Internationale Liga für Menschenrechte fordert sofortige Beendigung
des Grundrechte-Ausverkaufs und eine Generalrevision der Antiterrorgesetze
Liga-Präsident
Rolf Gössner: „Bundesinnenminister Schäuble wird mit seinen sicherheitspolitischen
Horrorplänen mehr und mehr zum Sicherheitsrisiko. Der staatliche Antiterrorkampf
hat sich längst als Gefahr für Demokratie, Bürgerrechte und Rechtsstaat
erwiesen. Wer weiter an der Aufrüstungsschraube dreht, handelt populistisch und
unverantwortlich.“
Anlässlich des
Erscheinens seines neuen Buches „Menschenrechte in Zeiten des Terrors - Kollateralschäden
an der ‚Heimatfront’“ warnt Rolf Gössner vor den Überwachungsplänen der
Großen Koalition und vor einem „entfesselten, autoritären Sicherheitsstaat, in
dem Rechtssicherheit und Vertrauen allmählich verloren gehen“. Die illegal bereits
praktizierte heimliche Online-Durchsuchung von privaten Computern via Internet
ohne jeglichen Straftatverdacht sei eine kaum kontrollierbare Maßnahme mit
höchster Eingriffsintensität, die auch Unverdächtige nicht verschone; die
geplante längerfristige Zwangsspeicherung von Telekommunikationsdaten aller
Nutzer auf Vorrat, um sie für Sicherheitsbehörden zugänglich zu halten,
verstoße gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit und berge eine
hohe Missbrauchsgefahr; die Einrichtung von Referenzdateien mit biometrischen
Daten und deren Nutzung für Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung und Prävention
bedeute eine erkennungsdienstliche Erfassung der gesamten Bevölkerung auf
Vorrat und führe zu einer verfassungswidrigen Überwachungsstruktur.
„Hier werden schwere
Schläge gegen die informationelle Selbstbestimmung mit systemsprengender Wirkung
geplant“, kritisiert Liga-Präsident Gössner; damit betreibe die Große Koalition
„eine Politik des Generalverdachts gegen die eigene Bevölkerung, nachdem wir mit
dieser Art von Terrorismusbekämpfung und im Namen der Sicherheit schon seit
Jahren einen Ausverkauf an Freiheitsrechten erleben.“ So sei „im Zuge einer
maßlosen Präventionsstrategie die von Schäuble für erledigt erklärte
Unschuldsvermutung tatsächlich in weiten Teilen längst entsorgt und man scheue
sich auch hierzulande nicht mehr, Aussagen zu nutzen, die anderswo unter Folter
erpresst worden sind“.
Rolf Gössner warnt
vor weiteren verfassungswidrigen Gesetzen und Strukturveränderungen, wie sie etwa
mit dem von Schäuble geplanten Einsatz der Bundeswehr im Innern vorgesehen
sind: „Mit Nachdruck ist daran zu erinnern, dass Bundesverfassungsgericht,
Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den
letzten Jahren mehrfach Gesetze und Maßnahmen für verfassungs- oder
gesetzeswidrig erklären mussten, weil sie nicht den Grundsätzen der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprachen.“ Gössner erinnert an den
Großen Lauschangriff mit elektronischen Wanzen in und aus Wohnungen (2004), an
die präventive Telekommunikationsüberwachung (2005), die Überwachungsbefugnisse
des Zollkriminalamtes (2004), den Europäischen Haftbefehl (2005), den
Fluggast-Datentransfer an US-Sicherheitsbehörden (2006), die Befugnis zum
präventiven Abschuss eines gekaperten Passagierflugzeugs durch das Militär im
Luftsicherheitsgesetz (2006) – eine staatliche Lizenz zur gezielten Tötung von
unschuldigen Menschen. Auch die exzessiven Rasterfahndungen nach „islamistischen
Schläfern“ (2006) sind für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig
erklärt worden – ebenso wie Wohnungsdurchsuchungen bei Journalisten; 2007 hat
der Bundesgerichtshof die heimliche Online-Durchsuchung von Computern für
illegal erklärt – und trotzdem werden sie in der Praxis durchgeführt.
„Die Gerichte rügen
eindrücklich die besorgniserregende Tatsache, dass Regierungen und Parlamente
in diesen Fällen pflichtvergessen unveräußerliche Grund- und Bürgerrechte, die
Menschenwürde und den Kern privater Lebensgestaltung einer vermeintlichen Sicherheit
geopfert haben“, betonte Gössner. „Es handelt sich um deutliche Mahnungen, den
liberal-demokratischen Rechtsstaat auch in Zeiten terroristischer Bedrohungen
nicht abstrakten und letztlich unhaltbaren Sicherheitsversprechen zu opfern.“
Diese hohe Anzahl verfassungswidriger Gesetze und Maßnahmen, aber auch die deutsche Beihilfe zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak, verweisen nach Auffassung der Liga „auf ein Verfassungs- und Völkerrechtsbewusstsein in der politischen Klasse, in Parteien, Parlamenten und in mancher Sicherheitsbehörde, das im Zuge der Terrorismusbekämpfung immer mehr zu schwinden scheint – strenggenommen ein Fall für den Verfassungsschutz. Wer so leichtfertig mit Völkerrecht, Grundgesetz und Bürgerrechten umgeht und trotz der gerichtlichen Verwarnungen so weiter macht, muss sich gefallen lassen, als Sicherheitsrisiko bezeichnet und der vorsätzlichen Wiederholungstäterschaft bezichtigt zu werden. Solche ‚Sicherheitspolitiker’ sind nicht länger tragbar,“ sagte Rolf Gössner heute in Bremen.
Aktueller
Hinweis:
Mit dem Buch >MENSCHENRECHTE
IN ZEITEN DES TERRORS< wird erstmals das ganze Ausmaß der staatlichen
Terrorismusbekämpfung seit 2001 mitsamt ihren fatalen Auswirkungen auf Demokratie,
Menschenrechte und Rechtsstaat in der Bundesrepublik herausgearbeitet und mit
zahlreichen Fallbeispielen anschaulich dargestellt. Das Buch liefert auch den
rechtspolitischen und bürgerrechtlichen Hintergrund für die aktuelle Debatte um
die neuesten Überwachungspläne und zur „schönen neuen Welt“ des Dr. Schäuble.
Rolf Gössner
MENSCHENRECHTE IN ZEITEN DES TERRORS
Kollateralschäden an der „Heimatfront“
288 Seiten, € 17,--. Konkret Literatur Verlag, Hamburg, Mai 2007
Seit
den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kommt es weltweit zu gravierenden
Menschenrechtsverletzungen – nicht allein durch Terrorakte, sondern durch die
weltweite Terrorismusbekämpfung. Auch
in der Bundesrepublik übertrafen sich nach den Terroranschlägen von New York,
Madrid und London Parteien und Sicherheitspolitiker gegenseitig mit
Gesetzesvorschlägen, die der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dienen
sollen, mit Sicherheit aber ihre Freiheitsrechte einschränken. Rolf Gössner
analysiert und kommentiert kritisch die bundesdeutsche „Antiterror“-Politik und
deckt die oft skandalösen Kollateralschäden an der „Heimatfront“ auf.
Das
Buch ist ab 2. Mai 2007 über den Buchhandel zu beziehen.
Der
Autor steht für Interviews und Veranstaltungen zum Thema des Buches zur Verfügung
(rolf-goessner@ilmr.de) bis 27.04.,
11 h und ab 2.05.2005.
Besprechungsexemplare
über: info@konkret-literatur-verlag.de