- Report                                  1/2006

Informationsbrief der INTERNATIONALEN LIGA FÜR MENSCHENRECHTE

Berlin, März/April 2006

 


Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!

Im vorliegenden Liga-Report ist die Tätigkeit der Liga der letzten Monate seit letzten November dokumentiert. Er wird zur Liga-Mitglie­derversammlung am 29. März 2006 vorgelegt und ist Teil des Tätigkeitsberichts.

Schwerpunkte bilden dieses Mal die Ossietzky-Medaillen-Verleihung 2005, die aktuellen Auseinandersetzungen um den Iran sowie Prozessbeobachtungen, die die Liga durchgeführt hat, weil es sich um Fälle von grundsätzlicher Bedeutung handelt – etwa um das neue, bundesweit einzigartige Berufsverbot, das gegen einen Heidelberger Realschullehrer wegen dessen antifaschistischer Betätigung erlassen wurde.

Noch ein Wort in eigener Sache: Die Liga hat bei ihrer derzeitigen personellen Situation größte Schwierigkeiten, die täglichen Büroangelegenheiten zu erledigen. Auf das äußerste angespannt wird die Situation bei besonderen Anlässen, so bei der Preisverleihung und etwa Ende März, wenn sie Gastgeber eines überregionalen Treffens von Bürgerrechtsorganisationen ist. Wir sind finanziell weiterhin nicht in der Lage, uns auch nur durch ein Teilzeit-Engagement aus der Klemme zu befreien. Es wäre geholfen, wenn das eine oder andere Mitglied Zeit fände, sich an der Erledigung der oft keineswegs langweiligen Büroarbeit zu beteiligen. Auch eine stärkere Beteiligung von Mitgliedern an der konzeptionellen Arbeit, an der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen würde die Liga weiter stärken und nicht zuletzt wäre es schön, wenn mehr Mitglieder den Liga-Report als ihr eigenes Publikationsorgan begreifen und sich mit Beiträgen an ihm beteiligen würden.

Kilian Stein/Rolf Gössner   Berlin, März 2006

„Man muss das Unrecht auch mit schwachen Mitteln bekämpfen“

 (Bertold Brecht, Aufsätze über den Faschismus)

Diese Verpflichtung gilt - mit leider wieder zunehmender Dringlichkeit - nach wie vor. Die Liga versucht, ihr nachzukommen und ist auf Ihre Hilfe angewiesen. Wir bitten deshalb um Spenden auf

Bank für Sozialwirtschaft, Kto 33 17 100; BLZ 100 205 00

I n h a l t

Einleitung.................................................................1

Carl-v-Ossietzky-Medaillen-Verleihung 2005 ........2

Liga weist Vorwürfe gegen „´Die Arche“ zurück....3

Zivilcourage gegen staatliches Unrecht (Gössner) ..4

Kinderrechte kennen keine Grenzen (Appell)..........5

Hintergrund-Themen

Bundesrepublik

Schäubles Horrorliste (Rolf Gössner)........................7

Liga: Große Koalition bringt Bürgerrechte in Gefahr..8

Tag des Gedenkens an die Opfer
des Nationalsozialismus (Lore Kujawa) ......................9

International

Iran

Keinen Krieg gegen den Iran -
für eine politische Lösung! (Aufruf) ............................9

Diskussionsbeitrag zum Aufruf
„Keinen Krieg gegen den Iran“
(Mila Mossafer).....10

Iranische Polizei misshandelt Frauen bei Demonstration
zum Frauentag (Liga-Presseerklärung) .......12

Türkei

Soziologin Selek droht lebenslange Freiheitsstrafe ...13

Liga-Prozessbeobachtungen

I. Berufungsverfahren der fünf Kubaner (USA)

   JW-Gespräch mit RA Eberhard Schultz .............15

II. Hausverbot für Abschiebegegner auf Flughafen

     Liga gegen Suspendierung der Meinungs-
     und Versammlungsfreiheit für Abschiebegegner..16

     Überall, wo Menschenrechte verletzt werden,
     ist Protest nötig (Aufruf) .......................................16

     Sand im Getriebe unerwünscht – Grundrechte
     im Flughafen außer Kraft (Rolf Gössner).............17

III. Berufsverbotsfall vor Gericht ..........................19

      Bürgerrechtsgruppen beobachten Berufsverbots-
      Verfahren vor VG Karlsruhe................................19

      Berufsverbotsurteil: „Falsches Signal“ (PM) ......22

      10.000 Stimmen gegen Berufsverbote (Aufruf)....23

Verfassungsschutz-Beobachtung

Liga protestiert gegen geheimdienstliche
Überwachung ihres Präsidenten ................................23

35 Jahre vom Verfassungsschutz überwacht (FR).....25

Bürgerrechtler will seine Akte sehen (taz) ................26

Protest der Neuen Richtervereinigung (NRV)............26

„Muslim-Test“ Baden-Württemberg

Wertetest für den guten Deutschen (Weser-Kurier)...27

"Inquisitorische" Gewissensfragen (taz-Nord)...........28

Kooperationen & Aufrufe

Kein Wahlkampf auf dem Rücken von Migrantinnen
und Migranten! (Aufruf)
..........................................28

Hier geblieben! Appell für Bleiberechtsregelung ......29

Rechtshilfefonds für Abschiebungshäftlinge in Berlin
und Brandenburg (Auswertung).................................30

Nachrufe

Zum Tod von Carola Stern (v. Lore Kujawa).............31

Annemarie Friedrich / BI Freie Heide .......................32

Termine/Literatur/Hinweise ab........................... 32

Impressum ............................................................. 34

Auszeichnung für Zivilcourage und soziales Engagement für Kinder

Carl-von-Ossietzky-Medaillen-Verleihung 2005

 

Am 11. Dezember 2005 hat die Liga im Berliner Haus der Kulturen der Welt die Carl-von-Os­sietzky-Medaille an die beiden Berliner Lehrerinnen Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat sowie an das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“ in Berlin verliehen.

Mit diesen Ehrungen wollte die Liga – die sich nicht nur den klassisch-bürgerlichen, sondern auch den sozialen Menschenrechten verpflichtet fühlt – auf die zunehmende soziale Kälte in unserer Gesellschaft und den fortschreitenden Abbau des Sozial- und Rechtsstaates aufmerksam machen. Der menschenwürdige Umgang mit Kindern, ihr Schutz vor Armut und sozialer Kälte, vor Ausgrenzung und Abschiebung ist das gemeinsame Element, das die zu Ehrenden verbindet.

Frau Niesen-Bolm und Frau Wannagat wurden für ihr entschlossenes und mutiges Handeln ausgezeichnet, durch das sie, zusammen mit Schülerinnen und Schülern, die Abschiebung der seit zehn Jahren in Berlin lebenden 13jäh­rigen Schülerin Tanja Ristic nach Bosnien verhindern konnten. Die vom Bürgerkrieg trau­ma­tisierte Tanja war ohne Vorwarnung von der Polizei aus dem Unterricht herausgeholt und in Abschiebehaft genommen worden. Die beiden Lehrerinnen stehen mit ihrem vorbildlichen Einsatz stellvertretend für andere Lehrer und Schüler sowie für Gruppen, die sich hierzulande für Flüchtlinge einsetzen, sich gegen deren Diskriminierung und Ausgrenzung engagieren.

„Die Arche“ ist für ihr umfassendes ehrenamtliches Engagement zur Bekämpfung der Armut, des Hungers und der Perspektivlosigkeit von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen geehrt worden. Mit ihrer Arbeit stärken die „Arche“-HelferInnen die Menschenwürde Hunderter von Kindern und ihrer Familien, die an den Rand dieser Gesellschaft gedrängt wurden – einer Gesellschaft, die bekanntlich zu den reichsten der Welt gehört. Diese Arbeit ist mehr als „nur“ karitativ – sie ist für viele der Betroffenen geradezu überlebensnotwendig und eröffnet ihnen Chancen und Perspektiven, die ihnen sonst hierzulande verwehrt wären.

Die Reden anlässlich der Verleihung sind zu finden unter www.ilmr.de (Rubrik: „Die Carl-von-Ossietzky-Medaille“). Im Laufe des Jahres werden sie auch in einer Dokumentation veröffentlicht (Bezug über Liga-Büro, s. Impressum).

>Social-Times<

Preise für Mitmenschlichkeit und Zivilcourage

Ossietzky-Medaille für Kinderzentrum «Arche»

Berlin (epd). Das christliche Kinder- und Jugendwerk «Arche» in Berlin ist neuer Preisträger der Carl-von-Ossietzky- Medaille der "Internationalen Liga für Menschenrechte". Außerdem wurden die beiden Lehrerinnen Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat ausgezeichnet, die mit ihren Schülern die Abschiebung der 13-jährigen Bosnierin Tanja Ristic verhindert haben.

Für sein Engagement zur Bekämpfung von Kinderarmut wird das christliche Kinder- und Jugendwerk «Arche» in Berlin am Sonntag mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet. Die Einrichtung setze sich für die Stärkung der Menschenwürde von Familien am Rand der Gesellschaft ein, erklärte die Internationale Liga für Menschenrechte. Ausgezeichnet werden zudem die beiden Berliner Lehrerinnen Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat. Sie hatten zusammen mit ihren Schülern die Abschiebung der 13-jährigen Bosnierin Tanja Ristic verhindert.

Die Ossietzky-Medaille wird seit 1962 jährlich von der Liga zum Internationalen Tag der Menschenrechte an Personen und Gruppen verliehen, die sich um die Verteidigung der Menschenrechte und den Frieden besonders verdient gemacht haben. Die Auszeichnung erinnert an den Friedensnobelpreisträger und Pazifisten Carl von Ossietzky, der 1938 an den Folgen der KZ-Haft gestorben ist.

Das Jugendfreizeitprojekt «Arche» wurde 1995 von Pastor Bernd Siggelkow gegründet. Es bietet nach eigenen Angaben in einer umgebauten Schule täglich bis zu 300 Besuchern im Alter zwischen drei und 19 Jahren unter anderem Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenbetreuung sowie Tanzworkshops Kindergottesdienste, Theaterkurse und Ferienfahrten an. In der umgebauten Schule betreibt die «Arche» seit 2001 zudem Deutschlands erste Suppenküche für bedürftige Kinder. Zum Schuljahr 2006/2007 soll eine Grundschule für sozial benachteiligte Kinder eröffnet werden.

Das Schicksal der bosnischen Familie Ristic aus Berlin machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen. Am 12. August 2004 wurden Zoran Ristic und seine 16-jährige Tochter Sanja abgeschoben. Die 13-jährige Schwester Tanja war zuvor von Polizisten aus der Schule geholt worden. Mit Protestaktionen erreichten ihre Lehrerinnen und Klassenkameraden schließlich, dass sie mit ihrer Mutter in Berlin bleiben konnte. (08.12.2005)

***

Liga weist unqualifizierte Vorwürfe gegen Ossietzky-Medaillenträgerin „Die Arche“ zurück
und begrüßt Rücknahme der Mittelkürzungen

Die Internationale Liga für Menschenrechte weist die öffentlichen Vorwürfe gegen „Die Arche e.V.“ zurück, die erst kürzlich wegen ihres Engagement für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2005 geehrt worden ist. Die teils infamen Vorwürfe sind von Seiten der FDP und Linkspartei.PDS im Zusammenhang mit der Kürzung öffentlicher Mittel für das christliche Kinder- und Jugendwerk gemacht worden. Erst auf öffentlichen Druck wurde inzwischen die Kürzung der öffentlichen Zuschüsse wieder zurückgenommen. Die Liga begrüßt diese Entscheidung.

Soziale Einrichtungen wie „Die Arche“ sind notwendig, weil die Politik die Kommunen finanziell derart trockenlegt, dass diese außerstande sind, auf die wachsende Armut speziell von Kindern und Jugendlichen auch nur einigermaßen adäquat zu reagieren. Wir haben kein Verständnis dafür, dass sich die Kommune Marzahn–Hellersdorf auf Initiative der FDP–Fraktion und mit Unterstützung der Linkspartei. PDS noch weiter aus der Verantwortung zu stehlen versuchte, indem es die ohnehin spärlichen öffentlichen Zuschüsse für „Die Arche“ um mehr als die Hälfte kürzen wollte. Die Begründungen dafür waren zum Teil hanebüchen: So wurde behauptet, dass die öffentliche Grundsicherung in Deutschland hoch genug sei, um Familien zu ernähren, dass das Image des Bezirks Marzahn-Hellersdorf durch die Berichterstattung über „Die Arche“ zum Teil beeinträchtigt worden sei und dass dieses Projekt sich schließlich aus Spenden finanzieren könne.

Die Kürzungsentscheidung ist inzwischen korrigiert. Wahrscheinlich nicht mehr ganz korrigierbar sind jedoch die rufschädigenden Behauptungen in der Stellungnahme eines Bezirksverordneten der Linkspartei.PDS – auch wenn die PDS-Führung sich inzwischen entschuldigt hat und Bezirksbürgermeister Klett von „Missverständnissen“ und „Fehlinterpretation“ redet. Aufgrund der Behauptungen ist jedenfalls in einer breiten Berliner Öffentlichkeit ein negativer Eindruck hervorgerufen worden – und davon bleibt bekanntlich immer etwas hängen. Diese unwürdige Auseinandersetzung ist auf dem Rücken vieler Kinder und Jugendlicher in Marzahn-Hellersdorf und in Friedrichshain ausgetragen worden, die dringend der Hilfe und Unterstützung bedürfen – einer Hilfe, wie sie von der „Arche“ in vorbildlicher Weise geleistet wird.

Die Internationale Liga für Menschenrechte sieht sich durch all diese Ereignisse in ihrer Entscheidung bestätigt, jene anerkennungswerte zivilgesellschaftliche Initiative in diesem Jahr mit der Carl–von–Ossietzky ausgezeichnet zu haben – zusammen mit zwei Berliner Lehrerinnen, die die Abschiebung einer 13jährigen Schülerin nach Bosnien verhindert haben.

Das Präsidium der Internationalen Liga für Menschenrechte: Dr. R. Gössner, K. Stein, Y. Endrias


 


Rolf Gössner

Zivilcourage gegen staatliches Unrecht

Aus: „Ossietzky“ 25/2005 (10.12.05)


Es ist eines der dunkelsten Kapitel deutscher Gegenwart. Es geht um Menschen, die ohne schuldhaftes Tun in Abschiebehaft geraten und ständig in der Angst leben müssen, ausgewiesen oder abgeschoben zu werden –in Kriegs- oder Krisengebiete, selbst in Länder, in denen ihnen Folter und Hinrichtung drohen. Diese Praxis macht selbst vor Schwerkranken und Hilfsbedürftigen, vor Minderjährigen und Heranwachsenden nicht Halt. Sie werden aus dem Schulunterricht gerissen, nachts aus ihren Betten geholt oder auf der Straße verhaftet. Ganz in unserer Nachbarschaft und dennoch weitgehend unbemerkt oder verdrängt. Sie werden ihrer Zukunftshoffnungen beraubt, in Abschiebehaft gesteckt und zwangsweise abgeschoben – oft mutterseelenallein. Auch in Länder, die sie nicht kennen, mit denen sie nichts verbindet, deren Sprache sie nicht verstehen.

Wie jedes Jahr seit 1962 verleiht die Internationale Liga für Menschenrechte anläßlich des Tages der Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medailleund zwar an Personen und Gruppen, die sich um die Menschenrechte und den Frieden besonders verdient gemacht haben, sowie an Menschen, die sich durch ihre Zivilcourage und ihr soziales Engagement vorbildlich verhalten. In diesem Jahr erhalten die Medaillen – neben dem Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“ – zwei Berliner Lehrerinnen: Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat werden für ihr entschlossenes und mutiges Handeln geehrt, durch das sie, zusammen mit Schülerinnen und Schülern, die Abschiebung der seit zehn Jahren in Berlin lebenden 13jährigen Schülerin Tanja Ristic nach Bosnien verhindern konnten. Die vom Bürgerkrieg traumatisierte Tanja war ohne Vorwarnung von der Polizei aus dem Unterricht herausgeholt und in Abschiebehaft genommen worden.

Haft bedeutet den schwersten Eingriff in ein hochrangiges Grundrecht: die Freiheit der Person. Da Abschiebehaft auch gegen vollkommen unschuldige Menschen vollzogen wird, kann sie unter menschenrechtlichen Aspekten schwerlich gerechtfertigt werden. Sie verletzt die Würde, die Integrität und das Leben von Menschen, die nichts verbrochen haben, außer hier leben zu wollen, und die als Flüchtlinge besonders schutzbedürftig sind. Nach Ansicht des langjährigen Gefängnispfarrers Hubertus Janssen stellt die Abschiebehaft ein „außergewöhnliches staatliches Unrecht“ dar.

Bundesweit befinden sich Tausende von Menschen in Abschiebehaft – nicht selten drei Monate lang, aber auch bis zu anderthalb Jahre. Besonders für Minderjährige, Kranke, Traumatisierte, Schwangere oder Alleinerziehende bedeutet dies eine ganz besondere Härte – zumal die Haftbedingungen schlecht, nicht selten katastrophal sind. In den Sammellagern und Abschiebeknästen, die teilweise an Hochsicherheitstrakte erinnern, in den Justizvollzugsanstalten und Polizeizellen müssen die „Schüblinge“, wie sie behördenintern heißen, auf engem Raum leben, ohne Beschäftigungsmöglichkeit, ohne Anspruch auf psychosoziale Betreuung, und dürfen pro Monat oft nur eine Stunde lang Besuch bekommen. Die psychischen Belastungen in dieser Extremsituation und die Angst vor drohender Abschiebung zermürbt sie dermaßen, daß es immer wieder zu Verzweiflungstaten kommt.

Jährlich werden Tausende dieser inhaftierten Menschen aus Deutschland abgeschoben – auch in Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen zum Alltag gehören. Hierzu leisten bundesdeutsche Behörden Beihilfe, ohne daß irgendwer dafür zur Verantwortung gezogen wird. In der täglichen Abschiebepraxis, die sich im Zuge der Terrorismusbekämpfung erheblich verschärft hat, werden ständig Menschenrechte verletzt, ohne daß die Öffentlichkeit davon erfährt. Und es sind viel zu wenige, die sich diesem Tabuthema stellen, die hinschauen und eingreifen.

Zu ihnen gehören Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat. Sie haben in einem konkreten Abschiebefall Zivilcourage vorgelebt. Zusammen mit den Mitschülern haben sie sich rückhaltlos für Tanja Ristic eingesetzt – und werden dies wohl als selbstverständlich ansehen. Leider ist es das nicht – schon gar nicht bei denen, die die Abschiebemaschinerie qua Amt und auf Befehl am Laufen halten. Hier rächt sich, was der Schriftsteller Ralph Giordano auf dem Hintergrund deutscher Gehorsamsgeschichte zurecht bemängelt: „Die Deutschen müssen erst noch lernen, daß sie sich nicht nur für ihre Befehle, sondern auch für ihren Gehorsam verantworten müssen.“

Es gibt allerdings rühmliche Ausnahmen: Gruppen, die sich widersetzen, und einzelne Menschen, die remonstrieren, sich auf ihr Gewissen berufen und Nein sagen. In etlichen Fällen ist es ihnen gelungen, Abschiebungen zu verhindern. Jeder dieser Fälle ist ein Erfolg praktischer Menschenrechtsarbeit. An drei Beispiele sei hier erinnert:

Ein 46jährige Schutzpolizist im rheinland-pfälzischen Landau konnte es nicht länger mit ansehen, wie ein unschuldiger Mensch Tage und Nächte unter menschenunwürdigen Umständen im Polizeigewahrsam eingekerkert war. Nach vergeblichen Versuchen, die Situation zu ändern, entschloß er sich, der Menschenwürde den Vorrang einzuräumen, der ihr nach der Verfassung gebührt. Er öffnete eigenhändig die Kellerzelle und entließ den jungen Angolaner aus der Abschiebehaft. Dieser Akt der Zivilcourage trug ihm wegen eigenmächtiger „Gefangenenbefreiung“ eine Geldstrafe ein.

