Offener Brief

 

an das Bundesamt für Verfassungsschutz, Köln

 

Wir, Mitglieder des deutschen PEN-Clubs und des Verbandes Deutscher Schriftsteller, protestieren gegen die geheimdienstliche Überwachung und Erfassung des Bremer Publizisten und Rechtsanwalts Dr. Rolf Gössner.

 

Gössner, bekannt als Bürgerrechtler und Geheimdienstkritiker, steht nach Auskunft des Verfassungsschutzes seit über 25 Jahren unter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dabei werden sowohl seine Veröffentlichungen, Reden und Interviews in angeblich „linksextremistischen“ bzw. „links­extremistisch beeinflußten Publikationsorganen erfaßt, als auch seine Lesungen und Veranstaltungen mit bestimmten Organisatoren, die der Verfas­sungs­schutz als „linksextremistisch beeinflußt“ einstuft.

 

Die permanente geheimdienstliche Überwachung eines Publizisten und Rechts­anwalts kann dazu führen, daß sowohl der gesetzlich verankerte Informantenschutz als auch das Mandatsgeheimnis ausgehebelt werden. Wir sehen darin u.a. eine Verletzung der journalistischen und schriftstellerischen Freiheit und fordern daher, die Überwachung Rolf Gössners sofort einzustellen und ihm gegenüber sämtliche erfaßten Daten offenzulegen.

 

(Auswahl)

Carl Amery (Schriftsteller), Dr. Fank Benseler (Bundesvorsitzender des Verbandes Dt. Schriftsteller), Annemarie Böll (Übersetzerin), Dr. Karlheinz Deschner (Schrift­stel­ler), Prof. Dr. Ossip K. Flechtheim (Politologe), Günter Grass (Schriftsteller), Dieter Hildebrandt (Ka­ba­rettist), Monika und Otto Köhler, Prof. Dr. Lew Kopelew (Germanist), Dieter Lattmann (Schriftsteller), Jürgen Lodemann (Autor), Hermann Peter Piwitt (Schriftsteller), Prof. Dr. Adalbert Podlech (Jurist/Datenschützer), Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter (Psychiater), Peter Rühmkorf (Schriftsteller), Erasmus Schöfer (Schriftsteller), Dorothee Sölle (Schriftstel­lerin), Johanno Strasser (P.E.N.-Generalsekretär), Dr. Uwe Timm (Schriftsteller), Prof. Dr. Klaus Wagenbach (Verleger), Prof. Dr. Uwe Wesel (Jurist/Hochschullehrer), Dr. Hans Wollschläger (Schriftsteller/Übersetzer), Gerhard Zwerenz (Schriftsteller/Bundestagsabge­ordneter).  (1997)

 

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag

 

Pressemitteilung vom 14. Juli 1997

Schriftsteller protestieren gegen geheimdienstliche Überwachung

 

Prominente P.E.N.-Mitglieder fordern sofortige Einstellung der Erfassung des Fraktionsberaters RA Dr. Rolf Gössner durch den „Verfassungsschutz“

 

Fraktion begrüßt „Akt der Solidarität“

 

In einem Offenen Brief wenden sich zahlreiche bekannte Schriftsteller des deutschen P.E.N.-Zentrums sowie der Verband Deutscher Schriftsteller an das Bun­des­amt für Verfassungsschutz und protestieren gegen die geheimdienstliche Über­wachung und Erfassung des rechtspolitischen Beraters der grünen Landtagsfraktion, Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner.

Die innenpolitische Fraktionssprecherin Silke Stokar hat heute die Aktion als „Akt der Solidarität“ begrüßt. Sie bekräftigt die Forderung der Fraktion, endlich die Beobachtung ihres langjährigen rechtspolitischen Beraters einzustellen und ihm gegenüber sämtliche erfaßten Daten offenzulegen. Stokar befürchtet weiterhin, daß diese geheimdienstliche Überwachungstätigkeit auch zu einer Ausforschung der Abgeordneten führt und damit den Abgeordnetenstatus verletzt.

Im Herbst letzten Jahres ist bundesweit bekannt geworden, daß Rolf Gössner seit über einem Vierteljahrhundert bis in die Gegenwart vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und mit seinen beruflichen Aktivitäten registriert wird. So werden etwa seine Artikel, Reden und Interviews, die in angeblich „linksextremistisch beeinflußten“ Publikationen erschei­nen, ebenso erfaßt, wie Lesungen und politische Veranstaltungen des Buchautors und Anwalts.

