18.12.2020
https://taz.de/Verfassungsschutzkritiker-rehabilitiert/!5739734/

Verfassungsschutzkritiker Gössner rehabilitiert:
Zu Unrecht bespitzelt

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass der Publizist Rolf Gössner 38 Jahre lang zu Unrecht bespitzelt wurde. Er ist Experte für Verfassungsschutz. Von Klaus Wolschner

Rolf Gössner im Porträt

Ließ sich nicht vom Verfassungsschutz einschüchtern: Rolf Gössner - Foto: Michael Bahlo

BREMEN taz | Nach 15 Jahren Verfahrensdauer ist vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig letztinstanzlich bestätigt worden, dass der Verfassungsschutzkritiker Rolf Gössner 38 Jahre lang zu Unrecht vom Bundesamt für Verfassungsschutz bespitzelt wurde.

Zwar war die Beobachtung des Anwaltes und Publizisten nach der Einreichung einer ersten Klage schon 2008 eingestellt worden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte aber noch 2018 mit einem 100seitigen Schriftsatz gegenüber dem Revisionsgericht begründet, warum Gössner zu Recht vom Verfassungsschutz bespitzelt wurde.

Dabei hatte schon das Verwaltungsgericht Köln 2011 festgestellt, dass die Beobachtung ein „schwerwiegender Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Positionen“ war. Diese sei unverhältnismäßig und grundrechtswidrig gewesen. Als erschwerend wurde die Verletzung des Berufsgeheimnisses des Anwaltes und Journalisten gewertet.

In Bremen, wo Gössner lebt, wurde seine Rolle ganz anders bewertet. Seit 2007 saß er im Innenausschuss des Landtages, dort „Deputation“ genannt. Damals war übrigens Lothar Jachmann Vize-Chef des Bremer Verfassungsschutzes – just mit ihm hatte Gössner in seiner Jugend Tischtennis gespielt.

Seit seiner Jugend unter Beobachtung

Aber wie geriet er ins Visier des Bundesamtes? Für Gössner gibt es einen Anhaltspunkt aus seiner Jugend: Er war Ende der 1960er Jahre mit einer polnischen TV-Journalistin befreundet. Die beiden wurden nicht nur von polnischen Sicherheitskräften beschattet, baden-württembergische VS-Leute besuchten auch seine Eltern, um sie vor den Umtrieben ihres Sohnes zu warnen. Ein Jahr später eröffnete das Bundesamt seine Akte Gössner, die am Ende 2.000 Seiten dick war.

Was da stand, war kein Geheimnis: Gössner war – und ist bis heute – gefragt als Experte für kritische Einschätzungen des Verfassungsschutzes. Er schreibt Artikel, gibt Interviews. 1980 war er für ein Jahr als Redakteur bei der taz angestellt. Diverse parlamentarische Gremien haben ihn um Rat gefragt.

1996 war Gössner gar beim hessischen Verfassungsschutz zum Vortrag geladen – drei Tage nachdem er von seiner bereits jahrzehntelangen VS-Überwachung erfahren hatte. Die Beamten waren so die ersten, denen er von seiner Bespitzelung erzählte. Sein Vortrag blieb ohne Beifall.

Gössner hat sich nicht einschüchtern lassen. Er schreibt gerade an einem weiteren Buch und ist – 72-jährig – so in seinen Fachgebieten engagiert, dass er keine Zeit zum Tischtennisspielen hat.

Kommentare u.a.: Wenn die Linke ein Schattenkabinett benennt, sollte sie Gössner als Innenminister vorschlagen. / Glückwunsch. / 38 Jahre vom „Verfassungsschutz“ bespitzelt - mehr Expertise geht wohl kaum. Der Mann weiß aus eigener Erfahrung, was beim „Verfassungsschutz“ falsch läuft. / Einer der wenigen, dem die Überwachung durch den Verfassungsschutz nicht wirklich geschadet hat. Andere können dadurch ihren Job verlieren oder sehe ich das falsch? / Man sieht, wie überflüssig dieser Verfassungsschutz ist. Man sollte ihn auflösen.

 

 STERN PLUS. Näher dran.

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Interview

VERFASSUNGSSCHUTZ-SKANDAL

Herr Gössner, Sie wurden fast 40 Jahre zu

Unrecht vom Verfassungsschutz überwacht.

Macht das nicht paranoid?

Fast 40 Jahre wurde Rolf Gössner vom Verfassungsschutz bespitzelt – zu Unrecht, wie ein Gericht kürzlich urteilte. Auf eine Entschuldigung wartet er bis heute.

Von Kerstin Herrnkind

Herr Gössner, wir telefonieren. Können wir sicher sein, dass der Verfassungsschutz uns nicht abhört?

Rolf Gössner: Sicher kann man in dieser Hinsicht nie sein. Aber ich gehe davon aus, dass wir nicht abgehört werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat Sie fast 40 Jahre "in handgreiflicher Weise unangemessen" überwacht. Das haben die Richter des Bundesverwaltungsgerichts kürzlich in ihrem Urteil rechtskräftig festgestellt.

Ja, und damit ist die gesamte Überwachung von Anfang an grundrechtswidrig.

Der Anwalt und Menschenrechtler Rolf Gössner (hinten) wurde schon als Student vom Verfassungsschutz überwacht. Inzwischen ist er Stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof in Bremen.

Haben sich Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, oder Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei Ihnen gemeldet? Vielleicht, um sich zu entschuldigen?

Das ist nicht passiert. Mich verwundert das eigentlich nicht, obwohl ich eine Entschuldigung für angebracht hielte – auch eine Wiedergutmachung. Allein schon, wegen der Dauer der Überwachung und weil mir der Verfassungsschutz bis zuletzt in verleumderischer Weise "verfassungsfeindliche Bestrebungen" unterstellt hat.

Sie sind jetzt 73, waren noch Student, als der Verfassungsschutz sie ins Visier nahm. Wie fing das an?

Es begann Ende der 1960er Jahre mit meiner Jugendliebe zu einer Polin, die in Warschau lebte. Das war damals, zu Hoch-Zeiten des Kalten Kriegs und des Ost-West- Konflikts, eine höchst verdächtige und offenbar auch gefährliche Liebe, die dann auch ganz rasch ins Visier der Geheimdienste hüben wie drüben geriet. Überwachung inklusive.

Wie alt waren Sie damals?

Ich war noch keine 20, meine damalige Freundin etwa zwei Jahre jünger.

Eine hochverdächtige Teenagerliebe, also. Wie haben Sie bemerkt, dass der Geheimdienst sie überwacht hat?

Ich bemerkte ab und zu, dass wir observiert wurden. Unsere Briefe kamen geöffnet an, der Inhalt war oft unvollständig. Eines Tages stand ein Verfassungsschützer bei meiner Familie auf der Matte und warnte sie, ich solle nicht mehr in den kommunistischen Osten reisen, das sei zu gefährlich. Ich reiste trotzdem weiter in Länder des "Ostblocks" und ging seitdem davon aus, dass ich auf dem Schirm des Verfassungsschutzes war. Auch wenn meine Personenakte beim Bundesamt für Verfassungsschutz erst 1970 beginnt.

Was haben Sie denn 1970 gemacht?

Ich studierte Jura an der Universität Freiburg, engagierte mich politisch im Studentenrat, beim AStA, war Chefredakteur der Freiburger Studentenzeitung. Seitdem, das weiß ich ja nun rückwirkend, stand ich unter permanenter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Damals wusste ich allerdings noch nichts von dieser Überwachung, erlebte aber merkwürdige Dinge.

Was für merkwürdige Dinge?

Mutmaßlich ein Verfassungsschützer aus Köln horchte meine Nachbarn über mich aus. Der wollte wissen, was ich so treibe und ob es Auffälligkeiten gebe. Hinzu kamen zeitweise recht offensichtliche Observationen, bei denen ich gezielt fotografiert wurde.

Wird man da nicht paranoid?

Naja, das hätte ja auch Zufall sein können. Ich wusste damals nicht, ob das nur aufdringliche Touristen waren.

1996 wurde aus der dunklen Ahnung Gewissheit. Sie stellten einen Antrag auf Auskunft und erfuhren, dass der Verfassungsschutz sie seit über 25 Jahren überwachte. Inzwischen waren Sie Anwalt, Publizist und Politikberater. Alles Berufe, bei denen Vertrauen wichtig ist. Konnten Sie überhaupt noch arbeiten?

Das war in der Tat problematisch. Berufsgeheimnisse und Vertraulichkeit waren mehr als beeinträchtigt. Als Publizist musste ich meine Informanten und Whistleblower gerade im Zuge heikler investigativer Recherchen im Bereich innerer Sicherheit aufwändig absichern. Nicht selten mussten Kontakte unterbleiben oder abgebrochen werden.

Ein Anwalt, der das Mandatsgeheimnis nicht wahren kann, der kann doch einpacken. Können Sie sagen, wie viele Mandate und Honorare Sie über die Jahre nicht erhalten oder verloren haben?

Nein - das wäre auch nicht wirklich nachweisbar, deshalb kann ich auch keinen Schadensersatz beanspruchen. Doch mein Renommee als Bürgerrechtler ist trotz der Diffamierung durch den Verfassungsschutz nicht etwa zerstört, eher noch gesteigert worden. Viele Menschen sind ja gerade zu mir gekommen, weil sie wussten, dass ich beobachtet werde und wollten meinen Rat, wie man sich gegen staatliches Unrecht wehren kann.

Hat die Überwachung Ihnen psychisch zugesetzt?

