- Report 1/2004
Informationsbrief der INTERNATIONALEN LIGA FÜR MENSCHENRECHTE
Berlin, im März 2004
An die Mitglieder
und Freunde der
„Internationalen Liga für Menschenrechte“
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!
Sie
erhalten heute die erste Nummer des LIGA-REPORTs im Jahr 2004 – es ist die
dritte Ausgabe seit meiner Wahl zum Liga-Präsidenten im März 2003. Fast ein
Jahr ist seitdem vergangen. Die wieder eingeführten Informationsbriefe sollen
Spiegel unserer Aktivitäten und inhaltlichen Positionen zu bürger- und
menschenrechtlich relevanten Themen sein. Insofern können sie auch als eine Art
Rechenschaftsbericht über die Liga-Arbeit gelesen werden. In den Berichten kann
zudem die Entwicklung bestimmter Aktivitäten verfolgt werden, wie jene im
Zusammenhang mit der „Folterdebatte“ (s. Beitrag von Kilian Stein und
Presseerklärung von 7 Bürgerrechtsorganisationen), dem
Israel-Palästina-Konflikt (s. Solidaritätserklärung für israelische Piloten,
Mauerbau), den „Nachwehen“ des Irak-Kriegs (Irak-Tribunal, Volksmudjahedin)
oder den Menschenrechtsverletzungen im Iran (s. Veranstaltungsbesprechung).
Wie
Sie feststellen werden, haben wir auch „heiße Eisen“ nicht gescheut – so etwa
mit unserer Stellungnahme zu Polizeiübergriffen auf MigrantInnen und zu den
katastrophalen Arbeitsbedingungen von marokkanischen Landarbeitern in der Gemüseproduktion
Andalusiens; oder unsere menschenrechtlich motivierte Warnung vor einer
Auslieferung der iranischen Volksmudjahedin im Irak an den Iran oder gegen die
leidige Verbotsdebatte im Kopftuchstreit. Die mediale Resonanz war recht unterschiedlich.
Bezüglich des letztgenannten Themas gibt es auch innerhalb der Liga
unterschiedliche Positionen, die wir während der letzten Vorstandssitzung
debattiert haben.
Herausragendes Ereignis seit dem letzten
LIGA-REPORT war die feierliche Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille im
Haus der Kulturen der Welt in Berlin. (Fortsetzung
S. 2)
Einleitung....................................................................1
Im Geiste Carl von Ossietzkys.
Zur Verleihung
der Ossietzky-Medaille (von Rolf Gössner) ...............2
Foltervorwurf: Anklage gegen
Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner (Kilian
Stein)..............................4
Israel-Palästina-Konflikt:
Solidaritätserklärung für
israelische Piloten ...........4
„Jüdische Stimme für gerechten Frieden
in Nahost“ (EJJP Deutschland) stellte
sich vor..........6
Aktion gegen Mauerbau in Palästina......................6
EJJP: Die „Trennungsmauer“ ist
inhuman“.........8
EJJP-Brief an den dt. Außenminister..........................9
Liga-Presseerklärungen (Jan. – Febr. 2004)...........10
>
Polizeiübergriffe auf Migranten ............................10
>
Verfassungswidriges Kopftuchverbot....................10
> Skandalöse
Arbeitsbedingungen marokkan.
Landarbeiter in der
Gemüseproduktion.... .............11
> Zum Tod von Hans
Lisken.....................................12
> Keine Zwangsauslieferung
von Volksmudjahedin in den
Iran...........................12
> Foltervorwurf: Anklage
gegen Polizeivize ............13
> Schlussstrich unter die
Vergangenheit? .................13
Iran: Gedenkveranstaltung für
Zahra Kazmi............13
Redebeitrag von Aliyeh Yegane................................14
Irak-Tribunal (Kilian Stein)
...................................15
Menschenrechte + Demokratie in der Türkei
Rolf Gössner im Gespräch mit E.
Alicpinar..............16
„Zwinger-Käfige“ im Strafvollzug
Parlamentarische Anfrage und
Antwort ...................17
Vom Ende der Vertraulichkeit (R.
Gössner)..........18
Termine/Veranstaltungen/Literatur-
und sonstige Hinweise ab...........................................20
Impressum
.................................................................23
Wie Sie wissen, hat die Liga im Dezember 2003
die Publizistin Gerit von Leitner sowie die Bürgerinitiative Freie Heide mit
der Medaille ausgezeichnet (s. den zusammenfassenden Bericht gleich im
Anschluss).
Zu Ihrer Information haben wir am Ende noch ein
Interview mit der kurdischen Zeitung „Özgür Politika“ zur Situation der Menschenrechte
in der Türkei sowie einen Aufsatz aus der Zeitschrift „Computerwoche“ über die
besorgniserregende Entwicklung der Telekommunikationsüberwachung nachgedruckt.
Wie jedes Mal, so bitte ich Sie auch heute
eindringlich, die Liga – wenn es irgend machbar ist – tatkräftig und mit
Spenden zu unterstützen, weil eine aktive und unabhängige
Menschenrechtsvereinigung nun mal recht kostspielig ist.
Ihnen und der Liga eine produktive und
erfolgreiche Zeit im Kampf um die Menschenrechte.
Mit herzlichen Grüßen
Für direkte Kontakte: Email: goessner@uni-bremen.de, Internet: www.rolf-goessner.de
===================================
Rolf
Gössner
Im Geiste Carl von Ossietzkys
Zur
Verleihung der Ossietzky-Medaille 2003
Aus den zahlreichen Preisen, die jährlich in der
Bundesrepublik vergeben werden, ragt eine Auszeichnung besonders heraus: die
Carl-von-Ossietzky-Medaille. Sie wird von der „Internationalen Liga für
Menschenrechte“ in Berlin seit über 40 Jahren zum Tag der Menschenrechte
verliehen. Es ist eine Auszeichnung für widerständiges politisches Engagement,
für Zivilcourage und kritische Aufklärung – eine Auszeichnung, wie sie Mitte
Dezember 2003 wieder im „Haus der Kulturen der Welt“ an Personen und Gruppen verliehen
worden ist, die sich um Verteidigung, Durchsetzung und Fortentwicklung der
Menschenrechte und des Friedens besonders verdient gemacht haben. In den
vergangenen Jahren gehörten zu den Ausgezeichneten Hannes Heer und das Team der
Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“, die Richter und
Staatsanwälte für den Frieden, die Samstags-Frauen von Istanbul, Asyl in der
Kirche und les Collectifs des Sans Papiers. Im Kriegsjahr 2003 hat sich die
Liga gleich für zwei Preisträgerinnen entschieden: für die Historikerin und
Publizistin Gerit von Leitner aus Berlin sowie die Bürgerinitiative „Freie
Heide“ aus Brandenburg. Das Kriegsjahr 2003 war auch ein Jahr der
Massenproteste gegen diesen Krieg. Und gerade vor diesem Hintergrund wollte die
Liga mit ihrer Auswahl der Preisträger ein friedenspolitisches Zeichen setzen.
Gerit von Leitner wurde mit der
Ossietzky-Medaille geehrt, weil sie in ihren Publikationen die individuelle
Verantwortung von Wissenschaftlern einklagt, die Mittel zur Kriegsführung
entwickeln und bereitstellen. Sie appelliert an ihre spezielle Verantwortung
für den Frieden. Und sie erinnert an Schicksale von mutigen Frauen im
Wissenschaftsbetrieb, die sich dieser Verantwortung stellten, für eine humane
Wissenschaft kämpften und sich dem Militarismus in der Gesellschaft energisch
widersetzten.
So werden wir in ihrem Buch „Der Fall
Clara Immerwahr“ mit dem Schicksal einer jüdischen Wissenschaftlerin Anfang des
vorigen Jahrhunderts konfrontiert. Clara Immerwahr war die Frau des Nobelpreisträgers
und Kriegsverbrechers Fritz Haber, dessen Forschungen über die Ammoniaksynthese
einerseits dem Wohle der Landwirtschaft diente, aber auch der Kriegswirtschaft.
Seine Frau, die in ihrer Arbeit als Chemikerin hinter ihrem Mann zurückzustehen
hatte, musste miterleben, wie ihr Mann ein mörderisches Giftgas entwickelte, eine
chemische Waffe, die im Ersten Weltkrieg an den Kriegsfronten mit verheerenden
Folgen eingesetzt wurde. Haber hatte den völkerrechtswidrigen Einsatz von
Giftgas selbst angeregt. Seine Frau protestierte in aller Öffentlichkeit gegen
diesen Missbrauch der Wissenschaft – aber sie konnte ihn letztlich nicht
verhindern. Sie wurde von Haber deshalb als Vaterlandsverräterin gebrandmarkt
und in den Selbstmord getrieben.
Gerit von Leitner hat das Schicksal Clara Immerwahrs
aus der Vergessenheit zurückgeholt. Sie zeichnet das Bild einer emanzipierten
Frau nach, die an die Verantwortung der Naturwissenschaftler für den Frieden
appelliert und gegen die Bedrohung der menschlichen Lebensgrundlagen gekämpft
hatte. So vermittelt sie, wie es Eberhard Radczuweit in seiner Laudatio formuliert,
„Erkenntnisse über die Perversion menschlichen Erfindergeistes im
Zusammenspiel mit wirtschaftlichen und politischen Interessen“.
Erst 1925 wird mit dem Genfer Giftgasprotokoll
der Einsatz biologischer und chemischer Waffen geächtet – gleichwohl wurden
solche Waffen weiterhin eingesetzt, erinnert sei nur an den US-Einsatz von
Napalm und Agent-Orange in Vietnam oder an das Giftgas-Massaker des
Saddam-Regimes gegen Kurden in Halabja. Obwohl schon Entwicklung, Produktion und
Lagerung solcher Waffen nach der Chemiewaffenkonvention von 1997 verboten sind,
werden sie immer noch produziert – nicht nur von Schurkenstaaten. Erst zu
Beginn diesen Jahres hat sich die US-Armee eine neuartige Granate patentieren
lassen, mit der unter anderem biologische und chemische Kampfstoffe versprüht
werden können. Und die US-Armee wurde kürzlich wegen ihres Kampfes gegen den
Terror von lästigen Umweltschutzauflagen befreit, so dass sie Reste ihrer
Chemiewaffen nicht zu entsorgen braucht, die Luft stärker verschmutzen und die
Meere mit Sonar-Frequenzen verseuchen darf, die Navigation und Kommunikation
von Walen und Delphinen stören.
Vor diesem aktuellen Hintergrund leistet
Gerit von Leitner mit ihren Publikationen eine Erinnerungsarbeit, die gerade in
heutiger Zeit wieder von höchstem Interesse ist, insbesondere für Menschen, die
sich dem Kriegs- und Rüstungswahnsinn individuell oder kollektiv
entgegenstemmen. Und damit ist nicht zuletzt die andere Preisträgerin gemeint:
Denn die Bürgerinitiative "Freie Heide" wehrt sich seit Jahren
kollektiv gegen die weitere militärische Nutzung des sogenannten Bombodroms –
eines über 140 Quadratkilometer großen Areals in der Kyritz-Ruppiner Heide bei
Wittstock in Brandenburg. Dieses Areal, etwa hundert Kilometer von Berlin
entfernt, hatte der sowjetischen Roten Armee vierzig Jahre als Schieß- und
Bombenabwurfgelände gedient und soll nach dem Willen der Bundesregierung
künftig für die deutsche Luftwaffe und die gesamte NATO die gleiche Funktion
erfüllen. Es wäre der größte Luft-Boden-Schießplatz in der Bundesrepublik und
europaweit.
Bislang scheiterten die Verteidigungsminister von
Volker Rühe bis Peter Struck immer wieder am Widerstand der Anwohner und an den
Feinheiten des Verwaltungsrechts. Obwohl mehrere Anliegergemeinden,
Naturschutzverbände und Hoteliers gegen die Inbetriebnahme geklagt hatten,
ordnete Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD), einst Befürworter einer
zivilen Nutzung, im Sommer 2003 den sofortigen Vollzug der militärischen
Nutzung an. Einstweilige Verfügungen haben die Inbetriebnahme bislang noch
verhindern können.
Die 1992 gegründete Bürgerinitiative stellt
sich, nunmehr schon elf Jahre lang, der militärischen Nutzung des Geländes entgegen.
Sie betreibt nicht nur den Schutz von Natur und Umwelt, sondern leistet Widerstand
gegen den modernen Bombenkrieg, gegen die systematische Ausbildung zum Töten
durch Luftangriffe. Die Mitglieder der Bürgerinitiative kennen die Antwort
auf die Frage, warum Soldaten der Bundeswehr und anderer NATO-Staaten in der
Ruppiner Heide den Abwurf von Bomben erlernen und trainieren sollen. Um sich
auf kommende Kriege vorzubereiten – und zwar auf Kriege, die nicht mehr Verteidigungskriege
sein werden, wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist, sondern entsprechend
der neuen Militärstrategien völkerrechtswidrige Interventionskriege in aller
Welt.
Im Windschatten des internationalen
Terrorismus und im Zeichen des weltweiten Anti-Terror-Kampfes sind sämtliche
Prinzipien militärischer Beschränkung aufgeweicht, ist die Unterordnung unter
die Regeln des Völkerrechts aufgekündigt worden. Auch gegen diese fatale
Entwicklung ist die Widerstandsarbeit der „Freien Heide“ gerichtet – frei nach
dem Motto „global denken – regional handeln“. Die Bürgerinitiative versteht
sich dabei als Teil der Friedensbewegung und findet Unterstützung quer durch
die politischen Lager.
Mit der
Ossietzky-Medaille sind also zwei Preisträgerinnen ausgezeichnet worden, die
vergleichbare Ziele mit höchst unterschiedlichen Mitteln verfolgen – und das
mit viel Kraft und großer Ausdauer. Die gemeinsame Klammer ist ihr Einsatz
gegen Militarisierung, Krieg und Rüstungsinteressen – ein Engagement wie aus
dem Vermächtnis Carl von Ossietzkys.
(leicht veränderte Fassung eines Beitrages
in „Ossietzky“ 1/2004, S. 32 ff.)
Ende März erscheint die Dokumentation zur Verleihung
der Ossietzky-Medaille 2003 mit der Eröffnungsrede von Rolf Gössner, der
Laudatio von Eberhard Radczuweit, den Dankesreden von Gerit von Leitner sowie
von Benedikt Schirge und Annemarie Friedrich für die Bürgerinitiative „Freie
Heide“. Zu beziehen über das
Liga-Büro (s. Impressum).
Berichte zur Medaillen-Verleihung (Auswahl)
Koch, Kontra Krieg und
Militär. Carl-von-Ossietzky-Medaille an Bürgerinitiative Freie Heide und Gerit
von Leitner, in: NEUES DEUTSCHLAND v. 13./14.12.2003
Berliner Publizistin
erhält die Ossietzky-Medaille, in: BERLINER MORGENPOST, BERLINER KURIER v.
14./15.12.2003
Kerber,
„Schaut auf diese Dörfer“, in: MÄRKISCHE ALLGEMEINE v. 15.12.2003
Die FREIe HEIDe, Empfängerin der letzten Carl-von-Ossietzky-Medaille,
bedankte sich mit einer DVD über die Verleihungsfeier im Haus der Kulturen der
Welt und schreibt von der "Neujahrsdemo in Schweinrich, die schon
Tradition hat und diesmal mit ca.1.500 Teilnehmern einen absoluten Rekord
aufgestellt hatte. Vielleicht ist dieser unerwartete Zuspruch auch der
C.v.O.-Preisverleihung zu verdanken. Wir freuen uns jedenfalls darüber. Nun
gehen unsere Gedanken schon wieder Richtung Ostermarsch 2004 in
Fretzdorf..." - zu dem wir also jetzt schon aufrufen möchten.