Zu den Unterzeichnern des Offenen Briefes, die gegen die Überwachung und Erfassung Gössners protestieren, gehören u.a.

Carl Amery (Schriftsteller), Dr. Fank Benseler (Bundesvorsitzender des Verbandes Dt. Schriftsteller), Annemarie Böll (Übersetzerin), Dr. Karlheinz Deschner (Schrift­stel­ler), Prof. Dr. Ossip K. Flechtheim (Politologe), Günter Grass (Schriftsteller), Dieter Hildebrandt (Ka­ba­rettist), Monika und Otto Köhler , Prof. Dr. Lew Kopelew (Germanist), Dieter Lattmann(Schriftsteller), Jürgen Lodemann (Autor), Hermann Peter Piwitt (Schriftsteller), Prof. Dr. Adalbert Podlech (Jurist/Datenschützer), Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter (Psychiater), Peter Rühmkorf (Schriftsteller), Erasmus Schöfer (Schriftsteller), Dorothee Sölle (Schriftstel­lerin), Johano Strasser (P.E.N.-Generalsekretär), Dr. Uwe Timm (Schriftsteller), Prof. Dr. Klaus Wagenbach (Verleger), Prof. Dr. Uwe Wesel (Jurist/Hochschullehrer), Dr. Hans Woll­­schläger (Schriftsteller/Übersetzer), Gerhard Zwerenz (Schriftsteller/Bundestags­abge­ord­neter).

Die Unterzeichner der Protestnote an das Bundesamt für Verfassungsschutz sehen in den Geheimdienstmaßnahmen gegen den bundesweit bekannten Geheimdienstkritiker eine Verletzung der journalistischen, schriftstellerischen und wissenschaftlichen Frei­heit. Sie befürchten, daß die seit über 26 Jahren andauernde Überwachung dazu führen kann, daß sowohl der gesetzlich verankerte Informantenschutz als auch das Mandatsgeheimnis ausgehebelt werde.

Im Juni 1997 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag zu diesem Über­wa­chungs­­fall eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Darin wird u.a. nach der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Erfassung und nach den Auswirkungen auf das Anwaltsgeheimnis und den Informantenstatus gefragt. Außerdem wollte die Fraktion wissen, wie es sich erklärt, daß Gössner einerseits vom „Verfassungsschutz“ beobachtet wird, andererseits etwa vom Bundesgrenzschutz, von Länderpolizeien oder vom „Verfassungs­schutz“ als Experte zu Vorträgen eingeladen wird. Da die Antwort der Bundesregierung ungenügend und ausweichend ausgefallen ist, überlegt die Fraktion weitergehende Schritte, um diesen Fall zu erhellen.

Rolf Gössner erwägt - nach Ausschöpfung aller außergerichtlichen Mittel - auch gerichtliche Schritte gegen seine Erfassung und für die Offenlegung sämtlicher Verfassungsschutz-Daten zu seiner Person einzuleiten.

sst/rg

 

 

Antrag zum 23. Strafverteidigertag in Bremen

Schluß mit der Bespitzelung von Rechtsanwalt Dr. Gössner!

 

Der 23. Strafverteidigertag protestiert schärfstens gegen die jahrzehntelange geheimdienstliche Überwachung des Kollegen Dr. Rolf Gössner (Bremen) durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Der Kollege Dr. Gössner ist uns als engagierter Rechtsanwalt, Publizist und Bürgerrechtler bekannt. In zahlreichen Publikationen hat er sich kritisch u.a. mit den Praktiken der Geheimdienste befaßt. 1996 und zuletzt Ende 1998 wurde ihm vom BfV bestätigt, daß er selbst seit über einem Vierteljahrhundert Objekt geheimdienstlicher Ausspähung und Überwachung ist. Grund für diese extensive Schnüffelei ist laut BfV, daß er im Rahmen seiner beruflichen und rechtspolitischen Arbeit u.a. Kontakt zu Gruppen und Personen hatte, die der Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ oder „linksextremistisch beeinflußt“ einstuft.