Psychisch bin ich rückwirkend betrachtet doch relativ glimpflich davongekommen. Das liegt auch an meinem sozialen Umfeld, das sehr gut damit umgegangen ist. Und dass die Öffentlichkeit Anteil genommen hat. Nachdem bekannt wurde, dass der Verfassungsschutz mich überwacht, habe ich viel Unterstützung erfahren, unter anderem von Schriftstellern wie Günter Grass und anderen Künstlern. Ich bin nicht in psychologischer oder irgendeiner anderen Behandlung gewesen. Das hatte ich glücklicherweise nicht nötig. Ich habe das Ganze auch nicht nur negativ wahrgenommen, sondern es positiv gewendet: zu einem anschaulichen Lehrstück in Staatskunde, das ich für meine Bürgerrechtsarbeit sehr gut nutzen konnte.

Es gibt Situationen, die Kafka nicht besser hätte erfinden können. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sie überwacht. Zur gleichen Zeit lädt der hessische Verfassungsschutz sie als Referenten ein. Thema: Verfassungsschutz - eine Behörde ohne Zukunft?

Ja, das war 1996. Der hessische Verfassungsschutz hatte mich ins Schloss Biebrich zu einer Diskussion mit dem damaligen hessischen Innenminister Gerhard Bökel (SPD) eingeladen. Es ging um die von Ihnen zitierte Frage nach der Zukunft des Verfassungsschutzes. Das war genau einen Tag, nachdem ich erfahren hatte, dass ich schon seit über 25 Jahren unter Beobachtung stand. Ich habe dort meine Thesen zur "sozialverträglichen Auflösung des Verfassungsschutzes" vorgestellt, weil ich ihn für demokratie-unverträglich halte. Und dann habe ich zur Untermauerung erstmals öffentlich erzählt, dass das Bundesamt mich überwacht.

Wie reagierten die versammelten Staats- und Verfassungsschützer?

Ich blickte in versteinerte Gesichter. Nach meinem Vortrag – das passiert nicht häufig – hat sich keine Hand gerührt.

Zum Honorar bekamen Sie vom Verfassungsschutz auch eine Flasche Wein. Der taz haben Sie erzählt, sie hätten sich lange nicht getraut, den Wein zu trinken. Fürchteten Sie wirklich, vergiftet zu werden?

Na ja, das ginge schon in Richtung Paranoia, die ich ja Gott sei Dank nie hatte. Ich habe gedacht, die Flasche hebe ich mir bis zum 50sten Geburtstag des Verfassungsschutzes auf.

Im Jahr 2000, also. Haben Sie so lange durchgehalten?

Sogar noch länger. Als wir sie dann öffneten, informierten wir Bekannte, falls was passieren sollte. Aber es war ein vorzüglicher Wein aus dem hessischen Staatsweingut – ohne schlimme Nebenwirkungen.

Sie haben 15 Jahre lang gegen den Verfassungsschutz prozessiert. Wie haben Sie das finanziert?

Die Finanzierung war nicht so problematisch, zumal ich dankenswerterweise Rechtsschutz von meiner Gewerkschaft Ver.di erhielt, weil ich ja besonders als Publizist betroffen war.

Die Kosten trägt nun der Steuerzahler. Haben Sie eine Ahnung, wie viel Geld der Prozess und ihre Überwachung gekostet haben?

Nein, nicht wirklich. Doch die Kosten der jahrzehntelangen Überwachung dürften überschlägig im höheren fünfstelligen Bereich liegen. Und auch für das Verfahren kommt einiges zusammen, da die Bundesregierung ein teures Anwaltsbüro beauftragt hat. Also: Die Gesamtkosten dürften in die Abertausende gehen. Eigentlich ein Fall für den Bundesrechnungshof – wegen Verschwendung öffentlicher Gelder. Eine solche Überprüfung steht noch aus.

Wissen Sie, was der Verfassungsschutz über Sie gesammelt hat?

Nur auszugsweise, denn von den weit über 2.000 Seiten, die meine Akte umfasst, sind nur etwa 20 Prozent lesbar. Der Rest ist geschwärzt oder der Akte entnommen. Auch gegen diese Geheimhaltung und Aktenmanipulation habe ich geklagt. Ohne Erfolg. Alle gesperrten Teile müssen geheim bleiben. Und zwar aus Gründen des "Staatswohls" und des "Quellenschutzes".

Was steht in den Akten, die lesbar sind?

Das sind zumeist meine eigenen Artikel und Interviews in bestimmten Presseorganen, die der Verfassungsschutz dem "linksextremistischen" Umfeld zurechnet. Dazu zählten seinerzeit "Blätter für deutsche und internationale Politik", "Demokratie und Recht", später auch "Neues Deutschland" oder "Junge Welt".

Der Verfassungsschutz hat für Sie also ein gut sortiertes Pressearchiv angelegt?

So kann man sagen. Interessant dürften jedoch die geschwärzten Seiten sein – etwa die Berichte von Spitzeln, die über mich und meine Veranstaltungen oder über meine beruflichen Kontakte zu inkriminierten Gruppen wie der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) berichteten. Übrigens ist die geschwärzte Akte bereits im Museum für Kommunikation in Berlin und Frankfurt ausgestellt worden.

Außer Ihnen hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz auch Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, und Bodo Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen, im Visier. Gleichzeitig zogen Rechtsterroristen des NSU durchs Land und ermordeten zehn Menschen. Wie kann das sein?

Das ist in der Tat erklärungsbedürftig. Mich hat auch ziemlich schockiert, mit welcher ideologischen Verbissenheit der Inlandsgeheimdienst mich und viele andere Linke jahrzehntelang beobachtet hat, während gleichzeitig Nazis, unbehelligt ihre Blutspur durchs Land ziehen konnten. Eine Erklärung ist, dass der Verfassungsschutz selbst altnazistische Wurzeln hatte und ein antikommunistisches Kind des Kalten Krieges ist und deshalb ganz besonders Linke und Kommunisten zu Beobachtungsobjekten machte.

Brauchen wir den Verfassungsschutz?

In seiner bisherigen Ausprägung und Ausrichtung ist der Verfassungsschutz eine Gefahr für die Demokratie, weil er weder transparent noch demokratisch kontrollierbar ist sowie zu Skandalen und Verselbständigung neigt.

Sie sind auch gegen die Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Warum?

Eine Beobachtung der AfD durch diesen Verfassungsschutz wäre eher kontraproduktiv. Am Ende wirbt er noch V-Leute an und verstrickt sich wieder. Ähnlich wie beim Thüringer Heimatschutz, aus dem die NSU-Terroristen hervorgegangen sind.Die AfD kann man auch so schon durchschauen - im Übrigen empfehle ich eine offene und harte gesellschaftliche Auseinandersetzung.

Welche Konsequenzen fordern Sie als Überwachungsopfer des Verfassungsschutzes?

Der uferlosen Beobachtung von nicht parteigebundenen, unabhängigen Personen mit beruflichen Kontakten zu legalen Vereinigungen, die unter Beobachtung stehen, muss ein Riegel vorgeschoben werden. Eine offene, liberale Demokratie lebt von Kritik und Auseinandersetzung - auch und gerade mit politisch Andersdenkenden. Der ideologischen Gesinnungsschnüffelei des Verfassungsschutzes muss Einhalt geboten werden. Die Eingriffsschwelle, ab der der Verfassungsschutz tätig werden darf, muss deshalb höher geschraubt werden. Erst wenn eine Gewaltorientierung zu erkennen ist, darf überwacht werden. Nicht, wenn dem Verfassungsschutz eine Gesinnung verdächtig vorkommt.

Ihre Bespitzelung begann mit einer Jugendliebe. Haben Sie noch Kontakt?

Nein, schon lange nicht mehr. Letztlich ist die Beziehung auch an den politischen Widrigkeiten des Kalten Krieges zerbrochen.

Wissen Sie, was aus Ihrer Jugendliebe geworden ist?

Sie wurde Journalistin.

Quelle: https://www.stern.de/p/plus/gesellschaft/verfassungsschutz--rolf-goessner-wurde-40-jahre-zu-unrecht-bespritzet-30489614.html

Das neue Buch von Rolf Gössner: „Datenkraken im Öffentlichen Dienst.
‚Laudatio’ auf den präventiven Sicherheits- und Überwachungsstaat“
erscheint Anfang Mai 2021 im PapyRossa-Verlag, Köln, und kostet 19.90 Euro:
https://shop.papyrossa.de/Goessner-Rolf-Datenkraken-im-oeffentlichen-Dienst

Frühere Berichte zu dem Überwachungsfall aus dem „stern“:
www.stern.de/politik/deutschland/verfassungsschutz-schlapphuete-sehen-rot-612872.html   http://www.stern.de/politik/deutschland/612872.html

 
Aus: Ausgabe vom 18.12.2020, Seite 4 / Inland

https://www.jungewelt.de/artikel/392769.permanente-beobachtung-sieg-gegen-inlandsgeheimdienst.html

Permanente Beobachtung

Sieg gegen Inlandsgeheimdienst
Bundesverwaltungsgericht urteilt im Fall Gössner

Von Markus Bernhardt

Die fast vier Jahrzehnte andauernde Überwachung des Juristen, Bürgerrechtlers und Publizisten Rolf Gössner war grundrechtswidrig. Wie Gössners Rechtsanwalt Udo Kauß am Donnerstag mitteilte, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Montag die Revision der beklagten Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen – und damit das Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW aus dem Jahr 2018 bestätigt.

