Begrüßung durch Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner

Guten Tag, meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Internationalen Liga für Menschenrechte! Im Namen des Kuratoriums und des Vorstands der Liga möchte ich Sie hier im Haus der Kulturen der Welt sehr herzlich begrüßen zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaillen 2005.

Lassen Sie uns gleich zu Beginn kurz innehalten und der in diesem Jahr verstorbenen Mitglieder der Liga gedenken. Wir beklagen den Tod von Ursula Schaar, Annemarie Friedrich sowie Horst Wolff. Zum Gedenken möchte ich Sie herzlich bitten, sich jetzt von Ihren Plätzen zu erheben – ich danke Ihnen...

Manche werden sich noch gut an die lebhafte Rede erinnern, die Annemarie Friedrich als „Großmutter der FREIen HEIDe“ anlässlich der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2003 hier an diesem Ort gehalten hat. Wir wünschen der FREIen HEIDde natürlich von hier aus weiterhin einen langen Atem in ihrem Engagement für den Frieden und für eine ausschließlich zivile und friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide.

Lassen Sie uns zunächst einmal die Hauptpersonen des heutigen Tages herzlich willkommen heißen – es sind dies die beiden Berliner Lehrerinnen Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat, die das Liga-Kurato­rium für die erfolgreiche Verhinderung der Abschiebung ihrer 13jährigen Schülerin Tanja Ristic nach Bosnien ehren möchte, sowie Kai-Uwe Lindloff als Vertreter des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ in Berlin, die für das ehrenamtliche Engagement zugunsten sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher in Berliner Randbezirken heute ausgezeichnet wird.

Des weiteren begrüße ich sehr herzlich Percy MacLean, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Berlin, der später die Laudatio auf unsere Preisträgerinnen halten wird. Percy MacLean ist, wie Sie wissen, im vorigen Jahr für seinen Einsatz insbesondere für die Rechte von politisch Verfolgten und Bürgerkriegsflüchtlingen mit der Carl-von-Ossietzky-Me­daille 2004 ausgezeichnet worden. Natürlich heiße ich auch alle früheren Medaillenträgerinnen und –träger heute herzlich willkommen.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den weiteren Mitwirkenden des heutigen Tages verlieren: Ich freue mich, Ihnen Mitglieder des Grips-Theaters ankündigen zu können, die uns zwei Lieder zu Gehör bringen werden. Das Grips-Theater gehört zusammen mit Volker Ludwig in die Reihe unserer Medaillen-Träger – die Verleihung war, wenn ich mich recht entsinne, 1994. Nun hat das Grips-Theater ein Unterrichtskonzept für Schulen entwickelt, in dem es um Flüchtlingsschutz und Menschenrechte geht und es ist u.a. mit einem Theaterstück beteiligt an dem Aktionsbündnis "Hier geblieben!", das sich für ein Bleiberecht von Kindern, Jugendlichen und deren Familien einsetzt - und das im übrigen einen direkten Bezug zu unserer heutigen Preisverleihung aufweist: nämlich zu dem Fall der Schülerin Tanja Ristic, die wir heute hier unter uns begrüßen dürfen und auch noch hören werden – herzlich willkommen.

Ich freue mich überhaupt, dass heute so viele junge Menschen, Kinder, Schülerinnen und Schüler, zu uns gefunden haben – so auch Anne Keit von der Carl-von-Ossietzky-Schule Pankow, die ein Grußwort sprechen wird sowie die Mitglieder der Percussion-Band der Fritz-Karsen-Schule, die unser musikalisches Rahmenprogramm bereichern, ebenso wie die Kinder der „Arche“, von denen uns einige Lieder aus einem Musical darbieten werden. Wie Sie sehen, ein recht buntes Programm.

So viel, meine Damen und Herren, zu den unmittelbar Mitwirkenden des heutigen Tages. Es ist nun das dritte Mal, dass ich als Liga-Präsident die große Ehre habe, die Carl-von-Ossietzky-Medaillen verleihen zu dürfen und Sie, liebes Publikum, durch die Veranstaltung zu begleiten. Auch dieses Jahr möchte ich Ihnen nicht verheimlichen - ein fast schon liebgewordenes Ritual -, dass ich mich vor allem darüber freue, eine Positivauszeichnung vergeben zu dürfen, nachdem ich vor Kurzem – als Mitglied der Jury zur Verleihung des deutschen BigBrotherAwards – schon zum sechsten Mal gewisse Institutionen und Politiker mit einem Negativpreis „auszeichnen“ musste, die in eklatanter Weise gegen das Informationelle Selbstbestimmungsrecht und den Datenschutz verstoßen haben. Die Liga trägt seit 2003 neben anderen Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen diese Preisvergabe mit. Den „Oscar für Datenkraken“, wie er auch genannt wird, erhielten in diesem Jahr insgesamt neun Preisträger – an vorderster Stelle Bundesinnenminister a.D., Otto Schily für die undemokratische Einführung des biometrischen Reisepasses, dessen Technik unausgereift und unsicher ist, und zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung führt. Schily erhielt den Preis auch für sein Lebenswerk, nämlich für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Freiheitsrechte und für seine hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbe­kämpfung.

Die unglücklichen BigBrotherAward-Empfänger haben ihre Preis-Tro­phäen, wie üblich, verschmäht – aber so etwas wird uns heute nicht passieren, und das aus gutem Grunde, denn schließlich ist die Ossietzky-Medaille eine Positiv-Auszeichnung – und zwar für widerständiges politisches Engagement, für Zivilcourage und kritische Aufklärung. Wir erinnert damit an den engagierten Publizisten und Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky. Seinem unkorrumpierbaren Geist und seinem Einsatz für Frieden und Menschenrechte fühlt sich die Liga verpflichtet.

Und nun hören wir ein Lied des Grips-Theaters. Ich danke Ihnen.