Flüchtlingspolitik

Ein später Erfolg für die Cap Anamur

Fünf Jahre nach ihrer spektakulären Verhaftung im Juli 2004 hat ein Strafgericht im sizilianischen Agrigent den ehemaligen Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel und den damaligen Kapitän des berühmten Flüchtlings-Frachters gestern von dem Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einwanderung freigesprochen.

Im Falle einer Verurteilung hätten den beiden maximal vier Jahre Haft und rund 400 000 Euro Strafe gedroht.

37 Afrikaner gerettet

Für Wladimir Daschkewitsch, den Ersten Offizier des Containerschiffs und dritten Angeklagten des Verfahrens, hatte die Staatsanwaltschaft von Agrigent schon vorab einen Freispruch verlangt. Mit der "Cap Anamur II" hatten die drei Männer damals in maltesischen Gewässern 37 Schwarzafrikaner aus einem überfüllten Schlauchboot an Bord genommen und nach dreiwöchigen Auseinandersetzungen vor der sizilianischen Küste mit italienischen Behörden schließlich im Hafen Porto Empedocle an Land gebracht. Verglichen mit dem Medienecho, das die Angeklagten damals mit ihrer spektakulären Aktion in Europa erzeugt hatten, gab es gestern nur noch eine eher schwache Resonanz auf den Prozess. Die Internationale Liga für Menschenrechte wollte diesmal vorab schon wissen, dass die italienischen Behörden mit dem Strafverfahren gegen die Cap-Anamur-Mitarbeiter ein "abschreckendes Exempel" schaffen wollten, zur Warnung an alle Seeleute im Mittelmeer, nur bloß keine Flüchtlinge mehr an Bord ihres Schiffs zu nehmen. Diese Vorwürfe bestätigte das gestrige Urteil jedoch nicht.

Der Fall war eigentlich eindeutig: Die "Cap Anamur II" war gerade mit Hilfsgütern in den Irak unterwegs, als die Mannschaft zwischen Malta und Libyen die Bootsflüchtlinge entdeckte, an Bord nahm und kehrtmachte, um Sizilien anzusteuern. Die Häfen von Valletta auf Malta und den Hafen von Lampedusa ließen die Verantwortlichen der "Cap Anamur II" dabei links liegen, weil sie ihnen zu ungeeignet und "zu klein" erschienen, um die Afrikaner an Land zu bringen. Da schien die sizilianische Südküste des von Silvio Berlusconi regierten Italiens geeigneter, wo die Behörden dem Schiff auch prompt die Genehmigung verweigerten, sich der Küste zu nähern, weil die Flüchtlinge in maltesischen Gewässern aufgegriffen worden seien. Drei Wochen dauerte das Tauziehen, bis Italien die "Cap Anamur II" schließlich doch noch in Porto Empedocle vor Anker gehen ließ, wo die Flüchtlinge - mit Cap-Anamur-T-Shirts - vor den Kameras aller großen Medien von Bord gingen. Bierdel, Schmidt und Daschkewitsch wurden damals umgehend unter dem Verdacht der Schlepperei zunächst verhaftet, kamen dann aber rasch wieder frei. Sogar Italiens Innenminister schaltete sich ein und erklärte, die Mannschaft habe versucht, bewusst "das internationale Einwanderungsrecht zu brechen". Das war zweifellos so. Die Flüchtlinge wurden damals rasch bis auf einen Minderjährigen wieder nach Ghana abgeschoben, das beschlagnahmte Schiff wurde mit Gewinn verkauft.

Das ist mehr als fünf Jahre her. Gestern zeigte sich der frühere Kapitän Schmidt erleichtert über den Urteilsspruch. Er wertete die Gerichtsentscheidung als "Signal, dass man mit Rettern nicht so umspringen darf". Der ganze Prozess gegen Cap Anamur wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung sei politisch motiviert gewesen, sagte Schmidt. Die Regierung in Rom habe Druck auf den Staatsanwalt ausgeübt. Nun habe sich gezeigt, dass die Richter in Italien doch unabhängig seien, sagte Schmidt.

Hohe Auszeichnung im Dezember

Nichtregierungsorganisationen und Politiker äußerten sich ebenfalls erleichtert über das Urteil. Die Internationale Liga für Menschenrechte, die Kapitän Schmidt im Dezember mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille auszeichnen wird, forderte eine "Kehrtwende" in der europäischen Flüchtlingspolitik. "Europa wird zu einer Festung gegen Flüchtlinge und Migranten ausgebaut", kritisierte die Präsidentin der Liga, Fanny-Michaela Reisin. Sie forderte, dass die EU den "hemmungslosen Raubbau an Ressourcen" in Afrika nicht länger unterstützen dürfe. Gleichzeitig müsse die Europäische Union Zufluchts- und Migrationswege nach Europa schaffen.

Schätzungen von Pro Asyl zufolge versuchten im Jahr 2008 rund 70 000 Bootsflüchtlinge, die Europäische Union über das Mittelmeer zu erreichen. Nach Angaben des Europaexperten von Pro Asyl, Karl Kopp, kamen 1500 von ihnen bei dem Versuch ums Leben. Die Dunkelziffer liege jedoch viel höher. "Das tägliche Sterben geht weiter", sagte Kopp. Das Urteil der italienischen Justiz sei ein "wichtiges Signal, das klarstellt, dass humanitäre Hilfe kein Verbrechen ist".

 

Tageszeitung junge Welt  08.10.2009 / Ausland / Seite 2


Retter bleiben straffrei

Cap-Anamur-Prozeß: Kapitän durfte Flüchtlingen helfen

Ulla Jelpke

Fünf Jahre nach der Rettung von 37 afrikanischen Flüchtlingen aus einem von Schiffbruch bedrohten Schlauchboot sind der ehemalige Vorsitzende der Hilfsorganisation Cap Anamur, Elias Bierdel, sowie der Kapitän Stefan Schmidt und der Erste Offizier des Rettungsschiffs, Wladimir Dschkewitsch, in Sizilien freigesprochen worden.

Die italienische Staatsanwaltschaft hatte zuvor vier Jahre Haft wegen »Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fall« gefordert, weil das Hilfsschiff »Cap Anamur II« die Flüchtlinge im Juli 2004 nach ihrer dreiwöchigen Irrfahrt nach Sizilien gebracht hatte. Die italienischen Behörden behaupteten, die Flüchtlinge, die inzwischen alle wieder abgeschoben wurden, hätten in Malta an Land gehen müssen, da sie in maltesischen Gewässern gerettet wurden.

»Der Freispruch ist das folgerichtige Urteil eines fragwürdigen Strafprozesses«, erklärte das Notärztekomitee Cap Anamur. Alles andere wäre eine »Katastrophe für das europäische Justizsystem« gewesen, sagte der Gründer der Hilfsorganisation, Rupert Neudeck. Die Internationale Liga für Menschenrechte will dem Kapitän am 13. Dezember in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille verleihen. Zur Begründung hieß es, die Rettungsaktion sei ein herausragender Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte an den Grenzen der Europäischen Union gewesen. Auch die Linksfraktion im Bundestag begrüßte die Freisprüche. »Wer DDR-Bürgerinnen und -Bürgern zur illegalen Ausreise verhalf, wurde nicht als böser Schleuser hingestellt, sondern als Fluchthelfer heroisiert. Jeder Tote am Eisernen Vorhang war ein Skandal, während die Opfer auf dem Todesstreifen am Rande der EU als Rücksichtslosigkeit so genannter Schlepper verkauft werden«, erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen. Auf die Anklagebank gehörten nicht die Retter, sondern die Verantwortlichen dieser EU-Abschottungs­politik.

Die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl fordert nun auch Freisprüche in ähnlich gelagerten Verfahren gegen tunesische Fischer. Zugleich weist Pro-Asyl-Referent Bernd Mesovic auf eine »verheerende Signalwirkung« des quälend langen Verfahrens« gegen Cap Anamur hin. So hätten Bootsflüchtlinge berichtet, daß in den Gewässern zwischen Libyen, Malta und Italien mehrfach Schiffe an ihren seeuntüchtigen Flüchtlingsbooten vorbeigefahren seien, ohne zu helfen. Allein im August verhungerten und verdursteten 73 afrikanische Flüchtlinge, weil sie drei Wochen lang auf dem Mittelmeer trieben, ohne daß eines der mehr als zehn in dieser Zeit vorbeifahrenden Fischerboote half. »Die Saat der Inhumanität, ausgebracht vom früheren Innenminister Otto Schily und seinem italienischen Amtskollegen ­Giuseppe Pisanu, geht damit auf«, hieß es von Pro Asyl.

