithalten. Die körperliche und geistige Fitness wird in wöchentlichen Test überprüft. Die Einsatzkräfte stellten dies mit einer Simulation unterschiedlicher Einsatzsituationen unter Beweis. 

 

Donnerstag, 4. März 2009 
Gespräch mit Herrn Aziz Kocaoglu, Oberbürgermeister der Stadt Izmir

 Oberbürgermeister Kocaoglu betonte bei der Begrüßung der Delegation die Nähe der deutschen und türkischen Bevölkerung zueinander und verband diese Feststellung mit einem Werben für eine Unterstützung der Aufnahme der Türkei in die EU. 

 Die Türkei garantiere als laizistischer Staat eine klare Trennung von Staat und Religion. Er setze sich persönlich für die Grundlagen des Staates nach Atatürk ein. Islamistische Strömungen seien als Nährboden für Terrorismus zu bekämpfen.

 Das türkische Parteiensystem habe zwar starke Fliehkräfte, Herr Kocaoglu zeigte sich aber zuversichtlich, dass er und seine im Umbruch befindliche Partei, die Republikanische Volkspartei, gestärkt aus den Kommunalwahlen am 29. März hervorgehen w

 Senator Mäurer betonte, wie modern die Türkei mittlerweile von Deutschland und Bremen aus wahrgenommen würde; die Reise der Deputation trage hierzu auch bei. 

 Eine Herausforderung für Izmir wie für Bremen sei die Integration von Zugewanderten. Der Oberbürgermeister empfahl hierzu ein früh einsetzendes Patenschaftsmodell, das er in Izmir für die zugewanderten Menschen aus dem Osten der Türkei ein-gesetzt habe. 

Senator Mäurer dankte für die große Gastfreundschaft und sprach eine Gegeneinladung nach Bremen aus.  

Gespräch mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen

 Die Deputierten hatten im Vorfeld der Reise den Wunsch geäußert, nicht nur staatliche Organisationen zu treffen, sondern auch Menschenrechtsorganisationen nach Ihrer Einschätzung der Entwicklung und Situation der Bürger- und Menschenrechte zu befragen.

 Die Deputierten erhielten eine umfassende Darstellung von Vertretern unterschiedlicher Organisationen (u.a. Verein für Menschenrechte), die sich in einem Verbund organisiert haben. Gemeinsame Ziele sind die Hilfe für Opfer von physischer und psychischer Folter, die Dokumentation von Menschenrechtsverstößen (u.a. auf Protestkundgebungen) und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. 

Das Thema Folter könne nicht als abgeschlossen betrachtet werden, wenngleich die Zahl der Vorfälle deutlich rückläufig seien. Im Jahre 2008 wurden durch Personen, die bei den Organisationen vorstellig wurden, 269 Fälle von Folter beklagt. Die Folter bestünde zumeist in exzessiver Gewalt durch Polizistinnen und Polizisten gegen Demonstranten (u. a. durch den Einsatz von Pfeffersprays und Plastikgeschossen). Das unverhältnismäßige Einschreiten an Ort und Stelle würde die bisher ausgeübte Folter im Gewahrsam – ein Teilnehmer beschrieb, dass er in den 80er Jahren mit   Elektroschock gefoltert wurde - ersetzen. Den Polizistinnen und Polizisten würde nicht in der Ausbildung beigebracht, wie Gewalt vermieden werden könne, obgleich es dazu kurzzeitig ein entsprechendes Projekt mit Unterstützung durch Hamburger Beamte gegeben habe.

 Diese Taten würden durchgehend ungesühnt bleiben. Während Anzeigen gegen Demonstranten regelmäßig zu Verurteilung führten, würden alle Anzeigen gegen die Polizei schlichtweg ignoriert oder zumindest eingestellt. Ein Beschwerdemanagement sei bei der Polizei auch nicht vorhanden. Es wurde auch beklagt, dass die einzelnen Polizistinnen und Polizisten nicht zu identifizieren seien, so dass individuelle Anzeigen unmöglich wären.

