Medienecho BigBrotherAwards 2011 - Auswahl
2.04.2011
Big Brother Awards für Apple und
Facebook
Bielefelder Datenschutzverein FoeBuD kritisiert
Internet-Konzerne
VON SANDRA
SPIEKER
Zweifelhafte Ehre: | FOTOS: NW
Bielefeld. Millionen und
Abermillionen von wertvollen Informationen lagern in Datenbanken mancher Firmen
und Organisationen. Und die Tricks, sie zu erlangen, erscheinen immer
ausgereifter – findet Foebud. Zum elften Mal verlieh der Bielefelder Verein,
der sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzt, die Big Brother Awards –
den Negativ-Preis für die sogenannten "Datenkraken".
Ganz vorn dabei im
Bereich Arbeitswelt: die Daimler-AG aus Stuttgart. Ihre Praxis, flächendeckend
Bluttests von ihren Produktionsmitarbeitern zu fordern, brachte ihr den
unbeliebten Preis ein. "Diese Form des modernen Vampirismus fand bei der
Daimler-AG bis Ende 2009 ohne Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte statt.
Arbeitsrechtlich erforderlich waren die Blutproben in den meisten Fällen
nicht", sagte Laudator Peter Wedde. Wenig vertrauenerweckend war auch das
Verhalten des Deutschen Zolls, der sich laut Foebud "vom russischen Staat
instrumentalisieren lässt, indem er von deutschen Unternehmen verlangt, ihre
Beschäftigten mit russischen Anti-Terror-Listen abzugleichen".
Als absolute Ausnahme
bezeichnete Foebud, dass ein Preisträger persönlich zur Preisverleihung in der
Hechelei in Bielefeld erschienen war. Gert Wagner, Vorsitzender der Zensuskommission,
nahm den Preis für die Erfassung der Bevölkerung Deutschlands entgegen. Im
Vorfeld der Volkszählung in diesem Jahr wurde ein erster Registerabgleich von
allen Einwohnermeldeämtern an die Statistischen Landesämter übermittelt.
"Es werden dabei nur wenige statistische Daten erfasst, die später
anonymisiert werden", sagt Wagner unter lauten Zwischenrufen der Zuhörer.
Diese Daten könnten nicht für einzelne Personen ausgewertet werden.
In der Kategorie
Verbraucherschutz punktete im negativen Sinne der Verlag für Wissen und
Innovation in Starnberg – für das Abschöpfen von Adressen als Gegenleistung für
Büchergutscheine. Laudator Sönke Hilbrans: "Was Eltern nicht erkennen
können: Der spendable Verlag vertreibt selbst gar keine eigenen Bücher, dafür
kooperiert er aber mit Anlageberatern und einem Hersteller
vonVitaminpillen." Für ihre verdeckt in die Kleidung eingenähten
"Schnüffelchips", sogenannte RFID-Chips, bekam die Modemarke Peuterey
die Negativauszeichnung. Die Chips sind berührungslos auslesbar, ohne dass
Kunden es merken.
Geheimdienste
können auf Facebook-Daten zugreifen
Abermals einen Eingriff
in die Bürgerrechte hat der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU)
zu verantworten: den Einsatz einer Überwachungsdrohne bei den Protestaktionen
gegen den Castor-Transport im Wendland 2010. "Der Drohneneinsatz war offenbar
so geheim, dass die rechtzeitige datenschutzrechtliche Überprüfung durch den Landesdatenschutzbeauftragten
unterblieben und selbst der zuständige Polizei-Einsatzleiter nicht rechtzeitig
informiert worden war", so Laudator Rolf Gössner.
In der Kategorie
Kommunikation wurde der Big Brother-Award gleich zweimal vergeben: Facebook
Deutschland forscht laut Foebud "gezielt Menschen und ihre persönlichen
Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebotes
aus". Diese Daten werden in den USA gespeichert – Geheimdienste können
darauf zugreifen. Der Computerriese Apple erhält den "Oscar für
Datenkraken" für die "Geiselnahme ihrer Kunden mittels teurer
Hardware", so die Laudatoren. Denn zur Benutzung müssen die den
"zweifelhaften" Datenschutzbestimmungen zustimmen. "Da die
Vorfreude auf das Gerät groß ist, will man sich als Käufer nicht lange mit dem
Kleingedruckten – immerhin 117 Seiten auf dem kleinen Display –
beschäftigen", so die Laudatoren. Dort erlaubt sich Apple, die Daten mit
verbundenen Unternehmen auszutauschen.
Die Datenklau-Methoden
der Unternehmen sind vielfältig, überraschen die Datenschützer aber nicht mehr,
so Mitglied Padeluun. "Es wird für Firmen immer schwieriger, sich herauszureden."
Deshalb gebe es für Foebud weiterhin viel zu tun. "Datenschutz geht uns
alle an."
Kommentar:
Erschreckende Masse
VON SANDRA SPIEKER
Bielefeld. Alle Welt ist
der grenzenlosen Datensammelwut von Firmen oder Organisationen ausgeliefert und
weiß nicht Bescheid, was um sie herum passiert. Alle? Nein – eine (mittlerweile
nicht mehr kleine) unbeugsame Gruppe versammelt sich regelmäßig in Bielefeld,
um Datensammlern auf die Finger zu sehen und sich gegen den vereinnahmenden
Überwachungstrend aufzulehnen.
Erschreckend sind nicht
so sehr die Einzelfälle, sondern ist die schiere Masse an Datensammlern, die
der Verein Foebud jedes Jahr bei den Big-Brother-Awards anprangert. Würdige
Preisträger für die Verleihung gibt es jedes Jahr genug. Schade nur, dass die
Veranstaltung meistens ohne die Hauptdarsteller stattfindet. Da erscheint es
mutig, dass sich in ganz seltenen Fällen doch Vertreter der Ausgezeichneten
nach Bielefeld trauen. Dass die dann wie der Vorsitzende der deutschen
Zensuskommission, Gert Wagner, dafür nicht belohnt werden, sondern sich dem Unmut
des Publikums stellen müssen, ist klar.
