Fakt ist ...! am 22.03.2010 | 22:05 Uhr

Polizei-Notruf - Wenn Staatsdiener nicht mehr können

Moderation: Dr. Andreas Menzel und Ines Klein

Wiederholung: Dienstag, 23. März 2010, 12:30 Uhr

"Aus Fürsorge gegenüber jedem einzelnen Beamten werden wir das Gesundheitsmanagement in der Thüringer Polizei auf den Prüfstand stellen." So reagiert Thüringens Innenminister Professor Peter Michael Huber, wenn er auf den hohen Krankenstand bei der Thüringer Polizei angesprochen wird.

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Polizei-Notruf und kaum noch gesunde Polizisten - wo bleibt die Sicherheit?

Während sein Ministerium die Krankenquote auf unter zehn Prozent runterrechnet, operieren Insider mit ganz anderen Zahlen. Im Bereich der Polizeivollzugsbeamten käme man auf zehn Prozent kranke und acht Prozent dienstunfähige.

Fakt ist, es fehlen einsatzfähige Polizisten und das merkt auch der Bürger. Problem erkannt, Abhilfe in Aussicht, die Polizeistrukturreform soll es endlich richten. Anders als seine Vorgänger versucht der neue Innenminister mit Hilfe aller Polizisten ein tragfähiges Konzept zu erstellen. Das große Ziel: wieder mehr Polizei-Präsenz in der Fläche. Das geht nur mit gesunden, motivierten Gesetzeshütern. Momentan sind aber zu viele gestresst, frustriert oder krank – das führt auch zu Fehlentscheidungen im Dienst.

Wie krank ist die Thüringer Polizei wirklich? Wie viel Vertrauen können die Bürger noch haben? Wer kontrolliert denn die Arbeit der Gesetzeshüter?

 

Diese und andere Fragen diskutieren:

Studiogast Fakt ist: Peter Michael Huber 

Prof. Peter M. Huber (Thüringer Innenminister)

Im Rahmen eines "Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Thüringer Polizei" werde man unter anderem auch den Dienstsport überprüfen, um genau in diesem Bereich mehr für die Gesundheitsvorsorge zu tun. Die Thüringer Polizei leiste gute Arbeit und könne mit einer hohen Aufklärungsquote punkten. Huber ist es wichtig, auf die sehr gut funktionierende Arbeit der Kontaktbereichsbeamten hinzuweisen. Die beeinflussen die erlebte Präsenz, zumal sie fast flächendeckend im Einsatz seien. Durch ihre guten Kontakte würden sie signifikant zur Verbrechensaufklärung beitragen. Generell meint Innenminister Huber, es gäbe wohl eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen und der gefühlten Sicherheit in der Bevölkerung. Er weiß, dass er alles, was irgendwie möglich ist, in die Fläche geben muss – heißt, so viel Beamte wie möglich sollen im Straßenbild Präsenz zeigen! Nicht zuletzt soll das durch die Polizeistrukturreform erreicht werden – das ist auch eine Vorgabe in der Mitarbeiterbefragung.

"Aus Fürsorge gegenüber jedem einzelnen Beamten werden wir das Gesundheitsmanagement auf den Prüfstand stellen."  Peter M. Huber (CDU)

 

Studiogast Fakt ist: Michael Zippel

Michael Zippel (Landespolizeipfarrer und Beauftragter
für Notfallseelsorge in Thüringen)

Man muss mal realistisch sein und auch auf die vorhandene Altersstruktur der Thüringer Polizei gucken: Das Durchschnittsalter ist ziemlich hoch – es gibt beispielsweise Dienststellen, da sind die Kollegen im Durchschnitt 50 Jahre alt – und in dieser Altersstruktur ist es ganz natürlich, dass sich bestimmt Krankheiten häufen – auch chronische. Dieser im ersten Moment sehr hoch klingende Krankenstand ist auch der Altersstruktur geschuldet. Es ist nicht gelungen, in den letzten Jahren dem "überalterten System" neue Kräfte zuzuführen. Hinzu kommen die extremen Anforderungen, die sich im Wechseldienst ergeben: zwölf Stunden-Dienst – zwölf Stunden zuhause – und das vier Tage am Stück – einen Tag frei oder mal ein Wochenende und dann wieder ran. Das führt auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

"Der Patient "Polizei" ist nicht so krank wie er oftmals dargestellt wird." Michael Zippel

 

Marko Grosa (Vorsitzender der Thüringer Polizeigewerkschaft)