Inzwischen hat sich mit knapp 3.000 Unterschriften eine
Bürgerinitiative für eine europäisches Vogelschutzgebiet Rhinluch der BI FREIe
HEIDe und der Unternehmerinitiative PRO HEIDE gegen das „Bombodrom“
angeschlossen.
(M.R-H.)
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Foltervorwurf
Anklage gegen
Polizeivizepräsident Daschner
Im Liga-Report 2/2003 haben wir zur sog. Folterdebatte
Stellung genommen und über die Aktivitäten der Liga im Fall des Polizeivizepräsidenten
von Frankfurt a.M., Wolfgang Daschner, berichtet. In dieser Angelegenheit ist
nun mit der Erhebung einer Anklage vor einer Großen Strafkammer des
Landgerichts Frankfurt a.M. wegen Verleitung zu einer Nötigung in einem schweren
Fall eine wichtige Entscheidung gefallen.
Am Tag der Bekanntgabe durch die Staatsanwaltschaft
hat die Liga in einem breiten Bündnis mit sechs anderen Menschen- und
Bürgerrechtsgruppen die eine Presseerklärung herausgegeben (s. weiter unten) sowie
im Haus der Demokratie eine Pressekonferenz abgehalten, die von einigen
Journalisten besucht war. Auch der Sender 3SAT war vertreten.
Auf der Pressekonferenz wies Rechtsanwalt Nils Leopold
(HU) darauf hin, dass die Aufhebung der Absolutheit des Folterverbots der
Einstieg in eine kaum mehr einzudämmende Folterpraxis sein könnte. Dieser
kulturelle Bruch müsse unter allen Umständen verhindert werden. Die
Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei deshalb zu begrüßen. Das Vorgehen
Daschners hält er für eine gezielte Provokation, diesen Zivilisationsbruch
herbeizuführen.
Rechtsanwalt Fredrik Roggan (HU) begründete, weshalb
die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Anklage nicht wegen
Aussageerpressung zu erheben, juristisch richtig ist. Das Strafgesetzbuch enthalte
in § 343 („Aussageerpressung“) insoweit eine Lücke, als darin die Folter zum
Zweck der Gefahrenabwehr, wie im Entführungsfall Jakob von Metzler, nicht
enthalten ist. Vom Gesetzgeber müsse gefordert werden, diese Lücke zu
schließen.
Für die Liga habe ich die Irrwege benannt, die die
Staatsanwaltschaft vermieden hat, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens
durchaus noch beschritten werden können. Der schlimmste Fall wäre gewesen, wenn
die Staatsanwaltschaft das Verhalten Daschners überhaupt nicht als Straftat
gewertete hätte, was durchaus in Übereinstimmung mit Tendenzen in der Verfassungsdiskussion
stünde, die auf eine Relativierung des Verfassungsgebots der Achtung vor der
Würde des Menschen abzielen. (vgl. Liga-Report 2/2003, „Die Würde des Menschen
ist antastbar“). Die andere Möglichkeit wäre gewesen, das Verfahren wegen Geringfügigkeit
einzustellen. Wozu eine Verfahrenseinstellung missbraucht werden kann, hat die
Einstellung des Verfahrens gegen den früheren Bundeskanzler Kohl wegen Untreue
gezeigt – er kam mit einer der Zahlung einer Geldbuße davon. Keine dieser Gefahren
sind mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft schon gebannt.
Bei dem Gespräch mit den Journalisten wurde die Frage
angesprochen, weshalb die sog. Folterdiskussion gerade jetzt entbrannt ist. Hat
diese möglicherweise mit der Übernahme internationaler militärischer
„Verantwortung“ durch die Bundesrepublik zu tun?
Allen Bürgerrechtsgruppen ist klar, dass es auch weiterhin
einer genauen Beobachtung und publizistischen Begleitung des Verfahrens gegen
Daschner bedarf. In den nächsten Monaten werden die Bürgerrechtsgruppen bei
gegebenem Anlass — Eröffnung oder Nichteröffnung des Hauptverfahrens,
gerichtliche Verhandlung — eine Diskussionsveranstaltung zu dieser Problematik
durchführen. K.St.
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Israel-Palästina-Konflikt
Solidaritäts-Erklärung
von internationalen Menschenrechts- und Juristenorganisationen
zum Brief der 27 israelischen Piloten an den Chef der Luftstreitkräfte Generalmajor
Chalutz
Zahlreiche internationale Menschenrechts- und Juristenvereinigungen
haben am Wochenende dem Botschafter des Staates Israel in Berlin eine
öffentliche Erklärung übermittelt. In dieser Erklärung solidarisieren sich die
unterzeichneten Organisationen, unter ihnen die Internationale Liga für
Menschenrechte, mit den 27 Piloten der israelischen Luftwaffe, die sich gegenüber
dem Chef der Luftstreitkräfte Israels, General Dan Chalutz, weigerten, künftig “Befehle
auszuführen, die rechtswidrig und unmoralisch sind wie die Angriffe, die der
Staat Israel in den besetzten (palästinensischen) Gebieten unternimmt”, “an
Luftangriffen auf Wohngebiete teilzunehmen” und “unschuldigen Zivilisten
weiterhin Schaden zuzufügen”.
Der Brief der 27 Piloten an Chalutz ist ein
„beeindruckendes Dokument moralischer Aufrichtigkeit und Entschiedenheit“,
heißt es in der Solidaritätserklärung. Die Unterzeichner wenden sich gegen alle
Versuche israelischer Journalisten und Politiker, diese mutigen Piloten als
”Verräter” und ”Putschisten” zu beschimpfen und sie in ihrer Reputation zu
beschädigen. In der Erklärung heißt es wörtlich: „Der Staat Israel und seine
Bevölkerung können stolz darauf sein, dass hochrangige Offiziere seiner Luftwaffe
blinden Kadaver-Gehorsam ablehnen und die Mitwirkung an Kriegsverbrechen
verweigern.“ Dabei stellten die Piloten ebenso wenig wie die Unterzeichner
das Recht Israels in Frage, sich gegen terroristische Gewalt, die sich
ihrerseits gegen die Zivilbevölkerung richtet, „mit angemessenen - legalen - Mitteln zur
Wehr zu setzen“.
Im Anhang ist die Solidaritätserklärung in
vollem Wortlaut mitsamt den unterzeichneten Organisationen und einer Auswahl
von Einzelpersonen abgedruckt. Wir bitten um Beachtung.
i.V. Dr. Rolf Gössner,
Liga-Präsident
Solidaritäts-Erklärung
zum Brief der 27
israelischen Piloten
vom 25. September 2003
an den Chef der Luftstreitkräfte
Generalmajor Dan Chalutz
1. Wir begrüßen mit Hochachtung und großem Respekt den
mutigen Schritt der 27 Piloten der israelischen Luftwaffe
- unter anderem Brigadegeneral Yiftav
Spector, Oberst Yigal Shohat, Oberst Ran, Oberstleutnant Yoel Piterberg,
Oberstleutnant David Yisraeli, Oberstleutnant Adam Netzer, Oberstleutnant Avner
Ra’anan, Oberstleutnant Gideon Shaham, Major Haggai Tamir, Major Amir Massad,
Major Gideon Dror, Major David Marcus, Major Professor Motti Peri, Major Yotam,
Major Zeev Reshef, Major Reuven, Hauptmann Assaf, Hauptmann Tomer, Hauptmann
Ron, Hauptmann Yonatan, Hauptmann Allon und Hauptmann Amnon -,
den sie mit ihrem dem Chef der israelischen Luftstreitkräfte,
General Dan Chalutz überreichten Brief unternommen haben.
In diesem Brief erklären sie,
- dass sie es künftig ablehnen, ”Befehle auszuführen,
die rechtswidrig und unmoralisch sind wie die Angriffe, die der Staat Israel in
den besetzten (palästinensischen) Gebieten unternimmt”,
- dass sie es ferner ablehnen, ”an Luftangriffen auf
Wohngebiete teilzunehmen” und
- dass sie sich weigern, ”unschuldigen Zivilisten weiterhin
Schaden zuzufügen”.
Denn diese Aktionen seien ”rechtswidrig und unmoralisch
und eine unmittelbare Folge der anhaltenden Besetzung, welche die israelische
Gesellschaft als Ganze korrumpiert”.
2. Der Brief der 27 Piloten ist ein beeindruckendes
Dokument moralischer Aufrichtigkeit und Entschiedenheit. Diese Soldaten sind
nicht länger bereit, dem überkommenen Grundsatz ”Befehl ist Befehl” selbst dann
zu folgen, wenn die Ausführung des Befehls geltendes Kriegsvölkerrecht
verletzt.
Diese Soldaten können sich mit ihrer
Haltung nicht nur auf die ”Nürnberger Prinzipien” berufen, die 1945/46 von den
Gerichten der Alliierten in den Nürnberger und Tokioer
Kriegsverbrecher-Prozessen herausgearbeitet und später von der UN-Generalversammlung
durch nahezu einstimmigen Beschluss als geltendes Völker-Gewohnheitsrecht
festgestellt worden sind.
Auch das in den Genfer Konventionen kodifizierte
Kriegsvölkerrecht verlangt, dass militärische Angriffe nur gegen Angehörige
gegnerischer Streitkräfte geführt und dementsprechend Zivilpersonen und ziviles
Eigentum nicht als militärische Ziele behandelt werden dürfen.
Militärische Befehlshaber und Vorgesetzte, die Befehle
erteilen, die diese fundamentalen Rechtspflichten missachten oder die solch
schwere Rechtsbrüche dulden, begehen Kriegsverbrechen und müssen mit ihrer
Bestrafung rechnen.
3. Wir wenden uns gegen alle Versuche israelischer
Journalisten und Politiker, die mutigen 27 Piloten als ”Verräter” und ”Putschisten”
zu beschimpfen und sie in ihrer Reputation zu beschädigen. Der Staat Israel und
seine Bevölkerung können stolz darauf sein, dass hochrangige Offiziere seiner
Luftwaffe blinden Kadaver-Gehorsam ablehnen und die Mitwirkung an Kriegsverbrechen
verweigern. Dabei stellen sie ebenso wenig wie wir das Recht Israels in Frage,
sich gegen terroristische Gewalt mit angemessenen - legalen - Mitteln zur Wehr
zu setzen. Nov./Dez. 2003
Solidaritäts-Erklärung zum Brief der 27
israelischen Piloten vom 25. September 2003
ErstunterzeichnerInnen:
Dr.Bernd
Asbrock für die Fachgruppe Richter/Staatsanwälte in ver.di
ASM
(Association Syndicale des Magistrats, Richtervereinigung), Belgien
Eric
David, Professor für internationales öffentl. und Strafrecht, Freie Universität Brüssel
EJJP-Deutschland
(European Jews for a Just Peace - Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost)
RA
Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte
Humanistische
Union, Bundesvorstand
IALANA, Vorstand der Deutschen Sektion, (Internat. Association of
Lawyers against Nuclear Arms),
Internationale
Liga für Menschenrechte , Berlin
Livio Pepino (Richter, Italien), Präsident der
Magistratura Democratica
Juan Ignazio Patrone, (Richter Italien), Präsident
MEDEL (Magistrats Européens pour la Democratie et les Libertés),
Miguel
Carmona, Vizepräsident MEDEL (Richter, Spanien),
Marie-Anne
Swartenbroeckx, Generalsekretärin MEDEL (Staatsanwältin, Belgien)
Michal
Kaiser-Livneh, AK Nahost Berlin und Gründungsmitglied der Jüdischen
Stimme
für gerechten Frieden in Nahost - EJJP Deutschland.
RA
Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV ( Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein)
NRV
(Neue Richtervereinigung, Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern,
Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V.),
Prof.
Dr. Fanny-Michaela Reisin (Berlin), Gründungsmitglied der Deutschen
Sektion der
European
Jews for a Just Peace - Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
RA
Thomas Schmidt, Generalsekretär der Europäischen Vereinigung von
Juristinnen
und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt
RA Rüdiger Jung, Berlin
RA
Hannes Honecker, Geschäftsführer RAV, Berlin
Bundesausschuss Friedensratschlag
Peter Strutynski (Sprecher Bundesausschuss Friedensratschlag)
Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim Internationalen
Versöhnungsbund - Deutscher Zweig
Einzelunterzeichner (Auswahl):
Johannes Ahlefeldt, Berlin; Dr. Susanne
Asche, Karlsruhe; Ruth Braun, Karlsruhe; Roland Brinkmann, Berlin; Ursula
Brümann, Berlin; Hannah Drexel, Berlin; Lothar Eberhardt, Berlin; Christel
Engler; Martin Forberg, Berlin; Wolfgang Freese, Neuruppin; H. Günther; Sara
Harbova, Berlin; Henrike Hopf, Berlin; Marianne Hundt, Berlin; Maria Kerammari,
Berlin; Traugott Klose; Traugott,. Friederike u. Christine Kuhnt, Alt-Ruppin;
Helge Löw, Berlin; Dagmar Meier, Berlin; Peter Mendelsohn, Berlin; Jonas
Lühnemann, Berlin; Heinz-H. Mascher; Marline Ratzlaff,.Berlin; Marianne
Reiff-Hundt, Berlin; Björn Rohde-Liebenau, Berlin; Klaus Rürup, Karlsruhe;
Benedikt und P. Schirge; Marianne Siemes, Berlin; Holger Skidzun, Berlin;
Freddy Skidzun, Berlin; Henry Stahl, Berlin; Renate Schüler, Gadow; Jens-Uwe
Thomas, Berlin; Prof. Teja Tscharnke, Göttingen, Rosa Vahedi, Berlin...
Lieber Rolf Gössner,
mit diesem Brief möchte ich dem Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte dafür danken, dass wir in ihren geistigen aber auch in den stofflichen Mauern aus Stein eine Unterkunft gefunden haben. Wir halten unsere Versammlungen – immer am letzten Sonntag des Monats in der Zeit zwischen 13.30 und 17.00 Uhr – im Haus der Demokratie und Menschenrechte ab.
Die Pressekonferenz, die wir gemeinsam mit Richard Kuper, Vorsitzender des Exekutivkomitees der „European Jews for a Just Peace“, am 03. Februar im Robert-Havemann-Saal des Hauses der Demokratie und Menschenrechte abgehalten haben, war ebenso wie die Medieninszenierung gegen die Trennungsmauer, die am 07. Februar am Checkpoint Charlie stattfand, überaus erfolgreich. Es wurde in mehreren Zeitungen und Rundfunkanstalten davon berichtet. Die Aktion gegen die Trennungsmauer fand sogar im Fernsehen einen Platz. Ich schicke Dir zusammen mit unserer vorläufigen Selbstverständniserklärung, mit unserer Stellungnahme gegen die Trennungsmauer und unseren Brief an Außenminister Fischer, (der in seinem Auftrag inzwischen auch beantwortet wurde), einen Auszug aus einem Artikel, der in der „Jüdischen Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur, Religion und Jüdisches Leben“ vom 12. Februar 2004 zu lesen war und insgesamt durchaus umfassend von unserer Aktion berichtete...
Ich wünsche allen Liga-Aktivisten alles Gute
Fanny-Michaela Reisin
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost EJJP-Deutschl. |
|
European Jews
for
a Just Peace
(EJJP) |
Vorläufiges Selbstverständnis
Wir, Frauen und Männer jüdischer Herkunft in Deutschland, haben uns vereinigt, um
sichtbar zu machen, dass wir aus den historischen Erfahrungen unserer Vorfahren
um die Entwürdigung und den Schmerz wissen, die Menschen zugefügt werden, wenn
sie systematisch ausgegrenzt und entrechtet werden. Es darf sich kein Volk über
ein anderes Volk und kein Mensch über einen anderen Menschen erheben. Alle
Menschen sind gleich an Rechten geboren.