Die Überwachungsmaßnahmen verletzen nicht nur den Informantenschutz des Journalisten, sondern insbesondere auch das Mandatsgeheimnis des Rechtsanwalts Dr. Gössner. Der Versuch der Großen Sicherheitskoalition aus CDU/CSU und SPD, mit dem Großen Lauschangriff in den Kernbereich anwaltlichen Mandatsgeheimnisses einzubrechen, konnte im vorigen Jahr in letzter Sekunde durch die massiven Proteste von Bürgerrechts- und Berufsorganisationen verhindert werden. Für den Kollegen Dr. Gössner und seine Mandanten gilt dieser Schutz offensichtlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr!

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Überwachung des Kollegen Dr. Gössner sofort zu beenden und ihm gegenüber sämtliche erfaßten Daten offenzulegen!

 

GUSTAV HEINEMANN-INITIATIVE - HUMANISTISCHE UNION

 

Berlin, 12. Januar 1999

Presseerklärung

 

Bürgerrechtsgruppen protestieren gegen Überwachung

eines namhaften Kritikers der Geheimdienste

 

RA Dr. Rolf Gössner seit über 28 Jahren nach wie vor

unter geheimdienstlicher Beobachtung

 

Es ist keine Realsatire über ”Schlapphüte”, die nach Beendigung des Kalten Krieges beschäftigungslos geworden sind, sondern bitterer Ernst: Nach wie vor - und das heißt seit über 28 Jahren - wird Dr. Rolf Gössner, Rechtsanwalt, renommierter Publizist und engagierter Bürgerrechtler vom Verfassungsschutz geheimdienstlich überwacht. Diese Tatsache hat das Bundesamt - auf Antrag - dem Betroffenen Ende letzten Jahres mitgeteilt.

Mit dieser systematischen Langzeitüberwachung wird - um ein Sprichwort umzukehren - letztlich ein ”Gärtner zum Bock” erklärt. Rolf Gössner gehört nämlich zu den kenntnisreichsten und aktivsten Streitern für die Bewahrung und Stärkung der Freiheitsrechte unseres Grundgesetzes. Ob es um den Erhalt des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung, die Einhaltung des Datenschutzes oder die Einschränkung von Freiheitsrechten ging, stets erhob Gössner in aller Öffentlichkeit seine Stimme als Schriftsteller, Referent und langjähriger parlamentarischer Berater (u.a. des Bundestages). Erst vor kurzem verfaßte er für acht Bürgerrechtsgruppen ein Memorandum in Sachen Menschen- und Bürgerrechte, das - nach langen Jahren der Grundrechtsdemontage - der neuen rot-grünen Bundesregierung den Reformbedarf im Bereich der sog. Inneren Sicherheit deutlich machen und ein ”Umsteuern” nahelegen wollte (dokumentiert in: Frankfurter Rundschau vom 14.10.1998).

Mit Rolf Gössner wird also ausgerechnet ein namhafter Streiter gegen den permanenten Abbau der Bürgerrechte behandelt wie ein ”Verfassungsfeind” - und nicht etwa diejenigen ”Sicherheitspolitiker”, die in den vergangenen Jahren der Verfassung schwer zugesetzt haben, indem sie u.a. die Grundrechte auf Asyl und (mit dem Großen Lauschangriff) auf Unverletzlichkeit der Wohnung bis zur Unkenntlichkeit aushöhlten.

Bezeichnenderweise wird Rolf Gössner nicht etwa inhaltlich eine feindliche Agitation gegen die Verfassung vorgeworfen, sondern lediglich, daß er im Rahmen seiner vielfältigen beruflich-politischen Arbeit u.a. auch mit Gruppen und Redaktionen Kontakt hatte, die der Verfassungsschutz als ”linksextremistisch bzw. linksextremistisch beeinflußt” einstuft. Es ist unseres Erachtens eines freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaats unwürdig, daß schon bloße ”Kontaktschuld” für eine geheimdienstliche Beobachtung ausreichen soll.

 

Mit diesen vagen Kriterien wird jedwede Kritik in der Öffentlichkeit zu einem privaten und beruflichen Risiko. Es ist im Rahmen aktiver Bürgerrechtsarbeit schlechterdings nicht möglich und auch nicht sinnvoll, selektiv nur Gleichgesinnte oder die neuentdeckte ”Neue Mitte” anzusprechen und andere auszugrenzen. Es käme einem Verbot der Teilnahme an Veranstaltungen mit zahlreichen Organisatoren gleich, wenn diejenigen, die dort Referate halten, ohne Rücksicht auf den Inhalt ihrer Reden vom Verfassungsschutz erfaßt würden. Gerade auch der Diskurs mit Andersdenkenden steht für eine lebendige Demokratie.