 

Tageszeitung junge Welt06.10.2009 / Inland / Seite 4


Angeklagt wegen Rettung aus Seenot

Morgen ist die Urteilsverkündung im Cap-Anamur-Prozeß. Menschenrechtler fordern Freispruch

Ulla Jelpke

Nach fast dreijähriger Prozeßdauer wird für den morgigen Mittwoch die Urteilsverkündung im Cap-Anamur-Verfahren erwartet. In diesem skandalösen Prozeß geht Berlusconis italienische Justiz gegen Kapitän Stefan Schmidt vor, den damaligen Vorsitzenden des Hilfskomitees Cap Anamur, Elias Bierdel, sowie gegen den ersten Offizier Vladimir Daschkewitsch. Grund: Sie hatten im Juni 2004 vor der italienischen Küste 37 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Der absurde Vorwurf lautet: Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft und 400000 Euro Geldstrafe.

Vertreter der evangelischen Kirche und von Flüchtlingshilfeorganisationen werden die Angeklagten zur Urteilsverkündung nach Agrigento auf Sizilien begleiten. Die Beschuldigten hätten nur getan, wozu jeder Bürger verpflichtet sei, sagte Lübecks Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer bei der Verabschiedung der Unterstützer am Freitag. Kürzlich hatte sich auch Günter Grass auf einer Podiumsdiskussion zu dem Fall geäußert. Kapitän Schmidt habe nichts anderes getan, als in Seenot geratenen Menschen zu helfen, so der Literaturnobelpreisträger. »Das ist ein Zeichen von Zivilcourage, und dafür wünsche ich mir mehr Unterstützung.«

Die Internationale Liga für Menschenrechte wird dem Kapitän am 13. Dezember 2009 in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille verleihen, weil die Rettungsaktion ein herausragender Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte an den Grenzen der Europäischen Union gewesen sei. Liga-Vizepräsident Rolf Gössner verbreitete aus Anlaß der bevorstehenden Urteilsverkündung eine Solidaritätserklärung des Vorstandes. Darin heißt es: »Die Gründe für das existenzgefährdende Strafmaß, für die nunmehr drei Jahre andauernde Zermürbung der Retter sowie die demonstrative Mißachtung der universellen Menschenrechte und humanitären Gebote sind fadenscheinig. Die Staatsanwaltschaft versucht – mit Unterstützung, wenn nicht sogar im Auftrag der italienischen Regierung – die Umsicht, mit der Stefan Schmidt seiner Fürsorgepflicht auf See nachkam, zu desavouieren: Die vorbildliche Handlung soll zum abschreckenden Beispiel werden.«

Die Liga stellte klar: »Eine solche Kriminalisierung humanitären Handelns werden wir nicht zulassen! Wir fordern Freispruch für die drei Angeklagten und ihre Rehabilitierung!«

Für den Fall eines Schuldspruchs kündigt die Liga gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen anhaltende Proteste auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus an. Italien stehe nicht über den Menschenrechten und die italienische Justiz nicht über elementaren Geboten der Menschlichkeit, heißt es.

Zugleich wiederholte die Liga ihre Forderung nach einer »grundlegenden Änderung der tödlichen Abschottungspolitik« der Europäischen Union. Hierzu müsse sich auch die neue Bundesregierung klar äußern. Ein Umdenken im Umgang mit Menschen auf der Flucht sei längst überfällig. »Das Mittelmeer – einst die Wiege der europäischen Kultur – darf nicht in ein Massengrab verwandelt werden. Eu­ropa muß Zufluchtswege schaffen und schützen!« Nicht die Hilfsorganisation Cap Anamur, sondern die Flüchtlingsabwehr der EU sei kriminell, erklärte die Bundestagsfraktion DIE LINKE. »Die neue Bundesregierung ist aufgefordert, sich aus der EU-Grenzschutztruppe Frontex zurückzuziehen und die dadurch freiwerdenden Kapazitäten für die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot einzusetzen.«

 

Solidarität mit Elias Bierdel

Menschenrechtler drohen mit Protesten

Rom (epd). Die Internationale Liga für Menschenrechte hat für den Fall einer Verurteilung des ehemaligen Vorsitzenden des Hilfskomitees «Cap Anamur», Elias Bierdel, und der beiden Crew-Mitglieder Stefan Schmidt und Vladimir Daschkewitsch "anhaltende Proteste" mit anderen NGO angekündigt. Hilfe für Menschen in Not sei ein humanitäres Gebot und dürfe nicht kriminalisiert werden, teilte die Liga mit. Die drei Männer hatten Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet und waren dafür in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt worden. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch gesprochen werden.

Im Prozess über die umstrittene Rettung von Bootsflüchtlingen durch die Hilfsorganisation «Cap Anamur» vor fünf Jahren in Italien fordert die Internationale Liga für Menschenrechte einen Freispruch der Angeklagten. Wenige Tage vor dem für Mittwoch erwarteten Urteil im sizilianischen Agrigent teilte die Liga am Freitag in Berlin mit, Hilfe für Menschen in Not sei ein humanitäres Gebot und dürfe nicht kriminalisiert werden. Im Fall eines Schuldspruchs kündigte die Liga gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen anhaltende Proteste «über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus» an.

Angeklagt sind der ehemalige Vorsitzende des Hilfskomitees «Cap Anamur» und Journalist Elias Bierdel, der Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und der erste Offizier des Schiffs, Vladimir Daschkewitsch. Die Staatsanwaltschaft in Agrigent wirft ihnen Beihilfe zur illegalen Einreise in einem besonders schweren Fall vor. Sie fordert vier Jahre Haft und eine Geldstrafe von jeweils 400.000 Euro. Das Verfahren läuft seit November 2006. Die ursprünglich für den 21. Juli angesetzte Urteilsverkündung war auf den 7. Oktober verschoben worden.

Lübecks Pröpstin Petra Kallies verabschiedete am Freitag Kapitän Schmidt mit einem Reisesegen. Schmidt und Bierdel werden von einer achtköpfigen Delegation aus Familienangehörigen, Vertretern der Lübecker Diakonie und des Flüchtlingsforums nach Sizilien begleitet. Geplant sind dort mehrere Protestaktionen. Wer Menschen in Not beistehe, dürfe nicht bestraft werden, sagte die Pröpstin.

Die «Cap Anamur II» hatte im Juni 2004 insgesamt 37 schiffbrüchige Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot gerettet und Kurs auf die sizilianische Küstenstadt Porto Empedocle genommen. Die italienischen Behörden verweigerten dem Schiff über Wochen die Genehmigung, sich der Küste zu nähern. Zur Begründung hieß es damals, die Flüchtlinge seien in maltesischen Gewässern aufgetan worden und sollten in Malta Asylanträge stellen.

Nach dreiwöchigem Hin und Her ließen die Behörden das Schiff in den Hafen von Porto Empedocle einfahren. Die Flüchtlinge wurden umgehend in Abschiebehaft gebracht. Bierdel, Schmidt und Daschkewitsch wurden unter dem Verdacht der Schlepperei verhaftet, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Als erschwerenden Umstand sieht die Staatsanwaltschaft an, dass die Rettungsaktion der Werbung für die Hilfsorganisation gedient habe und als Medienspektakel inszeniert worden sei.

Die Internationale Liga für Menschenrechte wirft den italienischen Behörden vor, mit dem Prozess gegen die «Cap Anamur»-Verantwortlichen ein «abschreckendes Beispiel» schaffen zu wollen. Zugleich forderte die Liga die neue Bundesregierung auf, sich für eine «grundlegende Änderung der tödlichen Abschottungspolitik der Europäischen Union» im Mittelmeer einzusetzen.

 (Freitag, 02.10.)

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Cap Anamur: Grass mischt sich ein

25. September 2009 | Von Karin Lubowski

"Cap Anamur"-Kapitän Stefan Schmidt rettete 37 Afrikaner vor dem Ertrinken und soll ins Gefängnis. Beobachter sprechen von einem "Skandal". Jetzt hat sich auch Nobelpreisträger Günter Grass eingeschaltet.

 

Kapitän Stefan Schmidt. Foto: Kröger

Beinahe drei Jahre hat der Prozess um die Rettung von 37 schiffbrüchigen Afrikanern gedauert - in knapp zwei Wochen nun soll auf Sizilien das Urteil im Prozess gegen den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt (67) und Elias Bierdel, den ehemaligen Chef der Hilfsorganisation Cap Anamur, gesprochen werden. In Italien drohen Schmidt und Bierdel Haft und vernichtende Geldstrafen.