 Schwere Vorwürfe wurden erhoben hinsichtlich von Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Während die Gesetzeslage mittlerweile Demonstrationen nach vorheriger Anmeldung ohne Genehmigung zuließe, würde in der Praxis eine Genehmigung vorausgesetzt, die zumeist abgelehnt würde. Auch das öffentliche Aufrufen für zugelassene Protestkundgebungen durch die Versammlungsleitung würden sabotiert. Die Versammlungsleitungen würden durch fingierte Verhöre und Durchsuchungen ohne richterliche Anordnungen schikaniert.

 Die Vereine beklagten nicht nur, dass ihre geringen finanziellen Mittel, die sie von privaten Spendern erhalten, einer unverhältnismäßig strengen staatlichen Kontrolle unterlägen. Sie würden auch ständig von der Polizei abgehört und beobachtet.  

Sie selbst seien alles andere als Staatsfeinde, sie setzten sich nur für Kontrolle der Staatsgewalt, eine weitere Demokratisierung und eine neue Verfassung mit sozialen Rechten ein. Die staatlichen Organe würden eine ideologische Auseinandersetzung führen. 

Der im Gespräch erhobene Vorwurf, die Aktivisten stünden unter durchgängiger staatlicher Überwachung, gewann an zusätzlicher Glaubhaftigkeit durch die Anwesenheit zweier nicht identifizierbarer Personen, die vermutlich im Auftrag staatlicher Institutionen einen Tonmitschnitt des Treffens machen wollten. Der Vorfall geschah im Beisein des deutschen Generalkonsuls Stefan Schneider, der den Vorfall in geeigneter Form rügen wird. 

Die Deputierten brachten in der Diskussion ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass der Frage der Menschenrechte im Beitrittsprozess zur Europäischen Union eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen werden müsse.

Feierstunde mit Herrn Ender Yorgancilar, Präsident der Ägäischen Industrie-kammer (EBSO) und Herrn Sayıl Dincsoy, Vorstand des Verbands der deutsch-türkischen Unternehmer

 In einer Videopräsentation wurde der Delegation zu Beginn ein Eindruck von der Stärke der wachsenden Wirtschaftsregion Izmir und der Türkei insgesamt vermittelt. 

 Herr Yorgancilar betonte die Bedeutung der kommerziellen Beziehungen von Deutschland und der Türkei. Die deutsch-türkische Beziehung würde als „Prüfstein“ für einen späteren EU-Beitritt angesehen.

 Der Präsident der Ägäischen Industriekammer, die 1927 gegründet wurde und die einzige Regionalkammer der Türkei ist, warb dafür, dass Bremer Unternehmen Investitionen in die Region Izmir tätigen. 

Senator Mäurer betonte in seiner Ansprache, dass die nach Bremen zugewanderten Türken ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens seien. Dennoch müssten die Integrationsbemühungen weiter verstärkt werden.

 Senator Mäurer nahm stellvertretend für den Bremer Senat den Wunsch nach einer intensiveren wirtschaftlichen Kooperation auf und versprach, dieses Ansinnen dem zuständigen Wirtschaftssenator Nagel zu übermitteln. In diesem Zusammenhang schlug er auch den Besuch einer Wirtschaftsdelegation in Bremen vor. 

Gespräch mit Herrn Dr. Hans-Werner Schmidt, Leiter des Goethe-Instituts

 Das Goethe-Institut ist der zentrale Träger der auswärtigen Kulturpolitik Deutsch-lands mit 138 Niederlassungen in 74 Ländern.

 Die Dependance in Izmir ist in vier Abteilungen gegliedert (Sprachabteilung, Bildungskooperationen, Bibliothek und Programmabteilung).

 In der Sprachabteilung würden nach Angaben des Leiters jährlich 3.350 Schülerinnen und Schüler in 14.400 Unterrichtseinheiten in deutscher Sprache geschult und 3.400 Prüfungen abgehalten.

Herr Dr. Schmidt berichte ausführlich über das seit kurzem für einen Ehegattennachzug nach Deutschland erforderliche Sprachniveau „A 1“. Die politische Strategie hinter dieser Anforderung nenne sich „Vorintegration“. Für das als angemessen zu betrachtende Niveau würden jährlich ca. 1.000 Schülerinnen und Schülern in 160 Unterrichtseinheiten unterrichtet. Zur abschließenden Prüfung käme etwa die gleiche Anzahl an Probanden hinzu, die den Vorbereitungskurs nicht genutzt hätten.