Denn sonst ist das Thema
Datenschutz eher abstrakt. Viele glauben, es richte sich an die anderen, die
"Netzgesellschaft" – doch die sind wir. Die Big-Brother-Awards veranschaulichen
es öffentlichkeitswirksam. Sie sind gleichzeitig auch eine Warnung an die
Verbraucher, nicht zu leichtfertig mit ihren Daten umzugehen. Denn das machen
viele. Darüber nachzudenken, ob eine Angabe gefährlich oder sinnvoll ist oder
gar der Sicherheit dienen kann, dauert nicht lange.
Copyright ©
Neue Westfälische 2011
Dokument erstellt am 01.04.2011 um 15:48:00 Uhr
Letzte Änderung am 02.04.2011 um 16:12:23 Uhr
URL: http://www.nw-news.de/top_news/?em_cnt=4353211&em_loc=827
/
BREMER NACHRICHTEN vom 2.04.2011
Negativpreis für
Schünemann
Kritik auch an
Daimler-Bluttests
Von Katharina Deulling
Bielefeld. Es ist eine Auszeichnung, über die sich
niemand so recht freuen kann: Der BigBrotherAward. Den Negativpreis erhalten
jährlich die Firmen, Organisationen und Personen, die die Privatsphäre von
Menschen missachten oder persönliche Daten an Dritte weiterreichen. Gestern wurde
er zum elften Mal in Bielefeld vergeben. Verliehen wird er von verschiedenen Bürgerrechtsvereinigungen,
etwa der Internationalen Liga für Menschenrechte. Für sie sitzt der Bremer
Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner in der Jury.
Den Preis in der Kategorie „Arbeitswelt“ erhielt
die Daimler AG in Stuttgart. Der Autohersteller hatte von Jobsuchenden bereits
während des Bewerbungsverfahrens Bluttests gefordert. Die Jury bezeichnete dies
als „modernen Vampirismus“. Heri werde keine Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte
genommen. Zudem seien die Bluttests arbeitsrechtlich nicht erforderlich. Die
Daimler AG erhielt die Auszeichnung stellvertretend für mehrere deutsche
Unternehmen, die Bluttests dieser Art fordern.
In der Kategorie „Politik“ ging der Preis an
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für den polizeilichen Einsatz
einer Mini-Überwachungsdrohne. Die wurde im November während der Protestaktionen
gegen den Castor-Transport im Wendland eingesetzt. Die umstrittene Überwachung
aus der Luft könne Persönlichkeitsrechte der Demonstranten verletzen und auch
eine abschreckende Wirkung erzielen, argumentierte die Jury.
www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,753991,00.html
Zensus
| 01.04.2011 17:00 | Stefanie Hardick
Datenschützers
Albtraum
Apple, Facebook und Daimler bekommen einen Big
Brother Award 2011. Am meisten ärgert sich aber der Architekt der Volkszählung
über den Negativ-Preis für Datenverstöße
Ein weiteres Häkchen nur.
Ein Häkchen, das so allgegenwärtig ist, dass die meisten nicht darüber
nachdenken, wenn sie es setzen. „Ich stimme den Datenrechtsbestimmungen zu.“
Wer macht sich schon die Mühe, 117 Handy-Displey-Seiten durchzulesen, wenn er
gerade ein I-Phone gekauft hat? Wer behält noch den Überblick, wie oft Facebook
seine Regeln zum Datenschutz ändert? Dass kommerzielle Anbieter persönliche
Daten an Werbekunden verkaufen, ist mittlerweile Gang und Gäbe. Apple und Facebook
Deutschland sind aber nur zwei der Preisträger des Big Brother Awards 2011.
Politisch wirkungsvoller könnte die Übergabe des Negativ-Preises an den
Vorsitzenden der deutschen Zensuskommission, Gert G. Wagner, oder des niedersächsischen
Innenministers Uwe Schünemann (CDU) sein.
Der Big Brother Award
seit 2000 jährlich an Firmen, Organisationen und Personen verliehen, die
besonders dreist in die Privatsphäre von Menschen eingreifen oder Schritte
unternehmen, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
beschneiden. Verliehen wird der Negativpreis, oft auch „Oscar für Datenkraken“
genannt, vom Bielefelder Datenschutz-Verein zur "Förderung des öffentlichen
bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD). In der Jury vertreten
sind sechs weitere, unabhängige Organisationen, darunter die Deutsche
Vereinigung für Datenschutz, der Chaos Computer Club und die Internationale
Liga für Menschenrechte. Die Preisträger werden von Bürgern vorgeschlagen, oft
auch von Insidern in Firmen und Behörden.
Die Reaktion der
„Geehrten“ besteht meistens im klassischen Dreiklang „Ignorieren, Abstreiten,
Abwiegeln“. Nur wenige nehmen den Preis persönlich entgegen. In diesem Jahr jedoch
ist Gert G. Wagner, Vorsitzender der Zensuskommission voraussichtlich der
einzige Preisträger, der den Weg nach Bielefeld findet. Er erhält den Preis
stellvertretend für alle an der Volkszählung 2011 Beteiligten. Die Jury
kritisiert, dass im Gegensatz zu den früheren Volkszählungen auf bereits
vorhandene Daten aus Melderegistern oder der Agentur für Arbeit zurückgegriffen
wird. Daraus werden, so die Jury, für alle in Deutschland lebenden Menschen
Persönlichkeitsprofile erstellt und bis zu vier Jahre lang personenbezogen gespeichert.
