Neuerscheinung am
23. Mai 2005:
Müller-Heidelberg/Finckh/Steven/Habbe/Micksch/Kaleck/Kutscha/Gössner/Schreiber (Hg.)
GRUNDRECHTE-REPORT 2005
Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland
Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt/M. 2005
255 Seiten,
ISBN: 3-596-16695-0; 9,90 €
Neue Internet-Adresse ab 23.05.2005:
www.grundrechte-report.de
Der „GRUNDRECHTE-REPORT - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ erscheint jährlich im Fischer-Verlag, Frankfurt/M. Herausgeber sind neun namhafte Bürgerrechtsorganisationen, zu denen seit diesem Jahr auch die „Internationale Liga für Menschenrechte“ gehört; außerdem: Gustav-Heinemann-Initiative, Humanistische Union, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Pro Asyl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwaltsverein, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Neue Richtervereinigung und Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen. Der Report ist erstmals 1997 als eine Art „alternativer Verfassungsschutzbericht“ erschienen. Wie immer, so erscheint er auch dieses Jahr am 23. Mai, dem Tag des Grundgesetzes – bitte beachten Sie die anliegende Einladung zur Pressekonferenz in Berlin.
Der Report spiegelt ein breites Spektrum der deutschen Bürgerrechtsbewegung wider und gibt einen guten Überblick über die „Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“. In diesem Jahrbuch wird anhand zahlreicher aktueller Fälle dokumentiert, wie im Namen des Anti-Terror-Kampfes, im Namen der Sicherheit und umstrittener Sparzwänge Menschenwürde und Menschenrechte zur Disposition stehen. Indem das Buch Demokratiedefizite deutlich herausstellt und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung vorschlägt, liefert es einen engagierten Beitrag zur Demokratisierung.
Es
folgen: Vorwort der Herausgeber sowie Inhaltsverzeichnis des
Grundrechte-Reports 2005
Grundrechte-Report 2005
Vorwort
der Herausgeber
Seit beinahe einem Jahrzehnt zieht der Grundrechte-Report regelmäßig Bilanz zur Lage der Grund- und Menschenrechte in Deutschland. Auch in diesem Jahr berichtet er von Grundrechtsverstößen durch die Polizei und andere Behörden, er macht aufmerksam auf Fälle der Missachtung der Verfassung durch das Parlament und informiert über Defizite im gerichtlichen Grundrechtsschutz.
Keiner der berichteten Vorfälle für sich allein betrachtet wird unseren demokratischen Rechtsstaat in seiner Existenz gefährden, denn das Grundgesetz bietet ihm ein tragfähiges und stabiles Fundament. Aber jede Verletzung der Menschenwürde, jede Missachtung eines Grundrechts trifft und schwächt den Rechtsstaat. Aufmerksamkeit ist auch deshalb geboten, weil verfassungsmäßige Freiheiten und Rechte meist in schleichenden, kaum wahrnehmbaren Schritten beschränkt werden, häufig nachdem sie in der politischen Debatte relativiert und gegenüber anderen Zielen für nachrangig erklärt wurden.
Wer das Grundgesetz wirksam schützen will, muss gegenwärtig ganz besonders Position beziehen gegen den Diskurs der Verrechnung von Grundrechten: Die fatale Vorstellung, die Grundrechte Einzelner könnten gegeneinander verrechnet werden, beherrscht die Debatte um die Zulässigkeit der Folter. Im Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss von Passagierflugzeugen erlaubt, hat sie bereits Gesetzesform angenommen. Das Leben und die Würde anderer Menschen opfern zu dürfen in der ungewissen Hoffnung auf die Rettung von Leben – diese Logik bricht radikal mit dem Grundgesetz, nach dem jedem menschlichen Leben der gleiche Wert und die gleiche Würde zukommt.
Unter Druck
geraten sind die Grundrechte unter den Vorzeichen weltweiter Bekämpfung des Terrorismus.
Zu ihren eindringlichen Symbolen sind das Lager in Guantánamo und das Gefängnis
von Abu Ghraib geworden. Der Umgang mit der Menschenwürde und den Rechten der
Terrorverdächtigen stellt nicht nur den Geltungsanspruch der amerikanischen
Verfassung und internationaler Menschenrechtsgarantien in Frage; er negiert den
Geltungsanspruch von Recht überhaupt. Das ist nicht ohne Auswirkungen auf die
Debatte über Grundrechte hierzulande geblieben.
Erfreulich ist, dass nicht nur der Supreme Court der Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr mit seiner Entscheidung zum Rechtsschutz für in Guantánamo Inhaftierte in diese Entwicklung korrigierend eingegriffen und dass das House of Lords das britische Anti-Terror-Gesetz für unvereinbar mit dem Rechtsstaat erklärt hat. Auch der deutsche Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil im Fall Motassadeq rechtsstaatlichen Prinzipien zur Durchsetzung verholfen. Ohne das Engagement von BürgerrechtlerInnen für die Grundrechte kämen Gerichtsurteile wie diese oft nicht zustande.