Ein Lufthansa-Pilot verweigerte im Februar dieses Jahres seine Mitwirkung, als die Iranerin Zahra K. gegen ihren Willen abgeschoben werden sollte. Zahra K., die Ende der 90er Jahre in Deutschland Zuflucht vor dem iranischen Mullah-Regime gesucht hatte, erlitt während der Abschiebeprozedur einen Kollaps. Hätte der Pilot reibungslos funktioniert und die nicht anerkannte Asylbewerberin in ihr Heimatland ausgeflogen, dann wäre sie im Iran mit Folter und Tod durch Steinigung bedroht gewesen, denn sie hatte sich in Deutschland von ihrem iranischen Mann getrennt und war als Muslima zum Christentum übergetreten. Erst nach diesem Akt wirkungsvoller Zivilcourage hat Zarah K. ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten.

Es sollen aber auch Gruppen und Initiativen gewürdigt werden, die sich bemühen, über menschenrechtswidrige Abschiebungen aufzuklären, und die darüber hinaus versuchen, unmittelbar auf Flughäfen problematische Abschiebungen zu verhindern: Sie informieren Flugpassagiere, Piloten und Stewardessen über die Hintergründe der Einzelfälle, demonstrieren und protestieren und nehmen dafür auch Repressalien und Strafverfahren in Kauf. Eine Initiative, die auch im Fall Zahra K. erfolgreich gearbeitet hat, ist das „Aktionsbündnis Rhein-Main gegen Abschiebungen“. Dieses Bündnis konzentriert seine Arbeit auf den Frankfurter Flughafen, von dem aus jedes Jahr über 8000 Menschen abgeschoben werden. Durch die kollektive Einmischung des Aktionsbündnisses konnten schon mehrere Abschiebungen verhindert werden. Doch seit einiger Zeit überzieht der Flughafenbetreiber Fraport die Aktivisten mit Hausverboten und Strafanzeigen – inzwischen in zweiter Instanz abgesegnet vom Frankfurter Landgericht. Begründung des Urteils vom 20. Mai 2005: Der Flughafen sei Privatgelände, das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelte hier nicht, weil die Fraport AG als Aktiengesellschaft keiner direkten Grundrechtsbindung unterliege und ihr Hausrecht frei ausüben könne. Eine Entscheidung, mit der wir uns nicht abfinden können, denn schränkt Grundrechte in unverhältnismäßiger Weise ein, ja suspendiert sie geradezu. Unter Hinweis auf das private Recht einer Aktiengesellschaft, die sich in öffentlichem Eigentum befindet, wird die staatliche Abschiebepraxis juristisch abgesichert. Das ist um so schwerer nachzuvollziehen, als die Fraport AG, auf deren angeblichem Privatgelände sich jährlich 50 Millionen Personen bewegen, hoheitliche Aufgaben unterstützend wahrnimmt. Das Aktionsbündnis hat gegen dieses Urteil Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Nach Auffassung der Betroffenen muß es möglich sein und bleiben, an Orten zu demonstrieren und aufzuklären, an denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Die Verhandlung vor dem BGH ist am 20. Januar 2006. Zu klären ist die Grundsatzfrage: Darf der Staat ins Privatrecht flüchten? Kann eine Zivilgesellschaft hinnehmen, daß öffentlicher Raum in Privatbesitz umdefiniert wird, wo elementare Grundrechte eingeschränkt, ja ausgehebelt werden können?

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Presseerklärung
der „Internationalen Liga für Menschenrechte“

gemeinsam mit Flüchtlingsrat Berlin und GRIPS Theater

´                                       

„Kinderrechte kennen keine Grenzen!“

Für ein Bleiberecht von Kindern, Jugendlichen und deren Familien

Am Vorabend der Innenministerkonferenz (IMK), die vom 08. - 09. Dezember in Karlsruhe stattfinden wird, setzt sich die Internationale Liga für Menschenrechte gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Berlin und dem GRIPS Theater erneut für die vorbehaltlose Anerkennung der Rechte von Flüchtlingskindern ein.

Das Aktionsbündnis „Hier geblieben!“ (getragen vom GRIPS Theater, PRO ASYL, Flüchtlingsrat Berlin und GEW Berlin) hatte sich vor der letzten Innenministerkonferenz in Stuttgart im Juni diesen Jahres mit einem Appell der Kinder und Jugendlichen für ein Bleiberecht und die uneingeschränkte Anerkennung der UN-Kinderrechts­konvention an die Öffentlichkeit gewandt. Dieser Appell wird inzwischen von über 400 Kulturschaffenden unterstützt. PolitikerInnen aller Parteien reagierten positiv auf das Anliegen des Aktionsbündnisses.

Auf der IMK in Stuttgart hatte sich der damalige Bundesinnenminister Otto Schily überraschend für eine Bleiberechtsregelung für Flüchtlingskinder eingesetzt. Er griff damit eine (weitergehende) Initiative des Berliner Innensenators Dr. Ehrhart Körting auf. Der Vorschlag scheiterte am Widerstand der CDU–Innenmini­ster der Länder.

Auf der Tagesordnung der kommenden Innenministerkonferenz in Karlsruhe steht – neben der erneuten Initiative des Landes Berlin für eine „Altfallregelung“ - nunmehr ein Vorschlag des CDU-geführten Landes Nordrhein-Westfalen zu einer Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete und asylsuchende Flüchtlinge.

Die in diesem Papier enthaltenen Bedingungen für die Gewährung eines Bleiberechts dürften in der Praxis aber nur für wenige potentiell Betroffene erfüllbar sein. So kann der Nachweis der Lebensunterhaltssicherung (seit mindestens zwei Jahren) in Berlin und in den neuen Bundesländern kaum erbracht werden. Flüchtlingen war es angesichts der Arbeitsmarktlage und der „Arbeitsmarktprüfung“ bisher faktisch unmöglich, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Völlig an der Realität vorbei geht die Forderung des NRW-Vorschlages nach einem unbefristeten als auch sozialversicherten Arbeitsvertrag. Selbst Innenminister können sich in der Regel zunächst allenfalls an einem vierjährigen Arbeitsverhältnis orientieren.

Zu einer umfassenden und großzügigen Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge mit langjährigem Aufenthalt gibt es keine Alternative. Für eine solche Regelung setzt sich seit mehr als drei Jahren ein breites Bündnis von Vertreter/innen der Kirchen, Menschenrechts­organisationen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften sowie von Migranten- und Flüchtlingsorganisationen ein. Sie müsste unabweisbar die Erteilung einer Arbeitserlaubnis vorsehen.

Um der genannten Forderung Nachdruck zu verleihen werden Jugendliche im Rahmen der Initiative „Jugend ohne Grenzen“ parallel zur Innenministerkonferenz ein eigenes Treffen abhalten. Dabei sollen Kinderrechtsverletzungen in der Bundesrepublik benannt und verurteilt sowie demokratische Strategien zur Verbesserung der Lebenswelt von Flüchtlingen entwickelt werden.

Die Internationale Liga für Menschenrechte, der Flüchtlingsrat Berlin und das GRIPS Theater erklären sich solidarisch mit dem Anliegen der Kinder- und Jugendkonferenz in Karlsruhe. Sie fordern die Innenminister auf, eine großzügige Bleiberechtsregelung zu verabschieden, sowie die Rücknahme des Vorbehalts gegenüber den UN-Kinderrechten auf den Weg zu bringen. Hier bleibt die neue Bundesregierung in der Verantwortung. Die in der Koalitionsvereinbarung bezüglich des Zuwanderungsgesetzes enthaltenen Prüfaufträge zu den sogenannten Kettenduldungen und zur Situation der in Deutschland aufgewachsenen Kinder sollten wie beschrieben in praktische Politik münden.

Die soziale Herkunft darf das Bildungsrecht und die Lebensperspektiven von Kindern in keiner Weise beeinträchtigen. Soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit sind der Nährboden für die zuletzt in Frankreich bekannt gewordenen Ereignisse, die kurzzeitig im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen.

Kinderrechte kennen – daran erinnern NGOs und Menschenrechtsorganisationen immer wieder – keine Grenzen. Die Menschenrechte sind universell und unteilbar. Kinder und Jugendliche sollten daher nicht weiter aufgrund ihres aufenthaltsrechtlichen Status ausgegrenzt werden. Die politisch Verantwortlichen in der Bundesregierung und in den Landesregierungen haben einen völkerrechtlich verbindlichen Auftrag und sind unmissverständlich in der Pflicht, die Konvention der Kinderrechte zu verwirklichen und Kinder vor Unbill zu schützen.

Die Internationale Liga verleiht im Dezember dieses Jahres die Carl-von-Ossietzky-Medaille gemeinsam an die Lehrerinnen Mechthild Niesen-Bolm und Inge Wannagat, die die Abschiebung einer 13jährigen Schülerin nach Bosnien-Herzegowina verhinderten sowie an das soziale Kinder- und Jugendprojekt „Die Arche“.

Berlin, 07. Dezember 2005

 


 Hintergrund-Thema: Bundesrepublik

„Internationale Liga für Menschenrechte“ (Berlin):

Schäubles innenpolitische Vorschläge sind bürgerrechtsfeindlich

Damit wäre nicht mehr Sicherheit zu gewinnen, sondern Rechtsunsicherheit und Willkür verbunden. Mit seiner Horrorliste und dem skandalösen Umgang mit den giftigen »Früchten der Folter« hat sich der Bundesinnenminister als Verfassungsminister disqualifiziert.

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Rolf Gössner

Schäubles Horrorliste

Der Bundesinnenminister marschiert mit Folteraussagen,
Feindstrafrecht und Bundeswehr in den Antiterrorkampf


Ausgerechnet in einer Situation, in der deutsche Regierungsstellen und Sicherheitsbehörden in einem bösen Zwielicht erscheinen, wartet der neue Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit einer Horrorliste auf. Auf dieser Liste steht, dass auch unter Folter erpresste Aussagen genutzt werden dürfen. Auf dieser Liste steht, dass "gefährliche" Personen, denen bislang keine Straftat nachgewiesen werden kann, bestraft und weggesperrt werden sollen. Und da steht auch, dass künftig die Bundeswehr im Inneren des Landes eingesetzt werden kann.

Diese Vorschläge kommen in einer Zeit, in der es um die Aufklärung völkerrechtswidriger Flüge der CIA mit gekidnappten Terrorverdächtigen geht, die über die Bundesrepublik in Folterstaaten verschleppt oder in Geheimgefängnissen misshandelt wurden. Die frühere Bundesregierung hat diese Terrorismusbekämpfung mit den Mitteln des Terrors auf dem Boden des Grundgesetzes geschehen lassen - und hat sich mitschuldig gemacht. Im Fall des verschleppten deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri haben sich einzelne rot-grüne Regierungsmitglieder wie Mafiosi in das Schweigekartell der USA einbinden lassen. Sie sind Mitwisser von Verbrechen, von Entführung und Verschleppung, Freiheitsberaubung und Folter - und sie haben die Öffentlichkeit nicht informiert. Angesichts dieser Kumpanei fragt man sich: Leben wir in einem unabhängigen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat?

Wir erleben seit dem 11.09.2001 ein kräftiges Abrücken vom absoluten Folterverbot der internatio­nalen Menschenrechtskonventionen. Längst ist die Gefahr von Abu Ghraib und Guantanamo auf die Bundesrepublik übergesprungen: Das zeigen die Debatten im Fall des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner, die erschreckenden Folterübungen bei der Bundeswehr und nun der skandalöse Umgang mit den giftigen "Früchten der Folter". Von Unrechtsbewusstsein angesichts solcher Grenzüberschreitungen keine Spur. Bundesinnen­minister Schäuble bekennt sich zu allen mutmaßlichen Rechtsbrüchen in diesem Zusammenhang und lässt auch keinen Zweifel aufkommen, dass er damit fortfahren wird. So hält er es mit menschenrechtlichen Grundsätzen für vereinbar, wenn deutsche Sicherheitsbehörden von unmenschlichen Haftbedingungen und Verhörsituationen profitieren, ja möglicherweise unter Folter zustande gekommene Geständnisse und Erkenntnisse für die Gefahrenabwehr verwenden - anstatt solche erpressten und unzuverlässigen Aussagen einem strikten Verwertungsverbot zu unterstellen.

Diese Art von "Erkenntnissen" könnten möglicherweise Menschen zu "gefährlichen Personen" stempeln, die dann unter erleichterten Bedingungen verurteilt und eingesperrt werden, wie es Innenminister Schäuble vorschwebt. Er will das Strafrecht verschärfen, um auch Menschen bestrafen und hinter Gitter bringen zu können, denen man bisher eine Straftat nicht nachweisen kann. Hierzu solle künftig das "Absolvieren einer Ausbildung in einem Terroristenlager in Afghanistan oder sonst wo" strafbar sein. Eine solche Strafnorm aus dem Arsenal des Feindstrafrechts wird kaum mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sein und den Gerichten unlösbare Beweisprobleme bescheren. Denn wie will man hierzulande feststellen oder gar nachweisen, dass jemand in einem "Terroristencamp" zum Terroristen ausgebildet worden ist - und vor allem, ob er denn tatsächlich einer geworden ist. Denn auf verübte oder unmittelbar geplante Straftaten soll es nicht ankommen. Und aufgrund welcher Erkenntnisse soll denn beurteilt werden, um welche Qualität von Camp und Ausbildung es sich handelt? Will man sich etwa auf dubiose Erkenntnisse der Geheimdienste verlassen oder auf Folteraussagen?

Menschen, denen keine konkrete Straftat oder Tatbeteiligung vorgeworfen werden kann, sollen auf diese Weise in Strafhaft genommen werden können, weil sie den Sicherheitsbehörden als "gefährlich" erscheinen. Damit wäre nicht mehr Sicherheit zu gewinnen, sondern Rechtsunsicherheit und Willkür verbunden. Eine der wichtigsten rechtsstaatlichen Errungenschaften, nämlich die Unschuldsvermutung, würde damit ausgehebelt und auch der Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten".

In der Terrorismusbekämpfung scheint so ziemlich alles erlaubt, was angeblich nützt. Da will Schäuble die Bundeswehr auch zur Fußball-WM im Inneren einsetzen können, um die Polizei zu entlasten. Dazu strebt er eine Grundgesetzänderung an, um die verfassungsmäßige Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit, zwischen Militär und Polizei, vollends aufzuheben. Das wäre letztlich der Einstieg in die Militarisierung der "Inneren Sicherheit", die bereits in den Notstandsgesetzen der sechziger Jahre, aber auch in den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr vom Mai 2003 angelegt ist. Soldaten sind aber keine Hilfspolizisten, sie sind nicht für zivile und polizeiliche Aufgaben ausgebildet und nicht dafür da, personelle Defizite bei der Polizei auszugleichen. Im übrigen ist die Bundeswehr mit ihren aufwändigen Auslandseinsätzen selbst überlastet und nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Kasernen ohne private Sicherheitsdienste zu schützen.

Wir erleben gegenwärtig eine fatale Enttabuisierung und Demontage dessen, was als Menschenrechtsstandard mühsam und mit vielen Opfern erkämpft worden ist. Wir konnten bereits aus der Koalitionsvereinbarung herauslesen, dass mit der neuen Bundesregierung die Bürgerrechte weiterhin in Gefahr sind, einer vermeintlichen Sicherheit und dem Antiterrorkampf untergeordnet zu werden. Es war nicht zu verkennen, dass die große Koalition fraglos das staatsautoritäre Erbe Otto Schilys antritt und weiter auf Nachrüstung setzt. Aber Wolfgang Schäuble geht noch weit über die Koalitionsvereinbarung hinaus. Dieser Innenminister ist kein Verfassungsminister - genauso wenig, wie Otto Schily einer war.

 vom 23.12.2005

 

„Internationale Liga für Menschenrechte“:
Große Koalition bringt Bürgerrechte weiter in Gefahr

“Koalitionspartner übernehmen kritiklos Schilys staatsautoritäres Erbe und satteln noch drauf“

„Unter einer Großen Koalition sind die Bürgerrechte weiter in Gefahr, einer vermeintlichen Sicherheit untergeordnet zu werden.“ Zu diesem Ergebnis kommt der Präsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“, Dr. Rolf Gössner, in einem Gastbeitrag für die Berliner Ost-West-Zeitung FREITAG. Unter dem Titel „Schilys staatsautoritäres Erbe“ analysiert er jenen Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD, der mit „Deutschland – ein sicheres und freies Land“ überschrieben und in dem auch vom „Recht auf Sicherheit“ die Rede ist. Es sei nicht zu verkennen, „dass die künftige Große Koalition fraglos das staatsautoritäre Erbe Otto Schilys antritt und weiter auf Nachrüstung setzt – etwa mit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche und einer neuen Kronzeugenregelung“.

Die höchst umstrittene Kronzeugenregelung ist Ende 1999 aus guten Gründen ausgelaufen. Begründet wurde dies damals mit »Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Kronzeugen«. Der ihnen in Aussicht gestellte Strafnachlass wirke wie ein »Anreiz zu falschen Verdächtigungen und Denunziationen«. „Sollen diese Erkenntnisse nichts mehr gelten, will man erneut mit schmutzigen Deals gegen das Böse zu Felde ziehen?“ fragt Liga-Präsident Gössner in seinem Gastbeitrag, in dem er seine Ablehnung solcher „Zeugen“ so begründet: „Wo der Verrat um des persönlichen Vorteils willen gefordert wird, da sind falsche Bezichtigungen geradezu vorprogrammiert. Der Warencharakter solcher Aussagen liegt in der Natur der Kronzeugenschaft und der Beweiswert eines solchen Staatszeugen sinkt letztlich gegen Null, wie auch die Überzeugungskraft eines darauf gestützten Strafurteils.“ Gerade im Bereich der „Inneren Sicherheit“ und in der Kriminalpolitik sei der gemeinsame Nenner der Großkoalitionäre gefährlich groß. Zwar habe die präventive Sicherungshaft für „gefährliche“ Personen noch abgewendet werden können. Dennoch werde mit problematischen Vorhaben nachgerüstet: So sollen dem Bundeskriminalamt für die Terrorbekämpfung künftig präventive, auch geheimpolizeiliche Befugnisse zur Gefahrenabwehr eingeräumt werden – also schon weit im Vorfeld von möglichen Straftaten und Gefahren. Die »Antiterror«-Ge­setze sollen entfristet werden und keine weitere Evaluierung erfahren. Ebenso sollen die strengen Verfahrensregeln fallen, die bisher zu einem eher maßvollen Einsatz der neuen Eingriffsbefugnisse geführt haben. Die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten wird weiter aufgeweicht, u.a. mit einer gemeinsamen „Antiterror-Datei“. Eine Entscheidung über den umstrittenen Einsatz der Bundeswehr im Innern, wie er von der CDU/CSU gefordert wird, ist lediglich vertagt worden. Verbesserung des Flüchtlings- und Abschiebeschutzes – bislang Fehlanzeige.

Nach Auffassung der Liga widerspricht es dem Charakter einer liberalen und demokratischen Gesellschaft und einem ebensolchen Rechtsstaat, wenn permanent an der staatlichen Aufrüstungsschraube gedreht wird und dabei Bürgerrechte immer stärker ausgehöhlt werden. „Die Eskalation polizeilicher, geheimdienstlicher oder gar militärischer Antiterror-Reaktionen – deren Effizienz ohnehin recht fraglich ist und die sich oft als kontraproduktiv erweisen – führt letztlich in ein anderes, ein illiberal-autoritäres System“, warnt Gössner im „Freitag“. „Die kritiklose Übernahme der Schilyschen Hinterlassenschaften und die Weiterführung seiner staatsutoritären Politik ist angesichts dieser Gefahr in höchstem Maße bedenklich.“  17.11.05

***

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Der 27. Januar wurde von Bundespräsident Herzog zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Natio­nalsozialismus“ erklärt. Immer wieder wird daraus in den Medien, in Reden und in Kalendern verkürzt "Holocaust-Gedenktag" gemacht. Die Opfer des Nationalsozialismus sind jedoch eine viel größere Zahl und betroffen waren zahlreiche Gruppen über den Völkermord an den europäischen Juden hinaus: Sinti und Roma, Verfolgte und Ermordete aus politischen und religiösen Gründen, Kriegsdienstverweigerer, Kranke und Menschen mit Behinderungen, Intellektuelle und Künstlerinnen, deren Werke die Nazis als „undeutsch“ erklärten, Millionen Opfer in der Zivilbevölkerung und beim Militär in den vielen überfallenen Ländern, Menschen, die Verfolgten geholfen hatten, und schließlich auch die Überlebenden der Konzentrationslager und der Zwangsarbeit. Der Tag der Befreiung der Überlebenden von Auschwitz ist ein wichtiger Tag in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, aber der Krieg forderte über diesen Tag hinaus noch Tausende von Opfern, denn die Nazis mordeten und verfolgten weiter. Kein Opfer sollte durch Verschweigen oder Vergessen nochmals zu einem Opfer der deutschen Gesellschaft werden. Zwar erklärten die Vereinten Nationen kürzlich auf Antrag Israels den 27. Januar weltweit zum "Holocaust‑Gedenk­tag"; für uns Deutsche sollte es aber eine Verpflichtung sein, ihn weiterhin "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" zu nennen.