Angekündigter Krawall
Man hätte auch den
Bundesinnenminister oder den Präsidenten des Statistischen Bundesamtes
nominieren können – sie haben den Zensus politisch zu verantworten,
beziehungsweise überwachen den Schutz der Daten. Die Jury kam jedoch zu dem
Schluss, bei der Zensuskommission liefen die Fäden zusammen, zudem sei die Nähe
zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dessen Vorstandvorsitzender
Wagner ist, bemerkenswert. Wagner hingegen findet es „schräg, dass die Jury
sich nur einen Berater rauspickt“. Dem Freitag sagte er, er nehme den
Preis nur entgegen, um ihn zurückzuweisen. "Ich will meine Chance nutzen,
um klar zu machen, dass der Datenschutz anders als 1983 gesichert und gesetzlich
geregelt ist." Die Kritik der Jury an vermeintlich mangelhafter Information
der Bürger über die Zweckentfremdung ihrer Daten, weist er ebenfalls zurück.
„Offener hätte man dieses Thema gar nicht diskutieren können“, sagte Wagner dem
Freitag.
Während Wagner die
Preisverleihung also für PR in eigener Sache nutzen will, bleibt Niedersachsens
Innenminister Uwe Schünemann der "aus Termingründen" fern. „Wir haben
die Einladung erst gestern bekommen und uns geärgert, weil Herr Schünemann
gerne gekommen wäre“, sagte Pressesprecher Frank Raschke dem Freitag. Da
mag die Erinnerung an die letzte Preisverleihung mitschwingen, denn Schünemann
ist bereits das zweite Mal nominiert, nahm den Preis beim ersten Mal auch nicht
entgegen – und bekam ihn stattdessen drei Jahre später von Jury-Mitglied Rolf
Gössner live im Sat 1-Morgenmagazin überreicht. Stand Schünemann 2003 für die
präventive Überwachung von E-Mails und Telefongesprächen in der Kritik, erhalte
er den Preis in diesem Jahr für den Einsatz von Überwachungsdrohnen bei
Anti-Castor-Demonstrationen im Wendland, so die Jury.
Der Big Brother Award
soll dafür sorgen, dass Datenschutzvergehen, die mittlerweile oft bewusst oder
unbewusst mit „freiwilliger“ Zustimmung von Arbeitnehmern oder Kunden begangen
werden, zumindest noch einmal in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit
gelangen. So stellt die Jury in diesem Jahr auch einige Firmen an den Pranger.
Die Daimler AG beispielsweise, die von ihren Mitarbeitern „freiwillige“
Bluttests fordert. Der "Verlag für Wissen und Information" in
Starnberg, der an Schulen gegen Büchergutscheine Adressen abschöpft. Oder die
Modemarke Peuterey, die mit verborgenen Chips in Bekleidungsetiketten Daten
über ihre Kunden sammelt. Auch der Deutsche Zoll ist in den Fokus der
Initiatoren geraten, weil er Daten mit internationalen Anti-Terror-Listen
abgleiche. Ob die Kritik unter den Preisträgern etwas bewirkt, kann allerdings
nicht einmal der Foebud sagen: "Außer Herr Wagner hat sich jedenfalls niemand
bei uns angemeldet", sagte der Foebud-Vorsitzende Padeluun.
der Freitag Artikel-URL: http://www.freitag.de/politik/1113-datensammlers-albtraum
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Bild 5 von 9
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Preisträger: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU)
Preiswürdige Leistung: Erster nachgewiesener polizeilicher Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne bei politischen Versammlungen
Bild 3 von 9
© DIW Berlin
Preisträger: Gert G. Wagner, Vorsitzender der Zensuskommission (stellvertretend)
Preiswürdige Leistung: Für die Volkszählung "Zensus 2011" - die Vollerfassung der Bevölkerung Deutschlands
NDR-Niedersachsen
Stand: 01.04.2011 20:18 Uhr
Zweifelhafte Ehren für den Innenminister
Für Datenschützer ist er schon lange ein
beliebtes Feindbild: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit
seinem Einsatz für Telefonüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und
Rasterfahndung. Schlagzeilen machte er zuletzt auch, weil er die bundesweit
erste Überwachungsdrohne bei einer politischen Veranstaltung hat fliegen
lassen. Und das macht ihn jetzt sogar preiswürdig. Schünemann hat am Freitagabend
den "BigBrotherAward" verliehen bekommen - allerdings in Abwesenheit.
Denn persönlich holte sich der Minister den Negativpreis für Datensammelwütige
bei der Gala in Bielefeld nicht ab.
"Es
zeigt, dass die Welt in Ordnung ist"
Innenminister Uwe
Schünemann (CDU) ist für den Drohnen-Einsatz bei den Castor-Protesten mit dem
"BigBrotherAward" "geehrt" worden. Gegenüber NDR.de verteidigt
er die Überwachungsmaßnahme.
Gorleben-Gegner
heimlich ausgespäht
Laudator Gössner sieht die Rechte der
Demonstranten verletzt. Im November 2010 rollten die Castoren durchs Wendland
Richtung Gorleben - begleitet von massiven Protesten der Atomkraftgegner. Was
die Demonstranten nicht wussten: Über ihren Köpfen kreisten
Mini-Überwachungsdrohnen."Unzählige Demo-Teilnehmer wurden heimlich
ausgespäht und das ist ein Problem", sagte Anwalt und Menschenrechtler
Rolf Gössner im Interview mit NDR.de. Gössner hielt die Laudatio auf
Schünemann. "Erstens gibt es keine rechtliche Grundlage für den Einsatz
eines solchen fliegenden Auges. Und zweitens könnten sich die Demonstranten
beeinträchtigt fühlen und Angst haben vor einer weiteren Verwendung dieser
Aufnahmen."
"Schünemann
ist ein harter Fall"
01.04.2011 | 18:00 Uhr
Anwalt und Menschenrechtler Rolf Gössner hält die Laudatio
für Uwe Schünemann. Warum der Minister den "BigBrotherAward" bekommt,
erklärt Gössner im Telefoninterview mit NDR.de Audiobeitrag starten (06:21 min)
Gössner ist die Rede ein
besonderes Anliegen. Der Vize-Vorsitzende der Internationalen Liga für
Menschenrechte stand nach eigenen Angaben fast 40 Jahre - von 1970 bis 2008 -
unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Ihm seien Kontakte zu angeblich
linksextremistischen Gruppen unterstellt worden. Vor dem Verwaltungsgericht
Köln erwirkte Gössner Anfang Februar, dass diese Bespitzelung für rechtswidrig
erklärt wurde.