In dritter und letzter Instanz urteilten die Leipziger Richter, dass die 38 Jahre währende geheimdienstliche Ausforschung Gössners durch das beklagte Bundesamt für Verfassungsschutz unverhältnismäßig und grundrechtswidrig war. »Mit diesem höchstrichterlichen Urteil ist Rolf Gössner, den der Bundesinlandsgeheimdienst ›Verfassungsschutz‹ zum ›Staats- und Verfassungsfeind‹ erklärt hatte, endlich rechtskräftig rehabilitiert«, unterstrich Kauß in seiner am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme. Damit habe die amtierende Bundesregierung ebenso eine »schwere und blamable« Niederlage erlitten wie alle seit 1970 verantwortlichen Bundesinnenminister und Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz.

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Der Bürgerrechtler Rolf Gössner spricht auf einer Demonstration gegen staatliche Überwachung unter dem Motto »Freiheit statt Angst« (Berlin, o. D.)

Seit 1970 wurde Gössner vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geheimdienstlich beobachtet und ausgeforscht. Seit 2007 ist er als stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof des Landes Bremen tätig. Der Dienst hatte die Überwachung des Juristen und Publizisten damit begründet, dass dieser berufliche und ehrenamtliche Kontakte zu angeblich »linksextremistischen« und »linksextremistisch beeinflussten« Gruppen und Veranstaltern, bei denen er referierte und diskutierte, gepflegt haben soll. Interviews, die Gössner etwa dieser Zeitung gab, wurden vom BfV ausgewertet. Der Geheimdienst ließ sich außerdem zu der Behauptung hinreißen, dass Gössner als »prominenter Jurist« als »linksextremistisch« geltende Gruppen und Presseorgane »nachdrücklich unterstützt« habe, indem er diese aufgewertet und »gesellschaftsfähig« gemacht habe.

Beim Fall Gössner handelt es sich vermutlich um die längste Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson durch den Inlandsgeheimdienst. Politiker wie die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprangen Gössner in seiner über 15 Jahre andauernden juristischen Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz bei. »Was Rolf Gössner aus seiner Sicht subjektiv, aber auch objektiv vermitteln kann«, sei »hochinteressant«. »Ich weiß das auch einzuordnen. Der Fall Gössner gibt einen starken Einblick in das, was nach politischen Konsequenzen ruft«, sagte die ehemalige Ministerin bereits am 21. Mai 2016 im jW-Wochenendgespräch.

Genugtuung löste das nun ergangene Urteil bei mit Gössner solidarischen Organisationen aus. »Die vorliegenden Entscheidungen sind Meilensteine im Kampf gegen einen übergriffigen Geheimdienst«, erklärte Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, am Donnerstag. Als Bürgerrechtsvereinigung werde man darüber wachen, »dass sich an diese grundlegenden Urteile eine unverzügliche Änderung der bisherigen Beobachtungspraxis der Geheimdienste anschließt«. »Ein Weiter-so dürfe es nicht geben«, so Koep-Kerstin.

Gössner selbst sieht in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts und der Vorinstanzen einen »gerichtlichen Sieg über geheimdienstliche Verleumdungen und Willkür sowie über antidemokratische Denk-, Interpretations- und Handlungsmuster eines staatlichen Sicherheitsorgans«. »Das ist eine klare Entscheidung zugunsten der Meinungs-, Presse- und Berufsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung«, ordnete er den Vorgang ein. Tatsächlich hat die Sache grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Schließlich sind verfassungsrechtlich geschützte Rechte für bestimmte Berufsgruppen wie das Mandatsgeheimnis oder auch der Informantenschutz unter den Bedingungen geheimdienstlicher Überwachung gar nicht zu gewährleisten.

 

neues-deutschland.de 22.12.2020
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146064.rolf-goessner-ein-lehrstueck-in-staatskunde.html

Ein Lehrstück in Staatskunde

Der Jurist Rolf Gössner gewinnt vor dem Bundesverwaltungsgericht
gegen den Inlandsgeheimdienst

Von Dirk Farke

15 Jahre hatte der Prozess gedauert. Nun hat ihn Rolf Gössner in der vergangenen Woche in dritter und letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewonnen. Die Richter haben die Revision der beklagten Bundesrepublik zurückgewiesen (BVerwG 6 C 11.18). Damit, so Gössners Verteidiger, der Freiburger Rechtsanwalt und Vorsitzender der Humanistischen Union Baden-Württemberg, Udo Kauß, habe die Kammer das Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichtes von 2018, wonach die exzessive Überwachung durch den Inlandgeheimdienst unverhältnismäßig und grundrechtswidrig war, in vollem Umfang bestätigt.

Rolf Gössner bei einer Diskussionsveranstaltung mit der niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburge                             Foto: dpa/Christoph Schmidt

Rolf Gössner bei einer Diskussionsveranstaltung
mit der ehemaligen niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger

Auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht, sieht Kauß mit diesem höchstrichterlichen Urteil Gössner, den der Verfassungsschutz zum »Staats- und Verfassungsfeind« erklärt habe, als vollumfänglich rehabilitiert. »Damit«, so sein Prozessvertreter, »habe die Bundesregierung mit ihrem zuständigen ›Heimatminister‹ Horst Seehofer, sowie alle weiteren 13 verantwortlichen Innenminister seit 1970, dem Beginn der Observation, einschließlich der zwölf Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in diesem skandalösen Überwachungsfall eine schwere und blamable Niederlage erlitten.« In der Tat erinnert dieser 38 Jahre währende, erst 2008 endende Grundrechtsbruch gegenüber einem sich politisch und gesellschaftlich engagierenden Bürger an den Freiburger Rechtsanwalt und Gemeinderat Michael Moos, der diese Art Gesinnungskontrolle 40 Jahre lang zu spüren bekam.

Genau wie dieser ist Gössner, Jahrgang 1948, bereits als Jurastudent, dann als Gerichtsreferendar und seitdem ein ganzes Arbeitsleben lang in allen beruflichen und ehrenamtlichen Funktionen als Publizist, Rechtsanwalt, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und seit 2007 als stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, beobachtet und ausgeforscht worden.

Der Betroffene sieht in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts und der Vorinstanzen einen »gerichtlichen Sieg über geheimdienstliche Verleumdungen und Willkür sowie über antidemokratische Denk-, Interpretations- und Handlungsmuster eines staatlichen Sicherheitsorgans«. »Das letztinstanzliche Urteil, gegen das sich der Verfassungsschutz 15 Jahre lang erbittert gewehrt hat, ist eine klare Entscheidung zugunsten der Meinungs-, Presse- und Berufsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung«, ist sich der Jurist sicher.

Gössner war zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer sogenannten verfassungsfeindlichen Organisation, aber dessen bedarf es auch nicht, um in die Fänge des Geheimdienstes zu geraten. Ihm wurden etwa berufliche und ehrenamtliche Kontakte zu angeblich »linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Gruppen« zur Last gelegt, wie zum Beispiel der Roten Hilfe, bei denen er referierte und diskutierte, aber auch zu bestimmten Presseorganen, in denen Gössner veröffentlichte, denen er Interviews gab oder die über seine Aktivitäten berichteten. Mit seinen Kontakten, publizistischen Beiträgen und Vorträgen soll er so nicht verbotene, aber als »linksextremistisch« vom Geheimdienst eingestufte Gruppen »nachdrücklich unterstützt« haben. Er soll sie, so wörtlich, als »prominenter Jurist« aufgewertet und gesellschaftsfähig gemacht haben. Zu seinem »Strafregister« zählt darüber hinaus eine »fehlende Distanzierung von der DDR, der Stasi, der UdSSR, dem Gulag und allen Verbrechen des Kommunismus«.

Das Urteil hat auch grundsätzliche Bedeutung für Publizisten, Anwälte und Menschenrechtler. Denn Berufsgeheimnisse wie das Mandatsgeheimnis und Informantenschutz sind unter den Bedingungen geheimdienstlicher Überwachung nicht zu gewährleisten. Die verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensverhältnisse zwischen Anwalt und Mandant sowie zwischen Journalist und Informant waren erschüttert, die Berufsfreiheit und berufliche Praxis mehr als nur beeinträchtigt. Udo Kauß fordert von der Politik, Konsequenzen zu ziehen. »Gesinnungsschnüffelei und Gesinnungskontrolle durch den Verfassungsschutz sind durch gesetzliche Vorschriften zu unterbinden. Das gilt nicht nur zum Schutze von anwaltlichen Berufsgeheimnissen, die unter Überwachungsbedingungen nicht mehr zu gewährleisten sind, sondern zum Schutz der Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger.« Werner Koep-Kerstin, Vorsitzender der Humanistischen Union, ergänzt: »Die Entscheidungen sind Meilensteine im Kampf gegen einen übergriffigen Geheimdienst. Als Bürgerrechtsvereinigung werden wir darüber wachen, dass sich an diese grundlegenden Urteile eine unverzügliche Änderung der bisherigen Beobachtungspraxis der Geheimdienste anschließt. Ein Weiter-So darf es nicht geben.«

Nachrichten aus Deutschland und der Welt – Frankfurter Rundschau / BADISCHE ZEITUNG / NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG

30. März 2021 / Internet: https://www.fr.de/politik/handgreiflich-unangemessen-90272696.html
https://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/anwalt-jahrelang-zu-unrecht-beobachtet--200960711.html

Verfassungsschutz

„Handgreiflich unangemessen“

Von Eckhard Stengel

Der Verfassungsschutz hat fast 40 Jahre lang einen linken Publizisten aus Bremen überwacht. Das war rechtswidrig. Rolf Gössner wünscht sich nun „eine öffentliche Entschuldigung“.

Die jahrzehntelange Beobachtung des Bremer Menschenrechtlers, Anwalts und Publizisten Rolf Gössner durch den Verfassungsschutz war „in handgreiflicher Weise unangemessen“. Das schreibt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in der aktuellen Begründung seines Urteils vom Dezember 2020, mit dem es die Rechtswidrigkeit der über 38 Jahre währenden Geheimdienst-Beobachtung bestätigt hat.

Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz hatte von 1970 bis 2008 regelmäßig Material über den linken – aber parteilosen – Geheimdienst- und Polizeikritiker gesammelt, der auch jahrelang Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte war. Registriert wurden vor allem Gastbeiträge und Interviews in linken Medien wie „Neues Deutschland“ oder „Marxistische Blätter“, aber auch Auftritte bei der DKP, der Vereinigung der Nazi-Verfolgten oder der „Roten Hilfe“.

Rolf Gössner. Rolf Gössner. © Chris Hartung

Zur Person: Rolf Gössner promovierte 1993 über „politische Justiz im präventiven Sicherheitsstaat“.

Mit dem Urteil des BVerwG hat der heute 73-jährige Gössner endgültig die Rechtswidrigkeit seiner Überwachung bestätigt bekommen. Das Gericht stellte fest, dass er keine verfassungsfeindlichen Zielsetzungen verfolge. Zwar dürfe der Geheimdienst durchaus auch verfassungstreue Personen beobachten, wenn sie „bei objektiver Betrachtung, ohne dies zu erkennen, einen Beitrag zu den verfassungsfeindlichen Bestrebungen eines Personenzusammenschlusses leisten“. Aber dabei müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Wenn sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachweisen lasse, dass die Person tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstütze, dann müsse die Beobachtung beendet werden.

Die Dauerüberwachung, die bereits während des Jura- und Politikstudiums in Freiburg 1970 begann, war von dem Geheimdienst damit begründet worden, dass Gössner linksextremistische Bestrebungen unterstütze; dabei agiere er absichtlich nicht als Mitglied, sondern nur als vermeintlich unabhängiger Experte, denn dadurch wirkten seine Äußerungen glaubwürdiger. Doch sowohl das Verwaltungsgericht Köln als auch das Oberverwaltungsgericht Münster und jetzt auch das BVerwG beurteilten dieses Vorgehen als rechtswidrig.

Schadenersatz oder Schmerzensgeld ist mit diesen Urteilen nicht verbunden. Bereits nach der Verkündung des BVerwG-Urteilstenors hatte Gössner erklärt, ihm reiche seine „höchstrichterliche Rehabilitierung“. Er forderte aber gesetzliche Konsequenzen und wünschte sich „eine Art von öffentlicher Entschuldigung aus berufenem Munde“.

Titel in NOZ 30.03.2021: Jahrzehntelang zu Unrecht überwacht. Bundesverwaltungsgericht rügt Beobachtung des Anwalts Rolf Gössner durch Verfassungsschutz

Welch ein Kontrollwahn muss den Bundesverfassungsschutz in Köln befallen haben, dass er mit der Überwachung Gössners immer weitermachte? Erst als der Betroffene Klage erhob, beendete die Behörde die maßlose Überwachung.

Nachrichten aus Deutschland und der Welt – Frankfurter Rundschau

30. März 2021 / Internet: https://www.fr.de/meinung/kommentare/fall-goessner-jedes-mass-verloren-90272717.html

Fall Gössner: Jedes Maß verloren (Kommentar)

Von Eckhard Stengel

Der Verfassungsschutz schaut links besonders genau hin, heißt es. Der Fall Gössner zeigt, welche absurden Ausmaße das annehmen kann. Der Kommentar.

Auf dem rechten Auge blind zu sein, wurde dem Verfassungsschutz schon häufiger vorgeworfen. Dafür schaut er umso genauer nach links. Ein besonders eklatanter Fall beschäftigte zuletzt das Bundesverwaltungsgericht. Mit klaren Worten bescheinigte es dem Bundes-Verfassungs­schutz, dass dessen jahrzehntelange Beobachtung des Menschenrechtlers, Anwalts und Autors Rolf Gössner rechtswidrig war.

Soweit bekannt, wurde der parteilose Linke zwar nicht observiert oder abgehört; aber der Geheimdienst sammelte alles, was er über Gössners Publikationen oder Vortragsabende finden konnte.

Dass der Geheimdienst- und Polizeikritiker wegen seiner Auftritte im DKP-Umfeld verdächtig erschien, mag zu Zeiten des Kalten Krieges aus damaliger Geheimdienstlogik halbwegs erklärbar sein. Aber welch ein Kontrollwahn muss die Behörde befallen haben, dass sie damit bis 2008 immer weitermachte? Erst als Gössner durch eine eigene Anfrage davon erfuhr und Klage erhob, beendete die Behörde die maßlose Überwachung. Aber danach ging sie noch jahrelang durch die Instanzen, statt gleich nach dem ersten Urteil ihren Fehler einzusehen. Ein Trauerspiel!

ver.di – M Menschen Machen Medien17.12.2020
https://mmm.verdi.de/recht/rolf-goessner-besiegt-den-verfassungsschutz-70367

Rolf Gössner besiegt den Verfassungsschutz

Der Bremer Autor, Menschenrechtler und Rechtsanwalt Rolf Gössner hat einen langwierigen Rechtsstreit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz endgültig gewonnen: Als letzte Instanz hat ihm jetzt das Bundesverwaltungsgericht bescheinigt, dass er fast vier Jahrzehnte lang rechtswidrig von dem Geheimdienst beobachtet wurde. Ein später Triumph für den 72-Jährigen, der jahrelang auch Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte war.

Bereits 1970, während Gössners Studienzeit in Freiburg, hatte der Verfassungsschutz damit begonnen, Material über den linken, aber parteilosen Geheimdienst- und Polizeikritiker zu sammeln. Das ging so weiter bis 2008, als Gössner längst als Anwalt und Autor in Bremen arbeitete. Registriert wurden vor allem Gastbeiträge und Interviews in linken Medien wie „Neues Deutschland“ oder „Marxistische Blätter“, aber auch Auftritte bei der DKP, der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) oder der „Roten Hilfe“.

Der Inlandsgeheimdienst begründete die Dauerüberwachung später damit, dass Gössner linksextremistische Bestrebungen unterstütze; dabei agiere er absichtlich nicht als Mitglied, sondern nur als vermeintlich unabhängiger Experte, denn dadurch wirkten seine Äußerungen glaubwürdiger.

 

Geschwärzte Verfassungsschutzakten des Bremer Anwalts Rolf Gössner.
Foto: Eckhard Stengel

Nachdem Gössner durch eine Auskunftsanfrage von seiner Überwachung erfahren hatte, ging er juristisch dagegen vor. 15 Jahre lang dauerte das Widerspruchs- und Klageverfahren durch alle Instanzen, bis es jetzt ein Ende gefunden hat: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Woche ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster, wonach die jahrzehntelange Beobachtung rechtswidrig war.

Das OVG hatte festgestellt, dass Gössner keine verfassungsfeindlichen Positionen vertrete. Die Beobachtung durch das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz habe schwerwiegend seine Grundrechte beeinträchtigt, sei unverhältnismäßig gewesen und könne abschreckende Wirkung auf die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit haben, so das OVG-Urteil von 2018, über das M berichtet hatte. Die dagegen gerichtete Revision des Verfassungsschutzes wurde jetzt vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Begründung steht noch aus. (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 11.18)

Gössner sprach nach dem Urteil von einem „gerichtlichen Sieg über geheimdienstliche Verleumdungen und Willkür sowie über antidemokratische Denk-, Interpretations- und Handlungsmuster eines staatlichen Sicherheitsorgans“.

Sein Anwalt Udo Kauß wies darauf hin, dass es sich um die längste bisher dokumentierte „Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson durch den Inlandsgeheimdienst“ gehandelt habe. Mit dem jüngsten Urteil sei Gössner nun „endlich rechtskräftig rehabilitiert“. Die seit 1970 verantwortlichen Bundesinnenminister und Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes hätten „eine schwere und blamable Niederlage erlitten in diesem skandalösen Überwachungsfall“.

Aus dieser „geradezu kafkaesken Überwachungsgeschichte“, so Anwalt Kauß weiter, müssten dringend politische, behördliche und gesetzgeberische Konsequenzen gezogen werden. „Gesinnungsschnüffelei und Gesinnungskontrolle durch den ‚Verfassungsschutz‘ sind durch klare gesetzliche Vorschriften zu unterbinden.“ Auch der Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin, forderte: „Ein Weiter-So darf es nicht geben.“

DIE RHEINPFALZ
17./18. Dezember 2020 - 17:52 Uhr
https://www.rheinpfalz.de/politik_artikel,-menschenrechtler-unter-dauerbeobachtung-_arid,5147040.html?reduced=true

Verfassungsschutz: Menschenrechtler unter Dauerbeobachtung
Dauerbeobachtung unverhältnismäßig

Seit dem Studium im Visier des Geheimdienstes: Rolf Gössner. Foto: Dirk Ingo Franke/Wikipedia

Seit dem Studium im Visier des Geheimdienstes: Rolf Gössner.

Von Eckhard Stengel, Bremen

Nach langwierigem Rechtsstreit ist jetzt höchstrichterlich festgestellt worden, dass der Verfassungsschutz fast 40 Jahre lang rechtswidrig den Bremer Menschenrechtler, Rechtsanwalt und Publizisten Rolf Gössner beobachtet hat.

Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz hatte von 1970 bis 2008 Material über den linken, aber parteilosen Geheimdienst- und Polizeikritiker gesammelt, der auch jahrelang Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte war. Registriert wurden vor allem Gastbeiträge und Interviews in linken Medien wie „Neues Deutschland“ oder „Marxistische Blätter“, aber auch Auftritte bei der Deutschen Kommunistischen Partei, der Vereinigung der Nazi-Verfolgten oder der „Roten Hilfe“.