Unsere Vereinigung mit dem Namen Jüdischen Stimme
für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Deutschland ist eine Sektion der im
Jahre 2002 in Amsterdam gegründeten Föderation, „European Jews for a Just
Peace“. Die „Erklärung von Amsterdam“, auf die sich Vertreter und
Vertreterinnen von 18 Friedensorganisationen aus neun Ländern Europas
seinerzeit verständigten, ist die Basis auch für die Arbeit der Jüdischen
Stimme in Deutschland.
Die Jüdische Stimme verurteilt die seit 37
Jahren andauernde Besetzung der Westbank, des Gazastreifens und von Ostjerusalem
durch den israelischen Staat als einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen die
Charta der Vereinten Nationen, gegen das Völkerrecht und gegen alle Beschlüsse
der Vereinten Nationen dazu seit 1967. Die tagtägliche Besetzungspraxis greift
in alle Lebensbereiche des palästinensischen Volkes in den besetzten Gebieten
ein und hat nachhaltig zerstörerische Wirkung. Die Gründung einer deutschen Sektion
des EJJP ist durch den Entschluss ihrer Mitglieder motiviert, gemeinsam mit
Juden und Jüdinnen in Europa, auch hierzulande öffentlich allen zu widersprechen, die in Israel und anderswo vorgeben, die
Besatzung und Besiedlung von Gebieten außerhalb der Grenzen Israels geschehe
zum Schutz, im Namen und im Interesse aller Juden der Welt.
Wichtigster Adressat unseres Wirkens ist die bundesdeutsche
Regierung. Wir erwarten von der deutschen Regierung, dass sie mit allen
politischen Mitteln auf einen Kurswechsel der israelischen Regierung hinwirkt.
Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie ihr ökonomisches und politisches
Gewicht für Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten fruchtbar macht und damit
zum Wohle aller dort lebenden Völker beiträgt.
Die Mitglieder und Freunde der Jüdischen Stimme
sind sich der überwältigenden Asymmetrie bewusst, die zwischen der strukturellen
Gewalt besteht, die von der Regierung und den Militärorganen des israelischen
Staats in den besetzten Gebieten ausgeübt wird einerseits und den Gewaltformen,
die von den nicht staatlichen Organisationen und Individuen in Palästina
ausgehen andererseits. Alle geschichtliche Erfahrung zeigt, dass vergleichbar
asymmetrische und inhumane Dominanzverhältnisse einen widerständigen Untergrund
produzieren, der militärisch nicht besiegbar ist. Das Existenzrecht des Staates Israel wird erst dann zur unangefochtenen
und nicht gefährdeten Selbstverständlichkeit werden, wenn seine Regierung
versteht, dass dasselbe Existenzrecht und ein Leben in Frieden und Würde auch
für den benachbarten palästinensischen Staat und seine Bevölkerung unverzichtbar
sind.
Gewalt gegen Zivilisten und insbesondere auch
Selbstmordattentate islamistischer Organisationen werden von der Jüdischen
Stimme moralisch und politisch verurteilt. Sie hält am Prinzip der
Gewaltfreiheit als oberstem Gebot bei der Lösung von Konflikten fest. Darin ist
sie sich mit allen Organisationen in Palästina
und in Israel einig, die mit ausschließlich politischen Mitteln auf
Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Frieden zwischen dem israelischen und
palästinensischen Volk hinwirken.
Indem die Jüdische Stimme für einen gerechten
Frieden im Nahen Osten eintritt, widersetzt sie sich der Ausgrenzung der Palästinenser
durch die israelische Regierung. Den Vorwurf, dass die Verurteilung der
Besatzungspolitik der israelischen Regierung per se antisemitisch sei, weist
sie als unhaltbar zurück.
Vor dem Hintergrund zunehmender Erscheinungen von
Antisemitismus, Rassismus und anderer Formen der sozialen und politischen
Ausgrenzung in Deutschland und seinen Nachbarländern sind sich die Mitglieder
und Freunde der Jüdischen Stimme darüber einig, dass allein der
entschlossene Widerstand gegen alle Ausprägungen der Herabstufung und
Verachtung von Menschen diesen die Grundlagen entziehen kann. In Deutschland
gilt es jedoch klar zu sagen: Positionen, hinter denen sich antisemitische
Einstellungen verbergen, sind mit dem Anliegen der Jüdischen Stimme unvereinbar.
In inneren politischen Gesprächen wird ebenso wie im Zusammengehen mit anderen
Organisationen und Gruppen stets zu berücksichtigen sein, dass einzelne ihrer
Mitglieder und Freunde selbst Diskriminierung erlebt haben oder erleben.
Berlin, 25. Januar 2004
Aktion gegen den Mauerbau
in Palästina
7.
Februar 2004, Checkpoint Charlie, Berlin
Am Checkpoint Charlie stand am 7. Februar
2004 zwei Stunden lang eine Mauer. Sie war im Rahmen der internationalen Kampagne
‚Stop the Wall’ als Symbol für den Mauerbau in Palästina aufgestellt worden.
Das Getöse von israelischen Panzern, Hubschraubern, Bulldozern und F16
Kampfjets, als Geräuschkulisse in Palästina ständig erfahrbar, lösten
Aufmerksamkeit und Betroffenheit bei den BesucherInnen des Mauermuseums am
checkpoint Charlie, PassantInnen und UnterstützerInnen der Aktion aus. Die von der Vorbereitungsgruppe
der Aktion bereitgestellten Materialien – Fototafeln und mehrsprachige Informationsblätter-
riefen dadurch reges Interesse hervor, klärten sie doch darüber auf, dass der
Mauerbau in Palästina in Verbindung mit der Zerstückelung des Landes in einzelne
kleine Bantustans in keiner Weise hilfreich ist auf dem Weg zu einem gerechten
Frieden in der Region. Im Gegenteil: Er (Der Mauerbau) verschärft und eskaliert
die Situation und verhindert mit jedem fertig gestellten Abschnitt die Möglichkeit
für ein friedliches Zusammenleben.
Entlang
des ehemaligen Mauerverlaufs in Berlin symbolisch auf die Situation in
Palästina und Israel hinzuweisen, gestaltet sich hierzulande als schwierig,
galt doch die ‚Berliner Mauer’ in den Zeiten des ‚Kalten Krieges’ den einen als
notwendiger „antifaschistischer Schutzwall“, den anderen als überflüssige,
unmenschliche und unüberwindbare Trennungsmauer, als „Eisener Vorhang“. Dies
könnte, je nach Standpunkt der BetrachterIn, zu Analogien verleiten, was der
Einmaligkeit der geschichtlichen Konstellation der Berliner Mauer
entgegenstünde.
Festzuhalten
ist dennoch, dass die Berliner Mauer wie jede Mauer auf dieser Welt Menschen
voneinander trennte. Von einem Tag auf den anderen konnten Freunde sich nicht
mehr gegenseitig besuchen, wurden Familien getrennt und für viele ging ihre Lebensgrundlage
verloren. In dieser Hinsicht verstehen wir die Analogie zum Mauerbau in
Palästina.
Das
Zustandekommen der Aktion war durch das Verhalten der Polizei mehr als fraglich
und konnte nur durch die Anwesenheit und Unterstützung von über 250 Menschen
und mit anwaltlicher Hilfe durchgesetzt werden.
Unterstützt
wurde die Aktion von folgenden Gruppen und Einzelpersonen:
AK Internationalismus IG
Metall Berlin, AK Nahost,
Deutsch-Israelisch-Palästinensische
Gesellschaft e.V.,
Deutsch-Palästinensische
Gesellschaft e.V. RG-Berlin,
Frauen in Schwarz
(Wien),
Internationale Liga für
Menschenrechte,
International Solidarity
Movement Berlin (ISM),
IPPNW,
Jüdische Stimme für
gerechten Frieden in Nahost,
Laura von Wimmersperg,
Moderatorin der Berliner Friedenskoordination,
Palästinensische
Gemeinde Berlin,
Vereinigung
der Freunde Palästinas in Berlin-Brandenburg
Zahlreiche JournalistInnen und 2
Fernsehteams berichteten in den regionalen Medien.
Die Vorbereitungsgruppe
Kontaktadresse: thewall2@gmx.de
Jüdische Stimme für gerechten
Frieden in Nahost |
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European Jews
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Die „Trennungsmauer“
Palästina-Israel ist inhuman!
Ihr Bau schafft
Unfrieden.
Ohne Frieden keine Sicherheit in Nahost
Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost – EJJP Deutschland reiht sich in die Vielzahl der Stimmen ein, die
heute in Palästina, in Israel und auf der ganzen Welt gegen den Bau der so
genannten Trennungsmauer (separation wall) in Palästina protestieren. Wir
erklären:
- Die Mauer ist ein flagranter Verstoß gegen das
Völkerrecht, gegen die Menschenrechte und gegen die elementaren Grundrechte.
- Die Mauer ist ein flagranter Angriff auf die
Möglichkeit der Errichtung eines souveränen und lebensfähigen Staats Palästina.
Ihr Bau kommt einer de facto Annexion der bisher besetzten Gebiete Palästinas
gleich.
- Die Mauer untergräbt alle Bemühungen um einen
gerechten Frieden in Nahost.
Israel behauptet,
die Mauer sei eine vorübergehende
Maßnahme
Die Mauer, eine Kombination aus Beton und Zaun,
wird durchgehend 8 m hoch, d.h. doppelt so hoch wie die Berliner Mauer sein.
Wachtürme in Abständen von jeweils einigen Hundert Metern, Militärstraßen für
bewaffnete Patrouillen auf beiden Seiten, 6 m breite und 4 m tiefe Gräben für
schweres Geschütz, elektro-sensorische Drahtzäune entlang der Mauer: Sind das vorübergehende
Maßnahmen? An den meisten Stellen ist das Bollwerk 100 m breit. Die geplante
Länge kennt niemand. Schätzungen reichen von 600 bis 1000 km, wobei die Kosten
pro Kilometer mit $1 Million angegeben werden. Die “Trennungsmauer” ist auf
Dauer geplant.
Israel behauptet,
es handele sich um eine Sicherung ihrer Grenze
Die Mauer verläuft nicht entlang der sog. Grünen
Linie von 1967. Nahezu überall östlich dieser Grenze errichtet, dringt sie tief
in die besetzten Gebiete ein. Fruchtbare Ländereien, Obst- und Olivenhaine, Wasserquellen,
Häuser, Gärten, Straßen und Wege werden brutal zerstört oder von den Dörfern
und Städten entkoppelt, denen sie als Lebensgrundlage dienen. Zur Annexion der
Siedlungen in der Westbank an Israel wird jede Verlängerung und jeder noch so
unmenschliche Verlauf in Kauf genommen. Palästinensische Städte sind zum Teil
gänzlich von der Mauer eingeschlossen, manche auf der westlichen Seite von
ihren Nachbarorten im Osten abgegrenzt und isoliert. Der Verlauf der Mauer
belegt schon in der ersten Phase ihres Baus unmissverständlich: Ihr Zweck ist
nicht die Sicherung der Grenzen Israels, sondern die Untermauerung der
Besatzungsherrschaft .
Die Mauer verletzt das Menschenrecht
auf würdiges Leben
Die „Trennungsmauer“ manifestiert die “Friedensvision”
der Sharonregierung: Ein loser Verbund palästinensischer Kantone unter der
Herrschaft Israels anstelle eines unabhängigen, souveränen und lebensfähigen
Staats, Palästina, auf integriertem Hoheitsgebiet. Schon jetzt sind ca. 210.000
Palästinenser um ihre elementaren Menschenrechte gebracht. Kinder und Lehrer müssen
auf dem Weg zur Schule Kontrollpunkte passieren, die willkürlich geöffnet und geschlossen werden. Ebenso Kranke und
Ärzte auf dem Weg zum Krankenhaus, Händler auf dem Weg zum Markt. Die
unvertretbaren Repressionen gegen Palästinenser, gegen Internationalisten und
Israelis, die sich in Verteidigung der elementaren Lebensbedingungen dem
Mauerbau mit friedlichen Mitteln vor Ort widersetzen, zeugen vom Geist der
Sharon-Regierung.
Wir rufen im Interesse eines gerechten
Friedens zwischen Israel und Palästina dazu auf, mit allen politischen Mitteln
gegen den weiteren Bau der Mauer zu protestieren. Die Mauer muss weg!
Wir bitten überdies eindringlich um
Unterstützung von israelischen und palästinensischen Organisationen, die sich
vor Ort gegen die Trennungsmauer für Frieden und Gerechtigkeit erheben.
Darunter: Palestinian Environmental NGOs
Network www.pengon.org; Ta'ayush
Arab Jewish Partnership www.taayush.org ; B’tselem
www.btselem.org und
Gush Shalom www.gush-shalom.org ; http://www.petitiononline.com/stw/petition.html
FRIEDEN BRAUCHT BRÜCKEN,
NICHT MAUERN!
Berlin,
07. Februar 2004
Jüdische
Allgemeine – Wochenzeitung für
Politik, Kultur, Religion und Jüdisches Leben. 59. Jhrg. Nr. 6, 12. Februar
2004, S. 3 (Auszüge zu Dokumentationszwecken)
„Eine Mauer am Checkpoint Charlie – In Berlins Mitte protestierten Palästinenser und Israelis gegen den Verlauf des Antiterror-Zauns“
von Oliver Heilwagen
„Die
Szene wirkt gespenstisch: Mit betongrauen Styroporplatten sperren Leute am
Checkpoint Charlie die Zimmerstraße ab. Als werde die Mauer am berühmten
ehemaligen Grenzkontrollpunkt zwischen West- und Ostberlin wieder aufgebaut.
Doch die Ton- und Lichtsignale hat es hier selbst in der kältesten Phase des
Kalten Kriegs nicht gegeben: Aus Lautsprechern schallt Lärm von
Hubschrauberrotoren, der sich wie Maschinengewehrfeuer anhört. Zudem kreisen
helle Lichtkegel wie aus Suchscheinwerfern […].
’Wir
versuchen, die Geräusche von Helikoptern und Kampfflugzeugen zu imitieren, die
unsere Dörfer zerstören’, erklärt das Mitglied der Palästinensischen Gemeinde
Berlin, Nabil Raschid: ‚Wir wollen zeigen, dass bei uns auch eine Mauer
entsteht, die Familien auseinander reißt, Dörfer trennt und 1,2 Millionen
Olivenbäume entwurzelt.’ Was genau gemeint ist, erklären Stelltafeln: Es geht
um die ‚Trennungsmauer’, welche die israelische Regierung derzeit im
Westjordanland errichten lässt. Gegen sie richtet sich die Protestaktion.
Die
Palästinenser sind aber nicht unter sich. Von den zehn Initiativen und Gruppen,
die an der Kundgebung beteiligt sind, tragen nur vier die arabische Landesbezeichnung
im Namen. Andere kommen aus den Gewerkschaften, wie der ‚Arbeitskreis Internationalismus
IG Metall Berlin’, oder vereinen Angehörige mehrerer Nationen wie der
‚Arbeitskreis Nahost’, in dem Deutsche, Palästinenser und Israelis
zusammenarbeiten. Ein jüdischer Zirkel ist auch dabei: Die ‚Jüdische Stimme für
gerechten Frieden in Nahost’, eine im November gegründete deutsche Sektion der
Organisation ‚European Jews for a Just Peace’.
[…]
Die meisten Passanten eilen achtlos vorbei, manche nehmen ein Flugblatt
entgegen. Dass jemand stehen bleibt und sich auf eine Diskussion einlässt,
geschieht kaum. Doch das ‚Medieninteresse an unserer Gruppe ist groß’,
berichtet Reisin. TV-Kamerateams laufen herum und Blitzlichter von
Pressefotografen flackern auf. Das freut die deutsch-israelische Professorin
der Technischen Fachhochschule Berlin: ‚Es ist eine Inszenierung, ein
Spektakel, um die Medien auf die Thematik aufmerksam zu machen.’ Den
Veranstaltungsort habe man wegen seiner Bekanntheit gewählt […].