Preise auch
für Daimler und Facebook
Der Preis
wird bereits zum elften Mal verliehen. Schünemann hat den Preis in der Kategorie
"Politik" nach 2003 bereits zum zweiten Mal bekommen. Und er steht
auch diesmal in einer illustren Runde von Preisträgern: So ist Facebook Deutschland
der Award in der Kategorie "Kommunikation" verliehen worden -
"für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen
hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots", so die Jury.
In der Kategorie "Arbeitswelt" ist Daimler ausgezeichnet worden - und
zwar für Bluttests, die von den Mitarbeitern eingefordert werden.
"Daten-Kraken"
am Pranger
Um Datenschutz-Probleme
öffentlich anzuprangern, wird der "BigBrotherAward" seit dem Jahr
2000 jährlich an Einzelpersonen, Firmen und Organisationen vergeben. Die
Preisträger - ob Otto Schily, Ursula von der Leyen, die Telekom oder die
Deutsche Bahn - sollen stets in besonderer Weise die Privatsphäre von Menschen
beeinträchtigt haben. Den Award vergibt der Bielefelder Verein zur Förderung
des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs, kurz FoeBuD, zusammen
unter anderem mit dem Chaos Computer Club (CCC) und der Deutschen Vereinigung
für Datenschutz (DVD).
Siehe
auch: www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,753991,00.html
Erscheinungsdatum: 1. April 2011, 17:44 Uhr
Die Big Brother Awards für besonders problematischen Umgang mit Daten gehen in diesem Jahr an Facebook und Apple. Doch auch außerhalb die der digitalen Wirtschaft gibt es Preisträger, denen beängstigendes Verhalten vorgeworfen wird.
Wer sich seinen Preis abholt, was wenige tun, kriegt diese Statue© FoeBuD e. V.
"Datenkraken", "Überwachungsfetischisten", "Datenschutzvandalen" - der Datenschutzverein FoeBuD hat viele Namen für die Personen und Organisationen, die jährlich mit den unrühmlichen Big Brother Awards ausgezeichnet werden. In Bielefeld wurden die acht diesjährigen deutschen "Preisträger" gekürt. Der Negativpreis wird in 14 Ländern verliehen.
In der Kategorie Kommunikation bekamen das soziale Netzwerk "Facebook" und Apple den Negativpreis.
Facebook verdiene mit systematischen Datenschutzverstößen Milliarden, hieß es in der Begründung. Den Preis gebe es "für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots". Die gesammelten Daten würden in den USA gespeichert. Der Zugriff für Geheimdienste sei möglich, Löschen sei nicht vorgesehen, meint FoeBuD. Und der "Gefällt mir"-Button auf fremden Webangeboten verrate, auch ohne angeklickt zu werden, alle Besucher der Seite an Facebook.
Die Big Brother Awards Deutschland werden zum elften Mal verliehen© FoeBuD e. V.
Das möchte eine Facebook-Sprecherin natürlich so nicht stehen lassen. "Facebook nimmt den Datenschutz seiner Nutzer sehr ernst", versichert sie auf Anfrage. Man sei ständig mit Datenschützern in Kontakt. "Facebook verdient Geld mit Werbung, verkauft aber keine Nutzerdaten an Werbetreibende." Die Sprecherin versichert auch, dass Facebook hochgeladene Daten wie Adressen nicht nutzt, außer der Nutzer werde aktiv und veranlasse das. "Und wir geben jedem Nutzer die volle Kontrolle über seine Daten. Der Nutzer kann die Daten auf seinem Profil löschen, dann sind sie weg. Sie werden nicht gespeichert." Und die Annahmen über den "Gefällt mir"-Button seien falsch. Sicher gebe es noch manche Verbesserungsmöglichkeiten, aber eins sei jetzt schon sicher: "Da ist ein absolut geschützter Raum. Facebook ist kein Überwachungstool."
Apple zwinge die iPhone-Besitzer, den Datenschutzbedingungen zuzustimmen. "Die Kunden haben quasi keine Wahl, den 117 iPhone-Display-Seiten mit Datenschutzbedingungen nicht zuzustimmen, denn sonst könnten sie ihr teures Gerät maximal zum Telefonieren nutzen", heißt es in der Begründung. Nach der Zustimmung könnten Lokalisierungs- und Standortdaten der Nutzer von App-Betreibern und Werbekunden genutzt werden, um speziell zugeschnittene Werbung zu platzieren, hieß es.
Weitere Preisträger sind etwa der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Der habe den ersten nachgewiesenen polizeilichen Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne zu verantworten, nämlich bei den Castor-Protesten im November 2010. Die Modemarke Peuterey verstecke in der Kleidung sogenannte RFID-Chips, deren Informationen berührungslos und unbemerkt ausgelesen werden könnten.
Stellvertretend für manche Arbeitgeber bekommt die Daimler AG einen Big Brother Award für die Praxis, von Bewerbern in der Produktion "freiwillige" Bluttests zu fordern. Ein weiterer Preisträger ist der Deutsche Zoll, weil er von deutschen Unternehmen verlange, ihre Beschäftigten mit russischen Antiterrorlisten abzugleichen. Die Zensuskommission 2011 bekommt den Preis, weil bei der diesjährigen Volkszählung Persönlichkeitsprofile von mehr als 80 Millionen Menschen erstellt würden, die bis zu vier Jahre nach dem Stichtag am 09. Mai 2011 personenbezogen verfügbar sind. Und der Verlag für Wissen und Information in Starnberg ist dabei für das Abschöpfen von Adressen als Gegenleistung für Büchergutscheine.