 In einer Videovorführung von Interviews mit Schülerinnen und Schülern wurde die persönliche Bedeutung des Kurses für die Lebensplanung verdeutlicht. Der Zwang, ein gewisses Sprachniveau vor der Einreise nachzuweisen, führe zu einer besonders hohen Motivation und zu guten Prüfungsergebnissen – 90% bestehen die Prüfung auf Anhieb. Die erworbenen Sprachkenntnisse würden den Zuwanderern die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Deutschland von Beginn an deutlich erleichtern.

 In der Abteilung für Bildungskooperationen würden die ca. 3.000 Deutschlehrinnen und -lehrer in Izmir und den angrenzenden Regionen unterstützt. Eine zweite Fremdsprache würde demnächst für verbindlich erklärt.

 Die Programmabteilung des Goethe-Instituts organisiert zahlreiche kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen (u.a. Literaturbus).

 Gespräch mit Herrn M. Cahit Kirac, Gouverneur der Region Izmir

 Der Gouverneur erläuterte der Delegation, dass er im Auftrag der Zentralregierung die Verantwortung für die Innere Sicherheit der Region Izmir trüge. Dafür stünden ihm als ausführende Einheiten die Polizei Izmir, die Jandarmerie im Umland und die Küstenwache zur Verfügung. 

 Herr Kirac lobte insbesondere die Arbeit des neuen Polizeipräsidenten und führte aus, dass die bevorstehenden Wahlen am 29. März zusätzliche Sicherheitsvorkehrung erforderlich machten, damit die demokratischen Prinzipien einer Wahl gewährleistet werden können.  

Herr Senator Mäurer sprach dem Gouverneur große Anerkennung für die Erfolge auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit aus und bezeichnete die Teamprojekte der Kriminalpolizei als interessante Anregung für die Delegation. 

 

Gespräch mit Herrn Hüseyin Capkin, Polizeipräsident von Izmir

 Herr Capkin betonte in seinem Eingangsstatement den Wert des regelmäßigen Polizeiaustausches mit der Partnerstadt Bremen, die sein Vorgänger Tatas mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Bremens, Herrn Prof. Mordhorst begründet hatte. Die Fortsetzung dieses Programms sei für ihn selbstverständlich.

 Herr Senator Mäurer schilderte die Eindrücke der Delegation von der Polizeiarbeit in Izmir und die Anknüpfungspunkte für Bremen.

 Herr Capkin verwies auf das hohe Maß an Sicherheit in Izmir und die außerordentlichen Erfolge bei der Eindämmung der Straßenkriminalität, insbesondere im historischen Bazarviertel. Die Erhöhung der Präsenz, die Einrichtung der Spezialteams, die technische Nachrüstung und die Leistungsbewertung würde auch eine große Berufszufriedenheit bewirken. 

Auf Nachfrage erklärte der Polizeipräsident, dass Beschwerden über Gewalt durch Polizeibeamte sehr ernst genommen und zu strengen Konsequenzen für die betroffenen Polizistinnen und Polizisten führen würden. Für Folter gäbe es „null Toleranz“. Leider sei die Wahrnehmung ausländischer Medien in dieser Hinsicht sehr überzogen.

Die Delegation sah davon ab, Herrn Capkin mit den Vorwürfen der am gleichen Tag besuchten Menschenrechtsorganisationen zu konfrontieren. Der Polizeiaustausch mit Izmir bietet aber nach Auffassung der Delegation auch die praktische Chance, wichtige Überzeugungsarbeit zu leisten für die Begrenzung polizeilicher Gewalt.

 

Freitag, 6. März 2009

Frühstück auf Einladung des Vereins der der Gewerbetreibenden des histori-schen Bazars Kemeralti und anschließende Bazarführung

 Das Reiseprogramm endete mit einem traditionellen türkischen Frühstück auf dem Bazar mit anschließender Führung.