Eleonore Kujawa

 



 Hintergrund-Themen: International


I R A N

„Keinen Krieg gegen den Iran - für eine politische Lösung!“


Die USA scheinen entschlossen, gegen den Iran einen Luftkrieg zu führen. Diesmal könnte es Washington gelingen, die EU vor ihren Kriegskarren zu spannen, wenn sich nicht die Bürgerinnen und Bürger dagegen zur Wehr setzen. Wir lehnen mit aller Entschiedenheit einen neuen Krieg ab. Selbst wenn Teheran Atomwaffen anstrebte, die wir ebenso ablehnen, könnte der Iran auf absehbare Zeit niemanden mit Atomwaffen bedrohen, ungeachtet aller verbaler Attacken des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, die wir scharf verurteilen. Eine friedliche politische Lösung ist also durchaus möglich. Die Vereinigten Staaten nutzen jedoch die iranischen Atomanlagen nur als Anlass für viel weiter reichende Ziele:

- Der Iran soll zu einer unbedeutenden Macht zurückgebombt werden, um Amerikas Vormacht­stellung im Mittleren Osten weiter auszubauen. Deshalb ist zu befürchten, dass außer Atomanlagen auch die Infrastruktur des Landes, wie 1991 im Irak, wichtige Versorgungseinrichtungen wie Ölraffinerien und militärische Ziele bombardiert werden sollen.

Durch Chaos und Zusammenbruch der Versorgung sollen Revolten der iranischen Bevölkerung mit all ihren ethnischen Minderheiten provoziert

und das Islamische Regime durch ein US-freund­liches ersetzt werden. Nachdem sie in Afghanistan und Irak militärisch präsent sind, zielen die USA auf die vollständige Kontrolle der Ölquellen und Transportrouten im gesamten Mittleren Osten.

Die US-Regierung scheut wegen eigener Hegemonialinteressen nicht davor zurück, den Weltfrieden zu gefährden und einen Flächenbrand in der Region zu riskieren. Ein Krieg gegen Iran hätte fatale Konsequenzen nicht nur für die Völker im Mittleren und Nahen Osten, sondern auch für Europa. Neue ethnische Konflikte, Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten im Irak, Verwicklung Saudi-Arabiens und Syriens sind sehr wahrscheinlich. Es muss auch mit der Blockade der Öltransportrouten und rasant steigenden Ölpreisen gerechnet werden. Nur Arbeitslosigkeit und Attentate hätten Konjunktur.

Nach den vielen Lügen Washingtons zur Rechtfertigung des Angriffskrieges gegen den Irak braucht die US-Regierung für einen Krieg gegen Iran die moralische Legitimation, wenn nicht gar die Unterstützung der EU-Staaten. Diese Legitimation und Unterstützung darf es nicht geben!

Wir rufen daher Alle auf, sich mit Demonstrationen, Kundgebungen und Resolutionen gegen den geplanten Angriffskrieg der USA zu wehren. Wir, als ein Teil des weltweiten Protestes, wenden uns auch gegen die Drohung mit Krieg als dem sogenannten "letzten Mittel". Krieg ist der große Terror. Wir wollen jedoch Deeskalation, Nichtangriffsgarantien und Gewaltverzicht.

Von der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin fordern wir mit Nachdruck:

- Unterlassen Sie jegliche Droheskalation, die unweigerlich in einen Krieg einmündet. Schließen Sie jede deutsche Unterstützung für einen Krieg gegen den Iran und erst recht eine deutsche Beteiligung daran unmissverständlich und grundsätzlich aus. Setzen Sie sich auch innerhalb der EU hierfür ein.

- Treten Sie ein für die Bildung einer Langzeit-Konferenz für Sicherheit und regionale Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten, die auch das Ziel verfolgt, dort - wie in der IAEO-Resolution vom 04.02.2006 hervorgehoben - eine Atomwaffenfreie Zone zu errichten, die Israel einschließt. Unternehmen Sie dafür schon jetzt erste Schritte.

- Treten Sie dafür ein, dass Atomwaffenstaaten ihre Verpflichtung zur Abrüstung ihrer Atomarsenale gemäß Artikel VI des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags endlich erfüllen.

ErstunterzeichnerInnen:

Aachener Friedenspreis e.V., Franz Alt, Bundesausschuss, Friedensratschlag, Andreas Buro, Angelika Claussen, Hans-Peter Dürr, Ulrich Gottstein, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW - dt. Sektion, Vorstand), Heiko Kauffmann, Kooperation für den Frieden, Mohssen Massarrat, Oskar Negt, Netzwerk Friedenskooperative, Bernhard Nolz, Horst-Eberhard Richter, Horst Schmitthenner, Hans Christoph von Sponeck, Mani Stenner, Peter Strutynski, Frank Uhe, Reinhard Voss, Peter Wahl, Konstantin Wecker.          Presserechtlich verantwortlich:
Andreas Buro / Mohssen Massarrat

Kooperation für den Frieden, c/o Netzwerk Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, Tel. 0228/692904, Fax: 0228/692906, iranaufruf@koop-frieden.de, frieden-und-zukunft@t-online.de


 

Darf eine Friedensbewegung sich kritiklos
vor eine Diktatur stellen, um Krieg zu verhindern?

Diskussionsbeitrag zur Auseinandersetzung um den Aufruf „Kein Krieg gegen den Iran“

Von Mila Mossafer


Die Regierung der USA droht mit Krieg. Sie bekam vom iranischen „Gottesstaat“ die Argumentationshilfen als Steilvorlage geliefert. Die Toten, die Zerstörungen und Langzeitfolgen eines solchen Krieges würde jedoch vorrangig die iranische Bevölkerung zu tragen haben. Deshalb ist ein solcher „Militärschlag“, ob gegen den Iran oder anderswo, strikt abzulehnen – gleichgültig, ob er im Namen der „Terrorismusbekämpfung“, im Namen von „Demokratie und Menschenrechten“, für die Rechte der „Frauen“ oder im Falle Irans, „gegen die atomare Aufrüstung“ geführt wird. Im übrigen haben gerade die USA traditionell einen schlechten Ruf im Iran, der von der CIA organisierte Putsch im Jahr 1953, der zum Sturz der Regierung Mohammad Mossadegs geführt hatte, ist bis heute nicht vergessen, auch wenn Bill Clinton sich später diesbezüglich entschuldigte. Ein weiteres Beispiel geheimdienstlicher Intervention waren auch die Waffenlieferungen der USA in den Iran selbst während des Boykotts – heute spricht man von „Irangate“.

Für so manchen genügten die antisemitistischen Äußerungen eines reaktionären Staatspräsidenten, um daraufhin geforderte Militärschläge als legitimiert zu erachten. Ahmadinedjad, ein Mann des Militärs und Geheimdienstes, hat dabei die Rhetorik seines geistigen Führers Khomeini übernommen und versucht, die Menschen im Iran und in der Region von seinen „Fähigkeiten“ zu überzeugen. Nach außen und innen stellte er so Stärke und Macht zur Schau, um die Hegemonie in den islamischen Ländern im Nahen und Mittleren Osten zu erlangen. Diese verschärfte Rhetorik der Fundamentalisten im Iran ist im Prinzip alt bekannt. Sie hat die innenpolitische Funktion, die Iraner von Arbeitslosigkeit, Armut und anderen innenpolitischen Missständen abzulenken. Ahmadinedjad versucht auf diese Weise, die sozialpolitische Unzufriedenheit in der Bevölkerung auf außenpolitische Feindbilder und vermeintliche Gefahren von Außen umzulenken. Dabei werden mit antiisraelischen und antisemitistischen Äußerungen „Argumente zur Kriegsführung“ geliefert, welche die Busch Regierung nur zu willig aufgreift. Ahmadinedjad ist bemüht, den Iran militärisch weiter aufzurüsten, die Menschen im Iran gegen den äußeren Feind zu mobilisieren und so seine Macht zu stabilisieren und zu stärken. Dabei wird die iranische Atomtechnologie als „nationales Projekt“ propagiert, mit dem die Souveränität, Eigenständigkeit und nationaler Stolz des Iran gegen alle Welt – insbesondere des Westens - unter Beweis gestellt werden soll.

Die Widerstandsbewegungen der Arbeiter aller Branchen, u.a. der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebs, der Frauen-, Jugend- und Studentenbewegung, die unter dem iranischen Ex-Präsidenten ständig blutig niedergeschlagen worden waren, zeigen exemplarisch, wie sehr iranische Führungen um ihre Existenz fürchten (müssen). Die Provokationen des jetzigen iranischen Präsidenten und seiner Auslandsvertretungen - in Form von Holocaust-Verleugnung und abermals geforderter Vernichtung Israels – können als Ausdruck eines wieder erstarkenden Kriegswillens gedeutet werden. Beispiele aus der jüngeren iranischen Geschichte sollten uns hier warnen. Schon während des 8jährigen Iran/Irak-Krieges ist es den iranischen Machthabern gelungen, unter ähnlichen Vorzeichen die Opposition grausam zu unterdrücken; im Sommer 1988 führte diese Unterdrückungspolitik zum Massaker an Tausenden von politischen Häftlingen in iranischen Gefängnissen.

Heute kämpft eine neue Generation für ihre Rechte und gegen das Regime, allen voran die Frauen, Studentinnen, Arbeiterinnen. Der neue Staatspräsident des Irans setzt angesichts der Tatsache, dass er seine Wahlversprechen nicht einhalten kann, auf ein Spiel um „Alles oder Nichts“ – für die Bevölkerung eine tödliche Gefahr. Angesichts seiner Drohgebärden fürchten manche Länder den Iran als eine aggressive potenzielle Atommacht, die präventiv-militärisch bekämpft werden müsse - allen voran Israel und die USA, wobei im Fall der USA vorrangig Hegemonie-Bestrebungen im Mittleren Osten und die Sicherung von Ölquellen eine entscheidende Rolle spielen dürften. Neoliberale Strömungen in der US-Regierung wollen mit einem Militärschlag zwar einen „Regimewechsel“ herbeiführen, aber in erster Linie, um ihre geopolitischen und ökonomischen Interessen im Iran und in der ganzen Region durchsetzen zu können.

Demgegenüber sehen die europäischen Staaten - wenn auch ernsthaft besorgt wegen einer sich anbahnenden atomaren Aufrüstung des Irans - ihre bereits bestehenden ökonomischen Beziehungen gefährdet, die sie seit der iranischen Revolution immer weiter ausbauen konnten - allen voran die Bundesrepublik Deutschland als der größte Wirtschaftspartner des Irans. Für jene EU-Staaten scheinen die Profite wohl ohne Krieg gegen den Iran weit besser gesichert.

Unreflektierte und unkritische Friedenpolitik?

Für viele Iranerinnen und Iraner, die unter dem Mullah-Regime leiden und keinen Kompromiss mit den Machthabern eingehen wollen und können, ist eine in ihren Augen unreflektierte und unkritische internationale „Friedenpolitik“ höchst besorgniserregend – eine Politik, die letztlich zugunsten eines Weiterbestands des islamischen Regimes und nicht im Interesse der iranischen Bevölkerung betrieben wird, ja, ihre vitalen Interessen an grundlegender Veränderung fast völlig negiert. Eigentlich sollte es - der Glaubwürdigkeit halber - bei der Verurteilung der aktuellen Kriegsbestrebungen gegen den Iran selbstverständlich sein, auch die 27jährige innere Kriegsführung der iranischen Machthaber gegen die eigene Bevölkerung zu verurteilen – besonders wenn man, wie die Verfasser des Aufrufs „Keinen Krieg gegen den Iran - für eine politische Lösung!“, vor einer eventuellen „Revolte“ der iranischen ethnischen Minderheiten, nämlich der Kurden, warnt. Nach der anhaltenden Unterdrückung iranischer Kurden sollte man realisiert haben, dass gerade diese andere Ziele anstreben als den inneren Status quo im Namen einer „Friedenspolitik“ zu zementieren.

Zweifellos schadet ein Militärschlag, in welcher Form auch immer, vorrangig der Bevölkerung und nicht den Machthabern des Irans. Diese sind bereit, für den Erhalt ihrer Macht unendlich viele Menschenleben zu opfern. Ein Militärschlag käme dem islamischen Regime eher zugute, obwohl seine Macht auf Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen basiert. Allein durch die verstärkten Kriegsdrohungen der USA könnte es dem Regime gelingen, die Bevölkerung zu seinen Gunsten in eine identitätsstiftende Opferrolle zu manövrieren, um deren Loyalität zum Regime und ihre Kriegsbereitschaft zu fördern.

Aus der aufgezeigten Widersprüchlichkeit resultiert die Forderung an die internationalen Friedensbewegungen und Demokratien, den Widerstand der iranischen Bevölkerung gegen die Diktatur aktiv zu unterstützen – nicht mit Geheimdienst-Geldern und –Hilfe, sondern mit zivilgesellschaftlichen Projekten und mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen. Die USA haben ihre finanzielle Unterstützung für die Entwicklung von „Demokratie und Menschenrechten“ von 10 Mio. $ auf 75 Mio. angehoben. Dabei stehen jedoch nicht die legitimen Interessen der iranischen Bevölkerung im Focus, sondern der angestrebte und so gesponserte „Regimewechsel“ soll eher der Sicherung der eigenen geopolitischen und ökonomischen Interessen dienen. Damit soll im übrigen auch der Druck auf die Iranische Republik verstärkt werden, um deren Unterstützung der Schiiten im Irak zu reduzieren oder aufzugeben.

Auf der einen Seite hatte die Islamische Republik Iran der Koalition für den Krieg gegen Saddam Hussein seinerzeit „grünes Licht“ für einen Militärschlag gegen den Irak gegeben, um dort fundamentalistische schiitische Strömungen an die Macht zu bringen und so die eigene Hegemonie in der Region ein Stück weiter voran zu treiben.

Diese Interessenkonstellationen zeigen, dass es für die internationalen Friedenbewegungen darum geht, die unterdrückten Teile der Bevölkerung der Welt „von unten“ zu mobilisieren, um die neoliberalen Hegemonialbestrebungen der US-Regierung zu stoppen. Die fatalen Konsequenzen eines Militärschlages würden in erster Linie die Bewohner der Staaten des Mittleren und Nahen Ostens zu spüren bekommen. Das Beispiel Irak zeigt neben allen anderen Antikriegsgründen, wie kontraprokuktiv eine solche gewalttätige Intervention letztlich ist: Sie gebiert neue Gewalt, Elend und Leid und auch der Fundamentalismus nimmt zu.

Aus der Auseinandersetzung mit der iranischen Politik, auch der Atompolitik, lässt sich nicht die Berechtigung zur Aufforderung militärischen Eingreifens ableiten oder legitimieren. Genauso falsch ist aber auch die unreflektierte, nachsichtige Behandlung des iranischen Regimes, etwa aus Rücksicht auf die eigenen außenwirtschaftlichen Interessen, so wie sie einigen EU-Staaten eigen sind.

Jede politische und ökonomische Auseinandersetzung oder Kooperation mit der Islamischen Republik muss die potentiell entstehenden Risiken für die Bevölkerung angemessen berücksichtigen. Das islamische System kann letztlich nur von innen, durch die iranische Bevölkerung bekämpft werden. Der Garant für Frieden und Menschenrechte in der Region ist ein von der Bevölkerung getragenes demokratisches iranisches System. Die Kämpfe der Menschen im Iran für soziale Gerechtigkeit, für Organisationsrechte, für Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit, der Studentenbewegung und der Frauenbewegung gegen die frauenfeindlichen Gesetze brauchen unsere politische, nicht militärische Unterstützung. Rasche Erfolge der für demokratische Rechte kämpfenden Menschen im Iran sind nicht zu erwarten, es wird dauern – aber sich nachhaltiger auswirken als jeder Militärschlag mit seinen kontraproduktiven Folgen. Die Gründung und Aktionen der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebs (Vahed) sind ein Beispiel für die Kämpfe iranischer Arbeiterinnen und Arbeiter, denen die internationale Unterstützung fehlte. Über tausend Mitglieder dieser Gewerkschaft wurden bei einem Streik für die Freilassung ihres Gewerkschaftsvorstandes im Januar 2006 festgenommen - ohne dass diese Repression im Ausland angemessen aufgegriffen und zu Protesten geführt hätte.

Heute fehlt eine starke Friedensbewegung wie zur Zeit des Vietnam-Krieges oder in den 80er Jahren. Ohne

eine solche kann die Busch-Administration unter verschiedensten Vorwänden ihre angestrebte neue Weltordnung mit dem Mittel des Krieges immer weiter durchsetzen - trotz ihrer eigenen gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Ein weltweiter Aufruf zur Solidarisierung mit der durch die Kriegsdrohungen gegen den Iran massiv gefährdeten Bevölkerung und auch gegen jede atomare Aufrüstung erscheint dringend nötig und überfällig.

Mila Mossafer ist Mitglied im Liga-Vorstand.


 

Iranische Polizei misshandelt Frauen bei Demonstration zum Frauentag

“Internationale Liga für Menschenrechte“ verurteilt auf Schärfste die brutalen Angriffe auf die Schriftstellerin Simin Behbahani, Trägerin der Carl-vonOssietzky-Medaille


Das Regime der Islamischen Republik Iran hat am 8. März 2006 wieder einmal gezeigt, dass es jederzeit bereit ist, Gewalt anzuwenden, um friedliche Versamm­lungen zu unterdrücken. Hunderte von Frauenrechtlerinnen wurden am internationalen Frauentag  während einer friedlichen Demonstration in einem Teheraner Park von iranischen Polizisten und Sicherheitskräften brutal angegriffen. Augenzeugen berichten, dass der Park umstellt wurde, als sich dort Hunderte von Aktivistinnen versammelt hatten, die mit Slogans wie "Gewalt gegen Frauen ist Gewalt gegen die Menschlichkeit", "Für gleiche Rechte", "Für Frieden und Sicherheit" ihre Solidarität mit der internationalen Frauenbewegung bekunden wollten. Nachdem die Demonstrantinnen fotografiert und mit Videogeräten aufgenommen worden waren, wurden sie aufgefordert, die Versammlung aufzulösen. Die Aktivistinnen reagierten jedoch mit einem "sit-in" und begannen, die Hymne der Frauenrechtsbewegung zu singen. Daraufhin beschlagnahmte man ihre Handys und Fotoapparate, einige der Frauen wurden festgenommen. Die Sicherheitskräfte schütteten auch Mülleimer über den Köpfen der sitzenden Frauen aus und schlugen sie mit Schlagstöcken, um sie zum Verlassen des Parks zu bewegen.

Unter den Anwesenden befand sich auch die bekannte iranische Dichterin Simin Bebahani, Trägerin der Carl-von-Ossietzky-Medaille, die ihr 1999 von der Internationalen Liga für Menschenrechte für ihre Verdienste um die Menschenrechte verliehen worden ist. Die über 70jährige wurde ebenfalls brutal mit einem Schlagstock geschlagen und getreten. Selbst  schon flüchtende Frauen wurden von der Polizei verfolgt und noch weiter geprügelt.

Mehrere ausländische Journalisten sind festgenommen, ihre Fotoausrüstungen und Videoaufzeichnungen beschlagnahmt worden; später wurden sie wieder freigelassen. Der Kommandant der Sicherheitskräfte vor Ort begründete das gewaltsame Vorgehen damit, dass "die Versammlung ohne Genehmigung abgehalten worden sei und verhindert werden sollte, dass die Versammlung politische Dimensionen annimmt."