Daimler bekommt für den Aderlass seiner Angestellten den Big Brother Award. Mit seiner Datensammelwut steht das Unternehmen nicht allein da. VON JOHANNES OPFERMANN
www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/die-vampire-von-sindelfingen/
01.04.2011 http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/23/0,3672,8230167,00.html
Niedersachsens
Innenminister Uwe Schünemann bekam seinen Datenkraken-Preis für den Einsatz von
Mini-Überwachungsdrohnen bei den Protesten gegen den Castor-Transport im
Wendland. Der Minister erhielt den Preis zum zweiten Mal. "Bereits 2003
wurde er mit dem Big Brother Award 'abgestraft' - unter anderem für die
präventive Telekommunikationsüberwachung im niedersächsischen
Polizeigesetz", sagte Laudator Rolf Gössner von der Internationalen Liga
für Menschenrechte…
Bildquelle imago/Schöning
Ausgezeichnete Datenschnüffler: Der Big Brother Award wurde zum elften Mal an besonders eifrige Sammler vergeben. Diesmal auf der Liste der Jury: Facebook, dubiose Daimler-Bluttests, Apples Datenschutzbestimmungen und Datengaunerei mit Schülern.
Was hat Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit der Modemarke Peuterey zu tun? Was verbindet die Daimler AG in Stuttgart mit der Apple GmbH in München? Die Antworten kommen aus Bielefeld. Dort wurden am Freitagabend die Big Brother Awards 2011(Externer Link - Öffnet in neuem Fenster) verliehen.
Die Preise gingen an Institutionen und Firmen, die sich laut Veranstalter um die Aushöhlung des Datenschutzes im vergangenen Jahr besonders verdient gemacht haben. Die oben Genannten zählten zu den Gewinnern dieses Negativpreises, den der Bielefelder "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) zum elften Mal verlieh.
Mit auf der Gewinnerliste stand auch das Online-Netzwerk Facebook. Seine Betreiber erhielten die Datenkraken-Auszeichnung "für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots", hieß es in der Laudatio auf das populäre Netzwerk mit dem unstillbaren Datenhunger.
Klartext auch in Sachen Apple. Das kalifornische Unternehmen verkaufe seinen Kunden teure Hardware und zwinge sie dazu, "zweifelhafte" Datenschutzbestimmungen abzunicken. Der Käufer müsse zustimmen, dass Apple seine Daten mit anderen Unternehmen "teilt". Wer das ablehne, könne sein teures iPhone nicht mehr nutzen, so die Laudatoren Frank Rosengart und Andreas Bogk vom Chaos Computer Club.
Würdige Preisträger hat der Bielefelder Verein nicht nur in Kalifornien, sondern auch in Bayern entdeckt. Für den Starnberger Verlag für Wissen und Innovation sei Datensammelwut im letzten Jahr kein Fremdwort gewesen, meinte Laudator Sönke Hilbrans, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Datenschutz. Der Verlag habe in Schulen Büchergutscheine verteilt, die nur eingelöst werden konnten, wenn die Schüler ihre Daten und die Anschriften ihrer Eltern preisgaben.
Bei Werbe- und Finanzdienstleistern seien die Namen und Adressen von Schülern und Eltern sehr begehrt, so Hilbrans. "Denn welches werbende Unternehmen möchte nicht die Verbraucher von morgen schon heute am Schultor abholen können?" Bücher habe der Verlag im Übrigen gar nicht im Angebot gehabt. Stattdessen habe er mit Anlageberatern und einem Hersteller von Vitaminpillen kooperiert. Der Verlag hat laut FoeBuD seine Geschäftstätigkeit vor kurzem eingestellt.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann bekam seinen Datenkraken-Preis für den Einsatz von Mini-Überwachungsdrohnen bei den Protesten gegen den Castor-Transport im Wendland. Der Minister erhielt den Preis zum zweiten Mal. "Bereits 2003 wurde er mit dem Big Brother Award 'abgestraft' - unter anderem für die präventive Telekommunikationsüberwachung im niedersächsischen Polizeigesetz", sagte Laudator Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte.
Big
Brother Awards gibt es in Deutschland seit dem Jahr 2000. Sie werden vom
Bielefelder "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten
Datenverkehrs" (FoeBuD) vergeben. Der Verein hofft, mit der
Negativauszeichnung das abstrakte Thema Datenschutz durch konkrete Beispiele
anschaulich zu machen.
Die Preisträger 2011:
In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" ging der Big Brother an Gert Wagner, den Chef der deutschen Zensuskommission. "Mit der aktuellen Volkszählung werden sensible Persönlichkeitsprofile von über 80 Millionen Menschen erstellt, die bis zu vier Jahre (...) personenbezogen verfügbar sind", sagte Laudator Werner Hülsmann vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung. Wagner erhalte den Negativpreis stellvertretend für alle Beteiligten.
Auch
schicke Kleidung kann gefährlich sein - so etwa wenn sie von der italienischen
Modemarke Peuterey stammt und versteckt eingenähte RFID-Funkchips enthält.
Vertrieben wird die neugierige "Schnüffelkleidung" von einer
Düsseldorfer Modeagentur, die dafür prompt den Big Brother in der Kategorie
"Technik" gewann.
Ein weiterer Big Brother ging an die Stuttgarter Daimler AG - verdient, wie
Laudator Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Frankfurt, meinte.
Daimler habe bis Ende 2009 bei Einstellungsuntersuchungen obligatorische
Bluttests verlangt. Arbeitsrechtlich abgesegnet war "diese Form des
modernen Vampirismus" in den meisten Fällen nicht, so Wedde.
Kai Schmerer 02.04.11, 13:5
… Der Big Brother Award 2011 in der Kategorie "Politik" geht an den Niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Er gewinnt den Preis "für den ersten nachgewiesenen polizeilichen Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne zur heimlichen Ausspähung der Demonstrationen und Protestaktionen gegen den Castortransport im Wendland. Betroffen waren unzählige Demonstrationsteilnehmer, die im November 2010 zu Abertausenden gegen den radioaktiven Atommüll und die unverantwortliche Atompolitik der Bundesregierung protestierten.", sagte der Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte Rolf Gössner in seiner Laudatio.