Zu Hause wächst indessen die Solidarität: Günter Grass hat von der Bundesregierung eine "schützende Begleitung" für den deutschen Kapitän Schmidt gefordert. Das Auswärtige Amt und das Justizministerium sollten Vertreter zur für Anfang Oktober geplanten Urteilsverkündung nach Italien entsenden, sagte der Literaturnobelpreisträger bei einem Podiumsgespräch mit Schmidt in Lübeck. Schmidt habe nichts anderes getan, als in Seenot geratenen Menschen zu helfen, sagte Grass. "Das ist ein Zeichen von Zivilcourage und dafür wünsche ich mir mehr Unterstützung", sagte Grass vor weit mehr als 100 Zuhörern. Anschließend wurde im Lübecker Rathaus eine Fotoausstellung mit dem Titel "Gestrandet - Flüchtlinge an den Südküsten Europas" eröffnet.  

"Bandenmäßige Schlepperei"?

Stefan Schmidt ist keiner, der sich ins Bockshorn jagen lässt. Der Prozess aber zerrt an seinen Nerven, Unterstützung kann er gut gebrauchen. "Ich weiß, dass ich alles richtig gemacht habe", sagt Schmidt, "aber ein Verfahren wie das in Sizilien hat man eben ständig im Kopf." Im Mai hoffte er das erste Mal auf ein Ende, dann im Juni, schließlich im Juli. Jetzt ist der 7. Oktober der nächste Termin; dann wird der Prozess zwei Jahre und elf Monate gedauert haben. Je vier Jahre Haft und 400.000 Euro Geldstrafe hatte der Staatsanwalt für Schmidt und Bierdel im April gefordert - immerhin deutlich weniger als die ursprünglich geforderten zwölf Jahre Haft wegen "bandenmäßiger" Schlepperei, wie es zu Prozessbeginn hieß.

Für Schmidt und Bierdel ist indessen klar: "Wir werden überhaupt keine Strafe akzeptieren, weil wir keine Straftat begangenen haben." Was, fragt der Seemann, hätte er denn anders machen sollen? "Ich habe getan, wozu ein Kapitän verpflichtet ist." Unterlassene Hilfeleistung auf See wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.

Lobeshymnen des Staatsanwaltes

Fünf Jahre ist es inzwischen her, dass Schmidt die 37 Männer vor dem sicheren Tod rettete, nach tagelanger von italienischen Behörden erzwungener Odyssee in Sizilien an Land brachte - und mit Bierdel und seinem Ersten Offizier vom Fleck weg für eine Woche in Untersuchungshaft genommen wurde. Als die drei Männer freikamen, hatten der damalige deutsche Innenminister Otto Schily und sein italienischer Amtskollege die Rettungsaktion bereits unisono als "gefährlichen Präzedenzfall" bezeichnet.

Seitdem ist in Schmidts Leben nichts mehr so wie es vorher war. Der Lehrer an der Seemannsschule Schleswig-Holstein fährt seit Prozessauftakt zu angekündigten Gerichtsterminen. Die Geschütze der Anklage hat er dort zerbröseln sehen, hat sogar Lobeshymnen des Staatsanwalts entgegengenommen. Der Prozess ist trotzdem nicht eingestellt worden.

Ehrung für Zivilcourage

Dafür ist Schmidt mit jedem Prozesstag zielstrebiger geworden. Aus Neugierde heuerte er einst auf der "Cap Anamur" an. Heute sind die Schicksale der Bootsflüchtlinge, die jedes Jahr bei ihrer Flucht vor Gewalt, Hunger und Armut zu tausenden sterben, Teil seines Lebens. Mit Bierdel ist Schmidt Mitbegründer des Vereins "borderline europe" (www.borderline-europe.de). Einen "gefährlichen Präzedenzfall" sieht er woanders: Im italienischen Prozess, den er einen "politischen" nennt, und der dazu beigetragen habe, dass einige Kapitäne nicht mehr so genau hingucken, wenn etwas im Mittelmeer treibt.

Als gewollt spektakulär kam die Rettungsaktion der "Cap Anamur" 2004 zunächst in die Wohnstuben der Deutschen. "Uns wurde Mediengeilheit vorgeworfen", sagt Schmidt. "Natürlich war das Quatsch." Die anfänglich negative Stimmung ist umgeschlagen. Vom Prozess sprechen Beobachter längst als einem "Skandal"; in diesem Frühling hat die Lübecker Bürgerschaft einstimmig eine Protest-Resolution verabschiedet; Polit-Urgesteine wie Wolfgang Thierse und Björn Engholm springen für die verfemten Retter in die Bresche, Bürger sammeln Unterschriften.

Und: Was in Italien als schwere Straftat verhandelt wird, ist anderen eine Ehrung wert. Nach der Auszeichnung mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung ProAsyl erhält Schmidt nun einen der bedeutendsten Menschenrechtspreise überhaupt: In Berlin wird ihm am 13. Dezember die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte verliehen - für den Beweis außerordentlicher Zivilcourage. Nicht, weil der die 37 Menschen gerettet hat - das, so sagt er selbst, ist seine Pflicht gewesen -, sondern, weil er nicht aufhört, auf das Flüchtlingssterben an Europas Grenzen hinzuweisen.

Die Ausstellung "Gestrandet - Flüchtlinge an den Südküsten Europas" ist bis zum 27. September im Lübecker Rathaus, vom 15. bis 27. November in der Lübecker Jakobikirche und vom 3. März 2010 an im Lübecker Museum Burgkloster zu sehen.

Leserkommentare

BOATP.TEAM AUS ALLER WELT 25.09.2009 17:43

Wir haben wegen unterlassene Hilfeleistung unseren geliebten Familienmitglieder verloren

Wir wünschten die Junge Menschen aus Eritrea, die vor Durst & Hunger innerhalb v. 23 Tagen am Mittemeer gestorben sind, hätten das Glück gehabt Schmidt und Bierdel zu begegnen. Wir sind sicher Schmidt und Bierdel hätten nocheinmal dasselbe getan. Die beiden erfühlen uns mit Stolz.

     
TELEPOLIS

"Zivilcourage offenkundig missbilligt"

Birgit v. Criegern 31.07.2009

 

Mouctar Bah, Gründer der Oury Jalloh-Gedenkinitiative, wurde von der Internationalen Liga für Menschenrechte ausgezeichnet wenig später stand die Polizei vor seiner Türe

Er hat schon viel erlebt, und auch die jüngste Polizeikontrolle an seinem Arbeitsort hat Mouctar Bah nicht aus der Fassung gebracht. Seit dem Feuertod seines Freundes Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle am 7. Januar 2005 hatte Bah öffentlich für die Aufklärung des Falles gestritten. Er hatte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh (1) gegründet, die ein Gerichtsverfahren durchsetzte und dieses kritisch beobachtete. Und Bah demonstrierte mit Flüchtlingen auf der Straße in Dessau, Sachsen-Anhalt, wo er wohnt und arbeitet, gegen Alltagsrassismus und Polizeigewalt.

In den vergangenen Jahren brachte ihm das etliche Schwierigkeiten seitens der Dessauer Polizei und der Behörden ein. Eine weitere Begegnung mit der Polizei wurde ihm jetzt beschert, kurz nachdem er am 17. Juli per offizieller Erklärung die Carl-von-Ossietzky-Medaille von der Internationalen Liga für Menschenrechte (2) (ILMR) erhielt.

Die zweite Ehrung geht an den Kapitän des Schiffes Cap Anamur Stefan Schmidt, der Flüchtlingen in Seenot das Leben rettete. Für diese Tat wurde er bei dem Gericht in Agrigent angeklagt. Die öffentliche Verleihung der beiden Medaillen soll im Dezember erfolgen.

Natürlich, der Preis freue ihn, sagt Bah gegenüber Telepolis. Doch auch der gesamten Gedenkinitiative Oury Jalloh würde dieser Preis gelten, fügt er hinzu. Seit der Ehrung herrscht Trubel um ihn, aufgeregt wirkt er jedoch nicht, während er die Termine mit Fernsehreportern und Flüchtlingsinitiativen wahrnimmt, zeigt ein freundliches breites Lächeln, wenn er von Hindernissen oder von guten Erfahrungen berichtet. Meistens von letzterem. "Viele Leute haben unsere Arbeit unterstützt – zum Beispiel die Antirassistische Initiative (3) in Berlin, die Gruppe Plataforma der Flüchtlinge, Berlin. Und Menschen aus der Bevölkerung", erzählt Bah. "Auch wenn wir gegen den rassistischen Alltag in Deutschland kämpfen müssen – viele in dieser Gesellschaft stehen hinter uns. Das hat mir immer Kraft gegeben."