Laut dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster von 2018 vertritt Gössner keine verfassungsfeindlichen Positionen. Die Beobachtung habe schwerwiegend seine Grundrechte beeinträchtigt, sei unverhältnismäßig gewesen und könne abschreckende Wirkung auf die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit haben. Die dagegen gerichtete Revision des Verfassungsschutzes wurde zurückgewiesen, wie am Donnerstag eine Gerichtssprecherin auf Nachfrage bestätigte. Eine Begründung dafür liegt noch nicht vor.

Die Dauerbeobachtung des heute 72-Jährigen, die bereits während seines Studiums begann, war vom Geheimdienst damit begründet worden, dass Gössner linksextremistische Bestrebungen unterstütze; dabei agiere er absichtlich nicht als Mitglied, sondern nur als vermeintlich unabhängiger Experte, denn dadurch wirkten seine Äußerungen glaubwürdiger.

Gössners Anwalt Udo Kauß schrieb am Donnerstag in einer Pressemitteilung, dass es sich bei diesem Fall um die längste bisher dokumentierte „Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson durch den Inlandsgeheimdienst“ handele. Mit dem jüngsten Urteil sei Gössner nun „endlich rechtskräftig rehabilitiert“. Die seit 1970 verantwortlichen Bundesinnenminister und Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes hätten „eine schwere und blamable Niederlage erlitten.

 

Ossietzky 
Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft Nr. 01/2021
https://www.ossietzky.net/rubrik/bemerkungen/?ausgabe=2021-01

Rüdiger Dammann

Die Verfassung und ihre Feinde

Der Jurist und Publizist Dr. Rolf Gössner, Mitherausgeber dieser Zeitschrift, wurde fast 40 Jahre lang – seit 1970 – »geheimdienstlich« überwacht. Was immer das heißen mag. Denn diesem in jeder Hinsicht skandalösen Vorgang haftet von vornherein etwas Bizarres an. Als Publizist stellt der Ausgeforschte seine Standpunkte öffentlich dar, als Rechtsanwalt und Richter agiert er in öffentlichen Gerichten, als parlamentarischer Berater und Redner bewegt er sich in öffentlichen Foren. Nichts davon ist geheim, nichts davon bedarf also, sollte man meinen, einer »nachrichtendienstlichen« Aufklärung. Was immer also die »Agenten« und Zuträger des Bundesamtes für Verfassungsschutz über vier Jahrzehnte auf Kosten der Steuerzahler über den vorgeblichen Verfassungsfeind Gössner recherchiert haben mögen, war stets öffentlich zugänglich. Du lieber Himmel!

Darüber wurden, nebenbei, auch die geschützten und aus guten Gründen zu schützenden Berufsgeheimnisse verletzt, also etwa der Informantenschutz, insbesondere in seiner Funktion als investigativ recherchierender Publizist, sowie das zu wahrende Mandatsgeheimnis als Rechtsanwalt. Diese verfassungsrechtlich garantierten Berufsgeheimnisse waren unter den Bedingungen geheimdienstlicher Überwachung praktisch nicht mehr zu gewährleisten.

Seit vielen Jahren schon wehrt sich Rolf Gössner mit rechtlichen Mitteln gegen solche Überwachungspraxis. Und stets mit Erfolg. Schon im Februar 2011 erklärte das Verwaltungsgericht Köln die Dauerüberwachung für rechtswidrig. Das Bundesamt habe keinerlei »tatsächliche Anhaltspunkte« für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorgelegt. Das Gericht attestierte stattdessen den Verfassungsschützern einen »schwerwiegenden Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Positionen«. Eine schallende Ohrfeige. Indirekt erklärten die Richter damit, wo sie in diesem Fall den »Verfassungsfeind« verorten.

Spätestens jetzt hätten die beklagte Bundesbehörde mitsamt der verantwortlichen Bundesregierung ihr Fehlverhalten reumütig einräumen und ihr Handeln künftig neu ausrichten müssen. Aber der teure Dienst und seine Tausenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollen sich natürlich nicht selbst beschränken oder gar abwickeln. Möglicherweise haben politische Prioritäten – Stichwort: hart gegen links, weich gegen rechts – dies verhindert; darüber hinaus hatte der NSU-Skandal gerade einen tiefschwarzen Schatten auf die Arbeit der Behörde geworfen. Nun bloß nicht klein beigeben – stattdessen, wie die Praxis seitdem zeigt, den »Verfassungsschutz« ausbauen und weiter aufrüsten. »Gegenpressing« würde man dazu im Fußball sagen. Das Amt und der verantwortliche Bundesinnenminister gingen in »Sachen Gössner« also in Berufung. Sieben Jahre später, 2018, wurde das Ersturteil jedoch vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in vollem Umfang bestätigt. Die nächste brutale Schlappe für die »Schlapphüte«.

Doch wer nun dachte, jetzt werde man endlich zur Vernunft kommen, sah sich abermals getäuscht. Der Staat, der sich durch Rolf Gössner offenkundig massiv bedroht sah, ging in die nächste und letzte Instanz. Dieser (Über-)Mut dürfte nun endlich und hoffentlich endgültig gekühlt sein. Am 14. Dezember 2020 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Urteile aller vorherigen Instanzen vollumfänglich bestätigt und die Revision zurückgewiesen. Damit ist Rolf Gössner von dem fadenscheinigen Vorwurf, er unterstütze »linksextremistische« Gruppierungen, die unsere »Grundordnung« abschaffen wollen, in jeder Hinsicht »offiziell« und rechtskräftig rehabilitiert. Mehr als das. Der Mitherausgeber des seit 1997 jährlich erscheinenden »Grundrechte-Reports« und stellvertretende Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen kann sich nun – gewissermaßen höchstrichterlich beleumdet – als der eigentliche »Verfassungsschützer«, als ein wahrhaft »wehrhafter Demokrat« bestätigt fühlen, der die seltsam fehlgeleiteten »Verfassungsfeinde« in die Schranken gewiesen hat. Der Rechtsstaat, auch wenn er lange »kreisen« musste, scheint insoweit intakt.

Fazit: Die »freiheitliche demokratische Grundordnung«, wie sie die Verfassung gewährleistet und wozu im Kern eben der Schutz der Grund-, Bürger- und Menschenrechte gehört, ist gegen eine übergriffige Geheimdienstpraxis verteidigt worden, die vielleicht ihre Selbsterhaltung betreibt, aber ganz gewiss nicht ihren Auftrag erfüllt: den Schutz der Verfassung. Bleibt zu hoffen – eine, zugegeben, bislang kleine Hoffnung –, dass jegliche Form der Gesinnungsschnüffelei und einer politisch motivierten »Datensammlung« in Zukunft unterbleiben werden.

 

 

Weltexpresso

Ein unglaublicher bundesrepublikanischer Skandal um den Verfassungsschutz.
Nach 15 Jahren endlich Rechtssicherheit im Rechtsstreit
Dr. Rolf Gössner ./. Bundesamt für Verfassungsschutz, Weltexpresso 27.12.2020:
https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/20870-ein-unglaublicher-bundesrepublikanischer-skandal-um-den-verfassungsschutz

Hintergrund zur 38jährigen Überwachungsgeschichte
und zum 15jährigen Verwaltungsgerichtsverfahren
,
in: Weltexpresso 27.12.2020:
https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/20871-hintergrund-zur-38jaehrigen-ueberwachungsgeschichte-und-zum-15jaehrigen-verwaltungsgerichtsverfahren

 

 

 

ver.di publik Nr. 1/2021

Geheimdienst-Kritiker gewinnt in letzter Instanz

Verfassungsschutz – Der Bremer Menschenrechtler, Publizist und Rechtsanwalt Rolf Gössner, 72, hat jetzt endgültig bestätigt bekommen, dass der Verfassungsschutz ihn fast vier Jahrzehnte lang rechtswidrig beobachtet hat. Dies hatte bereits 2018 das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster festgestellt. Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz legte daraufhin Revision ein, doch scheiterte es damit jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht. ver.di publik hatte mehrfach über den Fall berichtet. Der Verfassungsschutz hatte von 1970 bis 2008 Material über den linken, aber parteilosen Geheimdienst- und Polizeikritiker gesammelt, der auch jahrelang Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte war. Registriert wurden vor allem Gastbeiträge und Interviews in linken Medien wie Neues Deutschland oder Marxistische Blätter, aber auch Auftritte bei der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" oder der "Roten Hilfe". Laut dem jetzt bestätigten und damit rechtskräftig gewordenen OVG-Urteil vertritt Rolf Gössner aber keine verfassungsfeindlichen Positionen. Die Beobachtung habe schwerwiegend seine Grundrechte beeinträchtigt, sei unverhältnismäßig gewesen und könne abschreckende Wirkung auf die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit haben.

https://rsw.beck.de/images/librariesprovider5/beckdaily/logoakt.png?sfvrsn=c49782e0_0 NEUE JURISTISCHE WOCHENSCHRIFT (NJW)

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bverwg-rechtswidrige-beobachtung-goessner-verfassungsschutz

Jahrzehntelange Beobachtung
eines Juristen durch Verfassungsschutz rechtswidrig

Lorem Ipsum

© Christoph Schmidt / dpa

Die Be­ob­ach­tung des Ju­ris­ten und Pu­bli­zis­ten Rolf Göss­ner durch den Ver­fas­sungs­schutz von 1970 bis 2008 war rechts­wid­rig. Diese Ein­schät­zung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Müns­ter hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt be­stä­tigt. Aus­rei­chen­de An­halts­punk­te für eine Über­wa­chung müss­ten vor Be­ginn der Maß­nah­me vor­lie­gen und dürf­ten nicht wie in die­sem Fall erst durch diese selbst ge­schaf­fen wer­den.