01.04.2011 Eine
Trophäe, die niemand gerne bekommt: Der Big Brother Award - Bild: Thorsten Möller
Detlef Borchers
Wo
Datenschutz und Privatsphäre kein Aprilscherz sind: Die Big Brother Awards
2010/2011
Zum elften Mal bekommen Firmen,
Personen und Verbände in Deutschland den Big Brother Award. Seit der Einführung
des Preises, ausgerichtet durch den in Bielefeld ansässigen FoeBuD[1],
hat sich viel getan. Was anfangs[2]
für ein Projekt einiger Computerfreaks gehalten wurde, ist mittlerweile ein
Fall für die allgemeine Berichterstattung geworden. Selbstbewusst spricht der
FoeBuD vom "Datenschutz als Grundlage einer freien, gerechten und demokratischen
Gesellschaft". Wie bereits erwähnt[3]
ist das Projekt heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mitglieder des
FoeBuD und der Jury des Big Brother Awards beraten Parlamentarier und treten in
Karlsruhe auf, wenn das Bundesverfassungsgericht allzu weitreichende Befugnisse
der Datenabgreifer eindämmen soll. Bisher wurden die Awards im Herbst des
jeweiligen Jahres vergeben, was den Veranstalter als Mit-Organisator der Demonstration
Freiheit statt Angst[4] offenbar in die Bredouille trieb. Erstmals
findet deshalb die Preisverleihung im Frühling statt, was nach Angabe des
FoeBuD auch seine Berechtigung haben kann: "Die Big Brother Awards [...]
nominieren auch vorausschauend, z. B. Gesetzesentwürfe oder Technologien, die
gefährliche Strukturen in sich bergen."
Big Brother Award: Kategorie
Behörden und Verwaltung
Unter diesem Aspekt bekommt die
Verleihung des Preises in der Kategorie Behörden und Verwaltung an das
Statistische Bundesamt als "Veranstalter" des Zensus 2011[5]
seine Berechtigung. Stellvertretend für die gesamte Behörde geht der Big
Brother Award dabei an den den Vorsitzenden der Zensuskommission, Prof. Dr.
Gert G. Wagner. Auch wenn die eigentliche Befragung erst am 9. Mai startet,
sorgte die Art und Weise, wie der Zensus durchgeführt wird, 2010 für
Diskussionen. Über 10.000 Bürger[6]
unterstützten eine vom FoeBuD mitorganisierte Verfassungsbeschwerde[7], die allerdings vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen[8]
wurde. Mit dem Award kritisiert der FoeBud nicht nur die Datenspeicherung von
27 Persönlichkeitsmerkmalen über vier Jahre, sondern die Tatsache, dass weitere
Daten von der Bundesagentur für Arbeit und anderen Bundesbehörden in den Zensus
einfließen und über Ordnungsnummern zusammengeführt werden können. So würden
"Daten aus Melderegistern, von der Bundesagentur für Arbeit und
bundesbehördlicher Arbeitgeber zweckentfremdet, ohne dass die Betroffenen
rechtzeitig und ausreichend darüber informiert werden oder dem widersprechen
könnten", heißt es in der Begründung der Jury. Sie ehrt zudem Wagner für
einige widersprüchliche Aussagen wie der, dass total langweilige Daten erhoben
würden, die für Marketingzwecke unbrauchbar seien. Allerdings hat der Professor
für empirische Wirtschaftsforschung auch deutliche Kritik[9] daran geübt, dass seit den ersten Vorarbeiten
am Zensus unter dem damaligen Innenminister Otto Schily keinerlei Interesse bei
der Politik vorhanden war, über den Zensus aufzuklären. Deshalb erwarteten die
Veranstalter, dass wieder einmal einer der Geehrten sich auf den Weg nach
Bielefeld macht, um den Zensus zu verteidigen. Wagner will auch nach Bielefeld
kommen: "Der Preis ist eine Negativ-Auszeichnung. Er verkehrt Lob in
Tadel, das Übliche ins Gegenteil. Um diese Logik fortzuführen, nehme ich den
Award selbstverständlich an, um damit die Überwachungsunterstellung
formvollendet zurückzuweisen", erklärt Wagner schon vorab. Die Kritik am
Zensus treffe nicht zu, die Volkszählung sei kein Überwachungsmittel, sondern
schaffe mehr Gerechtigkeit für die Bürger. Unter anderem betonte Wagner, dass
der Zeitraum der Datenspeicherung auf vier Jahre festgelegt sei, weil die
Zensus-Methode völlig neu sei. Der Gesetzgeber wolle keinen schädlichen
Zeitdruck erzeugen, der zu schlechten Ergebnissen führe. "Wahrscheinlich
wird die Löschung aber deutlich früher erfolgen." Zudem würden keine
Persönlichkeitsprofile angelegt, sondern wenige statistische Daten erfasst;
diese würden anonymisiert und könnten nicht für einzelne Personen ausgewertet
werden.
Big Brother Award: Kategorie Arbeitswelt
Gleich zweimal werden Preise in
der Kategorie Arbeitswelt vergeben. Stellvertretend für viele deutsche
Unternehmen wird die Daimler AG für die zweifelhafte Praxis ausgezeichnet, von
allen Bewerbern Bluttests zu verlangen. Auch wenn die Daimler AG nach eigenen Angaben
seit Ende 2009 auf Bluttests für alle Beschäftigten verzichtet, fand die Jury
"die moderne Form des Vampirismus" besonders preiswürdig, weil der Betriebsrat der Daimler AG[10] selbst
die Bluttests verteidigt hatte. Nach Ansicht der Jury müsste der Schutz von
Persönlichkeitsrechten der Beschäftigten Sache des Betriebsrates sein. Mit der
Vergabe des Big Brother Awards für Bluttests will die Jury auch auf die
politische Debatte zum Beschäftigten-Datenschutzgesetz[11]
aufmerksam machen, weil der zuletzt im Februar 2011 im Bundestag diskutierte
Gesetzentwurf nach Ansicht vieler Datenschützer unzureichend[12] ausgefallen ist. So gibt es zwar einen neuen
Paragraphen 23a, der sich explizit mit Gesundheitstests befasst. Er erlaubt
diese aber ausdrücklich, wenn gesundheitliche Voraussetzung eine "wesentliche
und entscheidende berufliche Anforderung zum Zeitpunkt der
Arbeitsaufnahme" darstellen. "Die Daimler AG hat vielleicht einfach
nur Pech gehabt. Wäre das neue Gesetz vor anderthalb Jahren schon in Kraft
gewesen, hätte sie die flächendeckende Blutentnahme problemlos fortführen
können", heißt es in der Preisbegründung.