Diese Angriffe auf iranische Frauen sind ein neuer Höhepunkt der Unterdrückung freiheitlicher Zusammenkünfte und Versammlungen. Solche Angriffe nehmen zu, seit Ahmadinedjad im August 2005 an die Macht gekommen ist (vgl. unsere Mitteilung vom 24.08.2005). Im Januar 2006 attackierten die Sicherheitskräfte Busfahrer, die gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen protestierten und nahmen mehrere hundert von ihnen fest. Im Februar 2006 gingen Sicherheitskräfte mit Gewalt und Tränengas gegen mehrere hundert Sufi-An­hänger vor, die sich vor ihrem Gebetshaus versammelt hatten, um es vor der geplanten Zerstörung zu schützen.

Die “Internationale Liga für Menschenrechte“ verurteilt auf Schärfste die brutalen Angriffe auf die Schriftstellerin und Ossietzky-Medaillenträgerin Simin Behbahani sowie auf zahlreiche andere Frauen. Sie fordert von der deutschen und europäischen Außenpolitik, mehr Druck auf Teheran auszuüben, damit das drängende Problem der systematischen Menschenrechtsverletzungen im Iran nicht vollends durch den Streit um das Atomprogramm verdrängt wird. (Presseerklärung vom 16.03.06)

Dr. Rolf Gössner (Liga-Präsident)                  Mila Mossafer (Mitglied des Liga-Vorstands)

 


 

T Ü R K E I

Soziologin Pinar Selek droht lebenslange Freiheitsstrafe in der Türkei


Am 28. Dezember 2005 fand vor dem 12. Schweren Strafgericht in Istanbul eine Hauptverhandlung im Prozess gegen die Soziologin und Schriftstellerin Pinar Selek und drei weitere Angeklagte statt. Die vier sind angeklagt, im Auftrag der PKK an einer Explosion im Misir-Basar in Istanbul im Jahr 1998, bei der sieben Menschen getötet und 120 verletzt wurden, beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft forderte eine lebenslängliche Freiheitsstrafe.

Pinar Selek wurde im Juli 1998 festgenommen und von der Antiterrorabteilung der Polizei verhört. Die Polizei fragte sie nach Namen von PKK-Mitgliedern, die sie im Rahmen ihrer Arbeit an einem Buch über Militarismus und Frieden in der Türkei und Kurdistan interviewt hatte. (Veröffentlicht Mai 2004; Originaltitel: Barışamadık)

Sie weigerte sich, Namen zu nennen, und wurde Berichten zufolge gefoltert, u.a. durch das Aufhängen an den Armen, Schläge und Elektroschocks an der Schläfe. Später wurde sie in das Gefängnis Bayrampasa überstellt, wo sie erfuhr, dass sie der Unterstützung einer terroristischen Organisation und der Mithilfe an der Organisation des Bombenanschlags im Misir-Basar angeklagt sei.

Im Jahr 2000 wurde Selek aus der Haft entlassen, nachdem eine Expertenkommission ein Gutachten erstellt hatte, wonach die Explosion nicht durch eine Bombe, sondern durch austretendes Gas verursacht wurde. Trotz dieser Entlastung wird der Prozess gegen sie und drei weitere Angeklagte - Alaattin Oget, Isa Kaya und Ka­driye Kubra Sevgi – wegen Mitgliedschaft in der PKK und Straftaten, die mit diesem Vorfall in Zusammenhang stehen, vor dem Hohen Strafgericht (dem ehemaligen Staatssicherheitsgericht) fortgesetzt.

Nach der Anti-Terror-Gesetzgebung im türkischen Strafrecht ist es illegal, ein Mitglied der der von der Regierung als terroristische Organisation eingestuften PKK zu sein. Dennoch scheint es keinen Beweis dafür zu geben, dass die Angeklagten Mitglieder der PKK sind.

Obwohl Selek aus der Haft entlassen wurde, gilt für sie ein Ausreiseverbot aus der Türkei bis zum Ende des Prozesses, der seit über sechs Jahren andauert.

Vor ihrer Haftzeit lebte und arbeitete Selek mit Straßenkindern und schrieb zwei Bücher über die Gewalt gegen Transvestiten sowie über Militarismus und die Hindernisse auf dem Weg zum Frieden. Sie graduierte in Soziologie an der Mimar-Sinan-Universität und absolvierte seit einem Jahr ihren Master-Studiengang, als sie verhaftet wurde. Nach ihrer Haftentlassung im Jahr 2000 vervollständigte sie ihre Magisterarbeit und erhielt ihren Master-Abschluss. Sie gründete außerdem die Frauenakademie Amargi und eine alternative Akademie für Geschichte in Urfa.

(Infoquellen: American Sociological Association, Hurriyet, Turkish Daily News, Initiative for Freedom of Expression).

Petition

Wir sind über den beigefügten Bericht tief besorgt und möchten unsere Hoffnung und Zuversicht ausdrücken, dass dieser Fall mit höchster Aufmerksamkeit behandelt wird und die Anklage gegen Pinar Selek bald fallengelassen wird, sofern keine glaubhaften Beweise vorgelegt und veröffentlicht werden, die die Vorwürfe gegen sie belegen.

 

Prof. Noam Chomsky (Linguist, USA), Prof. Ariel Dorfman (Lateinamerikanist, Dramatiker, USA), Prof. Peter Cole (Linguist, USA), Prof. Judith Blau (Soziologin, USA), Prof. Josef B. Gunz (Soziologe, Österreich), Lee Herring (Director of Public Affairs & Public Information der American Sociological Assn., USA), Prof. Ivaylo Ditchev (Anthropologe, Bulgarien), Jutta Treiber (Autorin, Österreich), David Pisani (Fotograf, Moviment Graffitti, Malta), Ulla Jelpke (MdB, BRD), Benno Herzog (Soziologe, Spanien), Eva Quistorp (MdEP a.D., Frauen für Frieden, BRD), Dr. med. Elisabeth Fries (Ärztin, refugio Stuttgart), Prof. Dr. Gerhard Stuby (Völkerrechtler, BRD), Yavuz Fersoğlu (Diplomjurist, Landessprecher der Linkspartei.PDS Hamburg), Dr. Nikolaus Brauns (Historiker, BRD), Dr. Heinz Jürgen Schneider (Rechtsanwalt, BRD), Christian Arndt (Pastor, BRD), Heike Geisweid (Rechtsanwältin, BRD), Britta Wente (Stuttgarter FrauenFluchtNetz), Ursula Kretschmer (Diplom-Sozial­rbeitein, refugio Stuttgart), Annett Bender (Grafikerin, BRD), Ulrike Küstler (Stadträtin DIE LINKE.PDS, BRD), Christiane Schneider (Verlegerin, BRD), Ceri Mohterem (Journalistin, Kamerafrau, BRD), Jörn Wunderlich (MdB, BRD), Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt/Publizist, Präsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“, BRD), Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben (Agrarökonom, BRD), Erika Fischer (Systemische Familientherapeutin, BRD), em. Prof. Dr. Ing. Manfred Fischer, Kornelia Möller (MdB, BRD).

 

 


 

 Liga-Prozessbeobachtungen

Die Liga hat in letzter Zeit wieder an mehreren Prozessbeobachtungen teilgenommen: So hat unser Liga-Mitglied Rechtsanwalt Eberhard Schultz in Atlanta/USA den Fortgang des Prozesses gegen die Cuba-5 u.a. im Auftrag der Liga beobachtet. Und Rolf Gössner hat zu Beginn des Jahres drei Prozessbeobachtungen absolviert: Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxembourg ging es um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der EU-Terrorliste (dazu hatte die Liga bereits Stellungnahmen abgegeben), vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe ging es um die Rechtmäßigkeit von Hausverboten auf dem Frankfurter Flughafen, gegen die sich Abschiebegegner zur Wehr setzten. Und vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ging es um das neue, bislang bundesweit einzigartige Berufsverbots, das gegen einen Heidelberger Realschullehrer wegen dessen antifaschistischer Betätigung erlassen wurde. Diese Verfahren haben wir zusammen mit anderen Bürgerrechtsgruppen beobachtet.

I. Berufungsverfahren der fünf Kubaner in den USA
(Appellationsgericht Atlanta/USA)

»Die Verteidigung ist erst einmal zufrieden«

Erste Anhörung im Fall der »Miami Five« vor Berufungsgericht in Atlanta (USA).
Die fünf Kubaner sind seit acht Jahren in Haft
.


Ein Gespräch mit Eberhard Schultz

* Eberhard Schultz ist Rechtsanwalt in Bremen und Berlin und verfolgt zur Zeit im Auftrag des Komitees »Basta Ya! – Für die Befreiung der fünf Kubaner« und mit Unterstützung der Internationalen Liga für Menschenrechte, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins sowie der Berliner Rechtsanwaltskammer im US-amerikanischen Atlanta ein Berufungsverfahren im Fall der sogenannten Miami Five

F: Seit nunmehr acht Jahren sitzen in den USA fünf Kubaner aufgrund fragwürdiger Vorwürfe in verschiedenen Gefängnissen. Derzeit kämpfen sie vor einem Berufungsgericht für ihre Freiheit. Was ist die Vorgeschichte?

Sie wurden unter dem Vorwurf der Spionage festgenommen. Später kam gegen einen noch ein Mordvorwurf hinzu. Seit der Festnahme sitzen sie unter zum Teil sehr harten Bedingungen

in Haft. Einige haben in all den Jahren weder ihre Frau noch ihre Kinder sehen können. Zum Teil waren sie eineinhalb Jahre in vollständiger Isolation.

Die Vorwürfe beruhen darauf, daß diese fünf in Miami die rechtsextremen kubanischen Organisationen ausgeforscht haben. Diese Gruppen organisieren von dort mit Duldung der US-amerikanischen Behörden seit Jahrzehnten Terroranschläge auf Kuba, weshalb die kubanische Regierung beschloß, verstärkt Informationen über diese Organisationen zu sammeln.

F: Was wurde damit gemacht?

Es ging unter anderem darum, die USA mit konkreten Fakten aufzufordern, etwas gegen den Terror zu unternehmen. US-Vertretern wurden

seinerzeit mehrere Ordner mit dem zusammengetragenen Material übergeben. Einige Monate später hat sich die US-Regierung damit bedankt, daß sie die fünf, von denen die Informationen stammten, festnehmen ließ und ihnen Verabredung zur Spionage und zum Mord vorwarf. »Verabredung« deshalb, weil es keinerlei Beweise gibt, daß die fünf Spionage betrieben haben. Ihrerseits haben sie immer betont, daß sie in keinerlei öffentliche Einrichtung eingedrungen sind und auch kein Geheimnis der USA ausgespäht haben.

F: Dennoch wurden sie verurteilt.

Ja. Es kam in Miami unter sehr schwierigen Bedingungen zum Prozeß. In den USA wird bekanntlich für Strafverfahren eine Laienjury einberufen, die über die Frage der Schuld und die Höhe des Strafmaßes entscheidet. Für ein solches Verfahren ist es entscheidend, unparteiische Laienrichter zu finden. In Miami, der Hochburg der Exilkubaner, war das praktisch unmöglich, weil deren rechte Gruppen großen Einfluß auf die Öffentlichkeit und die Medien haben. Es gab zahlreiche einseitige Berichte, und auch im Gerichtssaal herrschte eine sehr aggressive Stimmung gegen die Angeklagten, so daß die Verteidigung von Anfang an sagte, daß in Miami kein faires Verfahren möglich ist. Trotzdem kam es zur Verurteilung, und zwar auf eine kuriose Weise. Die Staatsanwaltschaft hatte den Vorwurf der Verabredung zum Mord zwar fallengelassen, aber die Jury verurteilte einen Angeklagten deswegen zu zweimal und einen weiteren zu einmal lebenslänglicher Haft.

F: Worum geht es im gegenwärtigen Verfahren?

Es ist eine Art Revisionsverfahren, das heißt, es geht allein um Rechtsfragen. Die erste mündliche Verhandlung hatte im März 2004 vor drei Berufsrichtern stattgefunden. Nach eineinhalb Jahren sind sie in einer sehr gründlich vorbereiteten Entscheidung zu dem Schluß gekommen, daß tatsächlich in Miami ein faires Verfahren nicht möglich war und daher am anderen Ort der Prozeß neu aufgerollt werden muß. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt – dieselbe Frage muß nun vor einem Gremium von zwölf Richtern verhandelt werden.

Und in diesem Verfahren hat am Dienstag die erste öffentliche Anhörung stattgefunden. Das Ergebnis wird noch einige Monate auf sich warten lassen, aber die Verteidigung ist mit der Anhörung im wesentlichen zufrieden. Für die Verteidigung waren auch die europäischen Beobachter wichtig. Auf einer anschließenden Pressekonferenz habe ich betont, dass die fünf schon allein deshalb freigelassen werden müssen, weil eine Untersuchungshaft von über sechs Jahren nach internationalen Standards selbst bei Kapitalverbrechen nicht statthaft ist.

Interview: Wolfgang Pomrehn

junge welt vom 16.02.2006    www.jungewelt.de
Info: www.menschenrechtsanwalt.de; www.miami5.de


 

 

II. Hausverbot für Abschiebegegner auf dem Flughafen-Ffm
(Bundesgerichtshof, Karlsruhe)

„Internationale Liga für Menschenrechte“ gegen Suspendierung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Abschiebegegner am Frankfurter Flughafen

Liga beobachtet Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe


Die „Internationale Liga für Menschenrechte“ hat sich für die Beobachtung eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof entschlossen, weil es dabei um eine Grundsatzfrage in einem demokratischen Rechtsstaat geht: Darf auf einem Flughafen, von dem aus jedes Jahr fast 8.500 Menschen abgeschoben werden, über drohende Menschenrechtsverletzungen informiert und dagegen protestiert werden oder ist der private Flughafenbetreiber als "Hausherr" berechtigt, dies durch Hausverbote und Strafanzeigen zu unterbinden?

Zum Hintergrund: Durch Informationen und Interventionen des „Aktionsbündnisses Rhein-Main gegen Abschiebungen“ konnten in den letzten Jahren mehrere problematische Abschiebungen auf dem Flughaben Frankfurt/M. verhindert werden. Die Bündnismitglieder klärten vor Ort über die menschenrechtswidrigen Umstände auf, informierten Flugpassagiere, Piloten und Stewardessen über die Betroffenen und die Menschenrechtssituation in jenen Ländern, in die sie abgeschoben werden sollten.

Doch seit einiger Zeit überzieht der private Flughafenbetreiber die Aktivisten mit Hausverboten und Strafanzeigen – inzwischen in zweiter Instanz abgesegnet vom Frankfurter Landgericht. Begründung des Urteils vom 20. Mai 2005: Der Flughafen sei Privatgelände, das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelte hier nicht, weil die Fraport AG als Aktiengesellschaft keiner direkten Grundrechtsbindung unterliege und ihr Hausrecht frei ausüben könne. Diese Entscheidung bedeutet, dass in Flughafen-Arealen Grundrechte in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden können.

Dazu Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner, der das Verfahren vor dem Bundesgerichthof beobachten wird: „Unter Verweis auf das private Hausrecht einer Aktiengesellschaft wird die staatliche Abschiebepraxis, die nicht selten mit Menschenrechtsverletzungen verbunden ist, juristisch absichert. Das ist umso schwerer nachzuvollziehen, als die Fraport AG, auf deren Flughafengelände sich jährlich Millionen von Personen bewegen, sich überwiegend in öffentlicher Hand befindet und im Zusammenhang mit Abschiebungen auch hoheitliche Aufgaben unterstützt.“

Das „Aktionsbündnisses Rhein-Main gegen Abschiebungen“ hat gegen dieses Urteil Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Nach Auffassung der Betroffenen muss es möglich sein, an Orten zu demonstrieren und aufzuklären, an denen Menschenrechtsverletzungen angebahnt oder begangen werden. Tatsächlich geht es nach Auffassung von Rolf Gössner bei dem anstehenden Revisionsverfahren um eine Grundsatzfrage:

“Ist es mit den Prinzipien einer rechtsstaatlich verfassten Demokratie vereinbar, dass öffentlicher Raum in Privatbesitz umdefiniert wird, wo dann elementare Grundrechte drastisch eingeschränkt, ja regelrecht suspendiert werden können? Darf sich eine Demokratie solche grundrechtsfreien Räume leisten - zumal, wenn in diesen hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden?“

Die "Internationale Liga für Menschenrechte" (Berlin) informiert Sie mit der anhängenden Pressemitteilung und einem Aufruf „Für die Aufhebung aller Hausverbote gegen Abschiebegegner am Frankfurter Flughafen“ über die Hintergründe des Revisionsverfahrens vor dem BGH sowie über eine Veranstaltung zu diesem Thema in Karlsruhe am 19. Januar 2006, an der neben Liga-Präsident Rolf Gössner auch Mitglieder und eine Anwältin des Aktionsbündnisses teilnehmen. (17. Januar 2006)

Überall, wo Menschenrechte verletzt werden, ist Protest nötig.

Über 8.500 Menschen werden jedes Jahr allein vom Frankfurter Flughafen abgeschoben. Damit ist Frankfurt der größte Abschiebeflughafen der BRD. Immer wieder werden dabei Menschenrechte verletzt oder es werden Menschen durch die Abschiebung gefährdet. Vor sechs Jahren ist der Sudanese Aamir Ageeb während einer zwangsweisen Abschiebung durch BGS-Beamte ums Leben gebracht worden.

gegen abschiebungen

In anderen Fällen wird rechtzeitig bekannt, dass Flüchtlinge in eine ungewisse Zukunft, in Folter oder Tod abgeschoben werden sollen. So z.B. bei Zarah Kameli, der im Iran Steinigung drohte. Durch eine starke Öffentlichkeit, durch Proteste am Flughafen und schließlich durch die Weigerung des Flugkapitäns, Frau Kameli gegen ihren Willen auszufliegen, konnte die Abschiebung im letzten Moment verhindert werden.

für das uneingeschränkte grundrecht auf meinungs-und versammlungsfreiheit

Alle diese Fälle machen Einmischung nötig. Durch Informieren der Crew und Protest kann in letzter Sekunde Unrecht verhindert werden. Seit einiger Zeit überzieht der Flughafenbetreiber Fraport DemonstrantInnen mit Hausverboten und bekam darin von Amts- und Landgericht Frankfurt Recht. Begründung: der Flughafen sei privat, das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelte hier nicht.

Das Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main zieht nun vor den Bundesgerichtshof. Unserer Meinung nach darf es nicht sein, dass der Flughafen nicht der Grundrechtsbindung unterliegt. Das Flughafengelände wird vom öffentlichen zum privaten Raum umdefiniert, das Hausrecht des Betreibers über das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit gestellt. Letztlich wird es dadurch möglich, Handlungen staatlicher Behörden in diesem privatisierten Raum der Kritik der Öffentlichkeit zu entziehen. Dies darf nicht sein!

Protest vor Ort muss möglich sein!
Aufhebung aller Hausverbote! Wir fordern den sofortigen Stopp aller Abschiebungen!