Wenn selbst renommierte Fachleute - wie der als Experte für das komplizierte Gebiet der Geheimdienste weithin bekannte Rechtsanwalt Gössner - zum Objekt staatlicher Beobachtung werden, dann drängt sich der Verdacht auf, daß hier unbequeme Mahner eingeschüchtert werden sollen.

Als Bürgerrechtsgruppen protestieren wir gegen die Überwachung des Bürgerrechtlers Rolf Gössner und verlangen vom Bundesamt für Verfassungsschutz, diese Praxis sofort einzustellen. Wir appellieren an die rot-grüne Bundesregierung, diesem unkontrollierbaren Treiben nach 28 Jahren endlich ein Ende zu setzen.

Dieser Protest wird unterstützt von folgenden Bürgerrechtsgruppen:

·      Gustav-Heinemann-Initiative

·      Humanistische Union

·      Internationale Liga für Menschenrechte

·      Strafverteidiger-Vereinigungen

·      Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen

·      BAG Kritische Polizistinnen und Polizisten

·      Europäische Vereinigung für Juristinnen und Juristen

für Demokratie und Menschenrechte

 

 

Grüne Fraktion im Niedersächsischen Landtag

Pressemitteilung                                                                                      12. 01. 1999

GRÜNE Fraktion fordert Stopp der geheimdienstlichen
Beobachtung ihres Mitarbeiters Rolf Gössner

Neue Bundesregierung soll Langzeitüberwachung beenden

Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Niedersächsischen Landtag fordert von Bundesinnenminister Schily, daß die fortdauernde Überwachung des rechtspolitischen Beraters ihrer Fraktion, Dr. Rolf Gössner, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sofort gestoppt wird. Im Jahr 1996 war bekannt-geworden, daß Gössner bereits seit über 25 Jahren unter geheimdienstlicher Beobachtung steht. Vor Weihnachten wurde in einem Bescheid die Fortdauer der Maßnahme bestätigt. Der Verfassungsschutz überwacht vor allem seine beruflichen Kontakte zu angeblich “linksextremistischen” oder “linksextremistisch beeinflußten” Organisationen, zu denen der Geheimdienst z.B. auch die “Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)” oder die “Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges” zählt.

”Es wäre unerträglich, wenn diese Langzeitüberwachung eines Fraktionsmitarbeiters der Grünen unter einer rot-grünen Bundesregierung fortgeführt würde”, sagte Harms. Sie begrüßte die Protestnote von acht Bürgerrechtsorganisationen, unter ihnen die Humanistische Union und die Gustav-Heinemann-Initiative, in der dagegen protestiert wird, daß mit Rolf Gössner ein ”namhafter Streiter gegen den permanenten Abbau der Bürgerrechte” wie ein ”Verfassungsfeind” behandelt werde.

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Silke Stokar sieht angesichts der geheimdienstlichen Beobachtung des Mitarbeiters der Fraktion den verfassungsrechtlichen Schutz der Abgeordneten vor Ausforschung nicht mehr gewährleistet. ”Wenn der Verfassungsschutz nichts ‚Besseres‘ zu tun hat, als die beruflichen Kontakte eines Geheimdienstkritikers aufzulisten, dann bestätigt dies unsere Auffassung, daß der Verfassungsschutz demokratieunverträglich ist. Eine solche Institution gehört gestutzt und mittelfristig aufgelöst.” Es sei höchste Zeit, den Verfassungsschutz im Bund und in den Ländern einer eingehenden Aufgabenkritik zu unterziehen.

Stokar und Harms kritisierten die von Innenminister Bartling angekündigte Aufstockung der Mittel für den niedersächsischen Verfassungsschutz. Der Geheimdienst müsse gezähmt werden. Dazu gehöre die finanzielle und personelle Reduzierung und eine Liberalisierung der Geheimdienstgesetze.

Mit der Überwachung Rolf Gössners werde sich der neu zu konstituierende Kontrollausschuß des Bundestages zu beschäftigen haben, falls nicht auf andere Weise eine Beendigung der Observation erfolge.                                                  Rg/zm