Die
Aufmerksamkeit, die der ‚Jüdischen Stimme’ zuteil wird, erklärt sich leicht.
Die Gruppierung zeigt keine Scheu, mit Palästinensern zu kooperieren,
kritisiert aber massiv die Regierung in Jerusalem. Unter der Parole "Nicht
in unserem Namen", mit der schon US-Intellektuelle gegen den Irak-Krieg
protestierten, wehrt sich der Kreis laut Reisin dagegen, ‚von der Regierung Scharon
instrumentalisiert zu werden, weil sie behauptet, dass die Politik in den
besetzten Gebieten im Namen der Juden der Welt gemacht werde’. Dagegen sei der
Bau der Trennungsmauer eine ‚inhumane Handlung, die für beide Seiten in die
Katastrophe führt’.“
Jüdische Stimme für gerechten
Frieden in Nahost |
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European Jews
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An den Außenminister der BR Deutschland
29. Januar 2004
Sehr geehrter Herr Außenminister Fischer,
wir, die Mitglieder der Jüdischen Stimme für gerechten
Frieden in Nahost - EJJP Deutschland bitten Sie, gegen den Mauerbau, der jetzt
im Westjordanland durch die israelische Regierung vollzogen wird, Ihre
Stellungnahme beim Internationalen Gerichtshof einzureichen. Als Juden und
Jüdinnen, wohnhaft in der Bundesrepublik Deutschland, halten wir den Bau dieser
Mauer für äußerst menschenrechtswidrig und bitten Sie, effektiv dagegen
einzuschreiten.
Der Mauerbau nimmt einem großen Teil der palästinensischen
Bevölkerung ihr Recht auf Freizügigkeit und schränkt dadurch ihr Recht auf
Lebensunterhalt durch Arbeit, auf angemessenen Lebensstandard, auf Gesundheit
und Bildung dauerhaft ein.
Der Bau der Trennungsmauer ist keine
Sicherheitsmaßnahme - wie die israelische Regierung es immer behauptet -
sondern eine weitere Aggression, die die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens
zwischen Israelis und Palästinensern ausschließt, da er vor allem durch Israels
Siedlungspolitik motiviert ist. Für den Bau dieser "Sperranlage"
wurde in großem Ausmaß Landbesitz palästinensischer Familien enteignet und
Privateigentum zerstört. Die UN-Generalversammlung spricht von einer
"De-facto-Annexion großer Gebietsteile". Die Besiedlung besetzter
palästinensischer Gebiete einschließlich Ost-Jerusalems stellt einen klaren
Verstoß gegen Art. 49 der Vierten Genfer Konvention dar.
Hochachtungsvoll
Ruth
Fruchtman Prof. Dr. Fanny-Michaela
Reisin
Informationen: http://stopthewall.org/
Liga-Pressemitteilungen
Januar – Februar 2004
Internationale Liga für Menschenrechte fordert gründliche Untersuchung
und Ahndung von Polizeiübergriffen auf Migranten.
Liga-Präsident Rolf Gössner: „Die strukturellen
Bedingungen und Ursachen für Feinderklärungen, Polizeiübergriffe,
Machtmissbrauch und ungerechtfertigte Ermittlungsmaßnahmen müssen endlich
thematisiert und beseitigt werden.“
Die Internationale Liga für
Menschenrechte begrüßt die heute in Berlin vorgestellte Initiative der Menschenrechtsgruppe
„Aktion Courage“, mit der Fälle von Polizeiübergriffen auf Migrantinnen und
Migranten dokumentiert werden. Nach den Recherchen der antirassistischen Gruppe
sind mindestens 70 Asylbewerber, Immigranten und Deutsche nichtdeutscher
Herkunft in den vergangenen vier Jahren unverschuldet Opfer von
Polizeiübergriffen geworden. Viele wurden dabei schwer verletzt, drei starben.
Diese schwerwiegenden
Menschenrechtsverletzungen, die vielfach ungesühnt blieben, dürfen nicht
einfach hingenommen werden, zumal es sich dabei lediglich um die Spitze eines
Eisbergs handelt. Sie müssen einer gründlichen Untersuchung unterzogen werden,
um aus dieser Misere politische Konsequenzen ziehen zu können. Die Liga fordert
die Einrichtung unabhängiger Beschwerde- und Kontrollinstanzen in Bund und
Ländern, die mit weitreichenden Befugnissen zur Aufklärung illegaler Polizeigewalt
auszustatten sind (Polizeibeauftragte).
Angesichts der Dokumentation von
Polizeiübergriffen und Machtmissbrauch gegenüber Migranten erinnert die Liga
daran, dass sich deren bürgerrechtliche Situation mit den neuen „Anti-Terror“-Gesetzen
von 2002 gravierend verschlechtert hat: Gehörten sie schon bislang zu der am
intensivsten überwachten Bevölkerungsgruppe in Deutschland, so werden sie mit
diesen Gesetzesverschärfungen unter Generalverdacht gestellt und einem noch
rigideren Überwachungssystem unterworfen. Sie werden unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes
nach Artikel 3 Grundgesetz einer entwürdigenden Sonderbehandlung unterzogen,
die für viele existentielle Folgen haben kann.
Die neuen Regelungen schaffen kaum mehr Sicherheit, sondern
sind dazu geeignet, Ausländer als erhöhte Sicherheitsrisiken zu stigmatisieren,
ihren Aufenthalt hierzulande zu erschweren und fremdenfeindliche Ressentiments
zu schüren. Migranten, unter ihnen besonders Muslime, gehören zu den
eigentlichen Verlierern des staatlichen „Anti-Terror-Kampfes“.
Zwei Jahre nach Inkrafttreten der
„Anti-Terror“-Gesetze ist es höchste Zeit, auch Bilanz darüber zu ziehen, was
diese Gesetze bislang bewirkten und welche Auswirkungen sie auf die Situation
von hier lebenden Migrantinnen und Migranten haben. Die strukturellen Ursachen
und Bedingungen für Feinderklärungen, Polizeiübergriffe, Machtmissbrauch und
überzogene Ermittlungsmaßnahmen müssen endlich thematisiert und beseitigt
werden. (1-2004;
rg)
Liga-Präsident Rolf Gössner zum
Kopftuchstreit: “Der Gesetzentwurf der Bremer CDU trägt die Verfassungswidrigkeit
auf der Stirn – er ist mit dem Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
unvereinbar“
Die Bremer CDU will mit ihrem
Gesetzesvorstoß Kopftücher von Lehrerinnen in der Schule als „religiöse
Symbole“ verbieten lassen – gleichzeitig aber „in der christlich geprägten
abendländischen Kulturtradition“ verwurzelte Symbole von diesem Verbot ausdrücklich
ausnehmen.
Dazu stellt der Präsident der Internationalen Liga für
Menschenrechte, Rolf Gössner, fest: „Wer Kopftuch-Verbote per Gesetz verordnet,
christliche Symbole wie Kruzifixe an öffentlichen Schulen aber von dem Verbot
ausnimmt, macht sich verfassungsrechtlich angreifbar. Denn legt man das
Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, dann müssen alle
Religionen gleich behandelt werden, keine darf durch den Staat bevorzugt oder
benachteiligt werden.“
Die Formulierung im Gesetzentwurf, dass
auch religiöse und weltanschauliche Symbole dann von dem Verbot ausgenommen
werden sollen, wenn diese „zurückhaltend“ sind, genügt nicht dem
verfassungsrechtlich geforderten Bestimmtheitsgebot. Schließlich handelt es
sich bei „zurückhaltend“ um eine Wertung, die an ein und derselben Schule zu
vollkommen widersprüchlichen Konsequenzen führen kann. Eine solche Regelung ist
nicht praktikabel.
Kopftücher sind zur Projektionsfläche für Ängste vor
Überfremdung geworden; sie wecken bei manchen Politikern und Parteien offenbar
Ausgrenzungs- und Verbotsreflexe. Die Internationale Liga für Menschenrechte
hält Verbote und Ausgrenzung rechtspolitisch für den falschen Weg... Im übrigen
mindert das Kopftuch keineswegs die Qualifikation der Trägerin – es sei denn,
Missionierungsversuche oder antiemanzipatorische Inhalte stünden auf ihrem
Lehrplan, die im konkreten Fall selbstverständlich nicht geduldet werden
können.
Die öffentliche Debatte um das Kopftuch hat längst
groteske Züge angenommen; das Kopftuch ist zum symbolischen Kristallisationspunkt
einer kulturell-religiösen Auseinandersetzung geraten. Jenseits dieses
Kopftuchstreits und jenseits von Verbotsdrohungen tritt die Internationale Liga
für Menschenrechte für einen offenen Dialog mit Muslimen und ihren Gemeinschaften
ein sowie für eine offensive Auseinandersetzung um das Verhältnis von
Religionen/Islam und Menschenrechten. Die Liga fordert eine bürgerrechtsverträgliche
Integration von Muslimen sowie eine Revidierung der „Anti-Terror“-Gesetze, mit
denen besonders Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. (28.
Januar 2004)
Anlässlich der
Pressekonferenz des Europäischen Bürgerforums am 5.2.2004 in Berlin
fordert die Internationale
Liga für Menschenrechte von Spanien und der EU Aufarbeitung und Ahndung der
rassistischen Angriffe auf marokkanische Landarbeiter in Andalusien
„Die
skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen marokkanischer Landarbeiter
in der Gemüseproduktion Andalusiens sind eine europäische Schande – eine
offizielle Delegation muss sich endlich vor Ort informieren und die Vorfälle
untersuchen“
Anlässlich der Internationalen Fachmesse
für Obst und Gemüse „Fruit Logistica“ in Berlin müssen sich Öffentlichkeit,
Konsumenten und gastgebende Stadt Berlin kritisch damit auseinandersetzen,
unter welchen Bedingungen in manchen Gegenden Europas Obst und Gemüse, das
hierzulande preiswert zu erwerben ist, produziert wird.
Wie das Europäische Bürgerforum
recherchiert hat, stellen auf der „Fruit Logistica“ Gemüseproduzenten aus der
Provinz Almeria (Andalusien) aus, die ihr Gemüse unter menschenunwürdigen
Bedingungen produzieren, die Arbeitsimmigranten ausbeuten und die verstärkt
Pestizide einsetzen, die zu Gesundheitsschäden führen. Insbesondere
marokkanische Landarbeiter im Gemüseanbaugebiet Andalusiens sind hiervon
betroffen.
Die marokkanischen Landarbeiter in der
Gemeinde El Ejido waren in den letzten Jahren nicht nur skandalösen Arbeits-
und Lebensbedingungen ausgesetzt, sondern auch gewaltsamen rassistischen
Übergriffen, die unter den Augen von Polizei und Gemeindeverantwortlichen
geschehen konnten und die bis heute nicht aufgearbeitet oder geahndet wurden.
Dokumentiert ist dieser Dauerskandal in der „Neuen Züricher Zeitung“ vom
21.01.2004, die ihren Artikel zutreffend mit „Moderne Sklaven in spanischen
Treibhäusern“ überschrieb.
Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert
zusammen mit dem Europäischen Bürgerforum:
· Eine offizielle
Delegation, die sich in El Ejido über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der
Landarbeiter in der Gemüseproduktion informieren, die rassistischen Übergriffe
untersuchen und die Öffentlichkeit über ihre Erkenntnisse unterrichten soll;
die Liga würde sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten hieran beteiligen.
· Eine unverzügliche Aufarbeitung und gerichtliche
Ahndung der pogromartigen Ausschreitungen gegen marokkanische Landarbeiter.
Es geht um menschenwürdige Lebens- und
Arbeitsbedingungen für die Landarbeiter und darum, künftig rassistische
Ausschreitungen zu verhindern. Die Verantwortlichen der Gemeinden und unter den
Gemüseproduzenten müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber auch die EU ist
gefordert, ihren Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen
der Landarbeiter zu leisten, zumal sie diese Intensivwirtschaft im Gemüseanbau
Andalusiens subventioniert.
Zum
Tod von Hans Lisken
Liga-Präsident Rolf Gössner: „Bürgerrechtsbewegung hat glaubwürdigen Repräsentanten und Mitstreiter gegen die andauernde Aushöhlung der Bürgerrechte verloren“
Hans Lisken ist tot. Er starb bei der Verteidigung der
Bürgerrechte während einer Experten-Anhörung im sächsischen Landtag, wo er ein
Plädoyer gegen die geplante weitere Verschärfung des Polizeigesetzes gehalten
hatte. Prof. Dr. Hans Lisken ist als langjähriger Polizeipräsident in
Düsseldorf, als Polizeirechts-Kommentator (Handbuch des Polizeirechts)
sowie als Fritz-Bauer-Preisträger für Verdienste um Recht und Gerechtigkeit
bekannt geworden.
Die Internationale Liga für Menschenrechte
trauert um Hans Lisken, der sich als humanistisch und demokratisch gesinnter Jurist
bleibende Verdienste erworben hat. Liga-Präsident Rolf Gössner: „Das Bürgerrechtsspektrum
in der Bundesrepublik hat einen glaubwürdigen Repräsentanten und engagierten Mitstreiter
gegen die andauernde Aushöhlung der Grund- und Bürgerrechte verloren.
Unermüdlich warnte Hans Lisken vor dem Wandel des liberal-demokratischen Rechtsstaates
in einen Präventions- und Sicherheitsstaat.“ Er habe dies mit seiner Fachautorität als ehemaliger Richter und
Polizeipräsident getan - in letztgenannter Funktion „eine wahre Rarität“.
„Das humanistisch-demokratische Vermächtnis von Hans
Lisken, sein Bemühen um ein freiheitliches Verfassungsverständnis und seine
Warnungen vor einem freiheitszerstörenden Sicherheits- und Kontrollstaat werden
uns in unserer Bürgerrechtsarbeit weiter bestärken und begleiten“, sagte Gössner. (9. Febr. 2004)
Irak: Keine Zwangsauslieferung von Volksmudjahedin in
den Iran
Wiederaufnahme von asylberechtigten Betroffenen
in Deutschland
Die Internationale Liga für Menschenrechte ist
um die Situation der iranischen Volksmudjahedin im Irak zutiefst besorgt. Diese
Organisation steht im Widerstand gegen das Regime der islamischen Republik Iran.
Sie flüchtete bereits in den 80er Jahren in den Irak, um der massiven
politischen Verfolgung, um Folter und Hinrichtung ihrer Mitglieder durch den
Iran zu entkommen.
Seit Ende des Irak-Kriegs im vorigen Jahr werden die
meisten der mehr als 4.000 Mitglieder der Volksmudjahedin, die im Krieg neutral
blieben und mittlerweile entwaffnet wurden, im irakischen Militärlager Ashraf
festgehalten. Sie sind akut von der Auslieferung an den Iran bedroht, seit das
iranische Regime ihre Auslieferung fordert und seitdem der provisorische Regierungsrat
im Irak beabsichtigt,
sie gegen ihren Willen auszuweisen und ihr Eigentum zu konfiszieren.
Wie immer man politisch zu den Volksmudjahedin und ihren früheren Aktivitäten stehen mag: Eine solche
Zwangsauslieferung muss unter allen
Umständen verhindert werden, denn im
Iran drohen den Betroffenen Folter und Hinrichtung. Eine solche von den
Besatzungsmächten im Irak geduldete oder gar unterstützte Auslieferung an den
Iran wäre eine menschenrechtliche Katastrophe und ein Verstoß gegen
die internationalen humanitären Rechte der Betroffenen. Die universelle
Gültigkeit der Menschenrechte darf nicht dem internationalen Anti-Terror-Kampf
zum Opfer fallen. Die Volksmudjahedin dürfen nicht zum Spielball diplomatischer
Taktik werden; sie dürfen nicht zum „Verhandlungschip“ des Westens gegenüber
dem Regime des Iran werden, das die Menschenrechte nach wie vor mit Füßen
tritt.