Für die Aufhebung aller Hausverbote
am Frankfurter Flughafen

Weitere Informationen unter: www.aktivgegenabschiebung.de • Kontakt: aktionsbuendnis-rm@web.de

Folgende Gruppen und Einzelpersonen haben diesen Aufruf bisher unterstützt:

Ak Asyl Friedrichsdorf; Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen, Marburg; Attac AG Globalisierung und Krieg; Attac Deutschland; attac Reutlingen; Dr. Winfried und Martina Barth, Frankfurt; Dipl.-Biol. Anja Becker M.A. Soz., Frankfurt; Sigfried Böhringer, Nagold; Renate Brinkmann; Buchladen Rote Strasse, Göttingen; Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer JuristInnen, Bürgerinitiative gegen Flughafenerweiterung, Mörfelden-Walldorf; Connection e.V; Courage gegen Rassismus, Frankfurt; Reiner Deppe / Komitee für Grundrechte, Frankfurt; DGB-Jugendbüro Südhessen; Helga Dieter, Frankfurt; Jürgen Ehbrecht; Flüchtlingsrat Brandenburg; RA Dr. Rolf Gössner / Präsident der internationalen Liga für Menschenrechte, Berlin; Heiko Habbe/BAKJ; Hamburger Flüchtlingsrat; Hessischer Flüchtlingsrat; Humanistische Union e.V.; Initiative gegen Abschiebehaft Berlin; JungdemokratInnen / Junge Linke; Matthias Jochheim, IPPNW / Ärzte in sozialer Verantwortung; Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen, Büro NRW; Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen-Gruppe Bremen; Dr. Christine Katz, Lüneburg; Heiko Kauffmann (langjähriger Sprecher und Vorstandsmitglied ProAsyl und Aktion Courage); Dr. med. Andreas Kemler, Frankfurt; Winfried Klein, Frankfurt; Komitee für Grundrechte und Demokratie; Konstruktivkolleg Rostock; Helga und Karl Kümmel, Aalen; Anton C. Kunze / Ausstellungsmacher, Hamburg; Dipl.Ing. Stefan Kussauer; Herbert Leuninger (Mitbegründer ProAsyl und 1. Sprecher); Libertad! Frankfurt; MediNetzBonn – medizinische Vermittlungsstelle für Flüchtlinge, MigrantInnen und Menschen ohne Papiere; Niedersächsischer Flüchtlingsrat; Potsdamer Initiative für Begegnung; Marlies Reimann; Ute Reski, Göttingen; Robin Wood; Ruth Ingeborg Rieß / Diplomsozialwissenschaftlerin, Oldenburg; Dipl.-Soz.-Arb. Bernd Rohmeis, Frankfurt; Erich Schaffner, Göttingen; Erich Schaffner, Mörfelden; Petra Schmidt, Mörfelden-Walldorf; Andreas Schwantner; Sonja Schneider, Frankfurt; [`solid] – die sozialistische Jugend; Christa Sonnenfeld / Komitee für Grundrechte, Frankfurt; VDAS; Dipl.SozPäd. Nicole Viusa; Wagenplatz Rüsselsheim; Andreas Burkhardt; WASG Berlin Schöneberg Tempelhof; Christa Willich-Klein



Rolf Gössner

Sand im Getriebe unerwünscht

Grundrechte im Flughafen außer Kraft: Der Bundesgerichtshof
hat ein verhängnisvolles Urteil gegen Abschiebungsgegner gefällt


Jährlich werden Tausende von Menschen aus Deutschland abgeschoben. Sogar in Krisen- und Folterstaaten wie nach Afghanistan, in die Türkei oder den Iran – also in Länder, in denen Menschenrechtsverletzun­gen zum Alltag gehören. Die meisten Abschiebungen erfolgen gegen den Willen der Betroffenen, viele von ihnen wehren sich aus Verzweiflung und Angst vor Repressalien, manche werden bei der gewaltsamen Abschiebeprozedur verletzt, geraten in Lebensgefahr oder kommen gar zu Tode.

Tatorte sind bundesdeutsche Abschiebeflughäfen – unter ihnen ist der Frankfurter Rhein-Main-Flughafen mit jährlich knapp 9.000 Abschiebungen der größte. Hier wird ständig gegen die Menschenwürde von Flüchtlingen verstoßen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Es gibt jedoch Gruppen, die das ändern wollen – etwa das Aktionsbündnis Rhein-Main gegen Abschiebungen, deren Aktivisten vor Ort über menschenrechtswidrige Abschiebungen aufzuklären versuchen: Sie informieren Flugpassagiere, Piloten und Crew über die Hintergründe und Gefahren, protestieren vor Ort und nehmen dafür auch Repressalien und Strafverfahren in Kauf.

Durch ihre Einmischung ist es dem Aktionsbündnis schon gelungen, Abschiebungen von gefährdeten Personen zu verhindern – wie etwa im Fall von Zarah Kameli, die Ende der neunziger Jahre hierzulande Zuflucht vor dem iranischen Mullah-Regime gesucht hatte. Die Informationsarbeit über ihre akute Gefährdung hat dazu geführt, dass ein Lufthansa-Pilot seine Mitwirkung an ihrer Abschiebung verweigerte. Wäre die nicht anerkannte Asylbewerberin in ihr Heimatland ausgeflogen worden, hätte ihr im Iran Folter und Tod durch Steinigung gedroht, denn sie hatte sich von ihrem iranischen Mann getrennt und war als Muslima zum Christentum übergetreten. Erst nach dem Abbruch der Abschiebung hat Zarah K. ein Bleiberecht erhalten.

Solche Fälle von Aufklärung und Zivilcourage sind Erfolge praktischer Menschenrechtsarbeit, die von Seiten des privaten Flughafenbetreibers Fraport AG jedoch mit Hausverboten und Strafanzeigen beantwortet wird. So erging es auch der Abschiebegegnerin Julia Kümmel, weil sie am Flughafen-Terminal über die Abschiebung eines Kurden informieren wollte. Sie klagte gegen das erteilte Flughafenverbot durch alle Instanzen; vor einer Woche hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) im Revisionsverfahren sein Urteil gesprochen: Der Flughafenbetreiber darf »Demonstrationen oder ähnliche Aktionen« unterbinden, »wenn diese konkret geeignet sind, eine Störung des Flughafenbetriebs herbeizu­führen«. Das Flughafengelände sei nicht für beliebige Zwecke geöffnet, insbesondere nicht für das Verteilen von Flugblättern und für Demonstrationen.

Nicht entschieden hat der BGH jedoch die Grundsatzfrage, um die es in einem demokratischen Rechtsstaat angesichts zunehmender Privatisierungen öffentlicher Räume und Betriebe eigentlich geht: Darf auf einem Flughafen, von dem aus jedes Jahr Tausende von Menschen abgeschoben werden, über drohende Menschenrechtsverletzungen informiert werden – oder ist der Flughafenbetreiber als privater Hausherr berechtigt, den Flughafen zu seinem »Wohnzimmer« zu erklären, Information und Proteste durch Hausverbote zu unterbinden und mit Strafanzeigen zu kriminalisieren?

Die Frage, ob ein privater Flughafenbetreiber an die Grundrechte gebunden ist, hat der BGH bewusst offen gelassen. Ob also der Flughafen zum grundrechtsfreien Raum deklariert werden darf, in dem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Eigentumsgarantie und dem Hausrecht weichen müssen, ist weiterhin ungeklärt. Das Gericht hat die widerstreitenden Rechtsgüter nicht differenziert gegeneinander abgewogen, sondern der ungehinderten Abwicklung des Flughafenbetriebs – und damit dem reibungslosen Lauf der Abschiebemaschinerie – den absoluten Vorrang eingeräumt. Es hat der Klägerin unterstellt, sie habe es mit ihrer Aktion primär auf eine Störung des Betriebs abgesehen, etwa den Abflug zu verzögern. Angesichts der notwendigen Aufklärung über mögliche Menschenrechtsverstöße ist diese Argumentation unausgewogen und unverständlich.

Diese Entscheidung ist auch deshalb unverständlich, weil sich die Fraport AG überwiegend in öffentlicher Hand befindet, auf dem »Privatgelände« des Frankfurter Flughafens sich jährlich über 50 Millionen Menschen bewegen und fast 9.000 Abschiebungen durchgeführt werden, also hoheitliche Maß­nahmen, die nicht selten mit Menschenrechtsverletzungen verbunden sind. Gerade an solchen Orten müsste es doch möglich sein, letztlich flug- und sicherheitsrelevante Informationen an Crew und Flugpassagiere weiterzugeben und auch gegen einzelne Abschiebungen zu protestieren, die Menschen in die Gefahr von Misshandlung und Folter bringen. Solche hoheitlichen Prozeduren müssen dem öffentlichen Blick, der kritischen Aufklärung und dem enga­gierten Protest zugänglich sein und bleiben.

Die Flüchtlingsorganisation ProAsyl befürchtet angesichts des BGH-Urteils, dass die Versammlungsfreiheit zu einem „Grundrecht dritter Klasse“ herabgestuft wird, „das nur noch an Orten ausgeübt werden kann, die Privatunternehmen mangels Profitinteresse als Restöffentlichkeit und Demonstrationsgelände übrig gelassen haben“. Die Klägerin will den Fall nun vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen Denn es kann mit den Prinzipien einer rechtsstaatlichen De­mokratie kaum vereinbar sein, dass öffentlicher Raum in Privatbesitz umdefiniert wird, wo dann elementare Grundrechte eingeschränkt, ja regelrecht suspendiert werden können. Mit diesem brisanten und hochaktuellen Grundproblem hat sich der BGH nicht ansatzweise auseinandergesetzt.

 

 27.01.06

 


 

III. Berufsverbotsfall vor Gericht (Verwaltungsgericht Karlsruhe)

 

Bürgerrechtsorganisationen beobachten Berufsverbots-Verfahren
vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe

Prozessbeobachter Rolf Gössner: „Wir sind besorgt darüber, dass ein qualifizierter Bewerber für den Schuldienst wegen seines antifaschistischen Engagements Zweifel an seiner Verfassungstreue hervorrufen kann und ihm damit der Weg in den Schuldienst versperrt wird.“


Am 10. März 2006 findet vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe der Prozess um das bundesweit einzigartige Berufsverbot gegen den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy statt. Insgesamt vier Bürgerrechtsorganisationen werden diesen Prozess mit großer Aufmerksamkeit beobachten: die Internationale Liga für Menschenrechte, der Republikanische Rechtsanwältinnen- und Rechtsanwaltsverein (RAV), das Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie die Humanistische Union (HU).

Der Präsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“, Dr. Rolf Gössner, ist auch vom RAV und vom Komitee für Grundrechte und Demokratie mit der Prozessbeobachtung beauftragt worden. Zur Bedeutung des Verfahrens sagt er im Vorfeld des anstehenden Verfahrens, das der Betroffene gegen das Land Baden-Württemberg angestrengt hat: „Wir sind besorgt darüber, dass ein qualifizierter Bewerber für den Schuldienst wegen seines antifaschistischen Engagements Zweifel an seiner Verfassungstreue hervorrufen kann und ihm damit der Weg in den Schuldienst versperrt wird. Es geht bei diesem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob in der Bundesrepublik die berüchtigte Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte wiederauflebt oder endlich der Vergangenheit angehört.“

Zur Vorgeschichte des Falls möchten wir auf die Liga-Pressemitteilung vom September 2004 verweisen, die unserer Mail als pdf-Datei anhängt. Die prozessbeobachtenden Bürgerrechtsgruppen sehen nach wie vor die Gefahr, dass mit diesem Berufsverbot ein engagierter Antifaschist aus Gesinnungsgründen vom Schuldienst ferngehalten wird, dem persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen und der für den Lehrerberuf bestens qualifiziert ist. Rolf Gössner: „Wir werten diese Ablehnung bislang als Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs- und Berufsfreiheit – eine unseres Erachtens nach politisch motivierte Entscheidung des baden-württembergi­schen Kultusministeriums, die überwiegend auf den zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen des Verfassungsschutzes beruht.“

Die Bundesrepublik Deutschland ist schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbots vom Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden – wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte. Jetzt ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe am Zug. „Den Anfängen einer neuen Berufsverbote-Politik sollte schnellstmöglich Einhalt geboten werden, damit nicht weitere Lebensperspektiven und Berufskarrieren zerstört werden“, sagte Rolf Gössner im Vorfeld der Prozesses. (8. März 2006)

Weitere Informationen zum Fall unter: www.gegen-berufsverbote.de; www.gegen-berufsverbote.de/index1.php?section=stimmen;
www.grundrechtekomitee.de/index.php?typ=Artikel&sectionID=18; www.rav.de;
www.gew-bw.de/PM_2306_Berufsverbot.html

 

09.03.2006

Prozeß um Berufsverbot in Karlsruhe

Betroffener klagt gegen Land Baden-Württemberg

Von Jana Frielinghaus

Am morgigen Freitag beginnt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ein Prozeß um das Berufsverbot, das die damalige baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) im August 2004 gegen den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy verhängt hat. Der Betroffene kämpft seit Ende 2003 um eine Anstellung, nachdem ihm mitgeteilt wurde, er könne deshalb nicht beschäftigt werden, weil nicht gewährleistet sei, daß er auf dem Boden der Verfassung stehe. Dabei erfuhr Csaszkóczy auch, daß das Landesamt für Verfassungsschutz ihn mehr als zehn Jahre lang beobachtet hatte. Mißfallen erregte vor allem sein Engagement gegen Neonazis und deutsche Kriegsbeteiligungen.

Jetzt wird Csaszkóczys Klage gegen das Land Baden-Württemberg in Karlsruhe verhandelt. Vertreter von vier Bürgerrechtsorganisationen werden den Prozeß beobachten. Der prominente Anwalt Rolf Gössner wird als Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und als Vertreter des Republikanischen Rechtsanwältevereins (RAV) anwesend sein. Vor Beginn des Verfahrens sagte er: »Es geht bei diesem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob in der Bundesrepublik die berüchtigte Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte wieder auflebt oder endlich der Vergangenheit angehört.« Mit dem Berufsverbot werde ein engagierter Antifaschist »vom Schuldienst ferngehalten, dem persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen und der für den Lehrerberuf bestens qualifiziert ist«, stellte Gössner fest.

Neben den Bürgerrechtsorganisationen unterstützt auch der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den betroffenen Lehrer.


11.03.2006

Berufsverbot gegen "friedliebenden Lehrer"?

Prozess am Verwaltungsgericht Karlsruhe: überzeugter Antifaschist will eingestellt werden

Von Meinrad Heck

KARLSRUHE. Wegen zweifelhafter Verfassungstreue wird einem Pädagogen und überzeugten Antifaschisten die Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst verweigert. Ob das rechtens ist, entscheidet am Montag das Verwaltungsgericht Karlsruhe.

Durch die Flure der Justiz geistert das Gespenst des Radikalenerlasses. Mitte der 70er Jahre war es gewesen, als Lokomotivführer, Lehrer und andere angehende Beamte, die kommunistischer Umtriebe verdächtigt wurden, faktisch mit einem Berufsverbot belegt worden waren. Und jetzt, so befürchten Kritiker, beginne der Spuk von neuem.

Michael Csaszkãczy klagt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe auf Einstellung in den Schuldienst. Die wird ihm seit Jahren verweigert. Der 36-jährige ist Mitglied der als linksextremistisch eingestuften Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Und weil er sich in einem "vertieften Einstellungsgespräch" beim Oberschulamt auch noch ausdrücklich dazu bekannte, haftet an ihm ein so genannter "Eignungsmangel". Denn die besagte Heidelberger Initiative steht im Verdacht, "Militanz" zu befürworten.

Einige Dutzend Sympathisanten begleiten Michael Csaszkãczy zu seinem Verhandlungstermin. "Kein Berufsverbot" ist auf Spruchbändern zu lesen. Sein Anwalt Martin Heiming hat Dutzende von Schriftsätzen verfasst  und kritisiert vehement den baden-württembergischen Verfassungsschutz, auf dessen Erkenntnisse sich die Ablehnung seines Mandanten stützt. Aber nichts davon sei bewiesen. Und vor allem werde Michael Csaszkãczy noch nicht einmal der Vorwurf einer persönlichen Verfehlung gemacht.

Demnach genügte das Etikett antifaschistisch zu sein. Der heute 36-Jährige hatte an Publikationen über Widerstandskämpfer im Naziregime mitgewirkt, Proteste gegen rechte Demonstrationen organisiert. Rein fachlich hatte sich der Mann aber nichts zu Schulden kommen lassen. Keiner wirft ihm vor, er indoktriniere etwa Schüler.

Während seiner Referendarszeit hätten amtliche Prüfer an seiner pädagogischen Qualifikation nichts auszusetzen gehabt, kritisiert Anwalt Hei­ming. "Es ist zum Haareraufen", sagt er.

Die Gegenseite widerspricht nicht. Es gebe keine persönlichen Verfehlungen, gesteht Detlef Brandner, der Leitende Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Karlsruhe und zuständig für das Referat Lehrer- und Personalverwaltung. Der so umstrittene Pädagoge "zeigt Zivilcourage", meint Brandner, er sei "friedliebend", allerdings mache ihn sein Bekenntnis zur Antifaschistischen Initiative nun einmal "einfach untauglich". Also verdeutlicht der Regierungsdirektor: "Ich wollte nicht haben, dass mein Sohn bei ihm in Geschichte oder Gemeinschaftskunde unterrichtet wird."

Beistand erhält Michael Csaszkãczy von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder von der Internationalen Liga für Menschenrechte. Deren Präsident Rolf Gössner kritisiert, dass durch die bisherigen Entscheidungen baden-württembergischer Behörden einem "engagierten Antifaschisten Berufsverbot erteilt wurde". Das sei eine "politisch motivierte Entscheidung, die auf zweifelhaften Erkenntnissen des Verfassungsschutzes" beruhe. "Schärfsten Protest" erhebt auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordbaden, Hildegard Klenk. Es sei "unglaublich, dass der Kollege zwölf Jahre vom Geheimdienst beobachtet" worden sei und dass bei der Entscheidung, ihn nicht in den Schuldienst zu übernehmen, "seine Persönlichkeit nicht beachtet" worden sei. Das Verwaltungsgericht will sein Urteil am Montag verkünden.

 

Karlsruhe-News: ka-news 11. März 2006

Untauglicher Beamter?

Berufsverbot für einen Antifaschisten

Karlsruhe - Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am gestrigen Freitag über die Rechtmäßigkeit eines Berufsverbotes für den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy verhandelt. Ihm wird seit 2004 vom baden-württember­gischen Kultusministerium der Eintritt in den Schuldienst verwehrt, weil er sich für die "Antifaschistische Initiative Heidelberg" (AIHD) engagiert. Das Urteil wird am Montag erwartet. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) handelt es sich um den bundesweit einzigen Berufsverbots-Fall, bei dem ein Lehrer betroffen ist. Der Prozess wird von der Humanistischen Union, der Internationalen Liga für Menschenrechte, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie und dem Republikanischen Anwaltsverein beobachtet. Das Bekenntnis des Lehrers zur AIHD macht ihn nach Ansicht des Vertreters des Landes, Detlef Brandner, als Beamten "untauglich". Die Gruppierung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft. Zweifelhafte Erkenntnisse des Verfassungsschutzes?

Zur Bedeutung des Verfahrens sagte Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, im Vorfeld des Prozesses: "Wir sind besorgt darüber, dass ein qualifizierter Bewerber für den Schuldienst wegen seines antifaschistischen Engagements Zweifel an seiner Verfassungstreue hervorrufen kann und ihm damit der Weg in den Schuldienst versperrt wird." Es gehe bei diesem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob in der Bundesrepublik die berüchtigte Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte wieder auflebe oder endlich der Vergangenheit angehöre.

Die prozessbeobachtenden Bürgerrechts­gruppen sehen nach wie vor die Gefahr, dass mit diesem Berufsverbot ein engagierter Antifaschist aus Gesinnungsgründen vom Schuldienst ferngehalten wird, dem persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen und der für den Lehrerberuf bestens qualifiziert sei. "Wir werten diese Ablehnung bislang als Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs- und Berufsfreiheit - eine unseres Erachtens politisch motivierte Entscheidung des baden-württembergischen Kultusministeriums, die überwiegend auf den zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen des Verfassungsschutzes beruht", so Gössner.

Die Bundesrepublik sei schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbots vom Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden - wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte, erläutert Gössner. Jetzt sei das Verwaltungsgericht Karlsruhe am Zug. "Den Anfängen einer neuen Berufsverbote-Politik sollte schnellst­möglich Einhalt geboten werden, damit nicht weitere Lebensperspektiven und Berufskarrieren zerstört werden." (pma)

 


Bürgerrechtsorganisationen: „Mit dem Berufsverbotsurteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe wird ein falsches Signal gesetzt“

Prozessbeobachter Rolf Gössner: „Das Gericht hat es versäumt, ein Wiederaufleben
der berüchtigten Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte zu verhindern“


Mit großer Enttäuschung haben die Bürgerrechtsorganisationen, die am letzten Freitag das Berufsverbotsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlruhe beobachtet haben, das heute ergangene Urteil aufgenommen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Heidelberger Real­schullehrers Michael Csaszkóczy abgewiesen und das gegen ihn seit 2004 verhängte Berufsverbot bestätigt.

Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner, der auch im Auftrag des Komitees für Grundrechte und Demokratie und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins den Prozess beobachtet hat, zu dem Urteil: „Das Gericht hat es versäumt, der berüchtigten Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte einen Riegel vorzuschieben und hat stattdessen im Ergebnis ein mehr als zweifelhaftes Berufsverbot gerichtlich abgesegnet.“ Mit dieser Entscheidung werde einem qualifizierten Bewerber für den Schuldienst wegen seines antifaschistischen Engagements und seiner politischen Gesinnung der Weg in den Schuldienst weiterhin versperrt.