Wie wichtig mutige und konsequente gerichtliche Entscheidungen für den Grundrechtschutz sind, zeigt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Großen Lauschangriff“ – ein deutlicher Hinweis auf die grundrechtlichen Grenzen der Überwachung der Privatsphäre. Ihre ständige Zunahme durch Videoüberwachung oder sogenannte RFID-Tags zeichnet auch der diesjährige Grundrechte-Report nach.
Ein Schwerpunkt dieses Bandes ist neben der expandierenden Überwachung die kritische Auseinandersetzung mit dem Abbau des Sozialstaates durch „Hartz IV“ und andere Arbeitsmarktgesetze. Gesellschaftliche Solidarität ist kein Luxus für die Zeiten des Überflusses, sondern Verpflichtung, die aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde jedes und jeder Einzelnen folgt. Die Entwicklung des Sozialstaats, aber auch die Asyl- und Ausländerpolitik in unserem Land machen eines ganz deutlich: Wie die staatlichen Institutionen den Schwächsten – asylsuchenden, armen, aber auch alten Menschen – gegenübertreten, bleibt wichtiger Gradmesser für den Zustand von Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland.
Der Kreis der Herausgeber des Grundrechte-Reports hat sich in diesem Jahr um die Neue Richtervereinigung und die Internationale Liga für Menschenrechte erweitert. Die Stimme zu erheben, wo die Menschenwürde missachtet, Grund- und Menschenrechte angegriffen und damit die Verfassung gebrochen wird, bleibt unser Anliegen. Denn Menschenrechte dürfen auch in Zeiten der Krise nicht zum Preis werden, den der Einzelne für das Versprechen einer effektiven Terrorbekämpfung, für die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung oder für den Schutz vor Kriminalität zu entrichten hat.
Umschlagtext:
Videoüberwachung am Arbeitsplatz, der „große Lauschangriff“ auf die Privatwohnung und im Straßenverkehr die automatische Erkennung von Autokennzeichen – geht die Privatsphäre in allen Lebensbereichen Stück für Stück verloren?
Wie ist es bestellt um die Rechte von Schwachen und Schutzsuchenden, wenn alte Menschen in Pflegeheimen vernachlässigt und Familien bei der Abschiebung auseinandergerissen werden?
Wie viel Sozialstaat bleibt, wo „Hartz IV“ Arbeitszwang verordnet und die neue Sozialhilfeberechnung die Existenzsicherung erschwert?
Gilt der Schutz der Menschenwürde noch absolut, wenn das Abschießen entführter Passagierflugzeuge erlaubt ist und das Folterverbot gelockert werden soll?
Diesen und anderen Fragen geht dieses Buch nach. Die nunmehr neunte Ausgabe des Grundrechte-Reports dokumentiert auch in diesem Jahr Verstöße gegen die im Grundgesetz garantierten Rechte der Bürgerinnen und Bürger. In Zeiten, die geprägt sind von terroristischer Bedrohung und wirtschaftlicher Krise, ist der wachsame und kritische Blick auf die Lage der Grund- und Menschenrechte in Deutschland nötiger denn je.
Vorwort der
Herausgeber
Christine
Hohmann-Dennhardt
Die Wiederentdeckung der Freiheit unter den Brücken -
Zum Angriff auf densozialen Gehalt unserer Grundrechte
Christian Bommarius
Die neuen Verfassungsfeinde
Jeder
hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 I)
Dieter
Hummel
Soll der Arbeitgeber alles sehen?
Sönke Hilbrans
Der Schnüffel- Chip im Warenkorb
Martina
Kant
Automatisierte Kfz-Kennzeichenerkennung
Einstieg in eine neue Überwachungsinfrastruktur
Wilko
Zicht
Fußballfans im Abseits
Zum Zusammenspiel von staatlichen und privaten Kontroll- und
Überwachungsmaßnahmen
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit (Art. 2 II)
Martin
Kutscha
Eine Lizenz zum Töten Unschuldiger Das
neueLuftsicherheitsgesetz bricht ein fundamentales Tabu
Helmut Pollähne
Lex Vomica? Das zweite Todesopfer hanseatischer Brechmittelpolitik
Bernd Mesovic
Verteilung der Verantwortung in einem „Sauhaufen“
BGS-Beamte wegen Tod bei der Abschiebung von Amir Ageeb bestraft
Heiko Habbe
Hauptsache raus - Abschiebepraxis am Beispiel Hamburg
Tobias
Singelnstein
Unerhört eingesperrt
Zu Vorwürfen und Fällen von Misshandlungen in JVAs und Abschiebegefängnissen
Heike Kleffner
Auf dem rechten Auge blind
Bernd Schlüter
Altenpflege zwischen Sparzwängen und Menschenwürde
Günter Werner
Recht ist, was Juristen nützt - Das Rechtsberatungsgesetz vor dem
Bundesverfassungsgericht
Thilo Scholle
Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen
Rolf Gössner
Anschlagsrelevante Texte?