Die Internationale Liga für Menschenrechte
appelliert an die UNO, die Besatzungsmächte im Irak sowie an den provisorischen
Regierungsrat des Irak und fordert sie auf,
die Zwangsauslieferung der Volksmudjahedin an den Iran
unter allen Umständen zu verhindern und sie als Flüchtlinge entsprechend der
Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen,
eine Delegation des Roten Kreuzes und des UNHCR
zusammenzustellen und damit zu beauftragen, vor Ort im Camp Ashraf die
Einhaltung der humanitären Rechte der Betroffenen zu überwachen sowie für
Aufnahme der Mitglieder der Volksmudjahedin in sichere und aufnahmebereite
Länder zu sorgen, wo sie nicht von Abschiebungen in den Iran bedroht sind.
Die Internationale Liga für Menschenrechte
fordert die Bundesregierung auf,
· jene von Auslieferung bedrohten Mitglieder der
Volksmudjahedin, die hier in Deutschland als Asyl- oder Aufenthaltsberechtigte
anerkannt worden sind, wieder aufzunehmen, sofern sie es wünschen;
· alle Widerrufsverfahren einzustellen, die unter Berufung
auf die sog. EU-Terrorliste mit dem Ziel eingeleitet worden sind, die Asyl-
oder Aufenthaltsberechtigung wieder aufzuheben.
Die Volksmudjahedin sind ausgerechnet auf
Druck des iranischen Regimes, das von der UNO wegen massiver Menschenrechtsverletzungen
verurteilt worden ist, in diese Liste aufgenommen worden. Diese Liste muss
insgesamt dringend revidiert werden.
Dr.
Rolf Gössner, Liga-Präsident
Mila Mossafer, Iran-Ausschuss der Liga
Humanistische Union ·
Internationale Liga für Menschenrechte · Gustav-Heinemann-Initiative · Komitee
für Grundrechte und Demokratie · Vereinigung demokratischer JuristInnen ·
Humanistischer Verband · Forum Menschenrechte (mehr als 40 Organisationen)
Berlin, 20. Februar 2004
Erhebung öffentlicher Anklage gegen Polizeivizepräsident Wolfgang
Daschner begrüßt
Menschen- und Bürgerrechtsgruppen fordern
jedoch nachhaltige Anstrengungen zur Beachtung des absoluten Folterverbotes
Ein breites Bündnis von Menschen- und Bürgerrechtsgruppen
begrüßt die heute bekannt gewordene Entscheidung der Staatsanwaltschaft, gegen
den Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei Wolfgang Daschner öffentliche
Anklage zu erheben. Das Verfahren kann mit dazu beitragen, über die menschenrechtliche
Bedeutung des absoluten Folterverbotes aufzuklären und verloren gegangenes
Vertrauen in den freiheitlichen Rechtsstaat zurück zu gewinnen.
Daschner hatte vergangenes Jahr während der Ermittlungen
im Entführungsfall Jakob von Metzler einem Tatverdächtigen Foltermaßnahmen
androhen lassen. Der später wegen Mordes verurteilte Täter hatte die Polizei
daraufhin zum Versteck des bereits getöteten Jungen geführt.
Die unterzeichnenden Bürger- und
Menschenrechtsorganisationen zeigen sich angesichts der andauernden
Folterdebatte besorgt. Das Vorgehen des Polizeivizepräsidenten war in der
Öffentlichkeit, bei Landes- und Bundespolitikern sowie bei berufsständischen
Vertretern auf Verständnis und sogar Zustimmung gestoßen. Das Grundgesetz sowie
internationale Bestimmungen wie etwa die europäische Menschenrechtskonvention
verbieten jedoch die Folter und ihre Androhung.
Auch „ein bisschen Folter“ darf es, bei
noch so guter Absicht, in einem den Menschenrechten verpflichteten Rechtsstaat
nicht geben. In Deutschland gilt ein absolutes Folterverbot, das die
Menschenwürde, die körperliche Unversehrtheit und die freie Willensentschließung
jedes und jeder Beschuldigten schützt. Auch die Menschenwürde von Polizisten
verbietet es in einem Rechtsstaat, sie zu Folterknechten zu machen.
Schlussstrich
unter die Vergangenheit?
Nach dem Willen des Berliner Senats sollen Anträge nach dem
„Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder
religiös Verfolgten des Nationalsozialismus“ nur noch bis zum 31.12. 2004
möglich sein. Antragsteller – beispielsweise Verfolgte, die vor der Verfolgung
ihren Wohnsitz in Berlin hatten, und 2005 oder später dort wieder ihren
Wohnsitz nehmen – werden dann nicht mehr anerkannt und erhalten weder Rente
noch Heilverfahren nach diesem Gesetz.
Kein Haushaltszwang noch sonst ein Grund kann dieses
Ergebnis rechtfertigen. Die Begründung des Senats, er wolle ab 2005
Planungssicherheit haben, ist im Übrigen absurd. Nach dem bisherigen Verlauf
der Antragstellungen werden es im Jahr 2005 allenfalls noch einige wenige
Verfolgte des Naziregimes sein, die die Voraussetzungen für einen erfolgreichen
Antrag auf Anerkennung erfüllen. Doch für diese Wenigen wäre der Ausschluss von
Anerkennung und Versorgung gravierend.
Mit einer solch unverantwortlichen gesetzgeberischen Posse
würden die Betreiber all jenen in die Hände arbeiten, die einen Schlussstrich
unter diesen Teil deutscher Geschichte als schon längst überfällig einfordern.
Rolf Gössner (Liga-Präsident), Petra Rosenberg, Kilian Stein (Vorstandsmitglieder der „Internationalen Liga für Menschenrechte“) 05.März 2004
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Iran:
Veranstalter: Iranische Frauengruppe im Exil-Berlin und Stiftung des Hauses der Demokratie und Menschenrechte. Unterstützer: ASTA FU / ASTA TU Berlin, Komitee
zur Unterstützung der politischen Gefangenen im Iran-Berlin e.V., Verein iranischer
politischer Flüchtlinge-Berlin e.V.
Zahra Kazemi, die kanadisch-iranische Fotografin, war
am 23. Juni 2003 verhaftet worden, als sie Menschen vor dem Ewin-Gefängnis in
Teheran fotografierte, die gegen die Festnahme ihrer Angehörigen während der Studentenproteste
protestierten. In der Haft wurde sie 77 Stunden von Angehörigen der Polizei,
der Staatsanwaltschaft und Geheimdienstbeamten verhört. Drei Tage später wurde
sie in ein Militärkrankenhaus verlegt, nachdem sie aus Nase und Mund
geblutet hatte. Am 11. Juli starb sie in einem Teheraner Krankenhaus - mehrere
Rippen waren gebrochen und der Schädel an fünf Stellen zertrümmert. Gegen den
Willen ihres in Kanada lebenden Sohnes und trotz zahlreicher Proteste
internationaler Organisationen, die eine Klärung der Todesursache verlangten,
wurde Zahra Kazemi im Iran bestattet, um die Wahrheit mit ihr begraben zu können.
Sie soll von drei Verhörspezialisten im Gefängnis vergewaltigt worden sein. Da
Spuren nur durch eine Autopsie gesichert werden können, wird der Mord, begangen
durch den iranischen Staatsapparat, solange nicht bewiesen werden können,
solange ihre Leiche nicht von unabhängiger Seite untersucht werden kann.
Die Iranische Frauengruppe im Exil in
Berlin hat am 28.
November 2003 zusammen mit der Stiftung
Haus der Demokratie und Menschenrechte eine Gedenkveranstaltung
für die ermordete Fotografin Zahra Kazemi veranstaltet. Zu dieser Veranstaltung
waren neben Stefan Hashemi, dem Sohn der Ermordeten als Vertreter von
Menschenrechtsorganisationen Aliyeh Yegane,
Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschrechte, Dr.
Abolkarim Lahiji, Vizepräsident der FIDH - Frankreich und Vorsitzender der Liga
für die Verteidigung der Menschenrechte sowie Sabina Strunk von „Reporter ohne
Grenzen“ eingeladen, außerdem die Schauspielerin und Kabarettistin Parvaneh
Hamidi.
Aliyeh Yeganes ausführlicher
Redebeitrag über die massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran kam bei dem Publikum sehr gut an. Zu unserem
Bedauern hatte Dr. Abdolkarim Lahiji seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Seine Absage begründete er mit
dem vorgesehenen Beitrag von Parvaneh Hamidi. Frau Hamidi hatte bei der
Heinrich-Böll-Konferenz zum Iran im April 2000 eine Protest-Performance aufgeführt, bei der sie sich bis auf die
Unterwäsche und ein Kopftuch auszog. Mit diesem, unseres Erachtens mutigen
künstlerischen Einsatz protestierte sie gegen die Repressionen des Islamischen
Regimes, die insbesondere gegen Frauen gerichtet sind. Sie sah sich daraufhin einer heftigen Hetze aus dem national-religiösen
Spektrum ausgesetzt.
Herr Lahiji wolle, so hat er seine
Absage begründet, sein in jahrzehntelanger Arbeit erworbenes, internationales
Ansehen mit einer Teilnahme an einer Veranstaltung, bei der auch Frau Hamidi
auftritt, nicht aufs Spiel setzen. Die
Absage kam für uns sehr überraschend. Denn wenn ihm auch die Form von Frau Hamidis
Protest damals nicht zugesagt hatte, wäre er
doch an diesem Abend als Menschenrechtler und Rechtsberater bei der Aufklärung
des Mordes an Zahra Kazemi gekommen und er hätte zusammen mit ihrem Sohn auf
dem Podium einer Veranstaltung gesessen, bei dem das Gedenken an die Ermordete
im Zentrum stand. So ist uns seine Begründung der Absage nicht nachvollziehbar.
Unser Unverständnis haben wir in einem Brief an die FIDH zum Ausdruck gebracht.
Nach Aliyeh Yegane sprach Stefan Hashemi. Er betonte,
dass seine Mutter weder das erste noch das letzte Opfer des islamischen Regimes
im Iran sei. Auch berichtete er, dass seine Großmutter erpresst worden sei, um
Zahra Kazemi in Iran bestatten zu können. Nach iranischem Recht hätte er als
Sohn der Verstorbenen darüber entscheiden müssen. Er sehe die einzige Chance,
dieses Verbrechen des iranischen Regimes aufzudecken darin, internationalen
Druck auf den Iranischen Staat auszuüben. Vor allem Kanada, das zur zweiten
Heimat seiner Mutter geworden war, müsse die Aufdeckung der Ermordung eines
seiner Staatsbürger konsequent fordern. Stefan Hashemi forderte die iranischen
Behörden auf, die Leiche seiner Mutter zu exhumieren und zur Autopsie und
Feststellung der Todesursache nach Kanada zu schicken.
Sabrina Strunk von der internationalen Menschenrechtsorganisation
Reporter ohne Grenze informierte über die internationale Kampagne
zur Aufklärung des Mordes und über die Arbeit ihrer Organisation. Darüber
hinaus berichtete sie über die Situation der Presse- und Meinungsfreiheit im
Iran: „Die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und der
freien Berichterstattung ist mit der iranischen Verfassung konform (...). Ohne
Pressefreiheit gibt es jedoch keine Demokratie.“
Politische Satire von der
Kabarettistin Parvaneh Hamidi beschloss das Programm. Auf scharfe und trotzdem
humorvolle Weise verhandelte sie Themen wie die Unterdrückung der Frauen oder
der Oppositionellen im Iran sowie die Haltung der Bundesrepublik, mit der
letztlich das iranische Mullah-Regimes gestützt wird.
Die Veranstalter haben den von Kanada eingebrachten
Entwurf für eine UN-Resolution zur prekären Menschenrechtssituation im Iran bei
der Generalversammlung sehr begrüßt. In dem Resolutionsentwurf wird explizit
Bezug auf die Prügelstrafe, die Anwendung von Folter und anderen Formen
grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung genommen.
Die Veranstaltung war sehr gut
besucht. Im Publikum fanden sich Iranerinnen und Iraner unterschiedlicher
politischer Richtungen sowie interessierte Deutsche.
Redebeitrag
von Aliyeh Yegane
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich begrüße Sie alle sehr herzlich im Namen der Internationalen Liga für
Menschenrechte!
Meine Name ist Aliyeh
Yegane und ich bin Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschrechte.
Ich sende Ihnen viele Grüße von unserem Vizepräsidenten Laurent Faasch-Ebrahim,
der leider kurzfristig verhindert ist.
Mit der Verkündung der Erklärung der
Menschenrechte durch die UNO am 10. Dezember 1948 wurde erstmals in der Geschichte
der Menschheit festgeschrieben, dass alle Menschen ungeachtet ihrer Hautfarbe,
ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Nationalität ein individuelles Recht auf
ein würdiges Leben haben. Die über 130 Unterzeichnerstaaten verpflichteten
sich, diese Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte in ihrem
Hoheitsgebiet zu garantieren.
Auch der Iran unterzeichnete damals diese Erklärung.
Aber bedauerlicherweise werden die Menschenrechte im Iran, vor allem seit
Gründung der „Islamischen Republik“ regelrecht verhöhnt. Wir sind heute Abend
zusammen gekommen, um der iranisch-kanadischen Fotojournalistin Zahra Kazemi zu
gedenken, die eines der letzten Opfer dieser menschenrechtsverletzenden Politik
im Iran war.
Zahra Kazemi wurde am 23. Juni 2003
verhaftet, als sie die Proteste der Familienangehörige der Festgenommenen
während der Studentenproteste vor dem Ewin-Gefängnis in Teheran fotografierte.
In der Haft wurde sie von Angehörigen der Polizei, der Staatsanwaltschaft - der
Staatsanwalt Said Mortazavi war höchstpersönlich anwesend - und Geheimdienstbeamten
verhört. Als sie aus Nase und Mund blutete, wurde sie drei Tage später in ein
Militärkrankenhaus verlegt. Am Tag darauf stellte man angeblich ihren Gehirntod
fest. So starb sie am 11. Juli in einem Teheraner Krankenhaus infolge von
mehreren gebrochenen Rippen und eines Schädelbruchs – er war an fünf Stellen
zertrümmert worden.
Um die Hintergründe dieses Mordes zu vertuschen, wurde
die Mutter erpresst und Zahra Hashemi im Iran bestattet - gegen den Willen
ihres in Kanada lebenden Sohnes Stephen Hashemi und trotz der zahlreichen
Proteste von internationaler Organisationen, die eine Klärung der Todesursache
verlangten. Nun waren alle Spuren beseitigt und mit ihr wurde die Wahrheit um
diesen staatlichen Mord begraben.
Erneut, wie schon bei der gewaltsamen
Niederschlagung der Studentenproteste, wurde die Willkür und Brutalität
deutlich, mit der die Regierenden im Iran gegen Andersdenkende vorgehen. Mit
der Ermordung von freien Journalisten, wie Zahra Hashemi, wurde abermals eine
auch noch so zarte Hoffnung auf demokratische Veränderungen im Iran mit Füssen
zertreten.