Über einen weiteren
Arbeitswelt-Big Brother darf sich das Bundesministerium der Finanzen als zuständige
Behörde der Deutschen Zollverwaltung[13] freuen. Mit dem sogenannten Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten[14]
(abgekürzt AEO für Authorized Economic Operators) hat der Zoll nach Ansicht der
Jury eine Praxis eingeführt, die ohne Rechtsgrundlage nach dem
Bundesdatenschutzgesetz sein soll. Unternehmen, die ein AEO-S-Zertifikat (Sicherheit)
oder ein AEO-F-Zertifikat (Zollrechtliche Vereinfachung/Sicherheit) beantragen,
müssen einen Datenabgleich der Arbeitnehmerdaten mit den EU-Antiterrorlisten
vornehmen. "Für Lieferungen in die USA wird der Abgleich mit dortigen
Antiterrorlisten angeraten. Arbeitnehmer, die das Pech haben, auf diesen Listen
zu stehen, müssen damit rechnen, dass sämtliche Gehalts-Zahlungen oberhalb des
Sozialhilfesatzes gestoppt werden. Wer einem Verdächtigen Geld leiht, unterstützt
nach der Diktion der europäischen und US-amerikanischen Sicherheitsexperten
möglicherweise Terroristen", erläutert die Jury. Da es noch keine
Rechtsgrundlage für das Verfahren gibt, empfehle der Zoll den beantragenden
Unternehmen praktisch einen Bruch des geltenden Datenschutzrechtes. Mehrere 100
zugelassene Unternehmen[15] in
Deutschland würden somit den Datenschutz unterwandern, immer im Vertrauen auf
den Deutschen Zoll, der diese Praxis ausdrücklich empfehle.
Big Brother Award: Kategorie Kommunikation
Auch in der Kategorie
"Kommunikation" werden zwei Preise verliehen, über die sich klangvolle
Namen in der Computerbranche freuen können. Mit der Facebook Deutschland GmbH
in Hamburg und Apple Deutschland in München wird jeweils ein Software- wie ein
Hardware-Lieferant dafür ausgezeichnet, den Datenschutz und die Privatsphäre
ihrer Kunden zu missachten. Apple[16] bekommt den Preis für die
"firmeneigenen zweifelhaften Datenschutzbestimmungen", denen die
Käufer eines iPhones zustimmen müssen, wenn sie mit dem Gerät nicht nur
telefonieren wollen. Die Datenschutzrichtlinien von Apple, die auch in den USA kritisiert[17] wurden, seien eine Art
"Geiselnahme" der Kunden, die gegen den Paragraphen 4a des
Bundesdatenschutzgesetzes verstoßen, weil nach Ansicht der Jury die
Freiwilligkeit der Einwilligung nicht gewährleistet werde. Wer sich ein iPhone
kaufe, könne praktisch nicht anklicken, dass er mit den Datenschutzbedingungen
nicht einverstanden ist. Außerdem fehle in den Bedingungen von Apple jede
Möglichkeit, einen Widerspruch gegen die Weitergabe von Daten zu formulieren
und an Apple zu schicken. Insgesamt bewertet die Jury die 117 iPhone-Seiten
langen Erläuterungen Apples zum Datenschutz als "Erpressung", der
Kunden "mit Grummeln" zustimmen müssen. Für diese Geiselnahme sei ein
Big Brother Award mehr als gerechtfertigt.
Die Auszeichnung von Facebook[18]
mit einem Big Brother Award ist für die Juroren ebenso alternativlos: Er ergeht
"für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen
Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots. Die
gesammelten Daten speichert Facebook in den USA – Zugriff für Geheimdienste
möglich, Löschen nicht vorgesehen." Hinter der Fassade einer Gated Community
herrsche die Willkür eines Konzerns, der mit systematischen Datenschutzverstößen
Milliarden verdiene. Auch der Klartext[19],
den Facebook nach der Kritik von Verbraucherschützern veröffentlicht[20] hat, konnte die Jury nicht davon abbringen, dem
Marktführer im Bereich Social Media mit einem Preis auszuzeichnen. Dieser hat
bereits gegenüber dpa Widerspruch gegen die Preisvergabe eingelegt.
"Facebook nimmt den Datenschutz seiner Nutzer sehr ernst", versichert
eine Sprecherin von Facebook auf Anfrage. Man sei ständig mit Datenschützern in
Kontakt. "Facebook verdient Geld mit Werbung, verkauft aber keine
Nutzerdaten an Werbetreibende." Die Sprecherin versichert auch, dass
Facebook hochgeladene Daten wie Adressen nicht nutzt, außer der Nutzer werde
aktiv und veranlasse das. "Und wir geben jedem Nutzer die volle Kontrolle
über seine Daten. Der Nutzer kann die Daten auf seinem Profil löschen, dann
sind sie weg. Sie werden nicht gespeichert."