Kritik an Innerer Sicherheit

Der ehemalige Rechtsanwalt (bis 2020) und Journalist stand seit seiner Studienzeit unter der Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Nach einem fünfzehn Jahre dauernden Verfahren ist nunmehr die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Behörde festgestellt worden. Diese hatte die Überwachung zunächst auf die Nähe Gössners zum Sozialistischen Hochschulbund (SHB) gestützt, später auf die Mitgliedschrift in der Redaktion der Zeitschrift "Geheim" (zeitweilig "Nicht länger geheim"), die sich kritisch mit der Polizei und Nachrichtendiensten auseinandersetzte. Nach seinem Ausscheiden bei dem Magazin habe er dort weiter Beiträge veröffentlicht. Viel habe er auch in Medien aus dem Umfeld der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) publiziert. Dadurch habe er verfassungsfeindliche Organisationen "nachdrücklich unterstützt", so das BfV. Erst 2008 wurde die Überwachung eingestellt – zu diesem Zeitpunkt war Gössner bereits seit einem Jahr stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof in Bremen und seit vielen Jahren eine Stimme mit Gewicht auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit.

Markt der Meinungen

Gössner verlangte nunmehr die Feststellung, dass seine Beobachtung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Angefangen beim Verwaltungsgericht Köln stimmten ihm die Instanzen zu. Das BVerwG wies mit Urteil vom 14.12.2020 die Revision des BfV zurück. Bezüglich des SHB sei bereits nicht festgestellt, dass dieser Anfang der 70er Jahre einen Umbau der Gesellschaft zu einer "sozialistisch-kommunistischen" Gesellschaftsordnung angestrebt habe. In der Zeitschrift "Geheim" hätten auch Politiker von SPD und Grünen veröffentlicht. Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Redaktion hätten sich nicht ergeben – das OVG sei hier von einem "Markt der Meinungen" im Sinn der Rechtsprechung des BVerfG ausgegangen. Ein Kontakt eines anderen Redaktionsmitglieds zur Stasi sei erst nach dem Ausscheiden Gössners bekannt geworden und wegen der Wende für die spätere Überwachung nicht mehr von Bedeutung gewesen.

BVerwG mahnt Verhältnismäßigkeit an

Auch die Veröffentlichungen in DKP-nahen Medien und Auftritte bei Veranstaltungen genügten nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Entscheidend sei zwar nicht, wie vom OVG angenommen, dass Gössner selbst keine verfassungsfeindlichen Absichten gehabt habe. Denn bei der "nachdrücklichen Unterstützung", die Voraussetzung für eine Beobachtung ist, gelte ausschließlich ein objektiver Maßstab. Allerdings sei eine objektive Unterstützung "möglicherweise" verfassungsfeindlicher Bestrebungen der DKP nicht festgestellt worden. Mit Blick auf die langjährige Überwachung schließt das Gericht mit der deutlichen Mahnung zur Verhältnismäßigkeit: "Gelingt ein solcher Nachweis bei wie im vorliegenden Fall im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen Umständen nach einer angemessenen, hier zweifellos überschrittenen Frist nicht, muss die Beobachtung eingestellt werden."

BVerwG, Urteil vom 14.12.2020 - 6 C 11.18  /  Redaktion beck-aktuell, 18. März 2021.

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

·   OVG Münster, Urteil vom 13.03.2018 - 16 A 906/11, BeckRS 2018, 11464 (Vorinstanz).

·   VG Köln, Urteil vom 20.01.2011 - 20 K 2331/08, BeckRS 2011, 49572 (Erste Instanz).

·   Roggan, Der nicht-überwachungsbezogene Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, GSZ 2019, 111.

Aus dem Nachrichtenarchiv

·   OVG Münster, Langzeitüberwachung eines Publizisten durch Verfassungsschutz war rechtswidrig, becklink 2009330.

DANA – Datenschutznachrichten
 (Nr. 1/2021, S. 60), herausgegeben von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz.

BVerwG: Rolf Gössner nach 40 Jahren BfV-Beobachtung höchstrichterlich rehabilitiert

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil von 14.12.2020 in dritter und letzter Instanz nach 15 Jahren Verfahrensdauer ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW aus dem Jahr 2018 in vollem Umfang bestätigt, wonach die 38 Jahre währende geheimdienstliche Überwachung und Ausforschung des Rechtsanwalts, Publizisten und Bürgerrechtlers Rolf Gössner durch das beklagte Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unverhältnismäßig und grundrechtswidrig war (Az. 6 C 11.18).

Das BfV hatte Rolf Gössner zum „Staats- und Verfassungsfeind“ erklärt. Mit dem Urteil des BVerwG ist er nun endgültig rechtskräftig rehabilitiert. Das Verfahren endete gegen ein BfV, das zuletzt von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und zuvor seit 1970 von weiteren 13 Bundesinnenministern und 12 BfV-Präsidenten verantwortet wurde.

Rolf Gössner sieht in den Urteilen des BVerwG und der vorangegangenen Instanzen einen „gerichtlichen Sieg über geheimdienstliche Gesinnungskontrolle, Verleumdungen und Willkür sowie über antidemokratische Denk-, Interpretations- und Handlungsmuster eines staatlichen Sicherheitsorgans. Das sind klare Entscheidungen zugunsten der Meinungs-, Presse- und Berufsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung“.

Der Prozessvertreter von Gössner, Rechtsanwalt Udo Kauß, wies darauf hin, dass sich der „Verfassungsschutz“ 15 Jahre lang erbittert gegen die Verdikte der Justiz zur Wehr gesetzt hat. Gesinnungsschnüffelei und Gesinnungskontrolle müssten rechtssicher unterbunden werden, „nicht nur zum Schutze von – u.a. anwaltlichen – Berufsgeheimnissen, die unter Überwachungsbedingungen nicht mehr zu gewährleisten sind, sondern gegenüber Jedermann.“

Gössner war seit 1970 vier Jahrzehnte lang ununterbrochen vom BfV geheimdienstlich beobachtet und ausgeforscht worden - schon als Jurastudent, später als Gerichtsreferendar und seitdem ein Arbeitsleben lang in allen seinen beruflichen und ehrenamtlichen Funktionen als Publizist, Rechts­anwalt, parlamentarischer Berater, später auch als Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und seit 2007 zudem als stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen. Es dürfte die längste Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson durch den Inlandsgeheimdienst sein, die bislang dokumentiert werden konnte.

Zur Last gelegt wurden ihm berufliche und ehrenamtliche Kontakte zu angeblich „linksextremi­stischen“ und „linksextremistisch beeinflussten“ Gruppen und Veranstaltern, bei denen er referierte und diskutierte, aber auch zu bestimmten Presseorganen, in denen er – neben vielen anderen Medien – veröffentlichte, denen er Interviews gab oder in denen über seine Aktivitäten berichtet wurde. Mit seinen Kontakten, publizistischen Beiträgen und Vorträgen soll er, so die Unterstellung, nicht verbotene, aber vom BfV als „linksextremistisch“ eingestufte Gruppen und Organe „nachdrücklich unterstützt“ haben; er soll sie – so wörtlich – als „prominenter Jurist“ aufgewertet und gesellschaftsfähig gemacht haben. Aus vollkommen legalen und legitimen Berufskontakten wurde so eine Art von Kontaktschuld konstruiert.

Im Laufe des 15-jährigen Klageverfahrens hatte das BfV dann neue Vorwürfe gegen Gössner nachgeschoben, die zuvor keinerlei Rolle gespielt hatten. Auf Misskredit stieß insbesondere Gössners inhaltlich begründete Kritik an der bundesdeutschen Sicherheits- und Antiterrorpolitik und an den Sicherheitsorganen.

Über den Einzelfall hinausgehend hat das Urteil des BVerwG Bedeutung für andere Publizisten, Anwälte und Menschenrechtler in Bezug auf das Man­datsgeheimnis und den Informantenschutz. Die verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensverhältnisse zwischen Anwalt und Mandant sowie zwi­schen Journalist und Informant, die Berufsfreiheit und berufliche Praxis waren durch die Beobachtung und Diskreditierung Gössners beeinträchtigt (PE RA Kauß, Vier Jahrzehnte „Verfassungsschutz“-Skandal rechtskräftig beendet, 17.12. 2020).

 

TELEPOLIS
https://www.heise.de/tp/features/38-Jahre-unrechtmaessig-bespitzelt-und-ueberwacht-6009726.html

38 Jahre unrechtmäßig bespitzelt und überwacht

09. April 2021 Peter Nowak

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein persönlicher Erfolg
für Rolf Gössner, aber es stellt die Verfolgung von Linken nicht infrage

  

Rolf Gössner (2014).
Bild: Dirk Ingo Franke / CC-BY-SA-4.0

Wer die Homepage des Juristen und Publizisten Rolf Gössner anklickt, findet dort eine umfangreiche Dokumentation seiner jahrzehntelangen menschenrechtlichen Arbeit in der BRD. Dafür wurde er 38 Jahre lang von verschiedenen westdeutschen Geheimdiensten überwacht - grundgesetzwidrig wie das Bundesverwaltungsgericht Leipzig schon im Dezember 2020 feststellte.

Mittlerweile ist die Urteilsbegründung öffentlich. Nachdem alle Widerspruchs- und Revisionverfahren zurückgewiesen wurden, ist das Urteil rechtskräftig. Jetzt wurde Gössner also gerichtlich bestätigt, zu Unrecht beobachtet worden zu sein.