"Charakterliche Mängel" – meinte das Ordnungsamt

Doch in den vergangenen viereinhalb Jahren ging Bah auf einem steinigen Weg. Der junge Mann guineischer Herkunft hatte in Dessau die Öffentlichkeit gesucht, nachdem sein Freund Oury Jalloh in der Zelle 5 im Polizeirevier qualvoll verbrannt war. Mit anderen Flüchtlingen gründete er die Gedenkinitiative, demonstrierte für Wahrheit im Fall Oury Jalloh. "Anfangs waren wir zwischen siebzig und achtzig Leuten, die auf die Straße gingen. Dann, später, wurden wir viel mehr."

Sein mutiges Auftreten gegen Rassismus brachte ihm Probleme ein. Bald wurden Vorwürfe der Behörde laut – gegen sein Telecafé, das er damals als Inhaber führte. Es hieß, dort würde gedealt, und Bah würde dies dulden. Polizisten kamen immer wieder vorbei, forderten Papiere zur Kontrolle. Auch von außen beobachteten sie das Geschäft. Anfang 2006 kam dann ein Brief vom Ordnungsamt: Bah müsste seine Gewerbelizenz abgeben. "Die Begründung: Es habe mehrfach polizeiliche Ermittlungen gegen ihn gegeben, die 'unabhängig vom Ergebnis' auf 'große charakterliche Mängel' schließen ließen." So kommentierte die ILMR in ihrer Pressemitteilung. Es ist diese offensichtliche Repressalie, worauf die ILMR jetzt mit ihrer Ehrung Bezug nimmt: "Die Zivilcourage, mit der sich Mouctar Bah in Dessau beharrlich für Recht und Gerechtigkeit einsetzt, wird von Teilen der Bevölkerung offenkundig missbilligt und von den staatlichen Behörden alles andere als bestärkt."

Bah arbeitete seit 2006 als Angestellter weiter in dem Laden in Dessau. An der Wand fand er eines Tages Hakenkreuz-Schmierereien vor. Auf der Straße wurde er von einem Nazi angegriffen. Die NDP hetzte auf ihrer Homepage gegen ihn. Doch auch der Stress mit den Behörden ging weiter. Das Ordnungsamt behauptete, seine Kundschaft verschmutze den Laden und verursachte zuviel Lärm. Das Telecafé, Anlaufstelle für viele Afrikaner, wurde zu einem öffentlichen Problem erklärt. Bah bekam auch ein Jahr später auf Anfrage die Lizenz nicht wieder ausgehändigt.

Nach der Preisverleihung: Sieben Polizeiwagen rückten an

Heute hat der Familienvater in dem Laden, der einmal seine berufliche Grundlage war, nur noch eine Zuverdienstmöglichkeit als Arbeitskraft – zusätzlich zum Arbeitslosengeld. Und hier fuhren am 21. Juli sieben Polizeiwagen vor, vier Tage nachdem die ILMR ihre Erklärung von der Preisverleihung bekanntgab.

"Es war am Morgen, ich machte gerade im Laden sauber, als die Polizisten ankamen. Sie zeigten mir einen Durchsuchungsbefehl für die Geschäftsräume – wegen angeblicher Hehlerei von einer Markenjeans. Das wurde mir vorgeworfen. Ich wusste gar nicht, wovon sie redeten" erzählt Bah. Aufgeregt hätte er sich jedoch nicht sonderlich. Die Beamten durchsuchten die Räume, fanden nichts, fuhren wieder ab. Das Ermittlungsverfahren des Amtsgerichts wegen der vermeintlichen Hehlerei gegen Bah ist nun Sache seines Anwalts. Er selbst fuhr nach Berlin, zu Presseterminen. Über laufende Schwierigkeiten mit der Polizei zerbricht er sich derzeit nicht den Kopf: "Wir haben nichts zu verbergen", sagt er. "Wir, also die Leute, die hier seit Jahren etwas gegen Rassismus machen. Manche Probleme sind eben die Folge unserer Tätigkeit. Aber das motiviert uns auch, weiter zu machen in der Bewegung für Gerechtigkeit."

"Das lässt mir keine Ruhe"

Als ein größeres Problem empfindet er derzeit, dass sein Familienleben mit der Frau und den drei Kindern zu kurz kommt. "Er soll aufhören", habe eine seiner Töchter zu einer Journalistin gesagt. Es sei auch in den letzten Jahren nicht immer leicht für die Familie gewesen, meint Bah, zu viel Zeit und Energie ging in die politische Arbeit. Obwohl er manchmal überlegt hätte, mit seiner Tätigkeit aufzuhören, hätte er es nicht fertiggebracht: "Das lässt mir keine Ruhe."

Es waren Bah und die schwarze Community in Dessau, die die Gedenkinitative ins Leben gerufen hatten und durchsetzten, dass es zum Gerichtsprozess (4) über den Feuertod Jallohs in Polizeigewahrsam kam. Die Eröffnung der Verhandlung wurde lange Zeit verschleppt, begann erst mehr als zwei Jahre nach Jallohs Tod. Bah hatte den Kontakt zu den Familienangehörigen Jallohs aufgenommen, damit sie die Nebenklage führen konnten. "Ich fuhr nach Guinea in das Dorf, wo die Eltern von Oury lebten, habe sie nach Deutschland eingeladen." Der Vater war schwerkrank, nur die Mutter reiste nach Deutschland, nahm an einer Gerichtsverhandlung teil - unter Weinkrämpfen. Mouctar Bah versuchte, die Eltern und den Bruder seelisch zu stützen, soweit er konnte. Auch demonstrierte er weiterhin mit anderen Flüchtlingen auf der Straße. Ein Polizist zeigte Bah während des Prozesses an, er hätte Polizisten als "Negerkiller" bezeichnet. Bah dazu heute: "Absurd." Die Anzeige wurde später von der Polizei fallen gelassen.

Im Verlauf der 60 Verhandlungstage ging es immer weniger um eine grundsätzliche Aufklärung der Todesumstände im Fall Jalloh – sondern um die These, dass Jalloh sich, an Händen und Füßen auf die feuerfeste Matratze fixiert, selbst getötet hätte.

Es war zwar wichtig, dass wir diese Gerichtsverhandlung überhaupt durchsetzten. Aber über den Verlauf machten wir uns keine großen Illusionen. Die These der Staatsanwaltschaft, die auf Selbsttötung lautete, fanden wir merkwürdig. Und sie wurde dann auch nicht bewiesen. Doch der Prozess drehte sich ab einem Zeitpunkt nur noch um diese Frage: Wie sich Oury selbst umgebracht haben könnte. Es wurde versucht, mit mehreren Brandgutachten zu zeigen, dass es möglich gewesen wäre, dass Jalloh selbst das Feuer angezündet haben könnte.  Mouctar Bah

Seit dem Juli 2008 gingen die Leute der Oury-Jalloh-Gedenkinitiative aus dem Gerichtssaal, demonstrierten nur noch draußen. Der Prozess wäre eine Farce, erklärten sie. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand zu jenem Zeitpunkt die Rekonstruktion der letzten Minuten und Sekunden unmittelbar vor dem Tod Jallohs ( "Vertuschungen und verschwundene Beweismittel" (5)).

Ich fand diese vielen Brandversuche, die dann gemacht wurden, nicht mehr sinnvoll. Ich habe außerdem auf einem Video von einem der Versuche gesehen, dass eine alte, schmuddelige Matratze verwendet wurde. Aber die Matratze, auf der Oury lag, war nicht alt gewesen. Das passte nicht zur Wirklichkeit, so wie das hier versucht wurde.  Mouctar Bah

Ergebnis: Infolge der Brandversuche wurde vom Gericht in der Urteilsbegründung großer Raum für die Möglichkeit gegeben, dass Jalloh selbst mit den Händen oder mit dem Feuerzeug die Naht an der Ledermatratze geöffnet haben könnte, auf die er gefesselt worden war, und anschließend den Inhalt der Matratze angezündet haben könnte. Bewiesen wurde das jedoch nicht.

