17. Januar 2006

"Internationale Liga für Menschenrechte" gegen Suspendierung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Abschiebegegner am Frankfurter Flughafen

Liga beobachtet Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Freitag, 20. Januar 2006, ab 9 Uhr

Die "Internationale Liga für Menschenrechte" hat sich für die Beobachtung eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof entschlossen, weil es dabei um eine Grundsatzfrage in einem demokratischen Rechtsstaat geht: Darf auf einem Flughafen, von dem aus jedes Jahr fast 8.500 Menschen abgeschoben werden, über drohende Menschenrechtsverletzungen informiert und dagegen protestiert werden oder ist der private Flughafenbetreiber als "Hausherr" berechtigt, dies durch Hausverbote und Strafanzeigen zu unterbinden?

Zum Hintergrund: Durch Informationen und Interventionen des Aktionsbündnisses Rhein-Main gegen Abschiebungen konnten in den letzten Jahren mehrere problematische Abschiebungen auf dem Flughaben Frankfurt/M. verhindert werden. Die Bündnismitglieder klärten vor Ort über die menschenrechtswidrigen Umstände auf, informierten Flugpassagiere, Piloten und Stewardessen über die Betroffenen und die Menschenrechtssituation in jenen Ländern, in die sie abgeschoben werden sollten.

Doch seit einiger Zeit überzieht der private Flughafenbetreiber die Aktivisten mit Hausverboten und Strafanzeigen; inzwischen in zweiter Instanz abgesegnet vom Frankfurter Landgericht. Begründung des Urteils vom 20. Mai 2005: Der Flughafen sei Privatgelände, das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelte hier nicht, weil die Fraport AG als Aktiengesellschaft keiner direkten Grundrechtsbindung unterliege und ihr Hausrecht frei ausüben könne. Diese Entscheidung bedeutet, dass in Flughafen-Arealen Grundrechte in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden können.

Dazu Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner, der das Verfahren vor dem Bundesgerichthof beobachten wird: Unter Verweis auf das private Hausrecht einer Aktiengesellschaft wird die staatliche Abschiebepraxis, die nicht selten mit Menschenrechtsverletzungen verbunden ist, juristisch absichert. Das ist umso schwerer nachzuvollziehen, als die Fraport AG, auf deren Flughafengelände sich jährlich Millionen von Personen bewegen, sich überwiegend in öffentlicher Hand befindet und im Zusammenhang mit Abschiebungen auch hoheitliche Aufgaben unterstützt.

Das Aktionsbündnisses Rhein-Main gegen Abschiebungen hat gegen dieses Urteil Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Nach Auffassung der Betroffenen muss es möglich sein, an Orten zu demonstrieren und aufzuklären, an denen Menschenrechtsverletzungen angebahnt oder begangen werden. Tatsächlich geht es nach Auffassung von Rolf Gössner bei dem anste-henden Revisionsverfahren um eine Grundsatzfrage:

Ist es mit den Prinzipien einer rechtsstaatlich verfassten Demokratie vereinbar, dass öffentlicher Raum in Privatbesitz umdefiniert wird, wo dann elementare Grundrechte drastisch eingeschränkt, ja regelrecht suspendiert werden können? Darf sich eine Demokratie solche grundrechtsfreien Räume leisten - zumal, wenn in diesen hoheitliche Aufgaben wahrgenommen wer-den?

Die "Internationale Liga für Menschenrechte" (Berlin) informiert Sie mit der anhängenden Pressemitteilung und einem Aufruf "Für die Aufhebung aller Hausverbote gegen Abschiebegegner am Frankfurter Flughafen" über die Hintergründe des Revisionsverfahrens vor dem BGH sowie über eine Veranstaltung zu diesem Thema in Karlsruhe am 19. Januar 2006, an der neben Liga-Präsident Rolf Gössner auch Mitglieder und eine Anwältin des Aktionsbündnisses teilnehmen.