 Bremen 30. März 2009                                                                             Olaf Bull

 

 

Es folgen Protokollnotizen von Dr. Rolf Gössner (parteiloser Vertreter der Linksfrakti-on in der Deputation für Inneres)

 

Dr. Rolf Gössner                                                                                      (30.04.2009)

Parteiloser Vertreter der Linksfraktion in der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres

Protokollnotizen  zum Bericht der staatlichen und städtischen Deputation für Inneres  über die Delegationsreise in die Partnerstadt Izmir vom 3. – 6. März 2009

Seite 8: Besuch des Spezialeinsatzkommandos (SEK) am Flughafen Izmir

Ergänzung: Zur regulären Ausstattung des polizeilichen Spezialeinsatzkommandos gehören auch Kriegswaffen (so das M 16-Sturmgewehr) und es gibt eine enge Ko-operation mit dem türkischen Militär. Über nichtpolizeiliche (Todes-)Opfer von SEK-Einsätzen gab es keine Angaben.

Seite 6 f. des Berichts über Gespräch mit dem Leiter der Kriminalabteilung der Polizei Izmir. Hier: Einrichten von „Friedensteams“

Auf die Nachfrage einzelner Delegationsmitglieder, ob mit den verdeckten Präven-tivmethoden der sog. Friedensteams, mit denen Teile der Gesellschaft in Alltagssitu-ationen polizeilich durchdrungen werden, nicht Misstrauen in der Bevölkerung geschürt und Straßenkriminalität lediglich verdrängt würde und ob diese Methoden überhaupt demokratisch kontrollierbar seien, erhielten die Delegationsteilnehmer die Antwort, dass diese Einsatzmittel erfolgreich seien und von Bevölkerung, Gewerbe-treibenden und Medien begrüßt würden. Auf die spezifische Problematik solcher Einsatzmethoden und ihrer bürgerrechtlichen Folgen wurde leider nicht eingegangen.

Seite 9 ff. des Berichts: Gespräch mit Menschenrechtsorganisationen

Um im Rahmen der Delegationsreise in die Türkei auch das (naheliegende) Thema Menschenrechte zu erörtern, war es überaus wichtig, nicht nur, wie ursprünglich ge-plant, bei staatlichen Stellen vorstellig geworden zu sein, sondern auch Nichtregie-rungsorganisationen, die zu diesem Thema arbeiten und Erfahrungen mit staatlicher Gewalt sammeln, aufgesucht zu haben. Zu den Gesprächspartnern gehörten Vertreter u.a. der international bekannten türkischen Menschenrechtsorganisation IHD (Insan Haklari Dernegi), der Menschenrechtsstiftung TIHV und der Menschenrechtsgruppe MAZLUM-DER.

Dieses Gespräch über die Erfahrungen der türkischen Menschenrechtsorganisationen mit Menschenrechtsverletzungen durch türkische Polizeikräfte fand vor dem Hin-tergrund statt, dass die Türkei immer wieder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Folter und exzessiver Polizeigewalt verurteilt wird. Auch die EU-Fortschrittsberichte und die Lageberichte des Auswärtigen Amtes konstatieren nach wie vor die prekäre Menschenrechtssituation in der Türkei, insbesondere den mangelnden Schutz von Minderheiten sowie der Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit. Kritisiert wird darin das schleppende Tempo der diesbezüglichen Reformen beziehungsweise ihrer Umsetzung. 

Die Vertreter der Menschenrechtsorganisationen hatten nach Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen ab 2003 bis etwa 2005/06 eine gewisse Euphorie hinsichtlich einer positiven Menschenrechtsentwicklung in der Türkei registriert. Sie selbst waren der Ansicht, dass der EU-Beitrittsprozess die Chance eröffnen könne, die Menschen-rechtssituation in der Türkei zu verbessern und die kurdische Frage friedlich zu lösen. Inzwischen, seit etwa 2005/06, habe sich der Reformprozess allerdings stark verlangsamt und die Menschenrechtslage habe sich teilweise sogar wieder verschlechtert. 

So berichteten die Gruppen der Delegation von Folterungen und Misshandlungen durch Polizisten, die in den letzten Jahren wieder zugenommen hätten. Danach komme es gerade in den ersten Tagen des Polizeigewahrsams zu Misshandlungen durch staatliche Sicherheitskräfte, aber es gebe einen Trend, die Gewaltanwendungen nicht mehr im Polizeigewahrsam zu vollziehen, sondern die Opfer würden oft vor Ort, also außerhalb der Polizeireviere im Freien verprügelt und misshandelt - mit oft schweren Folgen.