Zwar sind die Urteilsgründe noch nicht bekannt. Doch für Prozessbeobachter ist während der mündlichen Verhandlung deutlich geworden, dass dem betroffenen Kläger persönlich keinerlei Fehlverhalten oder gar verfassungsfeindliches Verhalten vorgeworfen wird – im Gegenteil: Ihm wurde vor Gericht bescheinigt, Zivilcourage und Engagement gegen Rechtsextremismus zu zeigen, persönlich friedliebend und für seinen Beruf bestens qualifiziert zu sein. Allein seine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg wird ihm zum Vorwurf gemacht, weil diese vom Verfassungsschutz beobachtet und als „linksextremistisch“ eingestuft wird – „im Zweifel also gegen den Lehramtskandidaten, dessen weitere Lebensperspektive und Berufskarriere mit diesem in der Bundesrepublik einzigartigen Berufsverbot erheblich beschädigt werden“, sagte Rolf Gössner.

Die Bürgerrechtsorganisationen erinnern daran, dass die Bundesrepublik Deutschland schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbots vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte verurteilt worden ist – nachdem die bundesdeutschen Gerichte durch alle Instanzen hindurch jenes Berufsverbot für rechtens erklärt hatten. Insofern halten wir es für sinnvoll, dass Michael Csaszkóczy mit Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird – auch wenn der Weg durch die Instanzen mühsam, kostenträchtig und lebenszeitraubend ist. gr/ste/hh (13. März 2006)

SAT 1, N24.de, Netzeitung

Gericht bestätigt Berufsverbot für linken Lehrer

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am Montag das Berufsverbot gegen einen Lehrer wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue für rechtmäßig erklärt. Damit wiesen sie eine Klage des 35-Jährigen ab. Der Realschullehrer darf damit weiterhin weder in Baden-Württemberg noch in Hessen unterrichten. Beide Ländern verwehrten ihm den Eintritt in den Schuldienst.

Der Realschulpädagoge Michael Csaszkóczy soll als führendes Mitglied in der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" engagiert sein. Die Gruppe wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft. Sie richte sich gegen die Verfassung, heißt es

Kläger will in Berufung gehen

Bereits während der Verhandlung hatte der vorsitzende Richter Bernd Heß gesagt: "Bei ihren Fächern Deutsch und Geschichte besteht Anlass zur Befürchtung, dass sie in diesem Unterricht ein Bild unseres Staates propagieren, das von Seiten des Landes als diskriminierend angesehen wird." Csaszkóczy rechtfertigte sich damit, ihm sei bislang in der Praxis noch nie vorgehalten worden, "die Schüler zu beeinflussen oder zu indoktrinieren." Der studierte Germanist und Historiker kündigte schon vor Veröffentlichung des Urteils an, er werde sich mit einer Abweisung seiner Klage nicht zufrieden geben. Er will in Berufung gehen.

Nach Angaben der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) handelt es sich um den ersten Fall eines Berufsverbots für einen Lehrer in Baden-Württemberg seit 1993. Die Gewerkschaft steht hinter Csaszkóczy. Die Vorsitzende des Bezirks Nordbaden der GEW Hildegard Klenk nannte das Verfahren eine "politisch gefährliche Aussage". Viele andere politisch aktive Lehrer seien nun in Sorge.

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

Verschiedene linke Gruppen und Menschenrechtsorganisationen beobachten das Verfahren. Nach Ansicht von Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, geht es bei diesem Verfahren auch um die grundsätzliche Frage, ob die Bundesrepublik die Berufsverbotpraxis aus den Siebziger Jahren wieder aufleben lasse oder endgültig begrabe.

Die Ablehnung des Lehramtsanwärters war 2004 auch von der heutigen Bundesbildungsministerin Anette Schavan bestätigt worden. Die CDU-Politikerin war damals Kultusministerin in Stuttgart.

10.000 Stimmen gegen Berufsverbote

Menschen aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen protestieren in einer Internetkampagne gegen die Wiederbelebung der Berufsverbote durch die Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen. Sie fordern die sofortige Rehabilitierung des Realschullehrers Michael Csaszkóczy, dem seit Ende des Jahres 2003 wegen seines politischen Engagements in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg die Ausübung seines Berufes untersagt ist.

Zu den ersten Unterzeichnenden gehörten die Musiker Franz-Josef-Degenhardt, Udo Lindenberg und Konstantin Wecker, die Holocaust-Überlebenden Peter Gingold und Esther Bejarano, die Bundesvorsitzende der Grünen Claudia Roth, der Schauspieler und Übersetzer Harry Rowohlt, der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte Rolf Gössner sowie zahlreiche weitere Personen aus Gewerkschaften, Politik, Kultur, Pädagogik und Wissenschaft.

Die Kampagne zeitigte eine solche Resonanz, dass die zuerst anvisierten 1000 Stimmen innerhalb von nur zwei Wochen zusammen kamen. Mittlerweile hat das Solikomitee eine Fortsetzung der Kampagne mit regionalen und themenspezifischen Schwerpunkten gestartet.

Der Wortlaut des Aufrufs und die Liste der UnterstützerInnen sind im Internet unter www.gegen-berufsverbote.de
unter der Rubrik '10.000 stimmen' einzusehen
.

Solikomitee Heidelberg


 Verfassungsschutz-Beobachtung

„Internationale Liga für Menschenrechte“ protestiert
gegen geheimdienstliche Überwachung ihres Präsidenten

Rolf Gössner hat gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage eingereicht

Liga protestiert schärfstens gegen die bürgerrechtswidrige Überwachung
und fordert von der Bundesregierung die sofortige Beendigung der Beobachtung!


Der Vorstand der „Internationalen Liga für Menschenrechte“ hat mit Empörung zur Kenntnis genommen, dass Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner weiterhin unter geheimdienstlicher Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) steht. Das geht aus einem Dossier des Bundesamtes hervor. Die Liga protestiert aufs Schärfste gegen diese Ausforschung ihres Vorsitzenden durch den deutschen Inlandsgeheimdienst. Es bestehe die große Gefahr, dass damit auch eine international anerkannte Menschenrechtsvereinigung ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist und weiterhin gerät.

Rolf Gössner hat gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhoben und letzte Woche die Klagebegründung eingereicht. Die Klage ist zunächst auf eine vollständige Auskunft des BfV über alle zu seiner Person gespeicherten Daten gerichtet, da das Amt weitergehende Auskünfte wegen „Geheimhaltungsbedürftigkeit“ und „Ausforschungsgefahr“ sowie zum Schutz von „Quellen“ verweigert hat; in einem weiteren Schritt soll die Rechtmäßigkeit der Erfassung gerichtlich überprüft und eine Löschung der Daten erstritten werden. Dieses Verfahren hat über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, denn es geht um ein brisantes Problem, das auch andere Publizisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtler betrifft: Welche Grenzen sind den kaum kontrollierbaren Nachrichtendiensten und ihren geheimen Aktivitäten gezogen – besonders im Umgang mit Berufsgeheimnisträgern und ihm Rahmen unabhängiger Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen?

Zur Vorgeschichte:

Voriges Jahr hat Rolf Gössner auf seinen Antrag vom BfV das vorerst letzte Dossier über seine ihm zur Last gelegten Aktivitäten erhalten. Grund für seine Überwachung ist laut BfV, dass er Kontakte zu Gruppen und Personen hat, die der Verfassungsschutz (VS) als „linksextremistisch“ oder „linksextremistisch beeinflusst“ einstuft, ohne jedoch Kriterien für diese Einstufung zu benennen. Dazu zählen etwa die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) und die Rechtshilfegruppe „Rote Hilfe e.V.“. Bei den über Gössner gesammelten „Sünden“ handelt es sich insbesondere um seine Artikel, Reden und Interviews, die in bestimmten Publikationen – etwa in den Tageszeitungen „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“ – erschienen sind sowie um Lesungen und andere Veranstaltungen mit bestimmten Veranstaltern, wie etwa der VVN oder der „Rosa-Luxemburg-Stiftung“.

Letzten Endes wird Rolf Gössner eine Art „Kontaktschuld“ zur Last gelegt, nicht etwa eigene verfassungswidrige Bestrebungen. Es handelt sich bei all diesen inkriminierten Beiträgen ausschließlich um Berufskontakte im Rahmen seiner vielfältigen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, insbesondere seiner Bürger- und Menschenrechtsarbeit. In zahlreichen Publikationen hat er sich kritisch u.a. mit den Praktiken der Sicherheitsorgane, besonders auch der Geheimdienste befasst, so etwa in seinem letzten Buch „Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Kriminelle im Dienst des Staates“ (Knaur-Verlag, München 2003).

Immer wieder laden ihn Bundestag und Landtage als Sachverständigen ein, um in Gesetzgebungsverfahren u.a. Polizei- und Geheimdienst-Gesetzentwürfe zu begutachten. Auch von der Polizeiführungsakademie, von Polizeifachhochschulen und selbst vom Verfassungsschutz ist er als Experte zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen worden.

Rolf Gössner ist für die Liga auch Mitherausgeber des jährlich erscheinenden „Grundrechte-Re­ports – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ (Fischer-Verlag, Ffm) sowie Mitglied in der Jury zur Vergabe des Negativpreises „BigBrotherAward“, der an Institutionen und Personen verliehen wird, die besonders gegen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstoßen haben – so wie voriges Jahr an den ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), auf den Gössner die „Laudatio“ gehalten hat (dok. in: Frankfurter Rundschau 31.10.05).

Mit Rolf Gössner wird ausgerechnet ein Streiter gegen den permanenten Abbau von Bürger­rechten behandelt wie ein „Verfassungsfeind“ – und nicht etwa jene „Sicherheitspolitiker“, die in der Vergangenheit, insbesondere im Zuge der Terrorismusbekämpfung, der Verfassung und den Grundrechten schweren Schaden zufügt haben. Erinnert sei insoweit nur an die Demontage des Asylgrundrechts und an eine ganze Reihe hochproblematischer „Antiterrorgesetze“ mit ihren tiefgreifenden Eingriffen in die Substanz der Bürgerrechte; des Weiteren an den Großen Lauschangriff, die präventive Telekommunikationsüberwachung und das Luftsicherheitsgesetz, die vom Bundesverfassungsgericht für weitgehend verfassungswidrig erklärt wurden.

Der Verfassungsschutz beobachtet Rolf Gössner schon seit 1970, also seit nunmehr 35 Jahren. Kurz nach dem ersten Bekanntwerden vor zehn Jahren hatte diese Affäre erhebliche öffentliche Reaktionen hervorgerufen. Der Verband Deutscher Schriftsteller, die IG Medien, die Deutsche Journalisten-Union, Juristenorganisationen, acht Bürgerrechtsgruppen – darunter die Liga - sowie zahlreiche prominente Schriftsteller des deutschen P.E.N.-Zentrums haben sich seinerzeit in Offenen Briefen an das BfV gewandt und gegen die geheimdienstliche Erfassung ihres Kollegen protestiert; auch der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben sich mit seinem Fall befasst – allerdings ohne Ergebnis. Die Beobachtung ging jedenfalls weiter, auch unter der rot-grünen Regierungskoalition, und dauert nachweislich bis heute an. Die Maßnahmen dieser geheimdienstlichen Langzeitüberwachung eines engagierten Rechtsanwalts, Publizisten und Menschenrechtlers verletzen die Persönlichkeitsrechte, den Informantenschutz, das Mandatsgeheimnis und die ausforschungsfreie Sphäre, die für unabhängige Menschenrechtsgruppen unabdingbar ist.

Der Vorstand der Liga fordert das Bundesamt für Verfassungsschutz und die für den Inlands­geheim­dienst verantwortliche Bundesregierung auf, die Überwachung des Liga-Präsidenten Dr. Rolf Gössner unverzüglich einzustellen und ihm gegenüber sämtliche erfassten Daten offen zulegen!

Vorstand der „Internationalen Liga für Menschenrechte“                                                      21. Februar 2006

Im letzten BfV-Dossier werden – neben einigen Aufrufen und Veranstaltungen - einige der zahlreichen publizistischen Beiträge von und über Rolf Gössner als verfassungsschutzrelevant aufgezählt, so u.a. in „Junge Welt“ (z.B. sein Interview zum BigBrother Award), in „Neues Deutschland“ (u.a. Beitrag über seine Wahl zum Liga-Präsidenten), in „antifa“ (VVN-Interview „Verfassungsschutz gehört aufgelöst“); „Özgür Genclik“ (Interview zur Lage der Menschenrechte in der Türkei und zur Kurdenproblematik); „Die Woche“ („Unter Schlapphüten. 50 Jahre Verfassungsschutz: Der Rechtsanwalt und Buchautor Rolf Gössner kann dem Amt, das ihn seit mehr als 30 Jahren überwachen lässt, nicht zum Jubiläum gratulieren“); „Frankfurter Rundschau“ („Über die NPD sollen die Wähler, nicht Richter entscheiden“; „Das V-Mann-Unwesen muss unterbunden werden“); „Gegenwind“ (Dokumentation seiner Laudatio zur BigBrother­Award-Verleihung an BMI Otto Schily, 2005); „Weser-Kurier“ (Interview “Geheimdienste sind Fremdkörper in einer Demokratie“). Viele seiner zahlreichen Beiträge etwa in der Ost-West-Wo­chenzeitung „Freitag“ oder in diversen Buchpublikationen wurden angeblich nicht erfasst.

35 Jahre vom Verfassungs­schutz überwacht

Menschenrechtler Rolf Gössner verklagt Geheimdienst / Auskunft über Daten verlangt

Rolf Gössner klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln: Der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte will sich dagegen wehren, dass er seit über 35 Jahren vom Verfassungsschutz überwacht wurde oder noch wird.

Bremen: Bereits 1996 war bekannt geworden, dass der Geheimdienst die Aktivitäten des parteilosen Publizisten und Rechtsanwalts Gössner registrierte. Der Bremer hatte sich damals mit einem "Auskunftsersuchen" an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gewandt und so erfahren, dass über ihn Daten wegen seiner Kontakte zu "linksextremistischen bzw. linksextremistisch beeinflussten" Organisationen und Medien gespeichert würden. Eine auch der FR vorliegende BfV-Liste mit erfassten Gössner-Pressebeiträgen reichte bis 1970 zurück.

Inzwischen hat der 58-Jährige nach eigenen Angaben neuerliche Verfassungsschutz-Aus­künfte eingeholt. Daraus gehe hervor, dass er - trotz der damaligen Proteste von Autorenverbänden und Menschenrechtsgruppen - auch in den Folgejahren weiter überwacht worden sei, also auch unter Rot-Grün.

Es gehe dabei vor allem um Artikel und Interviews - etwa im Neuen Deutschland oder in der Frankfurter Rundschau - und um Auftritte bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Letztlich werde ihm "eine Art ,Kontaktschuld' zur Last gelegt, nicht etwa eigene verfassungswidrige Bestrebungen", meint Gössner.

Mit der eingereichten Klage verlangt Gössner zunächst eine vollständige Auskunft über alle gespeicherten Daten zu seiner Person. Später will er dann auf Rechtswidrigkeit der Erfassung klagen und eine Löschung der Daten erstreiten.

Gössner gilt als kritischer Geheimdienstexperte und ist Mitherausgeber des alljährlichen "Grundrechte-Reports" (Fischer-Verlag). Er trat bereits als Gutachter in Bundestags- und Landtagsausschüssen auf und sogar bei Veranstaltungen von Polizei und Verfassungsschutz.

Seit 2003 leitet Gössner die Internationale Liga für Menschenrechte. Deren Vorstand protestierte am Dienstag gegen die "bürgerrechtswidrige Überwachung" und forderte ihr sofortiges Ende.

Dass Gössner erst jetzt klagt, begründete er auf Nachfrage der FR mit den Worten: "Ich habe zuerst den ganzen außergerichtlichen Weg ausprobiert." Eine BfV-Sprecherin lehnte am Dienstag eine Stellungnahme ab.

Eckhard Stengel   Frankfurter Rundschau 22.02.2006

22.2.2006

Gössner verklagt Bundesrepublik

BREMEN·KÖLN (RK). Der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner hat beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht. Er protestiert damit gegen die geheimdienstliche Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Der Präsident der "Internationalen Liga für Menschenrechte" werde, so die Liga in einer Mitteilung, weiterhin vom BfV beobachtet. Dies geht aus einem Dossier hervor, das Gössner einsehen durfte. Grund für die Überwachung ist laut Bundesamt, dass Gössner Kontakte zu Gruppen und Personen hat, die als "linksextre­mistisch" gelten. Dazu zählten die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" und die Rechtshilfegruppe "Rote Hilfe". Die Liga sagte dazu, Gössner würden Kontakte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten zur Last gelegt, nicht aber eigene verfassungswidrige Bestrebungen.

www.taz.de

Bürgerrechtler
will seine Akte sehen

Polizei- und Geheimdienstexperte Rolf Gössner klagt gegen den Verfassungsschutz, der ihn seit 35 Jahren beobachtet

BERLIN taz Der Bremer Rechtsanwalt und Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, hat Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erhoben.

Seit 35 Jahren hat der Verfassungsschutz Gössner schon im Visier. Seit gut zehn Jahren versucht der Anwalt zu erfahren, was sich in dieser Zeit eigentlich in den Akten über ihn angesammelt hat. Außer einer unvollständigen Auflistung seiner eigenen Publikationen und Vorträge bis zurück ins Jahr 1970 ist dabei nicht viel herausgekommen.

Nun will es Gössner, Autor mehrerer Polizei- und Geheimdienst-kritischer Bücher sowie Mitherausgeber verschiedener Bürgerrechtspublikationen, über eine Auskunftsklage beim Verwaltungsgericht Köln genau wissen. Eine gefährliche, extremistische Gesinnung unterstellen ihm die Kölner Bundesverfassungsschützer nicht. Doch auch "Einzelpersonen können bereits dann vom Beobachtungsauftrag des BfV erfasst werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie extremistische Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen nachdrücklich unterstützen.

"Dies ist vorliegend der Fall", heißt es in einem BfV-Schreiben vom Sommer 2005. Gemeint sind damit Gruppierungen wie die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes", die dem Umfeld der erloschenen DKP zugeordnet wird, die Rechtshilfegruppe "Rote Hilfe", die sich im Knast engagiert, die PDS-nahe "Rosa-Luxemburg-Stiftung" oder die linke türkische Zeitung Özgür Genclik. Gegen diese "Kontaktschuld" wehrt sich Gössner, auch wenn auf ihn "keine eigene Quelle" angesetzt sei.

Mit Gössner hat das BfV nicht nur einen aktiven Bürgerrechtler "unter Wind genommen", wie es im Fachjargon heißt. Von 1990 bis 2001 war der Jurist auch rechtspolitischer Berater der grünen Landtagsfraktion in Niedersachsen, die damals mit der SPD die Landesregierung stellte. Gössner hatte dort das Verfassungsschutzgesetz gründlich reformiert und entscheidend mitformuliert. Vieles von dem, was damals liberalisiert wurde, ist freilich inzwischen wieder Schnee von gestern.

Auch bei Gesetzesvorhaben von Bundesregierung und Bundesrat ist Gössner bei Anhörungen der Rechts- und Innenausschüsse als Gutachter aufgetreten. Selbst in der Polizei-Führungsakademie, wo der Führungsnachwuchs der deutschen Polizei ausgebildet wird, hat er als Referent gedient - ebenso beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz. Sollten die Kollegen nicht gewusst haben, wen sie sich da einladen? Eine kurze Nachfrage bei Nadis, dem Nachrichtendienstlichen Informationssystem in Köln, hätte gereicht, denn auch dort ist Gössner umfänglich gespeichert.

Neben der Liga für Menschenrechte haben auch die Neue Richtervereinigung, ein bundesweiter Zusammenschluss von RichterInnen und StaatsanwältInnen, öffentlich gegen die anhaltende Überwachung von Gössner protestiert. Beide Organisationen verbindet nicht nur die Herausgeberschaft des jährlich erscheinenden "Grundrechte-Reports zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland". Auch Journalistengewerkschaften und namhafte Schriftsteller des deutschen PEN-Zentrums - darunter Günter Grass, Dorothee Sölle und Gerhard Zwerenz - forderten bereits Aufklärung.