Auch seine Akte, die nach Angaben von Gössners Anwalt Udo Kauß über 2.000 Seiten umfasst, war demnach ungesetzlich zustande gekommen. Dennoch weigerten sich die Behörden erfolgreich, diese Akte vollständig zu veröffentlichen, weil der Verfassungsschutz seine Quellen schützen wollte. Auch das wurde ihm gerichtlich bestätigt.

Daher ist es zweifelhaft, ob das Urteil wirklich ein so großer Schlag gegen die Überwachungspraxis der Geheimdienste war. Denn es war vor allem Gössners Bekanntheit und seine Unterstützung bis ins liberale Milieu, die ihm dem gerichtlichen Erfolg verschafften. Ihm wurde bescheinigt, dass er selber keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgte, als er in den frühen 1970er Jahren Mitglied des Sozialistischen Hochschulbundes war, später bei linken Zeitungen mitgearbeitet hat, bei DKP-nahen Veranstaltungen aufgetreten ist oder in DKP-Medien publiziert hat.

Keine Kritik an Schnüffelpraxis gegen Linke

Doch das Gericht machte auch deutlich, dass es keineswegs die Verfassungsschutzpraxis gegen Linke insgesamt infrage stellen wollte. So wird in dem Urteil auch unterstellt, dass die DKP "jedenfalls bis zur Wiedervereinigung verfassungsfeindliche Ziele" verfolgt habe. Diese Behauptung wird nicht weiter ausgeführt und begründet. Es wird lediglich betont, dass sich Gössner diese Ziele nicht zu Eigen gemacht hat.

Denn als tatsächliche Anhaltspunkte für eine nachdrückliche Unterstützung der DKP durch den Kläger könnten weder die Inhalte seiner von dem BfV benannten Artikel oder der Umstand, dass er diese zum Teil in DKP-nahen Zeitschriften veröffentlicht habe, noch sein Mitwirken an Veranstaltungen der DKP und dieser Partei nahestehender Organisationen herangezogen werden. Der Kläger habe insoweit lediglich seine politischen Ansichten geäußert, die nicht als verfassungsfeindlich einzuordnen seien, allenfalls mit einzelnen nicht verfassungswidrigen Teilzielen der DKP übereingestimmt und mithin keine Befürwortung von verfassungsfeindlichen Zielsetzungen der DKP dargestellt hätten.

Aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts

Auf die problematischen Teile des Urteils geht auch Anwalt Kauß in der Erklärung ein. So sieht das Gericht den Tatbestand des "nachdrücklichen Unterstützens" einer verfassungsfeindlichen Organisation durch Menschen, die ihr gar nicht angehören, schon dann als erfüllt, wenn durch einen Vortrag eines Außenstehenden in einer Veranstaltung einer als "verfassungsfeindlich" geltenden Organisation oder durch Artikel und Interviews eines Außenstehenden in einem Presseorgan einer solchen Vereinigung diese "aus objektiver Sicht" aufgewertet wird.

Anwalt Kauß moniert zu Recht, dass nach dieser Rechtsauslegung der Kreis, der von geheimdienstlicher Ausforschung betroffenen Einzelpersonen, die keinem als verfassungsfeindlich deklarierten Personenzusammenschluss (Organisation, Verein, Partei, Presseorgan) zugehören, rechtlich und praktisch kaum noch eingrenzbar ist, mit schwerwiegenden Folgen für deren Grund- und Freiheitsrechte. So ist das Fazit von Kauß auch eher ernüchternd:

"Im vorliegenden seltenen Einzelfall hat das Bundesverwaltungsgericht den 'Verfassungsschutz' in seine Schranken verwiesen. Dagegen hat sich das BfV bis zuletzt gewehrt. Was nur bedeutet: In allen anderen, nicht gerichtlich entschiedenen Fällen wird verfahren wie bisher." Dabei handelt es sich um die vielen Fälle, in denen die Betroffenen keine solche Bekanntheit wie Rolf Gössner haben und auch die Ressourcen, um einen so langen Rechtsstreit durchzustehen, fehlen. Da muss man schon ein bekannter Politiker wie Bodo Ramelow sein, dem ebenfalls gerichtlich bestätigt wurde, dass er zu Unrecht vom Verfassungsschutz überwacht wurde.

Für ihn wird das Urteil auch eine Rehabilitierung gewesen sein. Gössner braucht eine solche Bestätigung, immer auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gestanden zu haben, hoffentlich nicht. Es wäre schon viel gewonnen, wenn das Urteil auch manche Linke zum Nachdenken bringt, die den Verfassungsschutz nicht mehr abschaffen, sondern zum Werkzeug im Kampf gegen rechts machen wollen. (Peter Nowak)

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Aus: Ausgabe vom 10.04.2021, Seite 4 / Inland
https://www.jungewelt.de/artikel/400229.inlandsgeheimdienst-au%C3%9Fer-kontrolle.html

Inlandsgeheimdienst

Außer Kontrolle

Niedersachsen: Nach Überwachungsskandal fordern Linke und DKP erneut die Auflösung der Inlandsgeheimdienste. Urteilsbegründung im Fall Gössner

Von Markus Bernhardt

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Rolf Gössner spricht bei einer Demo gegen staatliche Überwachung in Berlin / imago/snapshot

… Einen gerichtlichen Erfolg konnte unterdessen nun endgültig der Rechtsanwalt und Bürgerrechtler Rolf Gössner erzielen. Nach 38jähriger »Verfassungsschutz«-Überwachung und 15jähriger Verfahrensdauer hatte der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 14. Dezember 2020 die Revision der BRD im Rechtsstreit Gössners gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz in vollem Umfang als unbegründet zurückgewiesen. Nach knapp drei Monaten liegt nun auch die 37seitige Urteilsbegründung vor. Darin stellt das Gericht klar, dass Gössner zu Unrecht unter Beobachtung des BfV stand und das Bundesamt nicht berechtigt war, über ihn eine Personenakte zu führen, die insgesamt über 2.000 Seiten umfasst. Die auf »tatsächliche Anhaltspunkte« für eine »nachdrückliche Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen« gegründete Beobachtung von Gössner sei außerdem »in handgreiflicher Weise unangemessen«.

Zwar ist Gössner damit rehabilitiert, doch das könne laut seinem Rechtsanwalt Udo Kauß »angesichts dieses skandalösen Überwachungsfalls nicht alles gewesen sein«, wie er in einer jW vorliegenden Bewertung schreibt. Als Bevollmächtigter von Rolf Gössner habe er das BfV aufgefordert, die über seinen Mandanten »angefertigten Akten und Dateien« noch nicht zu vernichten, »sondern diese außerhalb des operativen Bereichs aufzubewahren«, um weitere Überprüfungen etwa durch den Bundesrechnungshof zu ermöglichen. Es sei »unabdingbar«, die »überschlägig sicher fünf- oder eher sechsstelligen Kosten« der Überwachung und der juristischen Auseinandersetzung einer Prüfung zu unterziehen.

 

neues-deutschland.de

Geheimdienst spitzelt weiter

Trotz juristischer Erfolge werden Linke noch immer überwacht

Der Jurist, Publizist und Bürgerrechtler Rolf Gössner wurde 38 Jahre lang unrechtmäßig bespitzelt und überwacht. »Nach vier Jahrzehnten geheimdienstlicher Überwachung und 15 Jahren Verfahrensdauer hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig am 14. Dezember 2020 die Revision der beklagten Bundesrepublik zurückgewiesen«, schreibt die Humanistische Union über ein Urteil des Gerichts, das einen Sieg für Gössner gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bedeutet.

Rolf Gössner  Rolf Gössner / Foto: dpa/Christoph Schmidt

Jetzt ist die Begründung des Urteils öffentlich einsehbar. Darin heißt es, dass auch seine vom Geheimdienst erstellte Akte, die nach Angaben von Gössners Anwalt Udo Kauß über 2000 Seiten umfasst, ungesetzlich zustande gekommen sei. Dennoch weigerten sich die Behörden erfolgreich, diese Akte vollständig zu veröffentlichen, weil der Verfassungsschutz seine Quellen schützen will.

Gössner habe keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt, als er in den frühen 70er Jahren Mitglied des Sozialistischen Hochschulbundes (SHB) war, später bei linken Zeitungen mitarbeitete, bei »DKP-nahen« Veranstaltungen auftrat oder in »DKP-Medien« publizierte, so die Lesart des Bundesverwaltungsgerichts. »Der Kläger habe insoweit lediglich seine politischen Ansichten geäußert, die nicht als verfassungsfeindlich einzuordnen seien, allenfalls mit einzelnen nicht verfassungswidrigen Teilzielen der DKP übereingestimmt und mithin keine Befürwortung von verfassungsfeindlichen Zielsetzungen der DKP dargestellt hätten«, heißt es in dem Urteil über Gössners politische und publizistische Aktivitäten.

Damit hat das Gericht allerdings gleichzeitig erklärt, dass die DKP verfassungsfeindliche Ziele verfolgt habe, obwohl die kleine kommunistische Partei gar nicht Gegenstand des Verfahrens war und in ihrem Programm immer ihre Treue zum Grundgesetz betont hat.