Wir erinnern uns daran, dass vor fünf
Jahren im Winter 1998 das iranische Regime innerhalb von 3 Wochen die zwei
Schriftsteller Mohammad Mokhtari und Mohammad Jafar Pouyande, das
Politikerehepaar Parvaneh Eskandari und Daryoush Foruhar und den Journalisten
Sharif Vaghef bestialisch ermorden ließen. Diese Morde wurden als politische
Kettenmorde im Iran bekannt. Die Machthaber mussten zwei Monate später unter
heftigen Protesten im In- und Ausland zugeben, dass Angestellte des iranischen
Geheimdienstes in die Mordserie verwickelt waren. Doch Täter und Auftraggeber
dieser Attentate wurden bis heute nicht gestellt. Der von den Angehörigen
beauftragte Rechtsanwalt Nasser Zarafshan wurde von der Justiz zu fünf Jahre Gefängnisstrafe
und 50 Peitschenhieben verurteilt. Seit August 2001 ist er im Gefängnis.
Die Hoffnung der Iraner, dass auch sie die uneingeschränkte
Verwirklichung der Menschrechte in ihrem Land erlangen werden, diese Hoffnung
lassen die Menschen im Iran und die Iraner im Exil sich trotz der Hinrichtungen
von Oppositionellen und Intellektuellen, der Todesschüsse auf Protestierende,
der Massenverhaftungen von Studenten, trotz Folter, und öffentlichen Hinrichtungen
nicht nehmen.
Die Internationale Liga für
Menschenrechte unterstützt den mutigen Einsatz von iranischen Frauen und Männern
für die Durchsetzung der Menschenrechte. Sie wird auch in Zukunft, wie sie es
in der Vergangenheit tat, die Einhaltung der Allgemeinen Menschenrechte im Iran
fordern und uneingeschränkt auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen.
In diesem Sinne fordern wir auch die Bundesregierung und den
Europäischen Rat dazu auf, endlich konsequent und unmissverständlich mit allen
politischen Mitteln darauf hinzuwirken, dass Mindeststandards von
Rechtsstaatlichkeit im Iran hergestellt und die internationale Abkommen sowie
die Universalen Menscherechte im Iran eingehalten werden. Die staatliche
Ermordung von Zahra Kazemi darf ebenso wenig vergessen werden, wie all die
anderen staatlich verübten Verbrechen: die Hinrichtungen von 1981, die Unterdrückung
von ethnischen und religiösen Minderheiten, die Hinrichtung der Oppositionellen
im In-und Ausland, die Steinigungen und, und, und....
Einem Auftrag des Liga-Vorstandes nachkommend
beteiligen sich drei Mitglieder an der Vorbereitung eines Tribunals zum Irak-Krieg.
Es gibt ein breites Netzwerk von mehr als 200 Gruppen
in Europa, Asien, Latein- und Nordamerika, die an der Vorbereitung arbeiten. Es
liegt bereits ein ausgearbeiteter Entwurf einer Anklageschrift von Lennox Hinds
vor, die dieser im Auftrag der Internationalen Vereinigung Demokratischer
Rechtsanwälte verfasst hat. Inhalt, Form und Ort eines Tribunals und begleitender
Hearings bedürfen aber noch der Klärung, was angesichts der an sich höchst
erfreulichen Vielzahl beteiligter Gruppen nicht einfach ist.
Bei
einem Treffen des deutschen Koordinierungskomitees in Frankfurt a.M. am
1.2.2004 wurden die Positionen der deutschen Seite in einigen Fragen geklärt.
Das Tribunal soll sich auf den Krieg im Irak und die Entwicklung nach Ende der
offenen militärischen Konfrontation konzentrieren, was ein Eingehen auf die
Vorgeschichte nicht ausschließt. Der aus England kommende Vorschlag, die
Hauptveranstaltung solle in Nürnberg als dem Ort der Kriegsverbrecherprozesse
nach dem 2. Weltkrieg abgehalten werden, wurde mehrheitlich nicht gebilligt,
weil das zu schiefen historischen Parallelen führen würde. Die deutschen
Teilnehmer werden sich auf das Embargo, die Kriegsverbrechen (uranangereicherte
Munition, Clusterbomben etc.) und das Besatzungsregime konzentrieren.
K.St.
Türkei und die
kurdische Frage
Rolf Gössner
im Gespräch mit Erdal Alicpinar
über Menschenrechte und Demokratie
in der Türkei
„Die politische
Lösung der kurdischen Frage
ist Voraussetzung für Verbesserung der Menschenrechtslage“
aus: „ÖZGÜR POLITIKA“ vom 26.1.2004
1. Sie sind Vorsitzender der Internationalen Liga für
Menschenrechte. Können Sie uns Ihre Organisation kurz vorstellen?
Rolf Gössner: Die
Internationale Liga für Menschenrechte (Berlin) ist eine traditionsreiche
unabhängige und gemeinnützige Non-Government-Organisation, die sich für
Menschenrechte und Frieden einsetzt. So wendet sich die Liga in
Veranstaltungen, Denkschriften und Demonstrationen etwa gegen restriktive Tendenzen
bei der Globalisierung der Polizei- und Geheimdienststrukturen sowie gegen die
zunehmende Einschränkung der Bürgerrechte im Zuge des sogenannten
Antiterrorkampfes des Staates und der Europäischen Union.
Die Liga ist die deutsche Sektion der
„Fédération Internationale des Droits de l’Homme“ in Paris (FIDH). Die FIDH hat
weltweit in über fünfzig Ländern Sektionen und ist bei der UN-Menschenrechtskommission,
beim Europarat und bei der UNESCO akkreditiert. Die Liga verleiht im Gedenken
an den Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky seit über 40 Jahren die Ossietzky-Medaille
an Personen und Gruppen, die sich um Verteidigung, Durchsetzung und Fortentwicklung
der Menschenrechte und des Friedens besonders verdient gemacht haben.
2. Die Türkei ist EU-Beitrittskandidat. Für eine
Aufnahme ist die vollständige Erfüllung der Kopenhagener Kriterien
Voraussetzung. Die Menschenrechtslage in der Türkei hat sich laut Amnesty
International und dem Türkischen Menschenrechtsverein nicht merklich gebessert.
Wie sieht ihre Organisation die Menschenrechtslage in der Türkei? Was gedenkt
Ihre Organisation diesbezüglich zu tun?
R.G.: Tatsächlich hat sich die
Menschenrechtslage in der Türkei noch nicht so grundlegend verbessert, wie das
für eine – durchaus wünschenswerte – Aufnahme in die EU notwendig wäre.
Jedenfalls reicht es nicht aus, Gesetze zu ändern, die Todesstrafe abzuschaffen
oder den Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen offiziell aufzuheben –
obwohl diese Maßnahmen tatsächlich einen gewissen Fortschritt bedeuten und
nicht zu unterschätzende Reformansätze erkennen lassen.
Es gibt in der Türkei leider weiterhin massive
Verstöße gegen die Menschenrechte. Die größten Defizite, so stellt der aktuelle
vertrauliche Lagebericht des Auswärtigen Amtes fest, liegen bei den
Institutionen von Justiz und Polizei. So komme es weiterhin zu Folter,
Misshandlungen und schweren Übergriffen. Zwar gehe die Zahl der Fälle zurück,
dafür nehmen Berichte über verfeinerte Foltermethoden zu, die weniger bleibende
Spuren hinterlassen – etwa Elektroschocks, Abspritzen mit kaltem Wasser aus
Hochdruckgeräten, erzwungenes Ausziehen sowie Androhung von Vergewaltigungen.
Diese Folterpraxis ist nicht hinnehmbar, sie
muss wirksam unterbunden werden. Das absolute, keine Ausnahmen zulassende Verbot
der Folter ist nach den Anti-Folterkonventionen der Vereinten Nationen und des
Europarates fester Bestandteil des Völkerrechts. Die erwähnten Reformansätze in
der Türkei müssen gerade vor dem Hintergrund eines EU-Beitritt mit internationaler
Hilfe gestärkt werden, bis die Menschenrechtslage den internationalen Menschenrechtsstandards
genügt. Diesen Prozess will die Internationale Liga für Menschenrechte gern
begleiten und forcieren. Allerdings hat die Liga ihren internationalen Schwerpunkt
unter anderem auf den Israel-Palästina-Konflikt gelegt, mit dem Ziel, auf einen
gerechten Frieden in Nahost hinzuwirken. Die Türkei und die kurdische Frage
gehörten in den vergangenen Jahren nicht zu ihren Schwerpunkten. Allerdings
habe ich mich vor meiner Zeit als Liga-Präsident intensiv mit diesem Problem
beschäftigt; so habe ich unter anderem Kurden vor deutschen Gerichten vertreten
sowie zusammen mit „medico international“ den Aufruf zur internationalen
Beobachtung des Öcalan-Prozesses initiiert. Deshalb bin ich nach wie vor an der
Menschenrechtssituation in der Türkei interessiert und setze mich für eine
grundlegende Verbesserung ein.
3. Immer noch ist die Lage der kurdischen Bevölkerung
in der Türkei prekär. Zwar ist offiziell der Ausnahmezustand in den kurdischen
Regionen aufgehoben, de facto dauert dieser jedoch weiterhin an. Der
fünfzehnjährige Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Staat ist vorbei.
Eine Lösung der kurdischen Frage steht jedoch immer noch aus. Wie sehen Sie die
Lage? Ist eine Lösung der Menschenrechtslage in der Türkei nicht mit der Lösung
dieser Frage verbunden?
R.G.: Die politische Lösung der kurdischen Frage
ist Voraussetzung für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei.
Dieses Problem ist nach wie vor ungelöst, solange den Kurden kulturelle,
soziale und politische Rechte vorenthalten werden. Hier liegen wohl die größten
Hindernisse auf dem Weg zu einer Demokratisierung der Türkei.
Im Rahmen des EU-Kandidatenstatus der Türkei sollten
die europäischen Regierungen ihren politischen Einfluss energischer geltend
machen, um den Weg für eine demokratische, friedliche und gerechte Lösung zu
bereiten. Denn es geht auch um eine gesamteuropäische Aufgabe: Allen Kurden und
Kurdinnen in der Türkei, aber auch in anderen Ländern müssen im Rahmen föderativer
Strukturen politische und kulturelle Rechte garantiert, ihre Menschen- und
Bürgerrechte voll anerkannt werden.
4. Seit seiner völkerrechtswidrigen Entführung in die
Türkei ist Abdullah Öcalan in Isolationshaft. Seine Gesundheit ist stark
angegriffen, weshalb seine Anwälte die Entsendung einer unabhängigen Ärztekommission
fordern. Die Besuch seiner Familie und Anwälte werden immer wieder willkürlich
verhindert. Viele internationale Menschenrechtsorganisationen verhalten sich
demgegenüber passiv.
Ein Großteil der Kurden in der Türkei hingegen
empfindet den Umgang mit Abdullah Öcalan als einen Angriff auf sich selbst,
weshalb es bei Protestaktionen immer wieder zu Zusammenstössen mit den
türkischen Sicherheitskräften kommt. Demzufolge ist der Fall Öcalan nach wie
vor ein Politikum. Wie sehen Sie den Fall Öcalans? Was gedenkt Ihre Organisation
diesbezüglich zu tun?
R.G.: Der Liga-Vorstand hat vor Monaten einen Anwalt
von Öcalan in Berlin empfangen, um sich über die Haftbedingungen und den
gesundheitlichen Zustand seines Mandaten zu informieren. Für die Liga ist klar,
dass der Fall Öcalan solange ein Politikum bleibt, solange er unter den
beschriebenen skandalösen Bedingungen leben muss.
Öcalan wird seit nunmehr fünf Jahren auf der Gefängnisinsel
Imrali von der Außenwelt weitgehend isoliert gefangen gehalten. Die
verschärften Isolationshaftbedingungen bedrohen ernsthaft seine Gesundheit. Er
leidet, so wurde uns berichtet, unter Atembeschwerden und unter
mangelhaften hygienischen Bedingungen.
Die zuständigen
internationalen Institutionen sind dazu aufgerufen, gegen diese unzumutbaren,
menschenunwürdigen Haftbedingungen zu intervenieren. Die Liga unterstützt die
Forderung der Familie und Anwälte Öcalans, eine
unabhängige Ärztekommission zu entsenden, um seinen Gesundheitszustand festzustellen
und geeignete medizinische Maßnahmen zu ergreifen. Es ist höchste Eile geboten
– wenn diese Haftbedingungen nicht zu einer Hinrichtung auf Raten führen
sollen.
„Zwinger-Käfige“ im Strafvollzug
Auf Anregung der „Internationalen Liga für
Menschenrechte“ hat die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Landtag
Rheinland-Pfalz eine besondere „Innovation“ in Gefängnissen des Landes auf die
Tagesordnung gebracht. Es geht um die Disziplinierung von Gefangenen in „Zwingern“,
die auf dem Anstaltsgelände installiert wurden – ein eingezäuntes Fleckchen Hof
7 mal 8 Meter (56 qm), Zaunhöhe ca. 2,50 Meter, oben mit Stacheldraht gekrönt.
Die Betroffenen fühlen sich isoliert, entwürdigt und an den Pranger gestellt,
da die Käfige von den Zellenfenstern aus eingesehen werden können.
LANDTAG RHEINLAND-PFALZ
14. Wahlperiode 18.06.2003
Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN beantragt,
folgenden Punkt gem. § 76 Absatz 2 GOLT auf die Tagesordnung der nächsten
Sitzung des Rechtsausschusses zu setzen:
„Installation
und Nutzung eines ‚Zwingers’ innerhalb des Anstaltsgeländes der JVA Diez“
Das
zuständige Mitglied der Landesregierung wird um Berichterstattung gebeten.
Begründung:
Zu Beginn des Jahres 2003 wurde an einer
zentralen Stelle des Anstaltsgeländes der JVA Diez eine Art „Freiluft-Zwinger“
installiert, der für Disziplinarmaßnahmen genutzt wird, denen einzelne
Gefangene unterzogen werden.
Der Bericht soll über Größe, Beschaffenheit und
Lage dieses mit Stacheldraht gesicherten „Zwingers“ informieren, darüber hinaus
die Fragen klären, nach welchen Kriterien die Einsperrung in den „Käfigen“
erfolgt, wie viele Gefangene seit der Installation durch diese Maßnahme
diszipliniert wurden und ob die dort Eingesperrten vor anderen Gefangenen, die
aus ihren Zellenfenstern Einblick haben, zur Schau bzw. an den Pranger gestellt
werden.
Antwort der Landesregierung: Staatsminister Mertin
berichtete daraufhin in der 20. Sitzung des Rechtsausschusses am 8.7.2003: Die
Einrichtung des „Einzelfreistundenbereichs„ (so der offizielle Euphemismus;
R.G.) bestehe in der JVA Diez seit dem 15.3.2003. Darin würden überwiegend
„Sicherungsmaßnahmen“ und die Disziplinarmaßnahme „Arrest“ vollzogen. Das sei
zulässig, „Wenn im erhöhten Maß Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten,
die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung vorlägen oder die Gefahr
einer Befreiung oder einer erheblichen Störung der Anstaltsordnung anders nicht
vermieden oder behoben werden könnten“.
Der „Einzelfreistundenbereich“ sei mit einer
Sitzbank versehen, von einem „Ordnungszaun“ umschlossen, im oberen Bereich mit
Drähten gesichert und von den Fenstern der angrenzenden Hafträume einzusehen –
es könne trotzdem keine Rede davon sein, dass ein Zwinger errichtet worden sei
und die Gefangenen zur Schau gestellt würden. Schließlich würde der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall geprüft. In knapp vier Monaten
seien insgesamt 13 Gefangene mit Sicherungsmaßnahmen und ein Gefangener mit
Arrest hiervon betroffen gewesen.
Außer in der JVA Diez gebe es weitere Anlagen dieser
Art in Rheinland-Pfalz in der JVA Frankenthal sowie der bayerischen JVA
Würzburg.
