Liga beobachtet
Revisionsverfahren im Fall des Kurdenführers Abdullah Öcalan
vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg
Liga-Präsident Rolf
Gössner: „Auch die völkerrechtswidrige Verschleppung Öcalans sowie die
menschenunwürdigen Isolationshaftbedingungen müssen aufgeklärt und geahndet
werden“.
Auf Einladung einer Internationalen Initiative wird
die „Internationale Liga für Menschenrechte“ zusammen mit Persönlichkeiten aus
ganz Europa das Revisionsverfahren im Fall Abdullah Öcalan am Mittwoch, 9. Juni
2004 vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in
Straßburg beobachten. Prozessbeobachter wird Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner
sein, der 1999 zusammen mit mehreren Menschenrechtsorganisationen die
Internationale Beobachtung des Öcalan-Verfahrens in der Türkei initiiert hatte.
Die Durchführung dieses fragwürdigen Strafverfahrens
steht in Straßburg auf dem Prüfstand. Bereits im Beschwerdeverfahren hatte der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 13. März 2003
festgestellt, dass Öcalan in der Türkei kein faires Verfahren vor einem unabhängigen
Gericht erfahren habe, dass sein Recht auf Verteidigung eingeschränkt gewesen
sei und dass er durch die Verhängung der Todesstrafe eine inhumane Behandlung
erlitten habe (inzwischen ist die Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt
worden).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte
es allerdings bislang unterlassen, zwei für das Strafverfahren wesentliche
Punkte zu klären. So wurden die dubiosen Umstände der Entführung Öcalans am
15.02.1999 aus Kenia ebenso wenig behandelt, wie das Haftregime der Isolation,
dem der politische Gefangene Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali
unterzogen wird - obwohl es sich hierbei mutmaßlich um schwere Verstöße gegen
das Völkerrecht und das Folterverbot der Menschenrechtskonvention handelt.
Wegen dieser Nichtbehandlung hat die Verteidigung Öcalans (ebenso wie die
Türkei aus anderen Gründen) Revision gegen das Urteil eingelegt.
In zahlreichen Verfahren ist die Türkei für
schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, insbesondere systematische Folterungen,
verurteilt worden. Abdullah Öcalan wird seit nunmehr über fünf Jahren auf der
Gefängnisinsel Imrali von der Außenwelt weitgehend isoliert und unter menschenunwürdigen
Haftbedingungen gefangen gehalten. Die
verschärften Isolationshaftbedingungen bedrohen ernsthaft seine Gesundheit. Er
leidet in den feuchten Gemäuern, so wurde uns von seinen Anwälten berichtet,
unter
Atembeschwerden und unter mangelhaften hygienischen Bedingungen. Die Liga
unterstützt die Forderung der Familie und Anwälte Öcalans, eine unabhängige Ärztekommission zu entsenden, um
seinen Gesundheitszustand festzustellen und geeignete medizinische Maßnahmen zu
ergreifen. „Es ist höchste Eile geboten, wenn diese Haftbedingungen nicht zu einer
Hinrichtung auf Raten führen sollen,“ erklärte Rolf Gössner unmittelbar vor dem
Prozess.