Beim BfV will man sich weder dazu noch zu möglichen anderen Auskunftsklagen äußern. "Kein Kommentar", heißt es lapidar. Gössners Prozessaussichten stehen indes nicht schlecht. Mit dem Freiburger Rechtsanwalt Udo Kauß hat er einen kompetenten Mitstreiter gewonnen. Mehrere Auskunftsklagen gegen Polizei und Verfassungsschutz hat Kauß bereits zu einem erfolgreichen Ende gebracht.

OTTO DIEDERICHS                                    taz Nr. 7927 vom 21.3.2006, Seite 7

 

 

NRV gegen geheimdienstliche Überwachung des „Grundrechte-Report“-Mitherausgebers Dr. Rolf Gössner

Die Bundesmitgliederversammlung der Neuen Richtervereinigung (NRV) protestiert gegen die fortwährende geheimdienstliche Überwachung des Präsidenten der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner.

Beide Organisationen verbindet u. a. die Heraus­geberschaft des jährlich erscheinenden „Grundrechte-Reports - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“.

Die NRV kritisiert, dass mit der Internationalen Liga für Menschenrechte eine international anerkannte Menschenrechtsvereinigung in das Visier des Verfassungsschutzes geraten ist. Folgte man der Begründung des Bundesamtes  für Verfassungsschutz, eröffnete dies eine uferlose Überwachungspraxis: Schließlich wird die Überwachung mit dem bloßen Kontakt zu Organisationen wie der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)“ oder der „Roten Hilfe e. V.“ begründet, obwohl dieser Kontakt gerade auf den beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts, Publizisten und Präsidenten einer Nichtregierungsorganisation beruht.

Wilfried Hamm, Sprecher der NRV: „Die NRV fordert mit Nachdruck die Respektierung des Schutzes des Berufsgeheimnisses und eine ausforschungsfreie Sphäre der Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen.“

 

 

>MUSLIM-TEST< Baden-Württemberg

 

Nun sag, wie hast du's mit der Religion? Ein Kommentar von Heribert Prantl, 22.01.2006:

Das Elend deutscher Ausländerpolitik liegt darin, dass sie mehr für die Deutschen als für die Ausländer gemacht wird. Und es ist auch ein Kreuz mit der Einbürgerungspolitik, weil sie nicht für die künftigen Neubürger, sondern vor allem für die deutschen Wählerinnen und Wähler gemacht wird. Migrationspolitik hierzulande ist gern Wahlkampfpolitik - wie derzeit in Baden-Württemberg. (…) Der Fragebogen ist institutionalisiertes Misstrauen, er ist ein Ausdruck von Heuchelei - also ein Nährboden für Rassismus. Der Integration dient der Gesprächsleitfaden nicht. Er ist vermutlich verfassungswidrig. Vor allem aber ist er unsinnig."


Dr. Rolf Gössner in seiner Rechtspolitisch-gutachterliche Stellungnahme vom 12.01.2006

"Ausgerechnet für die Prüfung der Verfassungstreue wird ein Fragebogen eingesetzt und eine Prozedur gewählt, die dem Geist, den Prinzipien und den Grundrechten der Verfassung widersprechen. Dieser Gesinnungstest trägt obrigkeitsstaatliche und tendenziell totalitäre Züge. Es stellt sich deshalb eher die Frage nach der inneren Einstellung des baden-württembergischen Innenministers und der Einbürgerungsbehörden zum Grundgesetz und zu den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Den Test ihrer Gesinnung dürften sie jedenfalls nicht bestehen."

Gesamtes Gutachten unter:
www.rolf-goessner.de/Muslim-TestNF2-06.htm

           

15.3.2006

Wertetest für den guten Deutschen

Bremer Rechtsanwalt Gössner kritisiert Fragen zur Einbürgerung in Baden-Württemberg

Von unserem Redakteur Rainer Kabbert

BREMEN. Hessen legte gestern einen Wissens- und Wertetest vor, den einbürgerungs­willige Ausländer bestehen müssen - ansonsten wird der deutsche Pass verwehrt. In Baden-Württemberg wird ein entsprechender Gesprächsleitfaden von den Einbürgerungsbehörden längst angewandt, um Ausländer mental zu durchleuchten. Der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, hat den Text analysiert. Das Gutachten hat unter anderem der Zentralrat der Muslime in Deutschland in Auftrag gegeben.

Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz ist das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung Voraussetzung für die Einbürgerung. Eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der Loyalität muss dann erfolgen, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte" für eine verfassungsfeindliche Betätigung vorliegen. Gössner nennt zudem eine weitere Bedingung für die Einbürgerung: Das Bundesinnenministerium hat festgelegt, dass der Bewerber "Kenntnis der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland besitzen" soll. Der baden-württembergische Gesprächsleitfaden geht nach Ansicht von Gössner dagegen sehr viel weiter und verstößt dabei in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfassung: Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes: Der Fragebogen wurde gezielt für muslimische Bewerber konzipiert und stellt somit eine Ungleichbehandlung aufgrund des Glaubens dar. Auch gegen die EU-Anti-Diskriminierungs­richtlinie wird verstoßen. Verletzung der Privat- und Intimsphäre: Mit Fragen wie nach homosexuellen Söhnen mischt sich der Staat in die Lebensführung seiner Bürger ein, die ihn prinzipiell nichts angeht. Verletzung der Informationellen Selbstbestimmung: Antworten mit allen Intimdaten werden auf unbestimmte Zeit auf Dateien festgehalten.

Gössners Fazit: "Ausgerechnet für die Prüfung der Verfassungstreue wird ein Fragebogen eingesetzt und eine Prozedur gewählt, die dem Geist, den Prinzipien und den Grundrechten der Verfassung widersprechen." Der Rechtsanwalt weist darauf hin, dass nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz die Verfassungskonformität eines Einbürgerungsbewerbers - und das nur bei begründeten Zweifeln - geprüft werden soll. Nicht aber mögliches politisch inkorrektes, unemanzipiertes oder aber kriminelles Verhalten. Diesbezügliche Fragen würden über das deklarierte Ziel hinaus schießen und seien unzulässig.

Für Gössner ist der baden-württembergische Gesprächsleitfaden grundgesetzwidrig - und integrationsfeindlich. "Wer Muslimen pauschal institutionalisiertes Misstrauen entgegenbringt, sie durch vorurteilsbeladene Verallgemeinerungen diskriminiert und stigmatisiert, macht sich der Feindbildproduktion schuldig, schürt die ohnehin wachsende Islamophobie, wirkt ausgrenzend und zerstört jeden Ansatz von Inte­gration."             Bremer Tageszeitungen AG

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taz nord-bremen 28.01.06

"Inquisitorische" Gewissensfragen

BREMEN epd # Der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner hält den „Gesprächsleitfaden“, den das Land Baden-Württemberg gegenüber einbürgerungswilligen Muslimen verwendet, für grundgesetzwidrig. In einer rechtspolitischen Stellungnahme, die er am Mittwoch in Bremen veröffentlichte, wirft er dem Land vor, Muslime auszugrenzen, indem sie als einzige Ausländergruppe einen besonderen Fragenkatalog beantworten müssten. Hessen Innenminister Volker Bouffier (CDU) plant eine ähnliche Regelung in seinem Bundesland. Auftraggeber des Gutachtens waren der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Islamrat sowie die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg. Gössner ist Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der Gutachter sieht in dem Leitfaden „inquisitorische“ Gewissensfragen. Viele seien unpräzise, unverständlich und hätten zudem keine verfassungsrechtliche Bedeutung.     SAT 1, N24.de, Netzeitung, 25.1.06

Kooperationen & Aufrufe

Kein Wahlkampf auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten!

Der zu Jahresbeginn in Baden-Württemberg eingeführte „Gesinnungstest“ für Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerber muslimischen Glaubens führte zu einer breiten öffentlichen Diskussion. Es ist zu befürchten, dass die Debatte eine weitere Ausgrenzung von Menschen muslimischen Glaubens zur Folge haben wird.

Der Fragebogen und die damit verbundene Diskriminierung und Stigmatisierung gibt besonders im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württem­berg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpom­mern und der Kommunalwahlen in Hessen und Niedersachsen Anlass zur Sorge.

Wenn Parteien und Politiker bei Wählerinnen und Wählern weit verbreitete Vorurteile und ablehnende Haltungen bewusst bedienen, um Wahlerfolge zu erzielen, fügen sie der Demokratie und dem friedlichen Zusammenleben in der Bundesrepublik schweren Schaden zu.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Aufrufs fordern Politiker und Parteien deshalb dazu auf, die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlkämpfe nicht auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten auszutragen.

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Aufrufs, fordern ferner die Rücknahme des Fragebogens in Baden-Württemberg, der vorherrschende Ressentiments gegen Menschen muslimischen Glaubens bedient. 

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:

Sevim Dagdelen, MdB, Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte (Berlin), terre des femmes, Frank Bsirske (ver.di-Vorsitzender), Dr. Rolf Gössner (RA/ Publizist, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte), Ulrich Thöne (GEW-Vorsitzender), Christian Kühbauch (DGB-Bundesjugendsekretär). Hannes Honecker (Ge­schäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins), Sidar Demirdögen (Vorsitzende des Bundesverbands der Migrantinnen), Dr. Peter Strutynski (Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag), Feridun Zaimoglu (Schriftsteller), Peter Sodann (Schauspieler), Rolf Becker (Schauspieler und Regisseur), Frederico Elwing (Bundessprecher von [’solid] – die sozialistische Jugend), Roger Willemsen (Schriftsteller), Bahman Nirumand (Autor),  Prof. Christoph Butterwegge (Uni Köln), Flüchtlingsräte, Gewerkschafter/innen etc.

www.appell-gegen-gesinnungstest.de

Hier geblieben!

Es gibt keinen Weg zurück!

Eine Bleiberechtsregelung für die langjährig nur „geduldeten“ MigrantInnen und Flüchtlinge ist Teil einer ernst gemeinten Integrationspolitik. Die Potenziale dieser Menschen sollten endlich genutzt werden – im Interesse der Gesellschaft und der betroffenen Menschen.

Die ca. 200.000 MigrantInnen und Flüchtlinge, die bislang bundesweit eine Duldung besaßen, sind derzeit weitgehend rechtlos und leben vielfach unter erniedrigenden Bedingungen. Daran hat sich auch nach einem Jahr Zuwanderungsgesetz kaum etwas geändert. Prinzipiell von Abschiebung bedroht, verbringen viele Flüchtlinge hier dennoch eine lange Zeit, manchmal sogar den Großteil ihres Lebens. In Berlin betrifft dies etwa 10.000 Flüchtlinge, darunter Kinder und Jugendliche, die hier geboren wurden und die Schule besuchen.

Die Härtefallkommissionen können nur in wenigen Einzelfällen humanitäre Lösungen treffen.

Am 19. Januar 2006 berät der Deutsche Bundestag in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Bleiberecht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung! Um diesen zu unterstützen und Nachdruck zu verleihen rufen wir alle Kinder-, Jugend- und Flüchtlingsorganisationen auf, an diesem Tag für eine großzügige Bleiberechtsregelung und die UN-Kinderrechte zu demonstrieren.

Der kürzlich bekannt gewordene Vorschlag des Bundesinnenministeriums zur Änderung des Zuwanderungsgesetzes enthält demgegenüber bisher keine Übergangs- oder Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete oder asylsuchende Flüchtlinge. Dies, obwohl im Koalitionsvertrag angekündigt war, das Zuwanderungsgesetz im Hinblick auf humanitäre Lösungen für Menschen mit einer Kettenduldung zu "evaluieren", und obwohl auch die Innenministerkonferenz den Gesetzgeber kürzlich aufgefordert hat, hier tätig zu werden.

Vor den beiden Parteizentralen von SPD und CDU soll öffentlich gemacht werden, dass der Anspruch des Zuwanderungsgesetzes die Kettenduldungen abzuschaffen, ohne eine Bleiberechtsregelung nicht erfüllt werden kann. Nur eine Minderheit der bisher geduldeten Flüchtlinge konnte die ausländerrechtlichen Hürden auf dem Weg zu einer Aufenthaltserlaubnis überspringen.

Im Hinblick auf die Dauer des Aufenthalts müssen die betroffenen Flüchtlingen endlich ein Bleiberecht erhalten, das ihren Aufenthalt langfristig absichert und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Wer Integration als notwendigen Bestand­teil von Zuwanderungspolitik ansieht, muss zuallererst diejenigen, die bereits hier leben und Mitglieder dieser Gesellschaft sind, aus ihrem rechtlosen Status befreien und ihnen die Chance zu einem menschenwürdigen und gleichberechtigten Dasein eröffnen.

Wir fordern im Rahmen der Kampagne „Hier geblieben!“ insbesondere ein Bleiberecht für Kinder, Jugendliche und deren Familien sowie die vollständige Anerkennung der UNO-Kinderrechte.

Wir fordern den Bundesrat und den Bundestag auf, sich auf ein großzügiges Bleiberecht zu verständigen und die UNO-Kinderrechte vorbehaltlos umzusetzen. www.hier.geblieben.net

UnterstützerInnen: Hier Geblieben! – Aktionsprogramm; Flüchtlingsrat Berlin; GRIPS Theater Berlin; BBZ - Beratungs- und Betreuungszentrum für Junge Flüchtlinge und Migranten; PRO ASYL; Internationale Liga für Menschenrechte; JOG (Jugendliche ohne Grenzen); Alafia e.V.; Al - Nadi / Treffpunkt und Beratungsstelle für arabische Frauen; Antidiskriminierungsbüro (ADB) Berlin; ARA-BERLIN JUGENDRADIO; Asyl in der Kirche/Berlin; Bündnis kritischer Pädagogen; Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO); Diakonisches Werk Neukölln/Oberspree; Frauenrechtsbüro e.V., Gesellschaft für berufsvorbereitende Maßnahmen / GFBM; Humanistische Union e.V., Landesverband Berlin; Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit / Berliner Gruppe; pax christi (Bistum Berlin); Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V., NIKE Polnische Frauen in Wirtschaft und Kultur e.V.; Palästi­nensische Gemeinde Berlin-Brandenburg e.V.; Rechtsanwaltskanzlei Reimann, Ostrop, & Jentsch; Remix-Club Berlin e.V.; Schule ohne Rassismus - Aktion Courage; Verein Iranischer Flüchtlinge e.V.; Wege ins Leben e.V. - Internationales Jugendwohnen in Berlin

 

Rechtshilfefonds für Abschiebungshäftlinge in Berlin und Brandenburg

Was bewirkt er? Wem nutzt er? Auswertung der ersten sechs Monate

Zehn Organisationen und kirchliche Stellen haben im Juni 2005 einen Rechtshilfefonds für Abschie­bungshäftlinge in Berlin und Brandenburg ins Leben gerufen: Asyl in der Kirche e. V. Berlin, Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg, Internationale Liga für Menschenrechte, Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e. V., Initiative gegen Abschiebehaft, Pax Christi, Erzbistum Berlin, Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin, der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland.

Aus diesem Fonds werden Abschiebungshäftlinge unterstützt, in deren Fall ungerechte Entscheidungen und besondere Härten sichtbar werden. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst verwaltet den Fonds und kann zumindest einem Teil der Abschiebehäftlinge, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden, Anwaltshonorare finanzieren. Eine Finanzierung von Anwaltskosten kommt in Frage bei Häftlingen ab einer Haftdauer von drei Monaten, bei Jugendlichen und in rechtlich schwierigen Fällen, wenn keine Eigenmittel der Betroffenen vorhanden sind und Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsmittel besteht.

Situation in der Abschiebungshaft: Von Abschiebungshaft betroffen waren in Berlin im Jahr 2005 rund 2000 Personen, wobei die Zahl in den letzten Jahren zurückging, während die Verweildauer der Inhaftierten anstieg. In Eisenhüttenstadt werden jährlich um die 500 Personen in Abschiebungshaft genommen. Etwa vierzig Prozent aller Inhaftierten in Berlin und knapp 20 Pro­zent in Eisenhüttenstadt kommen wieder auf freien Fuß – viele von ihnen jedoch erst nach monatelangen Haftzeiten. Diese Entwicklung ist vor allem dadurch zu erklären, dass Staatsangehörige aus Ländern inhaftiert werden, bei denen eine Abschiebung aufgrund der langen Bearbeitungszeiten seitens der Heimatbotschaften von vornherein nahezu aussichtslos erscheint.

Ziele: Der Rechtshilfefonds für Abschiebungshäftlinge in Berlin und Brandenburg ist wegen der verzweifelten Situation, in der sich die Menschen befinden und der Tatsache, dass aufgrund der Fristen schnell gehandelt werden muss, unbedingt notwendig. Er dient dazu, den Inhaftierten den im Grundgesetz verankerten Rechtsweg zu garantieren und somit die Verhängung von Abschiebungshaft zu überprüfen oder andere asyl-oder ausländerrechtliche Schritte einzuleiten. Außerdem geht es darum, behördlicher Willkür entgegenzuwirken. Neben der konkreten Hilfe im Einzelfall sowie der Förderung von Musterentscheidungen soll der Fonds auch dazu beitragen, dass das Problem der fehlenden Rechtshilfe für Abschiebungshäftlinge in Politik und Gesellschaft besser wahrgenommen wird. Ziel ist ebenso die Sensibilisierung der beteiligten Behörden und Gerichte. Langfristig streben die den Rechtshilfefonds tragenden Organisationen eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen dahingehend an, dass Abschiebungshaft eine Dauer von drei Monaten nicht überschreiten darf. Dabei bleiben die grundsätzlichen Positionen der Organisationen zum Institut der Abschiebungshaft selbst unberührt. Mittelfristig fordern wir, dass den Betroffenen ab drei Monaten Haftzeit ein Pflichtanwalt zur Seite gestellt wird. Dies würde ebenfalls eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen voraussetzen. Alternativ drängen wir auf die Einrichtung eines länderfinanzierten Rechtshilfefonds.

Bilanz für das vergangene Halbjahr: Seit der Initiierung im Juni wurden bis Ende Dezember 2005 EUR 4621,-an Spenden in den Rechtshilfefonds einbezahlt. Mit Mitteln aus dem Fonds konnten in diesem Zeitraum (Juli bis Dezember 2005) in 30 Fällen Anwaltshonorare finanziert werden. Dabei wurden 10 Rechtsanwaltskanzleien mit der Vertretung beauftragt. Nur in wenigen Fällen konnte ein Teil der Kosten durch erstrittene Prozesskostenhilfe wieder hereingeholt werden.

30 Personen wurde Rechtshilfe geleistet:

.          • 11 Personen wurden entlassen

.          • 10 Personen befinden sich noch in Haft

.             8 Personen wurden abgeschoben

.             1 Person streitet für seine Duldung

Gründe für Entlassungen Anzahl der Personen:

.          • Kein Verlängerungsantrag durch die Ausländerbehörden nach 3, 6 oder 12 Monaten

.          • 4-Wochenfrist des § 14 AsylVG 3

.          • Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie)

.          • Aufhebung des Haftbeschlusses durch das Land-oder Kammergericht

Veranlassung der Entlassung vor Haftende durch die Ausländerbehörde. Eine relativ hohe Anzahl von Personen wurde entlassen, weil die zuständigen Ausländerbehörden keinen Verlängerungsantrag mehr gestellt haben. Wenn auch nicht im Einzelnen nachweisbar, so ist dies in etlichen Fällen ein Ergebnis des anwaltlichen Engagements, da bei einer weiteren Verlängerung mit sofortigen Haftbeschwerden gerechnet worden wäre, die zu einer erneuten Überprüfung durch die Gerichte und zur Aufhebung der Haftentscheidungen geführt hätten.