Aus:
COMPUTERWOCHE 3/2004:
Der Staat hat große Ohren
Von Rolf Gössner
Der Staat schützt - sich selbst, seine Organe, die freiheitlich
demokratische Grundordnung und nicht zuletzt die Bürger. Doch auch Staaten
können über die Stränge schlagen, wenn gemacht wird, was technisch machbar ist.
Gerade im Bereich der Telekommunikation (TK) ist vieles möglich, so dass sich
ein klarer Trend ableiten lässt: Die staatliche TK-Überwachung ist ein Wachstumsmarkt.
Das von der Verfassung garantierte Recht des Einzelnen,
unkontrolliert zu kommunizieren, ist Grundvoraussetzung einer offenen,
demokratischen Gesellschaft. "Die Befürchtung einer Überwachung mit der
Gefahr einer Aufzeichnung, späteren Auswertung, etwaigen Übermittlung und
weiteren Verwendung durch andere Behörden kann schon im Vorfeld zu einer
Befangenheit in der Kommunikation, zu Kommunikationsstörungen und zu
Verhaltensanpassungen ... führen", fasste einst das Bundesverfassungsgericht
mögliche Auswirkungen einer ausufernden Kommunikationsüberwachung zusammen.
Inzwischen hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter
Jürgen Kühling das Fernmelde- und Telekommunikationsgeheimnis, wie es mit
Artikel 10 Grundgesetz geschützt werden soll, als "Totalverlust" abgeschrieben.
Was ist passiert? Die moderne Telekommunikation (TK), auf die niemand
verzichten kann und niemand verzichten will, birgt ein enormes Überwachungspotenzial,
das sich der Staat zunutze macht. Er nutzt es jedoch derart exzessiv, dass es
grundrechtssprengend wirkt. Die digitalen Netze mutieren mehr und mehr zu einem
weitverzweigten Fahndungsnetzwerk.
Ob Telefon, Handy, Fax, SMS, E-Mail oder Internet -
jedes weitere Kommunikationsmedium gibt dem Staat neue Möglichkeiten, die
Nutzer zu überwachen. Denn jedes Telefonat, jede Mail, jeder Ausflug ins
Internet, jede Info-Suche, Online-Bestellung oder Kreditkartennutzung
hinterlässt "verräterische" Datenspuren, die nach bestimmten
Kriterien durchforstet und personengenau ausgewertet werden können. Aus diesen
Daten lässt sich das Kommunikationsverhalten von TK-Nutzern
destillieren, lassen sich Persönlichkeitsprofile und Bewegungsbilder zeichnen.
Wer sich hiergegen mit Anonymisierungsdiensten zu schützen sucht, macht sich
bereits verdächtig.
Zur Teilnahme gezwungen
Diensteanbieter, Internet-Provider und
Administratoren im Netz sind gesetzlich zur Mitwirkung bei staatlichen
Überwachungsmaßnahmen verpflichtet. Sie müssen die Überwachungstechnik auf ihre
Kosten installieren und betriebsbereit halten sowie - sicherheitsüberprüftes -
Personal abstellen. Alle geschäftsmäßigen TK-Diensteanbieter sind nach dem Telekommunikationsgesetz
(TKG) darüber hinaus verpflichtet, Kundendateien mit Rufnummern, Namen und
Anschrift der Anschlussinhaber zu führen und die Personendaten jederzeit den
Sicherheitsbehörden - Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichten und Geheimdiensten
- online zu übermitteln, wobei deren Zugriff auch unbemerkt erfolgen kann. Das
Recht auf freie und anonyme Kommunikation ohne Angst vor Überwachung und
Repressalien ist längst nicht mehr gewährleistet - weder für Privatpersonen und
Geschäftsleute noch für Verbände und Wirtschaftsunternehmen.
Die Praxis der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zur
Strafverfolgung, also zur Aufklärung einer Straftat und zur Ermittlung der
Täter, kann seit Anfang der 90er Jahre exorbitante Steigerungsraten aufweisen.
Seit 1995 hat sich die Anzahl der richterlichen Anordnungen pro Jahr von 3800
auf über 26000 (2002) fast versiebenfacht. Die Bundesrepublik gehört damit
weltweit zu den Spitzenreitern im Abhören. Die Dimension dieser Abhörpraxis ist
skandalös - immerhin kann eine einzige Anordnung mehrere Anschlüsse umfassen
und Tausende von Gesprächen betreffen. Nicht nur Tatverdächtige werden oft
monatelang abgehört - auch Millionen von vertraulichen Gesprächen
unverdächtiger Kommunikationspartner werden dabei aufgenommen, abgespeichert,
ausgewertet. Dies ist ein gravierender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der
Betroffenen. Die als "Ultima-ratio"-Maßnahme gedachte TKÜ hat sich
mittlerweile zum Standardinstrument entwickelt.
In Thüringen und Niedersachsen ist bereits die präventive
TKÜ legalisiert worden - also das vorsorgliche Abhören von Telefonen und Handys
sowie das vorsorgliche Mitlesen von Faxen, SMS und E-Mails, ohne dass eine
Straftat oder ein konkreter Anfangsverdacht vorliegen muss. Beim Reinhören
könnte sich ja der Verdacht auf eine schwer wiegende Straftat ergeben, so die
Logik der Gesetzesmacher, der auch andere Bundesländer folgen wollen. Im Zuge
solcher polizeilichen Lauschaktionen werden zwangsläufig auch Verwandte,
Nachbarn, Arbeitskollegen und sonstige Bekannte der "vorverdächtigen"
Personen unmittelbar involviert.
Den Sicherheitsbehörden ist es zudem gestattet, die
näheren Umstände der Telekommunikation zu erforschen und die
TK-Verbindungsdaten bei den TK-Dienstleistern anzufordern und abzuspeichern.
Also: Wer hat mit wem, wann, wie oft und wie lange von wo nach wo fernmündlich
oder schriftlich kommuniziert, welche SMS- oder Internet-Verbindungen genutzt,
welche Suchmaschinen mit welchen Begriffen benutzt, welche Homepages besucht
und mit welchen E-Mail-Empfängern kommuniziert? Zu diesem Zweck müssen von
allen TK-Anbietern Unmengen von Überwachungsdaten auf Verdacht und Vorrat
erfasst und gespeichert werden.
Diese Vorratsdatenspeicherung soll sogar
noch ausgeweitet werden. Geht es nach dem neuen TKG-Entwurf der Bundesregierung,
sind Diensteanbieter künftig berechtigt, alle Verkehrsdaten nach Versendung
ihrer Gebührenrechnung bis zu sechs Monate zu speichern. Der Bundesrat will gar
eine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung für polizeiliche und geheimdienstliche
Zwecke verankern.
Die Datenschutzbeauftragten befürchten eine
"gravierende Verschlechterung des Datenschutzes" und sehen den
Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Schon heute beklagt etwa
die Deutsche Telekom eine "Entwertung des Fernmeldegeheimnisses"
durch die Ermittlungsbehörden. Im Bereich der Strafverfolgung habe ihr Hunger
nach Verbindungsdaten längst verfassungswidrige Ausmaße angenommen. Alle drei
Monate müssten alle 50 Millionen Kunden der Telekom komplett nach Verdächtigen
durchgerastert werden. Hinzu kämen täglich Tausende Abfragen von
Verbindungsdaten, selbst wenn es nur um Straftaten mittlerer Schwere gehe.
Weigere sich die Telekom im Einzelfall, die Daten herauszugeben, werde sie mit
dem Vorwurf der Strafvereitelung unter Druck gesetzt.
Bewegungsmuster aufzeichnen
Zur Strafverfolgung dürfen die Ermittlungsbehörden die
individuellen Kennungen und zur Festnahme eines Täters auch den Standort eines
aktiv geschalteten Handys ermitteln. Mit Hilfe von so genannten IMSI-Catchern
können einerseits die individuellen Karten- und Gerätenummern von Handys
ausgeforscht werden; andererseits lassen sich damit Handys zur genauen Standortbestimmung
elektronisch orten, auch wenn diese nur Stand-by-geschaltet sind. Dadurch wird
den Sicherheitsorganen die Möglichkeit eröffnet, Bewegungsbilder zu erstellen -
inzwischen selbst von Personen, denen nur künftige Straftaten zugetraut werden.
Die Sicherheitsbehörden können mit richterlicher Anordnung
das Internet zur Strafverfolgung gezielt nach Verdächtigen durchstöbern. Aber
die Polizei geht auch ohne konkreten Verdacht auf Netzpatrouille, um mögliche
strafbare Inhalte herauszufiltern und mutmaßliche Täter zu verfolgen. Mit
solchen Präventivkontrollen, die keiner richterlichen Anordnung bedürfen,
sollen die Verbreitung extremistischen Gedankenguts, gewaltverherrlichender
Schriften sowie kinderpornographischer Bilder eingedämmt werden; aber auch
Urheberrechtsverletzungen, der Handel mit Diebesgut, Drogen und Waffen sollen
damit unterbunden werden.
So notwendig solche Netzpatrouillen zur
Gefahrenabwehr erscheinen mögen, wenn es um menschenverachtende, kinderschändende
und rassistische Taten und Umtriebe geht - problematisch können verdachtsunabhängige
Kontrollen dann werden, wenn die gesamte Individualkommunikation per Internet,
der Chat-Foren- und E-Mail-Verkehr polizeilich durchgecheckt oder gar geheimpolizeilich
infiltriert werden und die Kontrollen zur Gesinnungsschnüffelei ausarten.
Nicht nur Polizei und
Staatsanwaltschaften sind zu TKÜ-Maßnahmen berechtigt. Auch die Geheimdienste -
Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer
Abschirmdienst (MAD) - dürfen nach dem G-10-Abhörgesetz Telefone und Handys
heimlich abhören, Faxe und E-Mails mitlesen, Verbindungsdaten anfordern und
Handys orten - und zwar bereits weit im Vorfeld möglicher Gefahren. Der BND
kontrolliert darüber hinaus systematisch den gesamten drahtlosen, satellitengestützten
sowie glasfasergeleiteten TK-Verkehr vom und ins Ausland - ohne jeglichen
Verdacht. Computergesteuert durchkämmt er Millionen Gespräche, Faxe und
Fernschreiben nach verdächtig klingenden "Suchbegriffen" oder
Wort-Kombinationen aus wechselnden Wortbanken, die aus den Bereichen des
internationalen Terrorismus, Waffenhandels und militanten Extremismus stammen sowie
der Proliferation, Drogenkriminalität und Geldwäsche.
Nachrichtendienstlich relevant?
Dieses automatische Fischen im Trüben des verallgemeinerten
Verdachts nennt sich "strategische Kontrolle" oder auch "Schleppnetzfahndung
im Äther". Ordert etwa jemand per Telefax in Ungarn zehn Kisten
"Roten", so würde ein solcher Auftrag automatisch ausgesiebt - auch
wenn nur Rotwein gemeint war. Schließlich könnte es sich auch um die illegale
Droge "Roter Libanese" handeln. Der literarische Austausch über
Fräulein Smillas Gespür für "Schnee" würde wegen des Verdachts auf
Kokainhandel Komplikationen auslösen; ebenso Berichte über
"Bombenwetter" oder volle "Strandhaubitzen" an Mallorcas Gestaden,
die den Geheimdienstlern internationale Waffengeschäfte signalisieren. Im Laufe
der automatischen Durchforstung nach bestimmten Suchbegriffen und Anschlussnummern
bleiben pro Jahr etliche tausend "verdächtige" Auslandsgespräche oder
Faxe als "nachrichtendienstlich relevant" hängen, woraufhin dann auf
traditionelle Weise weiterermittelt wird.
Mit der Entwicklung der Telekommunikation erleben wir
in zunehmendem Maße die präventive Verdächtigung von TK-Teilnehmern, die so zu
gläsernen Bürgern werden - ohne es selbst zu registrieren, ohne sich wirksam
dagegen zur Wehr setzen zu können. Eine der wichtigsten rechtsstaatlichen
Errungenschaften, nämlich die Unschuldsvermutung, verliert mit dieser ausufernden
Entwicklung ihre machtbegrenzende Funktion. Der Mensch mutiert zum
Sicherheitsrisiko.
Termine und Veranstaltungen
03.
März 2004 Bundesverfassungsgericht verkündigt Urteil in Sachen Großer
Lauschangriff.
08. März 2004, 19 h „Frauenrechte im
Iran“, Vortrag von Mina Ahadi und Dokumentarfilm „My name ist Rocky“ von Bahman
Moshdar (Iran/Kanada 2001). Berlin, Haus der Demokratie und Menschenrechte,
Greifswalder Str. 4, Robert-Havemann-Saal.
19. März 2004, 19.00 Uhr „Wer erkämpft die Menschenrechte:
Die USA? Die NATO? Die EU? Die NGOs? Oder ...? Vortrags- und
Diskussionsveranstaltung mit Prof. Norman
Paech, RA Eberhard Schultz und RA Christoph Ernesti am Vorabend des
internationalen Aktionstages der Friedensbewegung zum Jahrestag des
Kriegsbeginns gegen den Irak, Haus der Demokratie und Menschenrechte,
Robert–Havemann–Saal, Greifswalder Str. 4, Berlin (www.menschenrechtsanwalt.de.
Email: berlin@menschenrechtsanwalt.de).
20. März 2004 Friedensaktionstag für den
Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und für die Durchsetzung eines gerechten
und dauerhaften Friedens in Nahost (www.friedeskooperative.de)
25. März, 19 Uhr, Berlin, Republikanische
Vesper zum Thema „Menschenrechte und Gemüse – Unter welchen Bedingungen Tomaten
und Zucchini für den deutschen Markt reifen“. Saal des Hauses der Demokratie
und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4.
25. bis 28. März, Leipzig, Buchmesse.
27./28. März, ab 10 Uhr, Berlin,
"Islamophobie. Diskriminierung von Muslimen?" Galerie der
Heinrich-Böll-Stiftung, Hackesche Höfe.
03. – 04. April 2004 europäischer
Aktionstag gegen Sozialabbau: „Abrüstung statt Sozialabbau“ gemeinsam mit
Gewerkschaften und sozialen Bewegungen.
03. April 2004, 9 h 30 bis ca. 18 h: Eine
Demokratische Verfassung für Europa – kritische Betrachtungen zum Verfassungsentwurf,
Maison de l’Europe, 35, rue des Francs Bourgeois, 75004 Paris. Internationale
Konfoerenz der EJDM- Europäische Vereinigung von JuristInnen für Demokratie und
Menschenrechte in der Welt e.V. mit Simultanübersetzung: deutsch, englisch,
französisch. Anmeldung über info@ejdm.de oder
0211-444027 mit Name, Adresse, Beruf, Organisation. Teilnahmegebühr 50 € in bar
(freier Eintritt für Studenten, Erwerbslose).
09. – 12. April 2003 Ostermärsche 2004
(Übersicht www.friedeskooperative.de)
24. April 2004 Aktionstag für Mumia Abu-Jamal zu
dessen 50. Geburtstag. Fast die Hälfte davon (22 Jahre) hat er wegen angeblichen
Polizistenmordes unschuldig in der Todeszelle verbracht (USA). Der juristische
Kampf um die Wiederaufnahme des Verfahrens geht weiter. Informationen über www.freedom-now.de; www.mumia.de. Email: info@mumia.de.
28.
– 29. April 2004 OSZE-Konferenz über Antisemitismus in Berlin – Regierungs- und
NGO-VertreterInnen debattieren über Gegenmaßnahmen. Begleitprogramm des
„Bündnisses für Demokratie und Toleranz“.
09.
Mai 2004 Initiativen für ein anderes Europa – gegen den Ausbau der EU zu einer
weltweiten militärischen Interventionsmacht und gegen eine Verfassung, die zur
Aufrüstung verpflichtet.
23.
Mai 2004: 4. Bundesweites Vernetzungstreffen von Abschiebehaftgruppen und
–initiativen im Liborianum, An den Kapuzinern 5-7, 33098 Paderborn.