Auf die problematischen Teile des Urteils geht auch Anwalt Kauß in der Erklärung ein. Er kritisiert, dass nach dieser Rechtsauslegung der Kreis, der von geheimdienstlicher Ausforschung betroffenen Einzelpersonen, die keinem als verfassungsfeindlich deklarierten Personenzusammenschluss (Organisation, Verein, Partei, Presseorgan) angehören, rechtlich und praktisch kaum noch eingrenzbar sei. Das habe schwerwiegende Folgen für deren Grund- und Freiheitsrechte. Somit ist das Fazit von Kauß trotz des Erfolges für Gössner ernüchternd: »Im vorliegenden seltenen Einzelfall hat das Bundesverwaltungsgericht den ›Verfassungsschutz‹ in seine Schranken verwiesen. Dagegen hat sich das BfV bis zuletzt gewehrt. Was nur bedeutet: In allen anderen, nicht gerichtlich entschiedenen Fällen wird verfahren wie bisher.«

Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass der niedersächsische Verfassungsschutz mehrere Mitglieder der Linkspartei über eine längere Zeit von V-Leuten beobachten ließ. Diese Bespitzelung war publik geworden, weil der Geheimdienst die Betroffenen nach der Beendigung der Maßnahme informierte, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Landesverband der Linkspartei in Niedersachsen hat dies zum Anlass genommen, um noch einmal seine Forderung nach Auflösung der Geheimdienste zu bekräftigen.

Diese Forderung wird auch durch das Urteil, das Rolf Gössner bescheinigt, zu Unrecht überwacht worden zu sein, nicht obsolet. Schließlich musste Gössner jahrelang für diesen juristischen Erfolg kämpfen. Für Betroffene, die nicht so bekannt sind und keinen so großen Unterstützer*innenkreis hinter sich haben wie er, ist das kaum möglich.


https://www.linksfraktion-bremen.de/presse/pressemitteilungen/presse-detail/news/jahrzehntelange-ueberwachung-rolf-goessners-durch-den-verfassungsschutz-war-rechtswidrig-linke-begru/

Jahrzehntelange Überwachung Rolf Gössners durch den ‚Verfassungsschutz‘ war rechtswidrig – LINKE begrüßt Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes

38 Jahre lang wurde der Bremer Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner rechtswidrig vom Bundesamt für ‚Verfassungsschutz‘ beobachtet. Seit 15 Jahren klagt Gössner vor den Verwaltungsgerichten gegen den Inlandsgeheimdienst. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun eine Revision des Bundesinnenministeriums letztinstanzlich abgelehnt und Rolf Gössner damit endlich vollständig rehabilitiert, weil seine Beobachtung unverhältnismäßig und grundrechtswidrig war. Für die Fraktion DIE LINKE saß der parteilose Jurist von 2007 bis 2015 in der Deputation für Inneres und ist seit 2007 stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen.

Nelson Janßen, Vorsitzender und innenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE: „Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes setzt endlich einen Schlusspunkt unter die geheimdienstliche Ausspähung und Denunziation eines kritischen Bürgerrechtlers. Der ‚Verfassungsschutz‘ hat nachweislich rechtswidrig in die informationelle Selbstbestimmung, das Berufsgeheimnis und die Pressefreiheit eingegriffen, um Rolf Gössner politisch zu beschädigen. Dass dabei eine insgesamt 2.000 Seiten lange Personenakte angefallen ist, auch aus dem Zeitraum, als er schon Richter am Bremer Verfassungsgericht war, zeigt die äußerst fragwürdigen Prioritätensetzung dieser Behörde. Anstatt diese Praxis von sich aus zu beenden und sich bei Gössner zu entschuldigen, wehrte sich das Bundesinnenministerium bis zur letzten Instanz. Umso mehr müssen aus diesem Verfahren nun politische Konsequenzen gezogen werden: Auf der Bundesebene werden gerade wieder Überwachungsbefugnisse für BND und ‚Verfassungsschutz‘ erweitert und immer neue Personalstellen bewilligt. Die skandalöse Überwachung Gössners und die Erkenntnisse aus dem Komplex NSU und Anis Amri zeigen aber, dass das gesamte Geheimdienstsystem in Frage gestellt werden muss.“

Rundfunk-TV-Beiträge

MDR 23.12.2020
https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-1804.html

Die taz hatte bereits in der vergangenen Woche berichtet, nun auch das ND: Der Jurist Rolf Gössner, der auch als Journalist arbeitet und Mitherausgeber der Zeitschrift Ossietzky ist, hat einen wegweisenden Erfolg vor dem Bundesverwaltungsgericht errungen. Dieses stellte fest, dass der Verfassungsschutz ihn 38 (!) Jahre lang unrechtmäßig bespitzelt hat. Gössner sagt dazu: "Das letztinstanzliche Urteil, gegen das sich der Verfassungsschutz 15 Jahre lang erbittert gewehrt hat, ist eine klare Entscheidung zugunsten der Meinungs-, Presse- und Berufsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung."

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: Rolf Gössner wurde 38 Jahre lang rechtswidrig vom Verfassungsschutz beobachtet, Interview mit seinem Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß, in: Startseite(Freiburg), 18.12.2020:
https://rdl.de/beitrag/rolf-g-ssner-wurde-38-jahre-lang-rechtswidrig-vom-verfassungsschutz-beobachtet

RADIO DREYECKLAND: Verfassungsschutzskandal - wieder einer: Überwachung, um nach Gründen für eine Überwachung zu suchen - 38 lange Jahre. Interview mit RA Dr. Udo Kauß, Freiburg, RDL 20.04.2021: https://rdl.de/beitrag/berwachung-um-nach-gr-nden-f-r-eine-berwachung-zu-suchen-38-lange-jahre

 

Internetportale / Websites:

AZADI 12/2020: BVerwG Leipzig: Jahrzehntelange Überwachung von Dr. Rolf Gössner war grundrechtswidrig.

Humanistische Union, Berlin: Vier Jahrzehnte „Verfassungsschutz“-Skandal rechtskräftig beendet http://www.humanistische-union.de/nc/aktuelles/aktuelles_detail/article/vier-jahrzehnte-verfassungsschutz-skandal-rechtskraeftig-beendet/ 

Humanistische Union: Udo Kauß / Rolf Gössner, Gerichtlicher Erfolg für Grund- und Freiheitsrechte. http://www.humanistische-union.de/nc/aktuelles/aktuelles_detail/back/aktuelles/article/gerichtlicher-erfolg-fuer-grund-und-freiheitsrechte/

Internationale Liga für Menschenrechte, Berlin:
Rolf Gössner gewinnt endgültig Rechtsstreit gegen Bundesverfassungsschutz
https://ilmr.de/2020/rolf-goessner-gewinnt-endgueltig-rechtsstreit-gegen-bundesverfassungsschutz

Internationale Liga für Menschenrechte: Gerichtlicher Erfolg für Grund- und Freiheitsrechte. 38 Jahre rechtswidrige Überwachung darf nicht ohne politische und rechtliche Konsequenzen für den „Verfassungsschutz“ bleiben! https://ilmr.de/2021/gerichtlicher-erfolg-fuer-grund-und-freiheitsrechte-38-jahre-rechtswidrige-ueberwachung-darf-nicht-ohne-politische-und-rechtliche-konsequenzen-fuer-den-verfassungsschutz-b

die Datenschützer RheinMain:
Erfolg für Dr. Rolf Gössner: Bundesverwaltungsgericht erklärt 38 Jahre Überwachung durch Bundesamt für Verfassungs­schutz (BfV) für illegal
https://ddrm.de/erfolg-fuer-dr-rolf-goessner-bundesverwaltungsgericht-erklaert-38-jahre-ueberwachung-durch-bundesamt-fuer-verfassungsschutz-bfv-fuer-illegal/

Digitalcourage e.V., Bielefeld: 38 Jahre illegal überwacht: „Verfassungsschutz“ verliert vor Gericht: https://digitalcourage.de/blog/2020/rolf-goessner-verfassungsschutz-urteil

Labour.net: Verwaltungsgerichtsverfahren Dr. Rolf Gössner . /. Bundesamt für Verfassungsschutz: https://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/grundrechte-all/verfassungsschutz/verwaltungsgerichtsverfahren-dr-rolf-goessner-bundesamt-fuer-verfassungsschutz/
https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2021/04/Kauss-Goessner080421.pdf

freiheitsfoo.de: Causa Rolf Gössner – Eine Zustandsbeschreibung der Geheimdienst-Verselbständigung in Deutschland: 38 Jahre zu Unrecht vom „Verfassungsschutz“ überwacht – 15 Jahre harter Rechtsstreit, um das schlussendlich gerichtsfest belegen zu können. https://freiheitsfoo.de/2020/12/18/causa-rolf-goessner/ 

Scharf-links.de: Vier Jahrzehnte „Verfassungsschutz“-Skandal rechtskräftig beendet.
http://www.scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[swords]=G%C3%B6ssner&tx_ttnews[tt_news]=76067&tx_ttnews[backPid]=65&cHash=30137cb4cf

Scharf-links.de: Gerichtlicher Erfolg für Grund- und Freiheitsrechte – 38 Jahre rechtswidrige Überwachung darf nicht ohne politische und rechtliche Konsequenzen für den „Verfassungsschutz“ bleiben! Begründung des Revisionsurteils des Bundesverwaltungsgerichts in der Verwaltungsstreitsache Dr. Rolf Gössner . /. Bundesamt für Verfassungsschutz liegt inzwischen vor (BVerwG 6 C 11.18 v. 14.12.2020). PM von RA Dr. Udo Kauß, Freiburg, 08.04.2021. http://www.scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=77010&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=e83ddcf3d0

ETHECON-intern: Ehrenmitglied Rolf Gössner: Sieg gegen den Verfassungsschutz, Nr. 1/2021 (Februar)

Euregioprojekt Frieden: Vier Jahrzehnte rechtswidrig beobachtet: Bundesverwaltungsgericht entscheidet in letzter Instanz für Rolf Gössner, http://www.euregioprojekt-frieden.org/

Buxtus-Stiftung / Fritz-Bauer-Forum: Gerichtlicher Erfolg für Grund- und Freiheitsrechte: https://www.fritz-bauer-forum.de/gerichtlicher-erfolg-fuer-grund-und-freiheitsrechte/