Vorbereitung einer Untersuchungskommission

"Sie konnten es auch bis heute nicht klären, woher Oury das Feuerzeug gehabt haben soll – nachdem er von der Polizei durchsucht worden war", ergänzt Bah gegenüber Telepolis. Im Verlauf des Prozesses waren zahlreiche Lügen und Vertuschungen von Zeugen getätigt worden. Im Dezember 2008 wurden die zwei der Fahrlässigkeit angeklagten Polizeibeamten freigesprochen. Die ILMR kritisierte: "Die formale und strukturelle Stimmigkeit des Verfahrens und ein alternativer Zugang zur Untersuchung und Beurteilung der Umstände des Todes Oury Jallohs im Polizeigewahrsam wurden nicht erörtert."

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hatte immer den Verdacht des Mordes an Oury Jalloh ausgesprochen – und demonstrierte im Januar mit diesem Verdacht weiter. Seit dem März strebt die Initiative außerdem den Aufbau einer internationalen unabhängigen Untersuchungskommission im Fall Oury Jalloh an, bestärkt von der Forderung des Komitees für Grundrechte und Demokratie (6), der ILMR und von Pro Asyl (7). Auch der "strukturelle Rassismus in Deutschland" solle von Flüchtlingsinitiativen und Experten geprüft werden, betonte die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (8), die an andere Fälle vom Tod afrikanischer Migranten in Polizeigewahrsam erinnerte, wie Laye Konde (9) und Mariame Ssar.

Bah hat viel zu tun. Weiterhin hilft er auch den Familienangehörigen Jallohs, will erreichen, dass sie Schmerzensgeld bekommen. Da zeichnen sich die nächsten Hürden ab – ärztliche Gutachten will das Landgericht Dessau-Roßlau dafür sehen, die einen "erheblichen Gesundheitsschaden (Schockschaden) (…)" nachweisen. Solche Amtsbriefe zu öffnen, und den Verwandten Jallohs in Afrika davon Mitteilung zu machen, das ist keine Kleinigkeit.

Dagegen ist die Hausdurchsuchung der Polizei für Bah unbedeutend: "Das ist nun mal so. Damit muss ich rechnen." Und er will sich nicht nur um die weiteren Notwendigkeiten kümmern, um Licht in den Todesfall seines Freundes Oury Jalloh zu bringen. Auch die Gleichbehandlung der Flüchtlinge in Deutschland ist ihm wichtig. "Es tut mir weh zu sehen, wie Flüchtlinge hier leben müssen – zehn, fünfzehn Jahre im Flüchtlingsheim, ohne Arbeitserlaubnis. Viele werden deprimiert. Man muss etwas machen, damit ihr Leben besser wird."

Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30819/1.html 

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Zivilcourage: Ehrung für Freund von Oury Jalloh

Frau mit Transparent. Aufschrift: Break the silence Rechte: WDR

Der Fall Oury Jalloh sorgte international für Schlagzeilen: Der Asylbewerber Oury Jalloh verbrannte im Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle. Angeblich soll er sich selbst angezündet haben, obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war. Nicht alle konnten dies glauben: So auch nicht Mouctar Bah, ein Freund Oury Jallohs. Von Anfang an kämpfte er für Aufklärung, sorgte für Öffentlichkeit, gründete zusammen mit anderen die Initiative Oury Jalloh. Dafür wurde er angefeindet und angegriffen, aber er ließ sich nicht einschüchtern, bewies Zivilcourage. Nun ist dafür ausgezeichnet worden: Mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der Fall Oury Jalloh aber ist bis heute noch nicht aufgeklärt. [zum Beitrag]

Ab Freitag Mittag finden Sie an dieser Stelle den vollständigen Beitragstext.

Monitor Nr. 596 vom 23.07.2009

 

Sendung vom 21.07.2009 10:05

Sendungsdetailseite

Mann guckt gebückt durch ein Schlüsselloch (Rechte: WDR)

Sendung vom 21.07.2009, 10:05 bis 12:00 Uhr

Stefan Schmidt; Rechet: dpa

 Stefan Schmidt

Angeklagt wegen Seerettung

Vor 30 Jahren wurde das Komitee Cap Anamur gegründet – mit der selbst gestellten Aufgabe, Menschen zu retten, die vor den chinesischen Kommunisten in die Freiheit fliehen wollten: "Boat people". Mit ihren kleinen Booten hätten sie kaum eine Überlebenschance gehabt. Vor gut fünf Jahren nahm wieder ein Schiff namens Cap Anamur Flüchtlinge auf, diesmal vor Lampedusa  im Mittelmeer - geplant war das nicht, aber die 37 Afrikaner hätten sonst wohl nicht überlebt. Stefan Schmidt, der Kapitän des Schiffes wurde 2006 für seine "Zivilcourage und Menschlichkeit" mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL gewürdigt, 2007 erhielt er den Georg-Elser-Preis. Außerdem verleiht in diesem Jahr die Internationale Liga für Menschenrechte dem Kapitän die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Doch in Italien läuft gegen den Kapitän immer noch ein Prozess wegen dieser Rettungsaktion. Die Behörden dort werfen ihm unter anderem Menschenhandel vor.

Autor/in: Ingrid von Saldern                  Redaktion:  Andreas Blendin

 

 

KULTURNACHRICHTEN
Freitag, 17. Juli 2009 15:30 Uhr

Ossietzky-Medaille für Zivilcourage
an Cap-Anamur-Kapitän und Dessauer Geschäftsmann

Für ihre Zivilcourage werden ein Kapitän und ein afrikanischer Geschäftsmann ausgezeichnet. Wie die Internationale Liga für Menschenrechte in Berlin mitteilt, wird sie ihre Carl-von-Ossietzky-Medaille in diesem Jahr an Stefan Schmidt und Mouctar Bah verleihen. Schmidt hatte mit dem Schiff Cap Anamur Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Gemeinsam mit dem damaligen Leiter der Organisation steht er deshalb in Italien vor Gericht. Der Geschäftsmann Mouctar Bah setzte sich in Dessau dafür ein, die Todesumstände seines Freundes Oury Jalloh aufzuklären, der auf einer Polizeiwache ums Leben kam. - Die Carl-von-Ossietzky-Medaille wird im Dezember in Berlin verliehen.

 MDR SACHSEN-ANHALT 17.07.2009

Ossietzky-Medaille an Geschäftsmann aus Dessau

Der Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah erhält in diesem Jahr die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Bah hatte sich dafür eingesetzt, die Todesumstände seines Freundes Oury Jalloh aufzuklären. Der Asylbewerber war im Januar 2005 bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen.

Eine Demonstrantin protestiert vor dem Landgericht in Dessau in Gedenken an den toten Afrikaner Oury Jalloh; Rechte: dpa Der Fall Jalloh hatte für internationale Proteste gesorgt.

Wie die Internationale Liga für Menschenrechte am Freitag in Berlin mitteilte, wird Bah für seine "außerordentliche Zivilcourage und seinen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte" ausgezeichnet. Bah, der aus Guinea stammt, hatte eine Initiative ins Leben gerufen und erreicht, dass der Tod seines Freundes vor Gericht geklärt wurde. Die Eltern Jallohs, die in Sierra Leone leben, wurden dabei als Nebenkläger zugelassen.

In dem Prozess waren zwei Polizisten von dem Vorwurf freigesprochen worden, eine Mitschuld am Tod des 23-Jährigen gehabt zu haben. Der Fall hatte auch international für Schlagzeilen gesorgt. Zuletzt aktualisiert: 17. Juli 2009, 16:11 Uhr.

taz.de 18.07.2009
CARL-VON-OSSIETZKY-MEDAILLE FÜR MENSCHENRECHTE

Cap-Anamur-Kapitän für Zivilcourage geehrt

BERLIN Der Lübecker Kapitän der "Cap Anamur", Stefan Schmidt, wird in diesem Jahr mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte geehrt. Er erhält die Auszeichnung gemeinsam mit dem Geschäftsmann Mouctar Bah. Beide hätten außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet, so die Liga. Die Verleihung ist für den 13. Dezember im Berliner Haus der Kulturen der Welt vorgesehen. Die Medaille wird seit 1962 vergeben. (epd)

20.07.2009

Carl-von-Ossietzky-Medaille für Mouctar Bah

Unbeugsamer Freund

Als Anfang 2005 sein Freund Oury Jalloh in Dessau unter ungeklärten Umständen in einer Polizeizelle verbrannte, wusste Mouctar Bah, dass er eine Aufgabe hatte.

VON CHRISTIAN JAKOB

 

Die NPD hetzte, sein Café wird geschlossen: Bahs Hartnäckigkeit war vielen ein Dorn im Auge.  