Big Brother Award: Kategorie
Verbraucherschutz
In der enger gefassten Kategorie
"Verbraucherschutz" geht der Big Brother Award an den Starnberger Verlag
für Wissen und Innovation[21], der nach den Recherchen eines Bloggers[22] mit dem Verteilen von
Büchergutscheinen ins Gerede gekommen ist. Eltern, die diese Gutscheine
einlösen wollten, mussten den Namen und die Anschrift des Kindes und mindestens
eines Elternteils an den Verlag übermitteln. In dieser Aktion hat die Jury einen
klaren Verstoß gegen den gesetzlichen Schutz von Schülerdaten gesehen und
spricht analog zu einer bekannten Internet-Geschäftspraxis von einem
"Honeypot". Eine ähnliche Aktion wurde bereits im Jahre 2005[23] mit einem Preis in
der Kategorie "Regionales" ausgezeichnet, als Daten der Schulanfänger
der Grundschule Ennigloh an die Volksbank Bad Oeynhausen und die Sparkasse
Herford weiterflossen. Der Verlag für Wissen und Innovation sieht sich freilich
zu Unrecht mit einem Preis für die Ausspähung von Schülerdaten bedacht. Man
habe die Geschäftstätigkeit eingestellt und die angeprangerte Praxis vor sechs
Monaten gestoppt, weil man eingesehen habe, dass das "nicht so OK"
gewesen sei, erklärte der Verlagsinhaber nach Angaben des FoeBuD schon im
Vorfeld der Preisverleihung. Einen Preis kassierte auch das italienische
Modelabel Peuterey[24] für seine Jacken, in denen RFID-Chips[25]
eingenäht sind. Die Tatsache, dass in den nicht gerade billigen Jacken der
RFID-Chip unter der ausdrücklichen Warnung "Don’t remove this label"
eingenäht ist, reichte für den Spitzenplatz in der Kategorie
"Technik".
Big Brother Award: Kategorie
Politik
Eine lange Tradition haben die Big Brother Awards in der Kategorie "Politik". Kein Jahr vergeht, ohne dass sich Politiker oder Politikerinnen nicht mit Ideen oder Aktionen zu Worte melden, die den Datenschutz oder die Privatsphäre der Bürger souverän ignorieren. Diesmal erhält der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) einen Big Brother Award, vergeben für den ersten nachgewiesenen[26] Einsatz einer Überwachungsdrohne während einer Demonstration und den Versuch, diesen Einsatz als rechtmäßige Nutzung der Spähtechnik[27] darzustellen. Dabei sei der Einsatz geheimgehalten worden, um die rechtzeitige datenschutzrechtliche Überprüfung durch den Landesdatenschutzbeauftragten zu umgehen. Selbst der Einsatzleiter der Polizei wurde nach Darstellung der Jury nicht rechtzeitig darüber informiert, dass ein Quadrocopter "harmlose Übersichtsaufnahmen" (Uwe Schünemann) anfertigte. Weil Schünemann bereits im Jahr 2003 einen Big Brother Award in der Kategorie "Politik" für die präventive Telekommunikationsüberwachung und die Verschärfung der Landesgesetze im Zuge der Terrorismusbekämpfung erhielt, wird er von seinem Stamm-Laudator Rolf Gössner als "Wiederholungstäter" ausgezeichnet. Gössner gelang es seinerzeit, die Preisurkunde dem widerspenstigen Innenminister im Rahmen einer Diskussionsrunde im Morgenmagazin von SAT 1 zu überreichen. In Anwesenheit von BKA-Chef Jörg Ziercke nahm der überrumpelte Minister den Preis entgegen und verschwand hinter den Kulissen. Für Gössner, der 38 Jahre lang vom Verfassungsschutz überwacht[28] wurde, war dies ein schöner Erfolg.
Wer mit seinem iPhone telefonieren möchte, muss der Verwendung von Standortdaten zustimmen. Facebook hat das Geschäft mit den Daten sogar zum Geschäft gemacht. Datenschutz-Aktivisten protestieren mit einem Negativpreis.
"Datenkraken", "Überwachungsfetischisten", "Datenschutzvandalen" - der Datenschutzverein FoeBuD hat viele Namen für die Personen und Organisationen, die jährlich mit den unrühmlichen BigBrotherAwards ausgezeichnet werden.
www.badische-zeitung.de/ratgeber/computermedien/apple-und-facebook-sind-datenkraken-des-jahres
Zum elften Mal ist der Datenschutz-Negativpreis in Bielefeld vergeben worden. Den "BigBrotherAward" erhielt unter anderem Facebook. Foto: iStockphoto
Auszeichnung - Vergeben wurde die Negativ-Auszeichnung in diesem Jahr in den Kategorien "Kommunikation", "Arbeitswelt", "Behörden und Verwaltung", "Verbraucherschutz", "Technik" und "Politik". 130 qualifizierte Vorschläge wurden für den diesjährigen Preis beim Bielefelder Bürgerrechts- und Datenschutzverein FoeBud eingereicht, berichtet Organisator padeluun. Entschieden hat sich die "BigBrotherAward"-Jury in diesem Jahr unter anderem für die Auszeichnung von zwei beliebten US-Unternehmen, nämlich des Social-Network-Diensts Facebook und des Geräteherstellers Apple.
Von Christiane
Schulzki-Haddouti
www.evangelisch.de/themen/medien/big-brother-preis-fuer-facebook-und-apple38057
In diesen Minuten beginnt in Bielefeld die kleine Gala zur Verleihung der deutschen Big Brother Awards für das Jahr 2010. In insgesamt 6 Kategorien werden 8 Preise an Firmen und Personen verliehen, die datenschutz und privatsphäre klein schreiben. Mit dabei bei den Preisträgern, die sich wohl nicht über die Auszeichnung freuen, sind unter anderem Apple, Facebook, die Daimler AG, das Statistische Bundesamt oder der niedersächsische Innenminister. Die Veranstaltung wird unter dieser Adresse ins Internet gestreamt
www.heise.de/newsticker/meldung/Big-Brother-Awards-2010-2011-verliehen-1220527.html
Computer BILD
02.04.2011, 08:00 Uhr
Am 1. April 2011 verlieh der Datenschutz-Verein „FoeBuD“ die „Big Brother Awards“. Der Anti-Preis geht an Personen und Organisationen, die sich der öffentlichen Überwachung verdächtig gemacht haben. „Sieger“ in diesem Jahr: Facebook und Apple.
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