Die Thüringer Polizei leidet unter der falschen Personalpolitik in der Vergangenheit. Diese hat unter anderem dazu geführt, dass der Personalbestand überaltert ist. Zudem besteht ein Beförderungsstau, der trotz zusätzlicher Beförderungen im letzten Jahr nicht aufgelöst wurde. Beamte im mittleren Dienst haben deshalb kaum Aufstiegschancen und müssen später im Ruhestand mit einer Mindestversorgung auskommen. Ein großes Problem sieht der Thüringer GdP-Vorsitzende im Umgang mit Diabetikern in den Reihen der Polizei: Die Beamten dürfen keinen Streifenwagen fahren und keine Waffe tragen, ihren Beruf also nur eingeschränkt ausüben. Manche würden ihre Diabetes-Erkrankung deshalb gar nicht mitteilen. Die Gewerkschaft der Polizei mache sich nun für neue Regelungen stark – ein Busfahrer dürfe schließlich auch weiter am Steuer sitzen, wenn er Diabetiker sei, so Grosa.

"Einen Teil der Polizei-Dienstunfähigkeit produzieren wir mit eigenen Regeln selbst. Andere Krankheiten sind dem Knochenjob geschuldet." Marko Grosa

Studiogast Fakt ist: Dr. Rolf Gössner

Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt und Publizist)

Oft wird die Polizei an die soziale Front geschickt und muss richten, was die Politik nicht schafft. Die Polizei fürchtet daher um die Bürgernähe, weil von ihr eine "Allzuständigkeit" erwartet wird, die sie nicht erfüllen kann. In bestimmten Bereichen hat das Verhältnis von Bürger und Polizei gelitten. Zum einen haben Polizisten Befugnisse und Vollmachten, mit denen sie "im Namen des Staates" tief in die Privatsphäre der Bürger eindringen können, zum anderen gibt es bei Demos martialische Auftritte von Polizisten, die Konfrontationen schüren. Gössner fordert deshalb seit Jahrzehnten eine unabhängige Kontrollinstanz, weil die Kontrolle durch Gerichte, Parlamente und Medien aus seiner Sicht nicht funktioniert.

"Tatverdächtige Polizisten kommen in der Regel vor Gericht davon: Stress, Angst und Überforderung reichen als Argumente."  Rolf Gössner

 

Ihre Meinung zum Thema:

Die Zuschauer können im Vorfeld und während der Sendung Ihre Meinungen zum Thema über E-Mail mitteilen. Kontakt zur "FAKT ist...!"-Redaktion in Erfurt

Und Sie können live bei der Sendung dabei sein:

Zuletzt aktualisiert: 19. März 2010, 15:36 Uhr

Fakt ist ...! | MDR FERNSEHEN | 22.03.2010 | 22:05 Uhr

 

Vitae:

Prof. Peter M. Huber Studiogast Fakt ist: Peter Michael Huber 

Peter Michael Huber (* 21. Januar 1959 in München) ist Rechtswissenschaftler und Politiker (CSU/CDU). Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach seinem Abitur 1978 studierte er Rechtswissenschaften u.a. an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. 1984 legte er das Erste Juristische Staatsexamen ab. Seit 2002 ist er Professor für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München.

Seit dem 04. November 2009 ist er Innenminister des Freistaats Thüringen.

 

Michael Zippel Studiogast Fakt ist: Michael Zippel 

Michael Zippel hat in Jena studiert und in Südthüringen seine erste Pfarrstelle innegehabt. Später folgten u.a. eine 12-jährige Tätigkeit als Schulpfarrer und Dozent für Schulseelsorge. Er hat Zusatzqualifikationen in Klinischer Seelsorge, Deeskalationsmanagement und Notfallseelsorge.

Seit November 2008 ist er Landespfarrer für Polizei- und Notfallseelsorge mit Lehrauftrag an der Fachhochschule Meiningen.

Dr. Rolf Gössner Studiogast Fakt ist: Dr. Rolf Gössner  

Dr. Rolf Gössner arbeitet als Rechtsanwalt und Publizist in Bremen. Er ist Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, stellv. Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen sowie Mitglied der Deputation für Inneres der Bremischen Bürgerschaft, Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren des Bundestags und von Landtagen. Mitherausgeber des jährlich erscheinenden "Grundrechte-Report. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland" und als solcher ausgezeichnet mit der Theodor-Heuss-Medaille 2008. Gössner ist Autor zahlreicher Bücher zum Thema Innere Sicherheit und Bürgerrechte, zuletzt erschienen: "Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Kriminelle im Dienst des Staates", Knaur-TB, München 2003 und "Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der 'Heimatfront'" (Hamburg 2007).