Wie derVerfassungsschutz kritische Kommentarezu geistiger Brandstiftung erklärt
Dieter Deiseroth
Wer petzt, kann gehen - Whistleblowing und Grundrechte
Helmut
Pollähne
„Positiv in Haft“- Grundrechtsschutz für Postsendungen an Gefangene
Maja Kreßin
Abschied von der Meinungsvielfalt? Clements Pressekartellrechts-Novelle
Dagmar Brosey
Rundfunkfreiheit für das Freie Senderkombinat .
Ein Einschüchterungsversuch der Staatsgewalt.
Ehe und Familie stehen unter dem
besonderen Schutze (Art. 6)
Kai Weber
Wie der Staat Familien zerstört
Die
Versammlungsfreiheit ist gewährleistet (Art. 8)
Wilhelm
Achelpöhler, Tjark Sauer
Hessen führt Demogebühr ein
Alain Mundt
Konzept der ausgestreckten Faust - Erster Mai in Berlin
Frank Schreiber
Kein Sonderrecht gegen rechtsextreme Demonstrationen - BVerfG zu Bochumer NPD-Kundgebung
Rolf Gössner
Aufstand der „Unanständigen“? Oder: Zivilcourage gegen Nazis strafbar
Christoph
Weinrich
Auch Nervensägen haben Grundrechte - Gießener Polizeistrategien
Das Briefgeheimnis ist unverletzlich (Art. 10)
Wolfgang
Kaleck
Pauschale Briefkontrolle in Strafhaft
Männer können zum Dienst in
den Streitkräften verpflichtet werden (Art. 12a)
Ulrich
Finckh
Wenn ein Gericht dem Grundgesetz folgen will…
Alle Deutschen haben Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen (Art. 12)
Elke Steven
Die Rückkehr der Berufsverbote
Erhard Denninger
„Großer Lauschangriff“ – zurechtgestutzt?
Politisch Verfolgte genießen
Asylrecht (Art. 16a )
Hubert Heinhold
Kurzes Verfallsdatum: Flüchtlingsstatus wird massenhaft widerrufen
Constantin
Hruschka
Das neue Flüchtlingsrecht im Praxistest
Flüchtlingsrechtliche Veränderungen durch das Zuwanderungsgesetz
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer
Bundesstaat (Art. 20 I)
Ulrich Finckh
Ein Volksentscheid entscheidet nichts - Das Hamburgische VerfG entmachtet den
Volkssouverän
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein sozialer
Bundesstaat. (Art. 20 I)
Detlef
Hensche
Hartz IV – Arbeitszwang statt Berufsfreiheit - Fragwürdigkeiten der
Sozialreform
Frank Schreiber
Menschenwürde, pauschaliert - Die Bemessung der Sozialhilfe-Regelsätze nach dem
neuen SGB XII
Gertrud Hovestadt
Schuster, bleib bei deinen Leisten - Zum
Zusammenhang von Schulbildung und sozialer Herkunft
Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an
Gesetz u. Recht gebunden (Art. 20
III)
Stefan
Waterkamp/Edda Weßlau
Die Verletzung des fairen Verfahrens in den Hamburger Al-Qaida-Prozessen
Andrea Würdinger
Terrorismusbekämpfung im Ausländerrecht...praktisch umgesetzt
Martin Kutscha
Eine Lanze für die Normenklarheit - Das BVerfGermahnt den Gesetzgeber
Wolfgang Kaleck
Mit Schwarzen Listen gegen Terrorristen
Das BVerfG entscheidet über Verfassungsbeschwerden
(Art. 93 I Nr. 4)
Till
Müller-Heidelberg
Auch europäische Menschenrechte werden durchgesetzt
Die Freiheit der Person nur auf
Grund eines Gesetzes beschränkbar (Art. 104 I)
Helmut Pollähne
Wenn Patienten in „long stay units“ (ver)enden
Zur Debatte um die „humaneVerwahrung“ in der forensischen Psychiatrie
Miriam Gruß
Freiheitsberaubung durch das Bundesverfassungsgericht?
Der Streit um nachträgliche Sichergsverwahrg
Marei
Pelzer
Kindeswohl unter Vorbehalt - Minderjährige kommen in Abschiebungshaft
Anhang
Chronologie 2004, Bürger- und Menschenrechtsorganisationen in
Deutschland (Auswahl)
Kurzportraits der herausgebenden Organisationen, AutorInnen und Redaktion,
Sachregister