Das regierungsamtliche Programm Nulltoleranz gegenüber Folter habe am Anfang noch Wirkung gezeigt, inzwischen aber immer weniger: Es sei in letzter Zeit (seit 2007 ff.) wieder ein Anstieg der Opferzahlen zu verzeichnen und die Ahndung der Gewalttaten verlaufe schleppend, wenn überhaupt eine Verfolgung der Folterer stattfinde (Probleme: Anonymität der Täter mangels Kennzeichnung, Ermittlungen in eigener Sache; für Beschwerdefälle gebe es keine neutralen Institutionen, Folge: Sanktionsimmunität der Polizei). Eine der Gruppen betreut unmittelbar Folteropfer, zum Teil in EU-Projekten und mit EU-Mitteln sowie in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung. 

Außerdem beklagten die Menschenrechtsgruppen die Einschränkungen der Meinungsfreiheit sowie unverhältnismäßige Polizeigewalt etwa gegen Demonstrationsteilnehmer; es komme immer wieder zu schweren Verletzungen durch Plastikgeschosse und Pfeffergas. 2006 seien die Antiterrorgesetze verschärft worden, was zu einer weiteren Einschränkung der Bürgerrechte geführt habe; seit 2007 sei auch das Polizeigesetz verschärft, die Polizeimacht weiter gestärkt und der polizeiliche Waffengebrauch erweitert worden. Auch über eine relativ hohe Anzahl von Todesfällen durch polizeilichen Schusswaffengebrauch berichteten die Menschenrechtsgruppen der Delegation.

Innerhalb der Polizei existiere immer noch eine fatale Subkultur und ein ausgeprägter Korpsgeist. Aus Polizeisicht seien Polizisten die wahren Retter und Schützer des türkischen Staates und all jene, die es wagten, staatliches bzw. polizeiliches Handeln zu kritisieren, würden als Staatsfeinde betrachtet und entsprechend behandelt; dazu gehörten auch Kurdinnen und Kurden, deren Rechte und Kultur in der Türkei immer noch missachtet würden – die kurdische Frage harre noch immer einer friedlichen und gerechten Lösung; auch in dieser Frage bauten die Menschenrechtsgruppen auf die EU und den Beitrittsprozess. 

Anmerkungen zu Seite 13 f. des Berichts

1. Angesichts der im vorliegenden Delegationsbericht auf Seite 13 referierten Äußerung von Herrn Senator Mäurer, der dem Gouverneur von Izmir gegenüber seine „große Anerkennung für die Erfolge auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit“ aussprach und die Teamprojekte der Kriminalpolizei (S. 6 - 8) als „interessante Anregung für die Delegation“ bezeichnete, ist Folgendes anzumerken:

Besonders problematische präventive Polizeimethoden – wie die als Bauarbeiter, Straßenhändler, Lotterieverkäufer, Gärtner, Drogenabhängige etc. getarnten Polizeiermittler der sog. Friedensteams in Alltagssituationen – sind von Deputationsmitgliedern vor Ort vereinzelt kritisch hinterfragt worden. Solche unverhältnismäßig erscheinenden verdeckten Maßnahmen können und dürfen für das Land Bremen keine „interessante Anregung“ und kein Vorbild sein.

2. Angesichts der auf Seite 14 des Berichts geäußerten Auffassung der Delegation, der Polizeiaustausch mit Izmir biete – in Hinblick auf die massiven Vorwürfe der Menschenrechtsorganisationen gegen die türkische Polizei – die „praktische Chance, wichtige Überzeugungsarbeit zu leisten für die Begrenzung polizeilicher Gewalt“, ist Folgendes zu ergänzen und anzumerken:

Die Bremer Seite sollte im Rahmen eines Polizeiaustausches die Chance nutzen, Überzeugungsarbeit nicht allein für die rechtsstaatliche Begrenzung polizeilicher Gewalt und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu leisten, sondern auch für die demokratische Kontrolle von Polizeihandeln und die strikte Einhaltung von Bürger- und Menschenrechten. Insoweit ist das Hospitationsprogramm und die bisherige Kooperation der Polizeien der Partnerstädte Izmir und Bremen speziell auf dem Hintergrund notorischer rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Defizite sowie unterschiedlicher Rechtsgrundlagen zu überdenken und künftig entsprechend auszugestalten. Rg