Musterentscheidungen: Mit dem Rechtshilfefonds streben wir auch Musterentscheidungen an, wie sie der JRS bereits im Juni 2004 beim Landgericht Berlin nach 11 Wochen erreicht hatte. Eine Anwältin hatte das Mandat für zwei direkt nach ihre Einreise inhaftierte Pakistani übernommen und erwirkte schließlich, dass die Inhaftierung von passlosen pakistanischen Staatsangehörigen aus Verhältnismäßigkeitsgründen zukünftig untersagt ist. „Die überragende Bedeutung der verfassungsrechtlich garantierten persönlichen Freiheit zwingt zu dieser Ermessensentscheidung“, heißt es am Ende des Beschlusses. Erfreulich ist außerdem die Anordnung, dass die außergerichtlichen Kosten (also die Anwaltskosten) dieses Verfahrens nachträglich von der Ausländerbehörde zu übernehmen sind. Eine ähnliche Entscheidung auf Berliner Ebene hatten die Anwältin und der JRS bereits im September 2003 für passlose indische Staatsangehörige erstritten. Dasselbe versuchen wir derzeit für Chinesen zu erreichen. Seit Jahren ist eine Passbeschaffung für China innerhalb der Haftzeiten aussichtslos. Deshalb wollen wir hier eine ähnliche Musterentscheidung erzielen.

Drei Fallbeispiele (Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die summarische Auswertung des Rechtshilfefonds, vgl. die angehängte Tabelle):

Minderjähriger in Abschiebehaft (4)

Zwei Monate musste ein jugendlicher Chinese in Abschiebungshaft sitzen. Und das obwohl zuvor das Kammergericht in einem Musterfall entschieden hatte, dass die Inhaftierung von Jugendliche nur als allerletzte Maßnahme angewendet werden darf. Er war mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland eingereist und wurde kurz nach seiner Ankunft zusammen mit anderen Chinesen in einer Wohnung festgenommen. Seine eigene Altersangabe glaubte ihm die Ausländerbehörde nicht. Einen Dolmetscher lehnte das Gericht ab. Sein jugendliches Alter wurde bei einer medizinischen Altersfeststellung bestätigt. Der Chinese musste entlassen werden.

Lange Haftzeiten, weil Dolmetscher fehlen (8)

Neun Monate musste ein Russe in Abschiebehaft absitzen, bevor die Ausländerbehörde den Haftantrag zurückzog. In Befragungen seitens des Ausländerbehörde war kein Dolmetscher eingesetzt worden, sodass der Mann unvollständige Angaben machte, weil er gar nicht verstand, was man von ihm wollte.

Abschiebung eines Libanesen nach Afrika (25)

Ein Libanese sitzt derzeit in Abschiebungshaft und soll nach Niger abgeschoben werden. Die Bundespolizei hält einen bei ihm gefundenen gut gefälschten nigrischen Pass für echt. Die libanesische Botschaft hat zwar inzwischen bestätigt, dass der Betroffene wahrscheinlich Libanese ist – nicht zuletzt weil ihr echte Personaldokumente vorliegen, Reisepapiere wurden bisher jedoch noch keine ausgestellt, was vermutlich an der langwierigen Überprüfung im Heimatland liegt. Eine erste Abschiebung nach Niger konnte bislang nur durch einen Asylantrag verhindert werden. Die Ausländerbehörde hat angekündigt, dass bei Ablehnung des Antrages – sofern dann noch keine Reisepapiere aus dem Libanon vorliegen – die Abschiebung nach Niger erfolgen wird.

Schlussbemerkung: Mit der Bilanz des Rechtshilfefonds in den ersten sechs Monaten seit der Unterzeichnung des Aufrufes durch die beteiligten Organisationen sind wir sehr zufrieden. Aber natürlich kann dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Unser Ziel ist eine Unterstützung von wenigstens 10 Prozent der Inhaftierten in Berlin und Brandenburg – das wären etwa 250 Personen jährlich. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt der Rechtshilfefonds weitere Spenden in größerem Umfang. Dazu brauchen wir die Hilfe von weiteren gemeinnützigen Organisationen, aber auch von öffentlichen und privaten Stiftungen sowie Unternehmen und Privatspendern. Deshalb bitten wir Sie hiermit um Ihre Unterstützung für den Rechtshilfefonds für Abschiebungshäftlinge in Berlin und Brandenburg:

Spendenkonto 6000401020 Jesuiten-Flüchtlingsdienst Pax Bank, BLZ 37060193 Stichwort „Rechtshilfefonds“ Berlin, 10.01.2006 Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland.

 

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Zum Tod von Carola Stern

1988 gab der Antifaschistische Ausschuss der Liga aus Anlass der 50. Wiederkehr des Todestages Carl von Ossietzkys einen Sammelband „... gegen den Strom.../in memoriam Carl von Ossietzky" heraus mit Beiträgen, die wir von allen noch lebenden Medaillenempfängern und –empfängerin­nen erbeten hatten. Carola Stern beendete ihren Text so: "Wir empfinden tiefes Mitgefühl mit dem Geschundenen an der KZ-Wand. Wir möchten ihm helfen, ihn beschützen, Solidarität beweisen. Ossietzky können wir nicht mehr helfen. Wenden wir uns, auf ihn blickend, den politischen Gefangenen von heute zu. Das sagt uns doch dieses Bild (Ossietzky im KZ vor dem SS‑Mann) zu allererst: Menschen, laßt nicht zu, daß Menschen so erniedrigt werden. Seid nicht gleichgültig. Wendet euch nicht ab. Bleibt nicht stumm. Helft jenen, die um ihrer Überzeugung willen verfolgt, gequält, ermordet werden."

Carola Stern, der Rolf Gössner noch im letzten November im Namen der Internationalen Liga für Menschenrechte zum 80. Geburtstag gratuliert hatte, starb nun, wie es in der Presse hieß, nach kurzer schwerer Krankheit. Sie wurde 1972 als Gründerin der Deutschen Sektion von amnesty international mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille geehrt. Wir haben wieder eines unserer treuen Mitglieder verloren. Im Sinne ihrer Worte von 1988 wird die Liga weiter ge­meinsam mit anderen Organisationen gegen Menschenrechtsverletzun­gen kämpfen.                                                                                        Eleonore Kujawa

Annemarie Friedrich

Manche werden sich noch an die lebhafte Rede erinnern, die Annemarie Friedrich als „Großmutter der FREIen HEIDe“ anlässlich der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2003 an die Bürgerinitiative „FREIe HEIDe“ im Haus der Kulturen der Welt gehalten hat. Ende 2005 ist sie gestorben. Wir wünschen den Aktivistinnen und Aktivisten der FREIen HEIDde weiterhin einen langen Atem in ihrem Engagement für den Frieden und für eine ausschließlich zivile und friedliche Nutzung der Kyritz-Rup­piner Heide – eine Ausdauer, die sie in ihrer jahrelangen Arbeit längst bewiesen haben und den sie in den aktuellen Auseinandersetzungen dringend werden gebrauchen können. (R.G.)

 Termine–Veranstaltungen

Jeden letzten Donnerstag im Monat findet jeweils um 19 Uhr im Haus der Demokratie u. Menschenrechte Berlin, Robert-Havemann-Saal, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, eine

„Republikanische Vesper“

statt – mit Käse/Brot -Wein/Wasser.

Veranstalter:

Ossietzky“ , Internationale Liga für Menschenrechte, Humanistische Union

Am 30. März 2005, 19 Uhr

Abhören, orten, fahnden – die weiteren Funktionen des Handys, mit Frank Rieger vom Chaos Computer Club, RA Martin Lemke.

Am 27. April 2006, 19 Uhr

 „Sozialabbau und Arbeitslosigkeit“.

Republikanische Vespern...

Die Republikanische Vesper ist eine von der Redaktion von Ossietzky, der Humanistischen Union, dem Republikanischen Anwaltsverein und der Liga getragene Veranstaltungsreihe, die jeweils am letzten Donnerstag des Monats um 19 Uhr im Haus der Demokratie stattfindet. Sie verdient weit größere Aufmerksamkeit.

Im Januar 2006 beschäftigte sie sich etwa mit Thema: „Wie weit sind deutsche Dienst an Kriegsverbrechen und Folter beteiligt?“ U.a. mit dem Anwalt des von der CIA entführten und in Afghanistan gefolterten deutschen Staatsan­gehörigen Khaled El Masri.

 

...und andere Veranstaltungen mit der Liga

Im Februar 2006 haben wir zusammen mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie und kurdischen Gruppen eine Veranstaltung zu folgenden Thema organisiert:

„Die Politik des rechtsfreien Raumes als neue Unterdrückungsform“

Im Zuge des weltweiten „Antiterrorkampfes“ entstehen mehr und mehr Inseln des Unrechts – Rechtsfreie Räume staatlicher Willkür wie etwa in US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba oder auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer. In diesem abgeschotteten Arealen entwickeln sich neue Formen von politischer Unterdrückung; hier verletzen einzelne Staaten das internationale Recht auf systematische Weise, hier werden Menschen rechtlos gestellt und isoliert, hier sind sie der Willkür ihrer Peiniger ausgeliefert, hier werden sie gedemütigt, misshandelt und gefoltert – menschenrechtswidrige Begleiterscheinungen bei der Verfolgung von globalen wirtschaftlichen, militärischen und politischen Interessen der handelnden Staaten.

Die universale Gültigkeit der allgemein anerkannten Menschenrechte steht auf dem Spiel – das zeigt sich auch deutlich im Umgang mit Folteraussagen und in der Debatte um Zulässigkeit und Outsourcing von Folter.

Mit unserer Informationsveranstaltung wollen wir Aufklärungsarbeit leisten über Hintergründe, Ziele und konkrete Umsetzung der „Politik des Rechtsfreien Raums“ als wesentlichem Bestandteil des staatlichen „Antiterrorkampfes“. Wir wollen Antworten auf die Fragen finden: Auf welche Weise und mit welchem Ziel wird internationales Recht auf Guantanamo von den USA außer Kraft gesetzt? Wie und warum wird die Europäische Menschenrechtskonvention auf der Gefängnisinsel Imrali vom EU-Kandidatenstaat Türkei systematisch verletzt? Wie steht es um den Rechtsschutz für die Betroffenen, um rechtliches Gehör und das Recht auf Verteidigung? Vor allem aber: Wie kann diesem extralegalen „Ausnahmezustand“ begegnet werden und wie lässt sich universales Menschen- und Völkerrecht vor politisch motiviertem, systematischem Missbrauch wirkungsvoller schützen?

Referenten waren:
der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolf Dieter Narr, der kurdische Anwalt Mah­mut Sakar und für die Liga Rolf Gössner.

Veranstaltungen mit Rolf Gössner (Auswahl)

März – Juli 2006

25.03.06, 09:30 - 17 h bei Hannover: Demonstrationsrecht, VVN Niedersachsen

09.05.06, 20 h in Potsdam: Die vergessenen Justiz- opfer des Kalten Kriegs, Veranstalter: HochVier e.V., Landeszentrale für politische Bildung

30.06.06, ab 14 h in Düsseldorf: Universität Fußball-WM und innere Sicherheit, AStA Uni Düsseldorf

 

Ausstellungen/Gedenkstätten

Gedenkstätte und Museum Sachenhausen

Tägl. geöffnet 8.30–16.30 Uhr, Museum montags geschlossen.

Ausstellung open air an der Mauer von Station Z „Mord und Massenmord im KZ Sachsenhausen“

Wenn man 60 Jahre nach Beendigung des Krieges am Tag der Befreiung erlebt, dass eine erstmalige Geste öffentlichen Gedenkens an nahestehende Menschenschicksale erinnert, die bisher ignoriert geblieben sind, dann ist man persönlich sehr berührt. Umso befremdlicher, Daten und Quellen fehlerhaft und eine bemerkenswert entpolitisiert umgepolte, zum Teil falsche Darstellung vorzufinden.

Es ist dies, hoffe ich, die einzige Unstimmigkeit in der unendlichen Kette von Morden und Tötungen, die an der Mauer an Einzelschicksalen und Massenmorden, wie die an zigtausend sowjetischen Kriegsgefangenen zu sehen sind. Es ist viel zu lesen, so empfiehlt sich der Vormittag zum Besuch, wenn die Mauer in vollem Tageslicht steht, und anders als in der „Topographie des Terrors“ gibt es hier keinen Regenschutz.

„Station Z“ ─ neu gestaltet: von weitem wie eine Kaaba, weiß statt schwarz, ein Riesenwürfel, ein Provisorium aus Plaste und Elaste über einem Holzgerüst? Nein, in mehreren Sprachen war auch den internationalen Veteranen, den Gästen am Befreiungstag zu erklären: dies ist kein Provisorium, dies ist die Gedenkstätte, Ausdruck unserer Zeit, billig wie ein Bierzelt, Fischmarktgroßhalle, Gott sei Dank kein Beton...

Bei einem verregneten Besuch knatterten die Plaste­planen wie das Großsegel nach dem Mastbruch, Stromkabel und Fetzen hingen, oben kletterten Männer und reparierten. Eine mächtige Pfütze stand um den Sockel der Skulptur, die Verbrennungsöfen ein entfernes Gestänge. Kein Bedrohungsgefühl mehr wie in der früheren Räumlichkeit mit weitem Blick ins Freie. Am Geländer ordentlich und deutsch die Bauzeichnung, im Halbdunkel suchen die Augen die Linien der Genickschussanlage. Draußen wollten sich zwei Alte auf die Steinbank setzten, aber das war ein Sarkophag. Die Bänke an der Mauer sehen fast genauso aus.

Topographie des Terrors

Im Lichthof des Gropius – Baus, Niederkirchnerstr. 7:

Ausstellung aller Wettbewerbsarbeiten 10.03.-17.04.06 - Mittwoch bis Montag 10 bis 20 Uhr

Nach dem Desaster des nicht baubaren Zumthor-Ent­wurfs darf man die Hoffnung hegen, dass zwischen Betonwüsten Speerschen Ausmaßes und Plaste- & Elastegroßmarkthalle doch ein zweckorientiertes, freundlich uneitles Gehäuse gelingen könnte. Der raue Charme und die Wirkung des Provisoriums über den Küchenkellern ist leider unwiederbringlich.

Der nationalsozialistische Völkermord  an Sinti und Roma

Eine Ausstellung des Heidelberger Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma

Landesarchiv Berlin, Eichborndamm 115-121 in Reinickendorf, geöffnet bis 13.April jeweils Dienstag und Donnerstag von 9 bis 18 Uhr, Montag und Freitag von 9 bis 15 Uhr, Eintritt frei.

Etwa 500.000 Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet. Ihre Ausgrenzung und Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung wird in Dokumenten und Fotos der Täter, in Zeugnissen und Berichten der Opfer, in alten Familienbildern und persönlichen Berichten von Überlebenden vermittelt.                                                                                                Marianne Reiff-Hundt

 Literaturhinweise

Dokumentationen zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2003 an die BI „Freie Heide“ und Dr. Gerit von Leitner sowie 2004 an Percy MacLean, Esther Bejarano, Peter Gingold und Martin Löwenberg sind über das Liga-Büro zu erhalten - mit den Eröffnungsreden, den Laudationes und Dankesreden. Die Dokumentation der Medaillen-Verleihung 2005 ist in Arbeit.

Zu beziehen über: Liga-Büro.

Bürger-/Menschenrechte/Überwachungsgesellschaft/ Migration/Asyl und EU/Krieg und Frieden

Biermann/Klönne, Kapital-Verbrechen. Kriminalgeschichte des Kapitalismus, Köln 2005

Klönne/Kreutz/Meyer, Es geht anders! Alternativen zur Sozialdemontage, akt. Neuauflage 2005

Christiane Schulzki-Haddouti, Im Netz der inneren Sicherheit. Die neuen Methoden der Überwachung, Hamburg 2004

Tobias Singlnstein/Peer Stolle, Die Sicherheitsgesellschaft. Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert, Wiesbaden 2006

Thomas Kunz, Der Sicherheitsdiskurs. Die innere Sicherheitspolitik und ihre Kritik, Bielefeld 2005

Olaf Arndt, Demonen. Zur Mythologie der inneren Sicherheit, Hamburg 2005

Elmar Theveßen, Terror-Alarm. Deutschland und die islamistische Bedrohung, Berlin 2005

McCoy, Foltern und foltern lassen. 50 Jahr Folterforschung und –praxis von CIA und US-Militär, Ffm 2005

Maria Mies, Krieg ohne Grenzen. Die neue Kolonisierung der Welt, Köln 2005

Michael Byers, Kriegsrecht., Berlin 2005

Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung (Hg.), Am Hindukusch und anderswo. Die Bundeswehr, Köln 2005

James Risen, State of War. Die geheime Geschichte der CIA und der Bush-Administration, HH 2006

Komitee für Grundrechte und Demokratie, Von der Pflicht zum Frieden und der Freiheit zum Ungehorsam, Köln 2006

Karl Heinz Roth, Der Zustand der Welt. Gegen-Per­spektiven, Hamburg 2005

Rumpf/Gerhard/Jansen (Hg.), Facetten islamischer Welten. Geschlechterordnung, Frauen- und Menschenrechte in der Diskussion, Bielefeld 2003

Georg Classen, Dokumente zur aktuellen Debatte um eine Bleiberechtsregelung, Flüchtlingsrat Berlin, Februar 2006, www.fluechtlingsrat-berlin.de

Jürgen Gottschlich, Die Türkei auf dem Weg nach Europa. Ein Land im Aufbruch, Berlin 2004

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Veröffentlichungen/Interviews von Rolf Gössner (Auswahl seit Nov.  2005 – März 2006)

BigBrotherAwards-Laudatio auf Otto Schily, Bundesinnenminister a.D., in: DATENSCHUTZ-NACH­RICHTEN 4/2005, S. 4 ff.

Kleinert, BigBrotherAwards 2005 an Schnüffler verliehen. Preisträger: Otto Schily und DFB mit Franz Beckenbauer, in: NEUE RHEINISCHE ZEITUNG v. 2.11.2005

Protest wegen Strafverfahren gegen Eren Keskin in Istanbul, NEUE RHEINISCHE ZEITUNG 10.11.05

Schilys staatsautoritäres Erbe. Innere Sicherheit: Große Koalition tritt in die Fußstapfen des abtretenden Innenministers, in: FREITAG vom 18.11.2005.

Zivilcourage gegen staatliches Unrecht, in: OSSIETZ­KY 25/2005, S. 909 ff.

Das unheimliche Auge. Foltervorwürfe, Geheimflüge, der Fall El Masri – die schwierige Kontrolle der Geheimdienste, in: LÜBECKER NACHRICHTEN vom 8.12.2005, S. 3.

Schäubles Horrorliste, in: FREITAG vom 23.12.2005

Neue Sicherheitsarchitektur? In: areal. Zeitschrift für kritisches denken und selbstbestimmtes handeln Nr. 10/2005, S. 9 f.

Überwachung ohne Grenzen. Zur Entwicklung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems. Interview mit Dr. Rolf Gössner, in: Junge Linke (Köln), Ja sicher,... schon klar! Ein Magazin zum Thema Sicherheitswahn, Köln 2005.

Minister bedient sich am „Arsenal von Diktaturen“. Interview mit Dr. Gössner, in: tz-München 17.12.05.

Schäubles Horrorliste, Interview auf Nordwestradio (RADIO BREMEN/NDR) 17.12.05, 8:30 h, auf RADIO LORA, München, 03.01.2006.

BGH-Prozessbeobachtung „Grundrechte am Flughafen außer Betrieb?“, Interview RADIO LORA 18.1.06

Sand im Getriebe unerwünscht, in: FREITAG v. 27.01.2006; NEUE RHEINISCHE ZEITUNG 2/06

Verfassungsverteidiger gegen Verfassungsschutz, Interview auf RADIO LORA, München, 21.02.2006; RADIO UNERHÖRT Marburg 22.02.2006

Berufsverbotsverhandlung - Prozessbeobachtung, in: RTV-Karlsruhe 10.03.2006; RADIO LORA.

 

 Notizen und Hinweise

Unsere Liga-Website ist noch im Umbau begriffen: www.ilmr.de

Impressum

Liga-Report - Informationsbrief der Internationalen Liga für Menschenrechte,

Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, Tel. 030 – 396 21 22; Fax 030 – 396 21 47;

Mail: vorstand@ilmr.org; Internet: www.ilmr.de

Redaktion 1/2006: Dr. Rolf Gössner, Kilian Stein. Mitarbeit: Lore Kujawa, Mila Mossafer, Marianne Reiff-Hundt.

ViSdP: Kilian Stein.

Spenden bitte an: Bank für Sozialwirtschaft, Konto 33 17 100; BLZ 100 205 00