Jeden
letzten Donnerstag im Monat
findet eine von Ossietzky + Liga veranstaltete
„Republikanische Vesper“
im Haus der Demokratie und
Menschenrechte
in Berlin, Greifswalder Str. 4, statt.
Multikultureller Runder
Tisch in Berlin-Tiergarten Süd: Einmal im Monat sitzen „Gastarbeiter“, Spätaussiedler,
Asylbewerber und Bürger aus der „Mehrheitsgesellschaft“ zusammen. Dazu kommen
Vertreter von Initiativen, Verbänden, Bezirksämtern, Polizei. Die nächsten
Termine:
18. März, 22. April, 20. Mai, 24. Juni 2004,
jeweils 18 h im Integrationszentrum, Pohlstr. 74, 10785 Berlin.
Die Ergebnisse der Runden Tische werden dokumentiert
und in den websites des Vereins Community Channel Europe e.V. unter www. multikulti1.de und www.tiergarten-sued.de veröffentlicht
und zur Diskussion gestellt.
Veranstaltungen mit Rolf Gössner:
11. März 2004, 20 Uhr, Bochum, Bahnhof Langendreer: Lesung aus "Geheime Informanten".
27. März, 15 Uhr, Berlin, Galerie der Heinrich-Böll-Stiftung, Hackesche Höfe: "Muslime unter Generalverdacht in Deutschland". Redebeitrag von Rolf Gössner während der Tagung am 27./ 28. März zum Thema "Islamophobie. Diskriminierung von Muslimen?"
06. April, 19 h 30, in Weimar, Mon Ami, über „Antiterrorgesetze und ihre bürgerrechtlichen Auswirkungen“
07. April in Jena „Antiterrorgesetze“
Zeit und Ort zu erfragen über: Thüringer Forum für Bildung und Wissenschaft e.V., Jena: vorstand@thueringer-forum.de
03. – 06. Mai 2004 Veranstaltungstournee in Sachsen zu „Antiterrorgesetzen“, Innenstadtkonzepte/Videoüberwachung, „Geheime Informanten. Orte und Zeiten zu erfragen über: Bildungswerk Weiterdenken in der Heinrich-Böll-Stiftung e.V., Dresden (schoenfelder@weiterdenken.de).
05. Juli 2004, 18 h, in Saarbrücken zu „Geheime Informanten“, im Haus der Stiftung Demokratie Saarland.
Literaturhinweise
Die Internationale Liga für Menschenrechte, PRO ASYL
und der Flüchtlingsrat Berlin bildeten den Trägerkreis für die Veranstaltungen
aus Anlass des 20. Todestages von Cemal Kemal Altun am 30./31. August 2003.
Die Gedenkkundgebung vor dem Gedenkstein Cemal Altuns in Berlin-Charlottenburg
fand am 30. August 2003 statt, an dem gleichzeitig verschiedenen Initiativen
und antirassistische Gruppen zum bundesweiten Aktionstag gegen die
Abschiebehaft mobilisiert hatten. Redner waren: Rolf Gössner sowie Heiko
Kauffmann von PRO ASYL.
Am Abend des 31. August fand in der
Kirche zum Heiligen Kreuz eine Gedenkveranstaltung für Cemal Altun unter dem
Titel “Zuflucht gesucht – den Tod gefunden” statt, auf der Pfarrer Jürgen
Quandt (Asyl in der Kirche), Traudl Vorbrodt (Flüchtlingsrat), der frühere
Rechtsanwalt Altuns Wolfgang Wieland, Rechtsanwältin Veronika Arendt-Rojahn,
Klaus Uwe Benneter (MdB, SPD) und Heiko Kauffmann (PRO ASYL) das Wort
ergriffen. Die Redebeiträge wurden in einer Broschüre veröffentlicht, die im
November 2003 herausgegeben wurde:
„Zuflucht gesucht – den Tod gefunden: Cemal Kemal
Altun (1960-1983)“, Dokumentation der Gedenkveranstaltung aus Anlass des
20. Todestages von Cemal K. Altun (30./31.08. 2003), Hrsg.: Asyl in der Kirche
e.V. Berlin, Internationale Liga für Menschenrechte, Flüchtlingsrat Berlin, PRO
ASYL, Berlin, November 2003. Bezug über das Liga-Büro (2,50 € + Porto).
Bericht
über die Arbeit des Flüchtlingsrates Berlin e.V. 2003. Georgenkirchstrasse, 10249 Berlin, Tel.: (030) 24344 –
5762, Fax: (030) 24344 - 5763
buero@fluechtlingsrat-berlin.de,
Thematische Schwerpunkte: Abschiebehaft,
Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes, Situation der Roma – Flüchtlinge,
Abschiebungen in die DR Kongo, Bleiberechtskampagne, Öffentlichkeitsarbeit.
Ernst
Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945.
S. Fischer Verlag 2003.730 S., 29,90 €.
Ein umfangreiches Nachschlagewerk mit
über 4.000 Namen, darunter auch besonders die Mediziner und Fachleute der sogenannten
Euthanasie, Klees Spezialgebiet. Diese fehlten z.T. im "Braunbuch"
der DDR von 1965 mit rund 2.400 Namen, als Reprint neu herausgekommen im Jahr
2002 und ergänzt durch einen Band "Nazis in der DDR" von Detlef
Joseph mit ca. 870 Namen, 217 Seiten, 12,90 €, beides in der Edition Ost
2002 (M.
R-H.)
Lesetipp: Norman Paech:
Gebt Vanunu den Friedensnobelpreis!
In: OSSIETZKY 2/2004, S. 45 (Ossietzky-Abo-Service, Vordere Schöneworth
21, 30167 Hannover, Tel. 0511/ 702526, Fax 0511/ 704483,
email: ossietzky@interdruck.net
Der
Irak – Krieg, Besetzung, Widerstand.
Hrsg. Von R. Göbel, J. Guillard, M. Schiffmann. (Ein konzentrierter Überblick über
das Sanktionsregime, den Krieg, die Lage im Irak, die völkerrechtliche
Situation und die Ziele des USA in diesem Land).
„Friedenspolitische Richtlinien“ der Kooperation für den Frieden, in:
Soziale Verteidigung 1/04 (Schwarzer Weg 8, 32423 Minden), www.soziale-verteidigung.de.
Heinrich Hannover, Befreiung auf
amerikanisch. Ossietzky-Sonderdruck,
März 2004. Zu beziehen über:
Ossietzky-Abo-Service, Vordere Schöneworth 21, 30167
Hannover, Tel. 0511/702526, Fax 0511/ 704483, email: ossietzky@interdruck.net
Leider haben wir im
Liga-Report 2/2003 den Titel des Buches von Wahied Wahdat-Hagh falsch zitiert.
Er lautet nicht:
Die Islamische
Republik Iran
sondern korrekt:
„Die Islamische Republik Iran“
Die Herrschaft des politischen Islam als eine Spielart des Totalitarismus.
Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ulrich Albrecht.
Reihe: Konfrontation und Kooperation im Vorderen Orient, Band 10/2003, 536
Seiten, 35.90 €
ISBN 3-8258-6781-1
Wir
bedauern das Versehen. rg
Das neue Zusatzprotokoll zur UN – Anti – Folter
- Konvention;
Hrsg.: Deutsches Institut für Menschenrechte, Zimmerstrasse 26/27, 10969
Berlin, Tel.: 030/ 259 359 0, Fax: -59, info@institut-fuer-menschenrechte.de,
www.institut-fuer-menschenrechte.de,
Berlin Januar 2004
Medien, Menschenrechte und Demokratie,
Jahrbuch 2002/2003;
Hrsg.: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostrasse 7-11, 50670
Köln, ISBN 3-88906-102
Veröffentlichungen von Rolf Gössner (Auswahl):
Gössner, Reiseverbote in einer
grenzenlosen Welt? Zu den staatlichen Reaktionen auf Globalisierungsproteste,
in: Kleiner/Strasser (Hg.), Globalisierungswelten - Kultur und Gesellschaft in
einer entfesselten Welt, Köln 2003, S. 200 ff.
Ders., Im Namen der Sicherheit, in:
BLÄTTER für deutsche und internationale Politik 11/2003.
Ders., Präventiv-Angriff auf die
Freiheitsrechte. Zur Verschärfung der niedersächsischen Polizei- und
Verfassungsschutz-Gesetze, in: GEHEIM 4/2003.
Ders., Im Geiste Carl von Ossietzkys, in:
OSSIETZKY 1/2004, S. 32 ff.
Ders., Der Staat hat große Ohren: Vom
Ende der Vertraulichkeit, in: COMPUTERWOCHE 3/ 2004.
Öcalan skandal
kosullarda tutuluyor. Uluslararasi Insan Haklari Ligi Baskani Dr. Rolf Gössner,
in: ÖZGÜR POLITIKA 26. Januar
2004.
Bürgerrechtler warnt vor Nebenwirkungen im "Anti-Terrorkampf", in: ISLAMISCHE ZEITUNG - Forum für Deutschland, Österreich und die Schweiz, Februar 2004.
TV-Studiogespräch mit Rolf Gössner u.a.
über "Geheime Informanten" und "Internationale Liga für Menschenrechte".
Aufzeichnung vom 22.02.2004, Übertragungen in: www.net-view.tv, bei Radio Flora
(UKW 106,5 / 102,15 im Kabel), Radio ZuSa etc.
Hinweise und Notizen
Topographie des Terrors
Der Skandal der millionenteuren
beeindruckenden Bauruine steht gewissermaßen im reziproken Verhältnis zur
inhaltlich erfolg reichen und nachhaltigen Arbeit der Stiftung und ihrer
Mitarbeiter:
- rund 250.000 Besucher der open-air-Dauerausstellung
im Graben an der Niederkirchner Straße (die erhalten bleiben muss),
- international vernetzte Arbeit des Gedenkstättenreferats,
- öffentliche Nutzung der Bibliothek
einschlägiger Literatur mit rund 19.000 Titeln.
- Publikationen, Vorträge und Veranstaltungen,
Kunstaktionen und temporäre Ausstellungen, Seminare, Tagungen usw.
- gelegentliche Protestbriefe gegen den Baustopp seitens
des internationalen "Beirats", in dem die Internationale Liga für Menschenrechte
vertreten ist...
Die Liga gab vor 24 Jahren, im Januar 1980, den ersten
Anstoß durch einen öffentliche Brief an den Berliner Innensenator mit der
Forderung ihres Antifaschistischen Ausschusses nach einem Gedenkstein bzw.
Mahnmal für die Opfer der Gestapo-Zentrale, womit das Areal an der ehemaligen
Prinz-Albrecht-Straße in das öffentlich-politische Bewusstsein gerückt wurde.
Nach kontroversen Debatten, Widerständen und Begehrlichkeiten, Grabungen,
Wettbewerben, politischem Hickhack entstand in zähflüssigem Prozess die
Stiftung "Topographie des Terrors" zu diesem Ort der Täter. Vielen
Liga-Mitgliedern wird einiges noch in Erinnerung sein.
Gedenkstätte Sachsenhausen
Der diesjährige Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
galt den Opfern medizinischer Menschenversuche im Konzentrationslager. Eine
Ausstellung der Universität Erlangen-Nürnberg "Gewissenlos/Gewissenhaft"
ist bis zum 25.-April 2004 im Neuen Museum der Gedenkstätte zu sehen.
Die Gedenkstätte wird gegenwärtig für 9,7 Mio Euro
z.T. ab- und umgebaut, u.a. die Station Z mit den Verbrennungsöfen und den
Erschießungsanlagen. Es sollen nunmehr - nach über 60 Jahren - endlich hier
exekutierte politische Gegner der Nazis, die bislang vergessen waren, eine
angemessene Repräsentation erfahren.
Die
Wehrmachtsausstellung
“Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“
wurde nun letztmalig eröffnet und ist bis
zum 28. März 2004 in Hamburg zu sehen, dazu Mitte März eine Konferenz über die
Verbrechen der Wehrmacht, welche der klinisch-weiß aufbereiteten 2. Fassung
vielleicht den vermiedenen emotionalen touch verleiht. Hannes Heer, Träger der
Carl-von-Ossietzky-Medaille, soll im Begleitprogramm nochmals zu Wort kommen,
was zu begrüßen ist. Anschließend soll die Ausstellung in den Archiven des
Deutschen Historischen Museums eingelagert werden - abgehakt?
Nur im kausalen Zusammenhang mit „Vernichtungskrieg.
Verbrechen der Wehrmacht 1941- 1944“ kann - wenn überhaupt - das lautstark
geforderte und geförderte Thema der Flucht und Vertreibung aus den deutschen
Ostgebieten dargestellt werden, denn genau in diesen Kontext gehört es,
einschließlich geschichtlichen Überblicks und Rückblicks, zu den völkischen,
deutschnationalen, nationalistischen, besitzbestimmten Strömungen in den
Ostregionen der Vorkriegszeiten. Das reicht von den Annexionsforderungen der
Alldeutschen bei Kaiser Wilhelm II. über die Osthilfe für die überschuldeten
Großgrundbesitzer unter Brüning bis zu Himmlers Generalplan Ost und dem
SS-Generalsiedlungsplan mit seiner „rassenpolitischen Neuordnung“ Osteuropas.
Ein durch die coole Historisierung verändertes Geschichtsbewusstsein
darf die Kausalität der Geschehnisse nicht aus dem Blick verlieren!
(Hinweise
und Notizen von Marianne Reiff-Hundt)
Behandlungszentrum
für Folteropfer: Das Berliner
Behandlungszentrum für Folteropfer hat in seinen neuen Räumlichkeiten
(Gesundheitszentrum Moabit) eine Tagesklinik eröffnet. Die Klinik verfügt
zunächst über 6 Plätze. Außerdem ist die Durchführung eines Langzeittherapie -
Projektes (über drei Jahre) in Form einer Gartengestaltung geplant (20 Plätze).
Infos zur Tagesklinik: Ute Rokyta (Dipl.–Psychologin), Tel: 030/303 906 –25,
Fax: - 306 143 71; u.rokyta@bzfo.de, www.folteropfer.de
Bürger-Engagement für Zwangsarbeiter und andere
NS-Opfer in Osteuropa, die keine
Leistungen von der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
erhalten können:
„KONTAKTE-KOHTAKTbI“, gemeinnütziger Verein
für Kontakte zu Länder der ehemaligen Sowjetunion, der 2002 mit der
Ossietzky-Medaille ausgezeichnet wurde, hat im Januar 2004 einen Aufruf gestartet,
der von der Liga unterstützt wird:
„Geben Sie einen Tagessatz Ihres Einkommens für
Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer in Osteuropa, die keine „Entschädigung“
erhalten“.
Informationen über: Kontakte
e.V.,. Feurigstr. 19, 10827 Berlin, www.kontakte-kontakty.de;
www.buerger-engagement-fuer-ns-zwangsarbeiter.de.
Spenden
bitte an: Kontakte, KtoNr. 3065599006 Berliner Volksbank (BLZ 100 900 00),
Kennwort: „Zwangsarbeiter“.
Impressum
Liga-Report - Informationsbrief
der Internationalen Liga für Menschenrechte,
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin,
Tel.
030 – 396 21 22; Fax 030 – 396 21 47;
Mail: vorstand@ilmr.org;
Internet: www.ilmr.org
Redaktion 1/2004:
Rolf Gössner, Kilian Stein
Mitarbeit: Eleonore Kujawa, Mila Mossafer, Marianne Reiff-Hundt,
Fanny-Michaela Reisin, Petra Rosenberg, Aliyeh Yegane. ViSdP: Kilian Stein.
Spenden bitte an: ILMR, Bank für
Sozialwirtschaft,
Konto 33 17 100; BLZ 100 205 00