Als er erfuhr, dass er den Preis kriegen soll, hat Mouctar Bah als erstes seine Freundin angerufen. "Immerhin," hat die deutsche Krankenpflegerin mit der er drei Kinder hat, gesagt. Immerhin wird er nun mit der Carl-von-Ossietzky Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte ausgezeichnet - nach all dem Ärger, dem Bah ausgesetzt war.

Als Anfang 2005 der Afrikaner Oury Jalloh in Dessau unter ungeklärten Umständen in einer Polizeizelle verbrannte, wusste Mouctar Bah, dass er eine Aufgabe hatte. Jalloh war sein Freund. Sein qualvoller Tod sollte nicht ungesühnt bleiben. Und so gründete der Guineer mit anderen eine Initiative.

Sie demonstrierten vor der Polizeiwache, sammelten 3.000 Euro für eine zweite Obduktion der Leiche. Bah ließ Jallohs Eltern die Vollmacht zur Nebenklage unterschreiben. Als das Landgericht Dessau begann, gegen die beiden Polizisten, die Jalloh eingesperrt hatten, zu verhandeln, saß Bah mit am Tisch - und blieb alle 58 Verhandlungstage dort. Die Polizisten wurden freigesprochen, aus Mangel an Beweisen.

Bahs Hartnäckigkeit war vielen ein Dorn im Auge. Die NPD hetzte gegen ihn, Nachbarn seines Internet-Cafés klagten beim Ordnungsamt über "Zusammenrottungen von Schwarzafrikanern" und den "Gestank von Negerpisse". Eine antirassistische Initiative hatte den Laden einen "Ort, an dem sich afrikanische Menschen ein bisschen sicherer fühlen können als auf der Straße" genannt.

Das Ordnungsamt aber attestierte dem nicht vorbestraften Guineer "große charakterliche Mängel" und entzog die Gewerbelizenz. Nun lebt er von Hartz IV, der Laden ist futsch. Das war eine Retourkutsche, ist Bah sicher, doch umso mehr Zeit bleibt nun für Politik.

Es gibt neue Aufgaben: Viele Afrikaner seien in Asylbewerbeheimen rund um Dessau untergebracht, in Bernburg, Marke oder Möhlau. "Diese Heime sind schrecklich, verschimmelt, kaputt. Die Leute werden krank im Kopf, total deprimiert, wenn sie da leben müssen," berichtet Bah. Eine "Arbeitsgruppe" baut er mit afrikanischen Aktivisten auf, "um zu gucken, was wir machen können."

Wie geht es ihm als afrikanischer Aktivist in Anhalt? "Ich bin nicht deprimiert", sagt der Preisträger. "Es gibt noch viel zu tun."

http://www.taz.de/nc/1/leben/koepfe/artikel/1/unbeugsamer-freund

Ossietzky-Medaille

Auszeichnung für Zivilcourage

Dessau-Roßlau ( dpa ). Der Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah und der Lübecker Kapitän Stefan Schmidt erhalten die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Beide hätten " außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet ", begründete die Internationale Liga für Menschenrechte gestern in Berlin ihre Entscheidung. Der aus Guinea stammende Bah werde für seinen Einsatz zur Aufklärung der Todesumstände seines Freundes Oury Jalloh geehrt. Der Asylbewerber war im Januar 2005 bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. (18.07.2009)

Tageszeitung junge Welt 18.07.2009 / Inland / Seite 5

Ossietzky-Medaille für Zivilcourage

Berlin. Die Internationale Liga für Menschenrechte verleiht ihre Carl-von-Ossietzky-Medaille an den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und den Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah. Schmidt hatte im Juni 2004 als Kapitän des Schiffes »Cap Anamur« im Mittelmeer 37 Menschen gerettet, die auf der Flucht von Afrika nach Europa vor der italienischen Küste in Seenot geraten waren. Schmidt, sein erster Offizier Vladimir Daschkewitsch und der damalige Vorsitzende der Hilfsorganisation »Cap Anamaur«, Elias Bierdel, stehen deshalb seit 2006 in Italien vor Gericht. Mouctar Bah kämpft seit dem Feuertod seines Freundes Oury Jalloh 2005 im Dessauer Polizeigewahrsam für die Aufklärung der Todesumstände. Er setzte sich u. a. erfolgreich dafür ein, daß die in Sierra Leone lebenden Eltern Jallohs als Nebenkläger zugelassen wurden. (jW)

Ossietzky-Medaille an Stefan Schmidt und Mouctar Bah

Berlin (NRhZ/RG, 18.7.) Die Internationale Liga für Menschenrechte verleiht ihre Carl-von-Ossietzky-Medaille für Zivilcourage in diesem Jahr an den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und den Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah. Schmidt hatte im Juni 2004 als Kapitän des Schiffes “Cap Anamur“ im Mittelmeer 37 Menschen gerettet, die auf der Flucht von Afrika nach Europa vor der italienischen Küste in Seenot geraten waren. Für diese Rettungstat stehen Schmidt, sein erster Offizier Vladimir Daschkewitsch und der damalige Vorsitzende der Hilfsorganisation “Cap Anamaur“, Elias Bierdel, seit 2006 in Italien vor Gericht. Die Urteilsverkündung ist auf Oktober 2009 verschoben worden. Mouctar Bah kämpft seit dem Veerbrennungstod seines Freundes Oury Jalloh im Januar 2005 im Dessauer Polizeigewahrsam für die Aufklärung der Todesumstände. Gemeinsam mit der von ihm gegründeten Initiative erreichte er die Einleitung eines Gerichtsverfahrens zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh und setzte sich erfolgreich dafür ein, dass die in Sierra Leone lebenden Eltern Oury Jallohs als Nebenkläger zugelassen wurden. Für sein Engagement wurde er auf der Webseite der NPD angegriffen und war nicht zuletzt rassistischen Beschimpfungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt. Ende 2005 versagte das Ordnungsamt Dessau dem aus Guinea stammenden Mouctar Bah die Wiedererteilung einer
Gewerbelizenz für sein Telekommunikations- und Internet-Café. Die Begründung: Es habe mehrfach polizeiliche Ermittlungen gegen ihn gegeben, die "unabhängig vom Ergebnis" auf "große charakterliche Mängel" schließen ließen.  (19.07.2009)

 

Social-Times 

Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009


Preisträger stehen fest

Berlin (epd). Der Kapitän der "Cap Anamur", Stefan Schmidt, und der Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah werden in diesem Jahr mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte geehrt. Beide hätten außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet, teilte die Liga mit.

Bild zur Nachricht

 

Schmidt habe als Kapitän des deutschen Schiffes "Cap Anamur" im Juni 2004 in eigener Verantwortung 37 Menschen, die auf dem Fluchtweg nach Europa vor der italienischen Küste in Seenot geraten waren, gerettet. Dafür steht er gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden des Hilfskomitees "Cap Anamur", Elias Bierdel, sowie seinem Ersten Offizier Wladimir Daschkewitsch in Italien vor Gericht. Den Angeklagten wird "Beihilfe zur illegalen Einwanderung" vorgeworfen.

Der Geschäftsmann Bah kämpfe seit dem qualvollen Verbrennungstod seines Freundes Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam am 7. Januar 2005 für die Aufklärung der Todesumstände. Hierfür habe er mit anderen die Oury-Jalloh-Initiative gründet. Gemeinsam mit ihr habe er die Einleitung eines Gerichtsverfahrens zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh erreicht.

Mit der Ehrung von Bah und Schmidt wolle die Liga auch auf das fortgesetzte Sterben von afrikanischen Flüchtlingen vor den Toren Europas sowie auf die zunehmende Tendenz in Deutschland hinweisen, Rassismus und Ausgrenzung gesellschaftlich und institutionell zu dulden, betonte die Liga, die die Carl-von-Ossietzky-Medaille seit 1962 vergibt. Die Verleihung ist für den 13. Dezember im Berliner Haus der Kulturen der Welt vorgesehen. (Freitag, 17.07.)

17.07.2009 online

Zivilcourage: Lübecker bekommt Carl-von-Ossietzky-Medaille

Lübeck/ Berlin - Kapitän Stefan Schmidt aus Lübeck hat gestern in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille für "außerordentliche Zivilcourage"
der Liga für Menschenrechte erhalten.

Die Organisation rechtfertigte ihre Entscheidung damit, dass Schmidt als Kapitän des deutschen Schiffes Cap Anamour vor fünf Jahren 37 Flüchtlingen vor der iItalienischen Küste das Leben gerettet hat. Er habe damit einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und Europa geleistet, hieß es in der Laudatio.

Für sein Verhalten muss sich der Seemann seit November 2006 vor einem italienischen Gericht verantworten. Der Vorwurf: Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall. Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft und 400.000 Euro Geldstrafe.

Die Ossietzky-Medaille wird seit 1962 vergeben. Ein weiterer Preisträger ist der aus Guinea stammende Afrikaner Mouctar Bah. Dieser klärte die Todesumstände des Asylbewerbers Oury Jalloh auf, der im Januar 2005 bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle starb.  Fg

 

 
18.07.2009 online

Ossietzky-Medaille für Kapitän Stefan Schmidt

Lübeck - Der Lübecker Kapitän Stefan Schmidt, der im Juli 2004
mit dem Schiff „Cap Anamur“ 37 Afrikaner aus einem überfüllten Schlauchboot rettete, erhält die Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009
der Internationalen Liga für Menschenrechte.

Er habe „außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet“, begründete die Liga gestern in Berlin ihre Entscheidung. Die Ossietzky-Medaille wird seit 1962 vergeben. Die Verleihung ist für den 13. Dezember im Berliner Haus der Kulturen der Welt vorgesehen.

Für den Lübecker, der gemeinsam mit seinem Ersten Offizier Wladimir Daschkewitsch und dem einstigen Vorsitzenden der Hilfsorganisation „Cap Anamur“, Elias Bierdel, seit November 2006 im italienischen Agrigent wegen eben jener Rettungsaktion vor Gericht steht (die LN berichteten), vielleicht so etwas wie ein kleiner Trost. Auf alle Fälle aber eine Anerkennung dafür, dass der Kapitän eigenverantwortlich 37 Menschen rettete, die auf dem Fluchtweg nach Europa vor der italienischen Küste in Seenot geraten waren. Mit der Ehrung will die Liga zudem auf das fortgesetzte Sterben von afrikanischen Flüchtlingen vor den Toren Europas sowie auf die „zunehmende Tendenz in Deutschland“ hinweisen, „Rassismus und Ausgrenzung gesellschaftlich und institutionell zu dulden“.

Während Schmidt, der gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, für sein humanitäres Handeln geehrt wird, sieht das die italienische Staatsanwaltschaft anders. Sie wirft ihm die Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall vor und fordert vier Jahre Haft und 400 000 Euro Geldstrafe. Das Urteil sollte zunächst Anfang Juni gefällt werden, es wurde dann auf den 21. Juli und erst vor wenigen Tagen auf den 7. Oktober vertagt.

Mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille wird neben Stefan Schmidt auch der Geschäftsmann Mouctar Bah ausgezeichnet, der seit 2005 um die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam kämpft.                                                                    Von Sabine Risch

 

SAARBRÜCKER-ONLINE-ZEITUNG
20. Juli 2009

Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009

Internationale Liga für Menschenrechte zeichnet Lübecker Kapitän
und Dessauer Geschäftsmann für praktizierte Zivilcourage aus

Berlin (soz) - Die Internationale Liga für Menschenrechte verleiht in diesem Jahr die Carl-von-Ossietzky-Medaille an den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und den Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah. Beide haben außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union geleistet.

Stefan Schmidt rettete als Kapitän mit Befehlsgewalt über das deutsche Schiff “Cap Anamur” im Juni 2004 in eigener Verantwortung 37 Menschen, die auf dem Fluchtweg nach Europa vor der italienischen Grenze Küste in Seenot geraten waren. Für diese Rettungstat stehen Kapitän Schmidt, der Journalist und damalige Vorsitzende des Hilfskomitees “Cap Anamur” Elias Bierdel sowie der 1. Offizier auf dem Schiff, Vladimir Daschkewitsch, in Italien immer noch vor Gericht. Die Anklage bei der Eröffnung des Prozesses am 27. November 2006 in Agrigento/Sizilien: Bandenmäßige Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall. Die von der Staatsanwaltschaft geforderten vier Jahre Haft und 400.000 EUR Geldstrafe sind geeignet, die soziale Existenz des Kapitäns zu zerstören und stellen einen deutlichen Versuch dar, das couragierte, humanitär gebotene und menschenrechtspolitisch vorbildliche Handeln des Kapitäns zu kriminalisieren. Die Urteilsverkündung ist nunmehr auf Oktober 2009 verschoben worden. Die Anklage und der jahrelange Prozess haben international bereits vielfach Proteste hervorgerufen.

Mouctar Bah kämpft seit dem qualvollen Verbrennungstod seines Freundes Oury Jalloh im Dessauer Polizeirevier am 7. Januar 2005 für die Aufklärung der Todesumstände. Hierfür gründete er gemeinsam mit anderen die Oury-Jalloh-Initiative. Gemeinsam mit der Initiative erreichte er die Einleitung eines Gerichtsverfahrens zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam und setzte sich erfolgreich dafür ein, dass die in Sierra Leone lebenden Eltern Oury Jallohs als Nebenkläger zugelassen wurden. Für sein Engagement wurde er auf der Webseite der NPD angegriffen und war nicht zuletzt rassistischen Beschimpfungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt. Ende 2005 versagte das Ordnungsamt Dessau dem aus Guinea stammenden Mouctar Bah die Wiedererteilung einer Gewerbelizenz für sein Telekommunikations- und Internet-Café. Die Begründung: Es habe mehrfach polizeiliche Ermittlungen gegen ihn gegeben, die “unabhängig vom Ergebnis” auf “große charakterliche Mängel” schließen ließen. Die Zivilcourage, mit der sich Mouctar Bah in Dessau beharrlich für Recht und Gerechtigkeit einsetzt, wird von Teilen der Bevölkerung offenkundig missbilligt und von den staatlichen Behörden alles andere als bestärkt.

Mit der Ehrung von Mouctar Bah und Stefan Schmidt will die “Internationale Liga für Menschenrechte” zugleich auf zwei skandalöse Probleme hinweisen: erstens auf das fortgesetzte Sterben von Flüchtlingen, besonders aus Afrika vor den Toren Europas und zweitens auf die zunehmende Tendenz in Deutschland, Rassismus und Ausgrenzung gesellschaftlich und institutionell zu dulden.

Die Internationale Liga für Menschenrechte vergibt die Carl-von-Ossietzky-Medaille seit 1962. Die Verleihung findet am 13. Dezember 2009 in Berlin statt.

 

22.07.2009

Flüchtlingshelfer wird ausgezeichnet

Die Carl-von-Ossietzky-Medaille wird dieses Jahr an den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und den Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah verliehen. Überreicht wird sie von der Internationalen Liga für Menschenrechte am 13. Dezember in Berlin.

Die beiden haben zum einen außerordentliche Zivilcourage bewiesen und zum anderen einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in der Bundesrepublik und der Europäischen Union geleistet haben.

Stefan Schmidt [1]rettete als Kapitän des deutschen Schiffs „Cap Anamur“ im Juni in eigener Verantwortung 37 Menschen, die auf dem Fluchtweg nach Europa vor der italienischen Grenzkünste in Seenot geraten waren. Für diese Rettungstat steht Kapitän Schmidt samt Journalist und damaliger Vorsitzende des Hilfskomitees „Cap Anamur“ Elias Bierdel und dem 1. Offizier auf dem Schiff, Vladimir Daschkewitsch, in Italien immer noch vor Gericht. Die Anklage: Bandenmäßige Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall.

Mouctar Bah kämpft seit dem qualvollen Verbrennungstod seines Freundes Oury Jalloh im Dessauer Polizeirevier am 7. Januar 2005 für die Aufklärung der Todesumstände. Hierfür gründete er gemeinsam mit anderen die Oury-Jalloh-Initiative. Für sein Engagement wurde er der Webseite der NPD angegriffen und war nicht zuletzt rassistischen Beschimpfungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt.

Mit der Ehrung von Mouctar Bah und Stefan Schmidt will die Internationale Liga für Menschenrechte zugleich auf zwei skandalöse Probleme hinweisen: Einerseits auf das fortgesetzte Sterben von Flüchtlingen, besonders aus Afrika vor den Toren Europas und andererseits auf die zunehmende Tendenz in Deutschland, Rassismus und Ausgrenzung gesellschaftlich und institutionell zu dulden.

Die Internationale Liga für Menschenrechte vergibt die Carl-von-Ossietzky-Medaille seit 1962.

medaille

PRO ASYL 17.07.2009 www.proasyl.de

Stefan Schmidt erhält Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009

Die Internationale Liga für Menschenrechte verleiht Stefan Schmidt für seine Rettung von 37 Menschen als Kapitän der "Cap Anamur" die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Damit soll auf das fortgesetzte Sterben von Flüchtlingen vor den Toren Europas hingewiesen und die außerordentliche Zivilcourage Schmidts ausgezeichnet werden.

Schmidt erhielt für seinen Einsatz bereits im Jahr 2006 den Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL, die PRO ASYL-Hand. Das deutsche Schiff Cap Anamur rettete im Juni 2004 37 Menschen aus Seenot. Für diese Rettungstat stehen Kapitän Stefan Schmidt und der damalige Vorsitzende von Cap Anamur, Elias Bierdel, in Italien vor Gericht. Den beiden Lebensrettern drohen mehrjährige Haftstrafen, exorbitante Geldstrafen und weitere zermürbende Jahre in der nächsten Gerichtsinstanz. Der nächste Prozesstermin wurde unlängst auf Oktober 2009 verschoben. PRO ASYL ruft mit der Aktion "Humanitäre Hilfe ist kein Verbrechen!" zur Solidarität mit den beiden Angeklagten auf und fordert deren umfassende Rehabilitierung.

Des weiteren wird Mouctar Bah ausgezeichnet, der seit Jahren für die Aufklärung des Verbrennungstodes von Oury Jalloh im Dessauer Polizeirevier im Januar 2005 kämpft. Die Stiftung PRO ASYL begrüßt, dass hiermit die Zivilcourage und das Engagement eines Menschen gewürdigt wird, der selbst Flüchtling ist.

Die Preisverleihung findet im Dezember in Berlin statt. Wir gratulieren den Preisträgern.

www.greenpeace-magazin.de

tagesthemen  17. Juli 2009, 09:53

Ossietzky-Medaille für Kapitän und Geschäftsmann

Berlin (dpa) - Der Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und der Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah erhalten in diesem Jahr die Carl- von-Ossietzky-Medaille. Beide hätten «außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet», begründete die Internationale Liga für Menschenrechte am Freitag in Berlin ihre Entscheidung. Die Ossietzky-Medaille wird seit 1962 vergeben.

Schmidt habe als Kapitän des deutschen Schiffs Cap Anamur vor fünf Jahren 37 Menschen gerettet, die auf dem Fluchtweg nach Europa vor der italienischen Küste in Seenot geraten waren. Dafür muss er sich seit November 2006 vor einem italienischen Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall vor und fordert vier Jahre Haft und 400 000 Euro Geldstrafe. Das Urteil soll im Oktober verkündet werden.

Der aus Guinea stammende Afrikaner Mouctar Bah werde für seinen Einsatz zur Aufklärung der Todesumstände seines Freundes Oury Jalloh geehrt. Der Asylbewerber war im Januar 2005 bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle umgekommen. Gemeinsam mit einer von ihm ins Leben gerufenen Initiative erreichte Bah die Einleitung eines Gerichtsverfahrens und setzte sich dafür ein, dass die in Sierra Leone lebenden Eltern Jallohs als Nebenkläger zugelassen wurden.

 

NEWS/288: Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009 (ILMR)

 

InternationaIe Liga für Menschenrechte - 17.07.2009, veröffentlicht: 18. Juli 2009
Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009 (es folgt Text der Liga-PM)

 

dpa - DEUTSCHE PRESSE-AGENTUR GmbH - bdt0210 4 pl 114 dpa 4163

International/Menschenrechte/Auszeichnungen/ (Hintergrund - Stichwort)
Carl-von-Ossietzky-Medaille für Menschenrechtler =


Dessau-Roßlau/Berlin (dpa) - Die Carl-von-Ossietzky-Medaille wird jährlich am Tag der Menschenrechte von der Internationalen Liga für Menschenrechte verliehen. Die undotierte Auszeichnung erhalten seit 1962 Menschen, die sich in besonderer Weise für Menschenrechte eingesetzt haben. Der Preis geht auf den Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky (1889-1938) zurück. Der Publizist wurde von 1933 bis 1936 in den Konzentrationslagern in Sonnenburg und Papenburg inhaftiert, weil er die Politik der Nationalsozialisten heftig kritisiert hatte. 1935 wurde Ossietzky für seinen Widerstand mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Drei Jahre später starb er an den Folgen der Haft in einem Berliner Krankenhaus.  (Internet: www.ilmr.de)

 

[Liga für Menschenrechte]: Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin dpa may yysa w4 mi

171148 Jul 09

 

KATHOLISCHE INTERNATIONALE PRESSEAGENTUR
kipa@kipa-apic.ch

 

Carl-von-Ossietzky-Medaille für Cap-Anamur-Kapitän

Berlin, 17.7.09 (Kipa) Cap-Anamur-Kapitän Stefan Schmidt und der deutsche Geschäftsmann Mouctar Bah erhalten in diesem Jahr die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Beide hätten ausserordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und in der Europäischen Union geleistet, erklärte die Internationale Liga für Menschenrechte am Freitag, 17. Juli, in Berlin.

Die Organisation verleiht die Auszeichnung seit 1962. Schmidt und Bah erhalten die Medaille am 13. Dezember in der Hauptstadt.

Schmidt rettete im Juni 2004 als Kapitän der "Cap Anamur" 37 Menschen, die im Mittelmeer in Seenot geraten waren. Der Kapitän muss sich seit gut zwei Jahren vor einem italienischen Gericht verantworten. Die Behörden werfen ihm bandenmässige Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall vor. Das Urteil wird im Oktober 2009 erwartet.. [Länge: 1501 Zeichen]

http://nachrichten.info-sozial.de

 

Carl-von-Ossietzky-Medaille Preisträger stehen fest

(13:49) - Social-Times.de -

Berlin (epd). Der Kapitän der "Cap Anamur", Stefan Schmidt, und der Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah werden in diesem Jahr mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte geehrt. Beide hätten außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet, teilte die Liga mit.

 

NORDELBISCHE EVANGELISCH-LUTHERISCHE KIRCHE
17.07.2009

Carl-von-Ossietzky-Medaille für Lübecker "Cap Anamur"-Kapitän

Berlin/Lübeck (epd). Der Lübecker Kapitän der "Cap Anamur", Stefan Schmidt, wird in diesem Jahr mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte geehrt.

Er erhält die Auszeichnung gemeinsam mit dem Geschäftsmann Mouctar Bah. Beide hätten außerordentliche Zivilcourage bewiesen und einen besonderen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte in Deutschland und der Europäischen Union geleistet, teilte die Liga am Freitag in Berlin mit. Die Verleihung ist für den 13. Dezember im Berliner Haus der Kulturen der Welt vorgesehen.

Schmidt habe als Kapitän des deutschen Schiffes "Cap Anamur" im Juni 2004 in eigener Verantwortung 37 Menschen, die auf dem Fluchtweg nach Europa vor der italienischen Küste in Seenot geraten waren, gerettet. Dafür steht er gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden des Hilfskomitees "Cap Anamur", Elias Bierdel, sowie seinem Ersten Offizier Wladimir Daschkewitsch in Italien vor Gericht. Den Angeklagten wird "Beihilfe zur illegalen Einwanderung" vorgeworfen.

Der Geschäftsmann Bah kämpfe seit dem qualvollen Verbrennungstod seines Freundes Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam am 7. Januar 2005 für die Aufklärung der Todesumstände. Hierfür habe er mit anderen die Oury-Jalloh-Initiative gründet. Gemeinsam mit ihr habe er die Einleitung eines Gerichtsverfahrens zur Aufklärung des Todes von Oury Jalloh erreicht.

Mit der Ehrung von Bah und Schmidt wolle die Liga auch auf das fortgesetzte Sterben von afrikanischen Flüchtlingen vor den Toren Europas sowie auf die zunehmende Tendenz in Deutschland hinweisen, Rassismus und Ausgrenzung gesellschaftlich und institutionell zu dulden, betonte die Liga, die die Carl-von-Ossietzky-Medaille seit 1962 vergibt.

 

Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009
für Kapitän Stefan Schmidt und Mouctar Bah

Der Kapitän der "Cap Anamur" und Mitbegründer von "borderline europe", Stefan Schmidt, wird mit einem der wichtigsten deutschen Menschenrechts- preise geehrt: er erhält im Dezember die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Neben Schmidt wird auch der Dessauer Geschäftsmann Mouctar Bah ausgezeich- net, der seit dem qualvollen Verbrennungstod seines Freundes Oury Jalloh in Polizeihaft für die Aufklärung der Todesumstände kämpft.